Die Vollendung des Heils

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Michael Hahn

Einführung in seine Gedankenwelt
mit einer Auswahl aus seinen Werken

Von Gottlob Lang (1921)
Quellverlag der Ev. Gesellschaft, Stuttgart

Inhaltsverzeichnis des Buches
Kapitel davor:
Stellung zur Ehe

Die Vollendung des Heils

Nicht in ekstatischer Glut, sondern in bedächtigem Sinnen versenkt sich Hahn in die zukünftige Welt, die den Abschluss der Entwicklung bringt, die durch Weltall und Menschenseele sich hindurchzieht. (Hauptquelle für diesen Abschnitt ist das System: Vom Zustand nach dem Tod, S. 390ff, vom Gerichts- und Feuer-Tag und der Auferstehung, S. 419ff, von der Wiederbringung, S. 449ff. Höchst eigenartig, zur wörtlichen Wiedergabe leider zu breit). Seine Gedanken sind nur verständlich auf dem Hintergrund des Bildes der Weltentwicklung, wie es die Bibel, vor allem die Offenbarung Johannis gibt. Nach ihr reihten sich für Hahn die Endperioden folgendermaßen aneinander:

Auf die letzte Zusammenballung des Widergöttlichen im Antichrist (interessant ist, dass Hahn lange Napoleon für diesen hielt, ohne aber einen Glaubensartikel daraus zu machen) folgt die Wiederkunft Christi, der die Auserwählten als Brautgemeinde mit sich vereinigt; im Erdensabbat des tausendjährigen Reichs steht die Menschheit bei durchaus irdischen Bedingungen ganz unter dem Einfluss Christi und seiner Brautglieder, erlebt also eine paradiesisch blühende Zeit; auf die kurze Wiederentfesselung des Satans kommt das Jüngste Gericht, das nach Hahn wiederum tausend Jahre dauern mag. Die elektrischen und astralischen Feuer entzünden die Erde und die Planetenwelt – aus dem Caos kommt die neue Erde, mit dem neuen Himmel innig verbunden (kosmologische Spekulation über Erde und Sonne), auf ihr das neue Jerusalem als Heilsmittelpunkt; die andre in Nacht getauchte Hälfte birgt den Feuersee mit einem finstern, satanischen Zentrum. – Am wenigsten sagt die Bibel über den Zustand der Einzelnen direkt nach dem Tod, und hier haben Hahns eigene sinnige und tiefe Gedanken am meisten Raum zur Entfaltung.

Wo sind die Gestorbenen?

Als gesetzmäßige, stufenweise Entwicklung hat Hahn den Heilsprozess schon auf Erden dargestellt; derselbe Gedanke beherrscht auch seine Anschauung von der jenseitigen Welt. „Es wird nicht alles in eine oder zwei Massen geworfen – Himmel oder Hölle – sondern, so verschieden die Denkart und Handlungsart der Menschen ist, so verschieden ist einst ihr Zustand.“ (System 395). (Sogar bei der Schilderung der neuen Erde wird die scharfe Scheidung der Offenbarung dadurch gemildert, dass er sagt: wer weiß, ob der Unterschied gar so groß unter den Entferntesten auf der neuen Erde, und unter denen in der letzten oder geringsten Finsternis-Stufe der Unseligen sein wird?) (V, 3. Abt, 297; 25. Brief). Es geht streng nach der Regel: „Je nach dem man hier getan, trifft man es dort wieder an.“ (2Kor 5:10) Der Mensch bringt sein Schicksal, Himmel oder Hölle, Seligkeit oder Verdammnis, mit. Der Tod offenbart nur, was da ist: höheres Geistesleben oder nur seelisches Leben oder gar Durchdrungen-Sein von der finsteren Welt – ob anfänglich, ob im Reifegrad. Auch die, die selig werden, einen Lichts-Samen haben, werden unter schwereren Bedingungen als auf Erden darum ringen und darauf warten müssen, das Fehlende nachzuholen. Jeder Mangel an Heiligung muss durch eine Reinigung ersetzt werden.

Deshalb ist die Stimmung eines Gläubigen hahnischer Prägung der weitverbreiteten gerade entgegengesetzt, die sagt: nur bald aus der Erde Leid in den schönen Himmel! Er legt seine ganze Seele in die alttestamentliche Bitte: „Nimm mich nicht weg in der Hälfte meiner Tage!“ Lass mich möglichst lang leben und viel hier abmachen! Ein schweres Rätsel ist Hahn das Sterben der Kinder, die noch keine Überwinder sein können; wie er sich damit abfand, zeigt die unten abgedruckte Betrachtung beim Tod seines Brüderleins.

Hahn macht sich gewisse Vorstellungen von der äußeren Form dieser Zustände, von den Stufen oder Graden, die man durchzupassieren habe. Die nächstliegende Welt ist die des Planetenhimmels, die diejenigen festhält, die ihr Leben, z.B. durch Leidenschaften, verkürzt haben, und noch „am Band der Sterne“ hängen. Er malt es gelegentlich aus, wie jeder nach seinem Temperament auf dem Planeten seine ihm entsprechende Welt – und seinen Strafplatz findet: „Der Zornige findet im Mars viele zornige Helden, die einander zum Satan jagen wollen; der Allgeschäftige findet im Merkur viele seinesgleichen, die einander treiben und plagen , der Faule findet im Mond viele seinesgleichen, aber sie müssen dran, wollen sie auf dem kleinen Körper ihr Auskommen haben.“ (System 405). Dahinter warten andre Grade: schreckliche: wie die Gerichtskerker und Reinigungsörter, liebliche: wie das Brunnental, der Ort der Freiheit, die Vorhöfe des Paradieses (nach Psalm-Worten), die er auch Geisterschulen nennt. Durch die ganze Schöpfungswelt geht der „Scheol“ (ist für den Israeliten einfach der Ort der Toten, von Luther fälschlich mit Hölle übersetzt. Richtig wäre übrigens: die Scheol), der Ort, oder besser: die Macht der Verwandlung, die die Seelen, die kein Geistesleben haben, verwandelt und neugebiert, in die Gebärmutter der Ewigkeit zurückführt – dies beständige Verwandeln wird als besondere Qual gedacht. Die äußersten Stufen sind nach der einen Seite die Gehenna (Hölle), die finster-feurige Satanswelt, wohin er seine Erstlinge aufnimmt – und das Paradies, die Heimat der Tinktur-Welt, in dem die ans Ziel der Auferstehung Gelangten der Vollendung der Brautgemeinde, und der Verklärung des Alls warten, nicht ohne die ringende Gemeinde wirksam zu unterstützen. Wenn er von dem unschuldigen Kinderleben und Freudenlachen des Paradieses spricht, geht ihm das Herz auf; während den Christenstand auf Erden der Ernst des Ringens und die Strenge doch beschattet und beherrscht, bricht sich hier einmal die volle Freude, die Sorglosigkeit des Gotteskindes freie Bahn.

Alle die Stufen müssen auf dem Weg zum Paradies durchpassiert werden. Hat die Seele Wiedergeburtsleben, so bekommt sie einen „weißen Stein“ als Reisepass und ein Geleit von Engeln, die sie ungefährdet hindurchbringen; hat sie nur schwachgeistliches Leben, so kann sie unterwegs vom andern Tod beleidigt und aufgehalten werden, leichter oder schwerer, je nach dem inneren Stand und Reifegrad.

Wir haben verschiedentlich räumliche Ausdrücke brauchen müssen – es ist nicht unnötig hinzuzufügen, dass Hahn trotz mancher Ansätze die Stufen nicht in grobem Sinn lokalisiert. Er betont: „Wenn ich schreibe: Todes-Tal oder Brunnental, so will ich damit nicht just besondere Örter, sondern besondere Zustände benennen, als: mit dem Todes-Tal den Zustand einer aus dem Leib des Todes ausgewanderte Seele, deren, da sie noch nicht vollendet ist, viel Ungemach und manche Beleidigungen noch widerfahren können, indem sie durch Tod und Hölle wandert.“ (System 412). Darum wechselt Hahn mit den Ausdrücken, und redet neben dem unvermeidlichen Raumbild von inneren und äußeren Geburten, eine Seele ist noch eine Geburt zu weit außen – oder er versucht es mit Zahlen anschaulich zu machen: sieben ist die Zahl der uns zugänglichen Welt, die achte Zahl ist Feuer, Scheideziel, Cherubs-Schwert vor dem Paradies, die neunte das Paradies und die zehnte die Kronenzahl der Majestät Gottes. Man könnte bei den Zahlen an etwas wie Dimensionen denken; jedenfalls veranschaulicht auch diese Benennung, dass nicht an Raumabteilungen im gewöhnlichen Sinn zu denken ist.

Geistleiblichkeit

Der zweite Grundzug, der die Schilderung des Zustands nach dem Tod durchzieht, ist der realistische. Geistleiblichkeit, das „Unsichtbare im Sichtbaren“ ist für ihn, wie für Oetinger, das Ende der Wege Gottes. Darum kommt der Realismus der Offenbarung, die Schilderung der verklärten, neuen Schöpfung, seinem Bedürfnis entgegen, nur dass es kein massiver Realismus ist, denn die Leiblichkeit dieser himmlischen Realitäten ist eine quintessentialische, tinkturialische. „O prächtige Stadt! geistleiblich und körperlich! – Doch gar zu massiv möchte ich von dir nicht denken!“ redet er das neue Jerusalem an (V, 2. Abt, 319; 30. Brief). „Aller Urstoff reiner unvergänglicher Wesen aus den lichtfeurigen Oberwassern erzeugt, gehört zu dieser Stadt und den Lichts-Wohnungen; alles rein aufgestiegene Wesen, das die königlich-priesterliche Braut Gott im Geist geweiht und vom Fluch entfesselt hat, gehört auch dazu.“ (V, 2.Abt, 317). – Man fühlt, wie er mit einem Begriff ringt, der sich mit unsren Sprach- und Denkmitteln nicht ausdrücken lässt, weil wir eben in der Zweiheit von Geist und Natur stehen.

So gehört auch beim Menschen in der andren Welt – in ihr erst recht – zu Geist und Seele ein Leib, damit nicht ein Weiß-nicht-was vorhanden sei, sondern eine Individualität lebe. „Jeder Geist baut sich sein Haus.“ „Nicht das ist das letzte Ziel, dass alles unsichtbar werde, sondern dass jede Welt das Ihre einsammle und alles sichtbar werde (d.h. alles seine Eigenart und Wesen auspräge.) (System 519). Eine bloße Wiederbelebung unseres irdischen Leibes lehnt Hahn ausdrücklich ab („Ich entferne mich hier von dem symbolischen Glauben unserer Kirche.“ IV, Hebr 576; 45. Brief), es ist ein neuer, dem Geistesadel entsprechender Lichtleib, der in der gotthingegebenen Seele sich aufbaut: „Der Same, den wir von Christus empfangen, ist nicht bloß Geist, sondern Leben, Licht, Wesen, Kraft und Herrlichkeit.“ (IX, Korinther 782; Betrachtung 30). Dennoch hat der Lichtleib Zusammenhang mit dem gegenwärtigen, den er mit einem glücklichen Gleichnis so erklärt: „Der Same (von oben) wächst zu einem neuen Leib im Acker des Fleisches, und nimmt von dem Acker die Kraft und lässt das andre gehen. Ein Wiedergeborener, sobald er ausgewachsen ist, steht auf und lässt den Leib verwesen, er hat die Kraft vom Acker schon am neuen Leib.“ (IX, Korinther 782). Die Auferstehung – oder wie wir es passender sagen würden: die Neu-Verleiblichung – tritt nicht mit einem-mal für alle ein, sondern je nach dem Reifegrad zu verschiedenem Zeitpunkt. Viele werden noch während der Erdengeschichte reif zur „ersten Auferstehung“, ja es gibt solche, die vom Moment des Sterbens (vom Nu an) der Auferstehung teilhaftig sind – (so versteht Hahn die Stelle Offb 14:15. Die meisten Ausleger erklären das „von nun an“ = vom Tod Christi an). Der Lichtleib ist nicht wie der irdische Demütigungsleib beschränkt, er kann sich zusammenziehen und ausdehnen; die Größe und Herrlichkeit und Feinheit des Baues richtet sich nach dem Grad der Überwindung, Reinheit und Jesusähnlichkeit, der auf Erden erreicht wurde. „Alle Auskehrungen und Zerstreuungen brechen die kraftvollen Strahlen der Sonne der Lichtwelt; und dieses Strahlenbrechen verhindert das Ausreifen der edlen Tinktur-Pflanzen, die edle Wiedergeburt. Alle Sünden, die das Lebensrad entflammen, verderben edle Teile der Tinktur-Kraft, also Kräfte, die zum Auferstehungsleibe gehören. Keine Sünde aber raubt mehr Auferstehungskräfte oder Kraftwesen, das zum Auferstehungsleib gehört, als die Fleischeslust!“ (System 433).

Von hier aus ist der ganze Ernst des Strebens nach Vollkommenheit und Ausgeburt verständlich, der das Frömmigkeitsbild Hahns durchzieht. Über jeder Selbstverleugnung, jeder Hingabe an Gottes Wort steht: dass ich herankomme zur [Aus]-Auferstehung aus Toten (Phil 3:11)! Das erst ist der geistliche Geburtstag (nicht schon die Bekehrung). Werfen wir noch einen kurzen Blick auf das Los derer, die der Gnade der ersten Auferstehung nicht teilhaftig werden. Um an die äußerste Grenze, von der Hahn nicht viel spricht, zu rühren: es gibt eingefleischte Satane, die zum Zorncharakter Gottes ausgereift sind; sie bekommen aus satanischen Kräften einen Finsternis-Leib und gelangen so zu ihrer ersten Auferstehung. Für die Masse der Menschen aber ist eben die Blöße das, was die Qual ihres Zustandes ausmacht. „Wenn kein Geist vorhanden ist, also kein Lichtstoff zu einem neuen Leibe, wie schrecklich wird da der geschiedene, vom Fleisch getrennte Feuerwurm, die menschliche Seele, sich gestalten!! Wie abscheulich-greulich hundert- und tausendmal im Scheol sich umgestalten und in aller Unruhe sich umquälen!“ (System 398). Die Not der Seele ohne Leib spinnt Hahn weiter aus, indem er sagt: sie sucht sich an ihr Wanderzelt zu halten, und die angenommene Gestalt des hier gehabten Leibes magisch anzuziehen, ohne sie freilich festhalten zu können. – In der zweiten Auferstehung aber, die alle an den Richterthron beruft, bekommen alle einen, ihrem Wesen entsprechenden Leib, sie müssen sein, auch wenn sie ins Nichtsein flüchten möchten – denn sie hängen alle am Band des Geistes der Ewigkeiten.

Allgemeine Auferstehung

Die frühere und herrlichere Verleiblichung ist nicht der einzige Vorzug der Auserwählten, der „Seligen und Heiligen“. Was sie auszeichnet, ist die innigere Verbindung mit dem im Geist erhöhten Herrn. Die Gleichnisse Jesu geben ihm Anlass, zu unterscheiden zwischen der Braut, die zur vollen Vereinigung mit dem Herrn kommt, ihren Gespielen (Jungfrauen), den Gästen und den bloßen Zuschauern bei der himmlischen Hochzeit. (Das naheliegende Missverständnis, dass Verehelichte nicht zur Brautgemeinde kommen könnten, wehrt Hahn ausdrücklich ab). Vor allem aber: Die Erstlinge sind die, durch die der Herr die andern nachholen, emporziehen will; sie haben die Macht dazu in dem Maß, als das Geistesleben in ihnen herrschend geworden, und ein liebendes Herz für alle in dem Maß, als sie auf Kreaturen-Liebe verzichtet haben. – Daher heißen und sind sie: Könige und Priester. So entwirft Hahn im freien Anschluss an das letzte Blatt der Bibel ein großartiges, sieges- und geistatmendes Schlussgemälde:

Auf der neuen Erde, die aus der Feuertaufe des Weltbrandes hervorgegangen ist, sind sie alle durchs Gericht hindurchgegangen, also selig. Aber sie sind verschieden an Herrlichkeit. Auf dem Berg Zion, im neuen Jerusalem, wohnen die Könige und Priester, dort ist’s am herrlichsten und gottnächsten. Um sich herum haben sie die noch nicht ganz ausgeborenen Kinder, mit denen sie sich göttlich beschäftigen in vollem Geistesvergnügen (V, 2.Abt, 306; 30. Brief). Aber noch weiter reicht ihr Einfluss, noch ernster ist ihre Aufgabe. Den andern Pol bildet der Feuersee mit den Verbannten, Verdammten, der im satanischen Haupt seinen finsteren Mittelpunkt hat. Durch die Auserwählten und ihre Scharen, die zu ihnen hinzukommen, gewinnt der göttlich-menschliche Geist Jesu, der bei ihnen ist als Licht und Kraft, einen Sieg um den anderen; belebende Einflüsse, deren Mittel Lebensströme, Blüten und Früchte vom Lebensbaum sind, wirken hinaus. So findet ein ständiges Aufrücken statt – und mit den Menschen veredeln sich die Lichts-Wohnungen: entweder steigen die Vollendeten auf in andere verklärte Welten, oder die Gottesstadt dehnt sich wachstümlich aus, und immer mehr verfeinert sich die neue Erde. Endlich bleibt, von lauter Licht umspielt, Satan allein übrig; lange hat er die Last – zuletzt allein – getragen, da ersinkt auch er in Gottes Erbarmen und wird ein Lichts-Fürst und Untertan. So ist das Schöpfungsziel erreicht, keine Vermittlung und Versöhnung mehr nötig, Gott alles in allen (1Kor 15:28). Freilich Ewigkeiten [Äonen] braucht Gott dazu.

Die Wiederbringung aller Dinge

Damit sind wir bei der Krone der Hahnischen Lehre angelangt: der Lehre von der Wiederbringung aller Dinge zu Gott (Vorläufer z.B. Origenes und Oetinger). Hahn lehrt nicht eine mechanische plötzliche Verwandlung oder Beseligung auch der Gottlosen, sondern eine allmähliche; je nach dem Reifegrad des Bösen dauert es länger oder kürzer, bis die Seelen bilderlos geworden sind und in das Erbarmen Gottes ersinken. Dem Satz: Gott rettet noch alle – steht der andere ergänzend zur Seite: Gott setzt durch den Dienst seiner Erwählten und durch Gerichte, die eine eigentliche Auflösung und Vernichtigung bedeuten, alle in die Umstände, dass sie von sich aus nach der Gnade begehren. Bei diesem Ernst der Auffassung der Wiederbringung glaubt sich Hahn gedeckt gegen den naheliegenden Einwand, dass die Bekehrung zu leicht genommen werde, wenn alles zuletzt gut hinausgehe. „Wer nur 8 Tage in der Hölle sein wollte, um nicht alle Sünden hassen und lassen zu müssen, ist nicht viel Schatzes wert.“ (System 467). D.h. mit anderen Worten: wen vor allem Furcht vor ewiger Strafe treibt, das Böse zu lassen, dessen Bekehrung hat ohnehin nicht viel sittlichen Wert. Der Gedanke an den auch nur zeitweiligen Verlust an Herrlichkeit bietet ihm einen ebenso wirksamen Ansporn.

Hahn begründet seine Wiederbringungslehre auf dreifache Weise: aus der Bibel, aus dem menschlichen Gefühl und aus Gründen, die in Gott selbst liegen.

Aus der Bibel lässt er vor allem die Stellen sprechen, die von einer allumfassenden Barmherzigkeit und einem alle umschließenden Heilsziel sprechen: Gott hat alle beschlossen unter den Unglauben, auf dass er sich aller erbarme (Röm 11:32); auf dass alle Dinge unter ein Haupt gefasst würden in Christus (Eph 1:10); alle Knie müssen sich vor ihm beugen und alle Zungen bekennen (Phil 2:10). Selbst eine so einfache Psalm-Stelle wie diese muss ihm dienen: Alles, was Odem hat, lobe den Herrn (Ps 150:6). Den entgegenstehenden Stellen gibt er eine eigentümliche Deutung: z.B. zu der Stelle: da ihr Wurm nicht stirbt und ihr Feuer nicht verlöscht (Mk 9:42), zieht er die andere heran: du wirst vom Kerker nicht herauskommen, bis du auch den letzten Heller bezahlst (Mt 5:26), und schließt nun analog: der Wurm stirbt nicht – nämlich bis er sich ganz durchgefressen hat, das Feuer verlischt nicht – bis es alles verzehrt hat.

Die Wiederbringungslehre ist ihm aber ebenso sehr Sache seines persönlichen Gefühls, das gegenüber der Strenge der Anforderung an die Erstgeborenen einen Ausgleich sucht. Es schlägt sein ganzes Herz darin, wenn er sagt: „Erst dann ist die Seligkeit völlig, wenn die arme Kreatur im Ganzen genommen mit-selig ist im vollkommensten Sinn.“ (System 359). Darum stellt er diese Lehre nicht als eine Vermutung, wie so vieles andere in den eschatologischen Partien hin, sondern als eine Gewissheit; und er kann die Gegner derselben nicht begreifen; von ihnen meint er: „Es ist nicht möglich, dass sie den königlich-priesterlichen Sinn und Geist Jesu haben, und dass die Liebe Gottes in ihren Seelen ausgegossen ist; wie könnten sie sonst den Gedanken einer unendlichen Höllenstrafe nur einen Tag ertragen!! Müsste sie nicht das Erbarmen und Mitleiden ganz verzehren!“ (System 468. – Merkwürdig ist immerhin, dass nun hier das sinnlich-seelische Gefühl so ganz als Norm gelten soll, dem sonst so wenig zugetraut war.) –

Dahinter liegt aber noch eine andere spekulative Begründung. Das Böse ist ja für Hahn, wie wir uns erinnern, ein Steckenbleiben in den unteren Natureigenschaften Gottes, aber eben doch: Gottes (System 525). So hungert der Geist der Ewigkeit, der auch die Gottlosen noch festhält und durchdringt, in allen Geschöpfen nach seiner Vollendung, nach seiner Erhöhung in den Geist der Herrlichkeit. Nicht bloß um der Menschen, um Gottes willen glaubt Hahn an die Wiederbringung aller Dinge. Denn, sagt er einmal von hoher Warte: Alle Kreaturen sind lauter noch einmal auszugebärende Buchstaben und Charaktere Gottes und des Schöpfers, und müssen erst durch die Herrlichkeit Gottes soweit genesen, dass Gottes alles in allen ist – aber dazu gehören Zeiten und Ewigkeiten (V, 3. Abt, 94; 9. Brief). Wir können hinzusetzen: erst wenn alle Buchstaben des Schöpfungsalphabets ausgeboren, und mit dem Vokal Jesus ausgesprochen sind, erst dann ist wirklich Gottes Offenbarung, Gott in seiner Offenbarung vollendet.

So schließt dieser steile und schmale Anstieg eines Heilswegs mit weitester Aussicht, und der heilige Ernst löst sich in Jubel auf: Jesus, der Erb-Herr vom All und seine Braut Miterbin, die erste Schöpfung durch die zweite in Gottähnlichkeit und Geistleiblichkeit vollendet, der geoffenbarte Gott in seinen Geschöpfen innig nah und ganz offenbar in allen, und an dem Tempelbau aus lebendigen Steinen fehlt kein Stein (V, 1. Abt. 309f; 17. Brief).

Schweres Sterben

(Liederband Nr.492. Aus dem Lied: Nachdem dich Jesus losgemacht – für eine besonders verständnisvolle Anhängerin, Elisabeth Widmann in Calw, nach schwerer Krankheit).

Du dachtest: ach, mein Gott, das Grab!
Was soll ich schon darinnen machen,
Da ich kein himmlisch Haus noch hab
Nebst vielen andern Geistessachen?
Ins Licht kann ich nicht gehen ein,
Weil Finsternisse in mir sein,
Von denen ich nicht freigebunden,
Die nicht vollkommen überwunden.
Ach Gott, wie ist mir doch so bang;
Das Sterben geht bei mir mit Zwang.
Wenn man den Austrag gut versteht
Von diesem armen Erdenleben,
Durch was es alles billig geht,
Wenn man einmal ist Gott ergeben;
So wünscht man auch in Leidensnot
So leichthin nicht den balden Tod;
Man will, man soll auf dieser Erden
Durch allerlei geübet werden.
Man dürstet nach Volljährigkeit,
Und mit dem Sterben hat’s noch Zeit.

Kindersterben

(V, 3. Abt, 201; 18. Brief)

Es geschah erst in diesem Monat, im ersten Tag des Mai in diesem 1784sten Jahr, dass ich in meinem Zimmerlein war, wo ich gewöhnlich schreibe. Da kam einer meiner Brüder vor dasselbe und rief mir, ich sollte in die Stube kommen (das war abends um sechs Uhr); denn ich hatte ein kleines Brüderlein Namens Johannes, das war krank und wollte nun sterben. Da ich nun hinkam, da war es sehr schlecht; ich sah wohl, dass es bald sterben würde, die Meinen aber vermuteten es nicht sobald. Ich setzte mich dann auf den Stuhl zu meinem Vater und sagte: mir ist doch bedenklich, wenn ein solch kleines Kind stirbt; man hat sich wohl zu prüfen, warum es geschieht. Ein solch Kind, sagte ich, stirbt zwar selig, aber kein Überwinder wird es, keine Werke folgen ihm nach, weder böse noch gute; und wenn es am Leben geblieben und sich bekehrt hätte, hätte es seliger und herrlicher werden können. Ich hatte auch Mitleid mit dem armen Würmlein aus eben dieser Ursache. Mir wurde aber mitgeteilt durch den Geist: es ist zwar so; aber ein Kind genießt so viel Seligkeit, als es kann und hat so genug in seinem Teil, wie der, welcher mehr genießt, der tut auch, so viel er kann. Ein Veilchen ist in seinem kleinen Teil doch lieblich und edel. Lass es jetzt so sein mit dem Kinde; Gott sah, dass es zu Grunde gegangen und weniger selig geworden wäre, als so. Mir wurde [bewusst]: Gott will eben durch Mittel wirken, Erstlinge sind Erstlinge; auch darüber wurde ich beruhigt: der Herr lobe sich in den Kleinen und durch die Kleinen (Ps 8:3; Mt 21:16). Er habe Anstalten genug, dort die Kinder zu unterrichten und zu seiner Erkenntnis zu bringen... An dem sei’s genug. Das Brüderlein ist gestorben, selig, doch nicht im Erkennen und Schauen; es wird steigen mit allen Kleinen. Amen, Halleluja, Amen. Im Mai 1784.

Auf den Tod eines Bruders

(X, Lied 129. Nach dem handschriftlichen Eintrag war der rasch Geschiedene ein Johann Georg Bengel von Nufringen. Man glaubt Hahn bei der (in Hahnischen Kreisen noch heute üblichen) Leichenstunde zu den Brüdern sprechen und den sie bewegenden Fall von innen her beleuchten zu hören; und wir konnten uns, um der unmittelbaren Wirkung nichts zu rauben, nicht entschließen, von dem freilich breit angelegten Gedicht etwas wegzulassen.)

Wie bist du uns davongeschlichen,
Und unvermutet uns entwischt!
Du bist wie heimlich uns entwichen,
Und fast mit einer Art von List.
Man ließ uns nur von Bess‘rung sagen,
Bis man dich hat ins Grab getragen,
Dass keiner konnte halten dich.
Warum nur dieses ist geschehen,
Das werden wir erst dorten sehen.
Auf dieses nun verlass ich mich.
Just da wir dich am liebsten hatten,
Und da du uns warst teu‘r und wert;
Fliehst du und lässt uns da den Schatten,
Den niemand mehr im Haus begehrt.
Was soll das sein, was muss man denken?
Wer sollte sich nicht billig kränken?
Nur der, der dich nicht hat gekennt.
Wer dich gekennt, hat dich geliebet,
Und dieser ist mit Recht betrübet,
So oft man deinen Namen nennt.
War denn dein Tagwerk schon vollendet?
Du starbest doch nicht ungefähr?
Die Antwort, die man dort erst findet,
Belangt schon manche wirklich sehr.
Allein sie müssen sich bescheiden
Und das Nichtwissen lernen leiden,
Es muss ja hier nicht alles sein.
Und was man denkt auf vieler Fragen,
Das darf man auch nicht alles sagen,
Sonst macht man sich nur selber Pein.
Genug, du bist uns nun entzogen,
Wir mangeln deine Brauchbarkeit;
Du bist als wie davongeflogen
In eine schöne Ewigkeit.
Da wirst du freilich nach Verlangen
Ein neues Wirkungsfeld empfangen,
Da sich dein Geist entwickeln kann.
Da wirst du lernen und wirst lehren,
Da wird man dich und du wirst hören;
Denn beides wird dir stehen an.
Der schöne Grund wird sich enthüllen,
Der längst in dir zu merken war.
Da wird man dein Verlangen stillen,
Denn dir wird alles hell und klar.
Was du hier blickweis hast gesehen,
Das bleibt dir dort vor Augen stehen
Und wirst von allem gut belehrt.
Indessen wirst du nach Begehren
Noch hinter dir viel andre lehren,
Die weniger, als du, bekehrt.
Vielleicht kommst du zu solchen Brüdern,
Bei denen sich dein Geist ergötzt;
Zu mehr vollend‘ten edler‘n Gliedern,
Da dir der Mangel wird ersetzt.
Hier konntest du so manches fragen,
Das man dir nicht ganz konnte sagen;
Dort kann man es und tut es gern.
Die Glieder, die dich unterweisen
Und deinen Hunger völlig speisen,
Sind‘s angewiesen von dem Herrn.
So gerne du die nun wirst haben,
So gerne haben sie auch dich.
Sie dienen dir mit ihren Gaben;
Du sagst: ich find‘ gedrungen mich,
Auch solchen, die den Herrn nicht kennen,
Die ganze Wahrheit recht zu nenne,
Es freut auch sie, wie es mich freut.
Dies ist dann deines Geistes Leben,
So wirst du nehmen und wirst geben,
So warst du ja hier in der Zeit.
Die vielerlei Verdrießlichkeit
Die hindern dich nun nimmermehr;
Die schmerzlichen Bedenklichkeiten,
Die machen dir nun nimmer schwer.
Dich können nun nicht mehr verhindern
Die vielen von den Menschenkindern,
Die deiner Hilfe waren not.
Gott hat auch diesen dich verborgen,
Er will sie andrer Art versorgen;
Du halfest sorgen für ihr Brot.
Du hast dies selbst nicht aufgegeben,
Der Abend traf dich tätig an;
Du wirktest fort in deinem Leben,
So, wie ein Christ soll, der es kann.
Nun wirst du freilich Ruhe finden;
Die Arbeit, die dich wird verbinden,
Wird freilich lauter Ruhe sein.
Die Werke, die im Herrn geschehen,
Die werden freilich dir nachgehen,
Dass du wirst leben ohne Pein.
Du bist ja in dem Herrn gestorben,
Der dir durch seinen Opfertod
Das ew‘ge Leben hat erworben;
Was sollte dir dann machen Not?
Du hast ja in dem Herrn gelebet;
Was diesem Leben widerstrebet,
Hast du durch seinen Geist gedämpft.
Und also, weil du so gestritten,
So hast du freilich ausgelitten
Und einen guten Kampf gekämpft.
Der Zustand, in dem wir dich glauben,
Ist Himmel und ist Seligkeit.
Doch dort wirst du nichts wollen rauben
An dich, wie hier in dieser Zeit.
Du wirst der Auferstehung hoffen
Bis du zu deren Ziel geloffen;
Vielleicht steht das nicht lange an.
Indessen wirst du dich erfreuen
In jenen schönen Himmelsmaien,
Wie dich der Tod nicht halten kann.
Du eiltest hier dem Ziel entgegen,
Der Tod kann dich nicht halten auf;
Nie säumtest du auf deinen Wegen
In deinem ganzen Gnadenlauf.
Also, was sollt dich halten können?
Wo solltest du dich noch besinnen,
Dies zu verlangen oder das?
Nein, ach, es ist dir unverborgen,
Dass nicht zu tun und zu besorgen
Von allem, nein, ich weiß nicht was.
Vielleicht wird man dir dort ersetzen,
Was einen solchen starken Mann
In dieser Welt nicht soll ergötzen*.
Wir zeigen es nicht deutlich an.
Ist es in Jesu Sinn geschehen,
So wird es ohne** nicht abgehen.
Und dieses zweifeln wir nicht dran.
Es wird etwas dir dafür werden,
Es machte dir ja Kampf auf Erden;
Wenn‘s anders Gott gefallen kann.
*(Nämlich, weil er es sich versagte.)
**(Ohne Wirkung für die Ewigkeit.)
Genug, du wirst bald auferwecket
In Jesus-Kraft und -Ähnlichkeit;
Ein weiß Kleid, das indes dich decket,
War, wie wir glauben, schon bereit*.
Dies ist vermutlich dir gegeben,
Denn es gehört zu deinem Leben,
Bis es ganz ausgeboren ist;
Dies ist am Auferstehungsmorgen.
Bis dahin ist etwas verborgen
In unsrer Mutter, Jesu Christ.
*(Eine Art Vorstufe der Neuverleiblichung. Vgl. übrigens Offb 6:11 ü. ö.)
An keinem kalten Winterorte
Sollt‘ man dich dorten treffen an;
Denn du hast an dem Lebensworte,
Das unser Herz beleben kann,
Kein zugeschloss‘nes Ohr behalten,
Wie andre viele Faule, Kalten,
Die gleichgültig und lässig sein,
Die hier das Gute nicht recht nützen
Und eigner Schuld im Dunkeln sitzen,
Oft ohne Rührung, wie ein Stein.
An einem sonnenreichen Orte
Bist du, so glauben wir von dir,
Wo man die tiefsten Lebensworte
Dir klarer machen wird als hier.
An diesem Orte wirst du blühen
Und Auferstehungskraft anziehen;
Denn da ist Wasser deiner Mühl‘.
Da wird es dir, das musst du sehen,
Viel stärker nach Verlangen gehen,
Viel stärker hin nach deinem Ziel.
Wie gerne wir dich länger hätten
Bei uns gehabt in dieser Welt,
Und um dein Leben mehr gebeten
Wenn man’s uns hätte recht erzählt;
So gerne wollen wir dir gönnen
Die Ruhe, die wir glauben können,
Die deine Seele hab erlangt,
Dass du nicht länger bei uns Leuten
Hast sollen kämpfen, dulden, streiten,
Und dass dein Geist im Himmel prangt.
Die Ursach‘ von dem balden Scheiden
Ist, wie gesagt, Geheimnis mir,
Und sie ist es auch andern Leuten,
Die dich so wohl gekennet hier.
Ich muss und will es hier nicht wissen;
Ein jeder soll dich lernen missen,
Dann fällt es ihm nicht mehr so schwer.
Dass du so manchen lieb gewesen,
Kann man an ihnen deutlich lesen,
Du warst’s auch mir vielleicht noch mehr.
Das soll und muss ein jeder wissen,
Wer eine Auferstehung glaubt:
Man darf dich ja nicht ewig missen,
Dich hat die Hölle nicht geraubt.
Also wer dieser wird entgehen,
Der tröste sich mit Wiedersehen,
So leichtert dieses ihm die Sach‘.
Der Weg, den du jetzt bist gegangen,
Ist schon von uns auch angefangen;
Wir folgen also hintennach.
Hätt‘st du es sollen weiter treiben
In dieser Welt, wie mancher denkt;
So hätte Gott dich lassen bleiben
Und länger Leben hier geschenkt.
Dass aber du dein Ziel gefunden,
An das er seinen Lauf gebunden,
Wird von mir als gewiss geglaubt.
Ein andrer mag sich also kränken
Und anders meinen oder denken,
So hat er ja ein eigen Haupt.
Gott, welcher uns zuvor ersehen,
Und auch zuvor verordnet hat,
Lässt ungefähr nichts hier geschehen,
Ein ungefähr find’t hier nicht statt.
Wenn’s also ist nach Gottes Willen,
Wer sollte nicht den Kummer stillen?
Wer sollte unzufrieden sein?
Gewiss, das hieße töricht denken,
Sich wider Gottes Fügung kränken
Und ohne Not sich machen Pein.
Seid also, Freunde, wohl zufrieden,
Seid, Brüder, also klug und froh.
Was unserm Bruder ist beschieden,
Ist jetzo sein und Gott will‘s so.
Wer weiß, wie manche Erdensachen
Noch etwas hätten können machen,
Dass er es nicht so hätt‘ erreicht.
Wir können das nicht vorher wissen,
Weshalb wir uns denn schicken müssen,
Bis Zukunft alles schön ausgleicht.
Es ist ein gar vermess‘nes Wesen,
Wenn man in gar nichts warten will,
Wenn alles man will vorher lesen,
Wo man doch warten sollte still.
Es kann unmöglich unsern Augen
Das alles sehn und wissen taugen.
Man seie also wohl vergnügt.
Man hört ja, dass nach wenig Jahren
Man alles soll und wird erfahren,
Dass man von allem Auskunft kriegt.
Herr Jesu! mach uns alle eben
Auf unser Ende recht gefasst;
Dass uns am Ziel vom Erdenleben
Der Lichtes-Himmel auch nicht hasst;
Dass wir mit allen wahren Frommen
Auch zu dir werden eingenommen;
Denn das ist unsres Geistes Ziel!
Lass uns alleine auf dich blicken,
Und uns allein an dir erquicken;
Das ist es, was dein Herze will!

Verschiedenes Los je nach Stand

(Liederband Nr.167)
Offb 14:13: Selig sind die Toten, die in dem Herrn sterben von nun an. Ja der Geist spricht, dass sie ruhen von ihrer Arbeit, denn ihre Werke folgen ihnen nach.

Tote, die im Herren sterben,
Werden wahres Leben erben;
Leben ist in ihnen drinnen,
Nichts wird sie vom Leben trennen.
Jesus wird sie auferwecken
Und mit einer Krone decken!
Daran wird sie jeder kennen –
Einen Erstling Gottes nennen.
Seelen, die in Christo leben,
Gleich wie am Rebstock die Reben,
Mögen gern das Leben lassen,
Das sie nur natürlich fassen;
Es kann sie kein Tod beleiden;
Nein, sie scheiden ab mit Freuden.
Ihnen kann's nicht übel gehen;
Nein, sie werden auferstehen!
Herzen, die im Herrn nicht leben,
Ihrem Schöpfer widerstreben;
Die das Unrecht in sich saufen*,
Und die breite Wege laufen,
Werden einst nach dem Erkalten
Von dem andern Tod gehalten,
Am Gerichtstag wird man sehen,
sie im Fleische auferstehen.
*(Der starke Ausdruck, wohl aus Hi 15:16: Ein Mensch, der ein Greuel und verderbt ist, der Unrecht säuft wie Wasser)
Ach, fast lieber nicht geboren,
Als aus dieser Welt verloren,
Ohne Jesus Christus gehen
Und im Fleische auferstehen!
Solche Leiber werden leiden,
Bis sich Fleisch und Geist wird scheiden;
Große Pein nach dem Verdammen
In den heißen Höllenflammen!
Herzen, die das Leben fassen,
Und das eigne Leben hassen:
Die bekommen Geistessamen
Glaubend hier an Jesu Namen.
Dieser Same wird sich treiben,
Nicht im Tode lassen bleiben;
Seine edlen Lebenskeime
Dringen durch der Höllen Räume.
Seele, dieses fasse gründlich,
Und ergib dich Jesu kindlich!
Wolle nicht in Sünden leben,
Noch am Band der Sterne kleben.
Fasse Ausfluss von der Sonne,
Die da strahlt mit Licht und Wonne,
Deren ihre Freundlichkeiten
Sich in aller Welt verbreiten!
Lass dein Aug‘ sie konzentrieren
Und ins Herz zusammenführen.
O sie werden dich erhitzen
Und mit reinen Lebensblitzen
Alle Kraft der Sünde töten,
Dich von Tod und Hölle retten;
Und mit Geisteskraft beseelen,
Dass es dir nicht möge fehlen!
Du kannst nicht erstorben bleiben;
Nein, das Leben wird dich treiben!
Wirst du es mit Willen fassen,
Ungehindert wirken lassen,
Bis du völlig ausgeboren,
Geht ihm keine Kraft verloren,
Wenn du dich ihm ganz ergeben,
Es bringt Frucht in seinen Reben.
Früchte wirst du freilich bringen,
Die ins ew‘ge Leben dringen.
Früchte aus der Jungfrau-Erden,
Die du, Herz, wirst selber werden.
Diese Werke wirst du sehen
Dir nachfolgen und nachgehen.
Das lass dich begierig machen,
Unsre Sonne anzulachen.
Selig sein heißt: das Erretten
Haben von des Satans Ketten;
Und, was heißet auferstanden?
Frei von Höll‘ und Todesbanden!
Und, was heißet freies Wesen?
Als, ins Himmelreich genesen!
Herz, dies wird dir ja gefallen,
Vor den Erdendingen allen.
Selig sein und nicht erst werden,
Selig schon auf dieser Erden
Sind sie, die im Herren leben,
Die sich ihme ganz ergeben.
Nicht in etlich‘ tausend Jahren
Werden sie es erst erfahren,
Dass sie selig sind und heißen;
Nein, es wird sich hier beweisen.
Nicht in einem Edens-Garten
Werden sie noch müssen warten,
Bis sie werden eingelassen,
Frucht vom Lebensbaum zu fassen.
Nein, sie werden, diese Frommen,
Gleich in Orten aufgenommen,
Wo sie schnell zum Auferwecken,
Gehen in den weißen Röcken.
Sie wird ja der Tod versetzen
Hin, wo Gott sie wird ergötzen;
Gleichsam in die Luftrevieren
Werden sie die Engel führen.
In des Paradieses Nähen
Werden sie sich führen sehen;
Wo, wann sie nach Strahlen greifen,
Sie zur Auferweckung reifen.
Nicht mehr Arbeit wird sie quälen
Die zur Ruh‘ gekomm‘nen Seelen.
Von den hier gehabten Lasten
Werden sie ganz ruhig rasten;
Denn sie sind mit Lichts-Verlangen
In die Ruhe eingegangen.
All ihr Wirken ist genießen:
Nur ein Wollen, nicht ein Müssen.
Andre, die noch unvollkommen
Abschied von der Welt genommen,
Mögen noch an ihren Werken
Unvollkommenheit vermerken,
Und daran zu rechte machen.
Freilich sind das solche Sachen,
Die wir dorten werden sehen,
Wenn wir einst hinübergehen.
Wer zur Ruhe will gelangen,
Muss sie nur in sich empfangen.
Wer da ruht von eignen Werken
Und wird nur auf Jesus merken,
Und nur ihn wird wirken lassen,
Der wird wahre Ruhe fassen*,
Und zugleich denselben Samen,
Den Apostel schon bekamen.
*(Zum Verständnis kann die Stelle dienen: „In Gott wirken ist ein ewiges und vollkommenes Ruhen“, XI, 1.Abt, 23; 4.Brief. Hahn will in diesem Zusammenhang sagen: selbst die Gottesruhe ist nicht etwas, was man drüben erst empfängt, sondern muss schon Besitz der Seele sein mitten im Wirken.)
Liebster Jesu, liebstes Leben!
Mach auch mich zum grünen Reben!
Ach, lass mich doch nicht verderben,
Lass mich immer in dir sterben –
Sterben ab dem eignen Leben,
Das mir von Natur gegeben!
Dann wirst du, Herr, dies erhöhen,
Dann kann ich bald auferstehen!

Der neue Leib

(X, Nr. 22; aus dem Lied: Wie Adam etwa vor dem Fall..., V. 53-55.)

Jungfräulich-männlich weiß und rein
Sind wir, wenn wir vollendet,
Wie ein Sardis- und Jaspisstein,
Das sich gar schön verbindet.
O darum lass uns an dem Herrn
Doch immer hangen herzlich gern,
Der sich gern zu uns wendet!
Wie herrlich wird einst unser Leib
Im Auferstehen scheinen!
Da ist er nicht mehr Mann und Weib,
Nein, Jesu, gleich dem deinen,
Die schönste männliche Jungfrau,
Dergleichen ich hier keine schau
Bei Großen und bei Kleinen.
Ach Herzgeliebter, nimm es doch,
Mein Lieben ganz gefangen,
So, dass ich mög‘ alleine noch
Und immer an dir hangen!
Ich bitte, lass mich immerdar
Auf dich, mein Urbild sehen klar,
So werd‘ ich dich umfangen!

Die Gottesstadt auf der neuen Erde

(V, 3. Abt, 295f; 25. Brief)

Was für eine Materie es sei, woraus diese Stadt gebaut ist, würde ein mancher zu wissen verlangen; aber alles weiß man nicht, und das, was man weiß, lässt sich auch nicht alles sagen, noch weniger schreiben; doch weil sie vom Himmel herniederkam und der Residenzort Gottes ist, der einen Tempel und eine Geistesbehausung aus lauter lebendigen Steinen baut, lässt sich nicht ohne Grund vermuten, dass die Stadt lebendig und etwas Organisch-Lebendes sei, und wer weiß, ob die Materie nicht lauter reines Tinktur-Wesen der Kreaturen und Elemente sei, die im Licht gestanden haben, so lange sie lebten, denn das Auf- und Absteigen und der tägliche Lauf der verschiedenen Kräfte, ist ein stetes Zeugen und Gebären, ein Sterben und doch kein Tod, sondern eine Gestaltsveränderung und Erneuerung; genug, Gott ist der Werkmeister dieser Stadt, und diese hat zwölf Gründe. Und wer sind dann diese? Johannes beschreibt sie hernach; demnach kann die Stadt selber die Braut des Lämmleins sein, und doch auch eine Mutter derselben. Wenn wir Menschen alles, was wir genießen, erhöhen und zu Gott führen, so können ja solche gottgeopferte Wesen zu dieser Stadt taugen; und wenn das Menschenfleisch in den Geist erhöht, zur Offenbarung der Herrlichkeit Gottes taugt, warum nicht auch das niedere Fleisch zur Offenbarung der Herrlichkeit der Erstlinge; aber man verstehe nur das tinkturialische. Freilich werden Wesen der neuen Erde auch zu dieser Stadt kommen, oder schon alsdann dabei sein, wenn sie zum Vorschein kommen wird. Jaspis, Sardis, Saphir und dergleichen Edelsteinarten werden da genug sein, auch Gold und andere Perlen; aber um so viel höher als die Erde, um so viel auch jene Erde höher ist, als die unsere. In dem gläsernen Kristallmeer sind schon genug solche reine Wesen zu der herrlichen Stadt, worin die Braut des Lammes eingebürgert sein wird. Diese Stadt wird eine Residenz aller Könige der neuen Erde sein. Lauter Könige werden Bürger darinnen sein, und ihre Königreiche werden von der Stadt an bis an die Grenzen der neuen Erde [reichen], je weiter hinaus je mehr Bürger sind; aber auch je entfernter, je gemeiner [weniger] selig, und der Raum weiter hinaus größer [weitet sich aus], bis an den Feuersee. Es werden aber die Könige Ordnungen von geringeren Obrigkeiten unter sich haben, und diese werden alle priesterlich und königlich zugleich sein, wie ihr Oberkönig; und alle diese Könige in der Stadt haben den König aller Könige zum König und Priester. Am weitesten von der Stadt entfernt werden auch Kranke sein, denen Lebensblätter zur Gesundheit gereicht werden; und wer weiß: ob der Unterschied gar so groß sein wird zwischen den Entferntesten auf der neuen Erde und denen in der letzten oder geringsten Finsternis-Stufe der Unseligen? Die am weitesten von der Stadt Gottes entfernt sind, werden Lichtglanz Gottes nur ganz sparsam haben, aber auch nicht mehr ertragen können; je mehr sie aber zunehmen, je näher werden sie der Stadt kommen; und auf diese Weise werden nach und nach alle herbeikommen, und die Könige der neuen Erde werden alles, was unter ihrer priesterlichen und königlichen Verwaltung aufwächst, dahinein bringen; und wer weiß, wo dann selige Menschen weiter hin versetzt werden! – Lässt sich nicht vermuten, dass alle Sternenwelten einen solchen [als Königs-Priester] werden an Gottes statt bekommen?

Wer weiß, was nach dem Ablauf aller Ewigkeiten geschehen wird?? – ob Gott nicht neue Schöpfungen durch die Ebenbilder seines Wortes vornehmen möchte?? – Doch genug! Es gibt gar so vieles zu tun, bis alle ins Wesen getretenen Dinge wiedergebracht sind und ihre Vollkommenheit erreicht haben.

Wenn wir für die Geistesblicke, die Hahn geschenkt waren, in der Rückschau einen Leitgedanken suchen, so ist es am ehesten der: etwas Ganzes für Gott, der selber ein großes Ganzes ist („das Eins zu den vielen Nullen“, „die Einheit in der Dreiheit“). Etwas Ganzes war der Mensch vor dem Fall; von der verlorenen Einheit und Fülle zeugt die unersättliche Sehnsucht, die leere Herzensewigkeit. Zu etwas Ganzem bereitet sich Gott Christus, den Wiedererstatter. Etwas Ganzes soll durch ihn, und in ihm aus den Gläubigen herausgebildet werden, dazu dient der Entwicklungsprozess mit seinen Erziehungsmitteln. Der Prozess ist aber mit dem Tod nicht zu Ende, sondern gipfelt mit der Ausgeburt im Lichtleib, die den Gottesmenschen erst vollständig macht. Etwas Ganzes im vollen Sinn, ein Kosmos voll Harmonie ist dann erst die wiedergebrachte Welt. „Gott ruht nicht, bis er in allem zur Vollendung gekommen ist.“

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Das Gemeinschaftsideal