Klärung des Gemeindebegriffs

Aus Bibelwissen
Wechseln zu: Navigation, Suche

Abschrift des Heftes: Die Gemeinde Jesu Christi
in ihrer Bedeutung für Himmel, Erde, Zeit, Ewigkeit
Friedrich Malessa, Samplatten (Ostpr.)

Paulus Verlag Stuttgart

Siehe weitere Abschriften
Inhaltsverzeichnis

Die Gemeinde Jesu Christi

in ihrer Bedeutung für Himmel, Erde, Zeit, Ewigkeit

2. Klärung des Gemeindebegriffs

Der Streit über die Begriffe: Kirche oder Gemeinde, ist müßig. Der Ausdruck Kirche kann richtig sein, wenn er vom biblischen Standpunkt erlebt und durchlebt wird. Der Ausdruck Gemeinde kann falsch sein, wenn er vom weltlichten Standpunkt bewertet wird.

Der ursprüngliche Ausdruck für Gemeinde lautet: Ekklesia. Sinngemäß und sachlich in unsere Sprache übertragen, müsste der griechische, von Paulus gebrauchte Ausdruck: „Die von Gott herausgerufene, einheitliche, kleine Schar der Freien“ heißen. In dem Wort Ekklesia liegt das Vierfache:

  1. Herausgerufen von Gott.
  2. Herausgerufen aus dem Volksganzen.
  3. Gerufen in die in sich abgeschlossene Einheit
  4. Herausgerufen als eine kleine Schar der Freien in Anbetracht der Menge der Unfreien, aus der sie gerufen sind.

Trägt die „Kirche“ die die von Gott herausgerufene, einheitliche, kleine Schar der Freien darstellen will, das entsprechende Gepräge, dann führt sie ihren Namen mit Recht. Ist „Gemeinde“, die ebenfalls die von Gott herausgerufene einheitliche, kleine Schar der Freien darstellen soll, mit ihr nicht wesensgleich, dann ist sie eben keine Ekklesia. Kirche oder Gemeinde hat es mit der Auswahl zu tun, nie mit der Masse. „Darum gehet aus von ihnen, und sondert euch ab, spricht der Herr, und rühret kein Unreines an, so will ich euch annehmen und euer Vater sein ...“ (2Kor 6:17). Wo Massenwesen ist, ist keine Kirche oder Gemeinde, wenngleich sie sich tausendmal so nennt. Kirche oder Gemeinde, die das Volksganze erfasst, den Auswahlcharakter der Ekklesia aber missachtet, und das ekklesiale Wesen nicht annimmt, ist bestenfalls weltliche Religionsgemeinschaft.

Klare Gemeindedarstellung

Diese klare Gemeindedarstellung* des Neuen Testaments beleuchtet schlaglichtrtig das Verhältnis der religiösen Bestrebungen dieser Zeit. Nicht das, was Menschen wollen, ist Gemeinde, sondern was Gott wirkt. Nicht religiöse Interessen der Menschen gestalten und tragen die Gemeinde, sondern der ewige Schöpfer- und Erlöserwille Gottes. Gemeinde ist nicht Interessengemeinschaft, sondern Lebensgemeinschaft! Die Gemeinde trägt nur eine Wesenhaftigkeit und nur ein Gepräge, nämlich das des Christus! Es ist darum unmöglich, dass in ihr trennende Unterschiede erstehen können. Konfessionelle Trennungen z. B. sind nicht von Christus. Konfessionsgemeinde ist nicht Christusgemeinde. Auch durch die Geschichte bedingte Wandlungen sind nicht möglich, denn Christus ist in seinem Wesen unwandelbar. Zeitgeistgemeinde ist ebenfalls keine Christusgemeide. Es gibt darum keine Gemeinde eines Mannes oder einer Religionsgemeinschaft oder einer Zeit. Es gibt nur eine Gemeinde des Christus! - Alle Reden von Urgemeinde, Neuzeitgemeinde, Reformationsgemeinde, Konfessionsgemeinde u. a. m. sind menschliche Fündlein.

* Wir geben dem Ausdruck „Gemeinde“ den Vorzug, weil er durch Massenwesen und Weltgeist weniger belastet ist. Am liebsten würden wir den urtextlichen Ausdruck „Ekklesia“ gebrauchen, da er weder durch „Kirche“ noch durch „Gemeinde“ recht wiedergegeben werden kann. - Es ist bedauerlich, dass die Bibelübersetzer diesen Begriff nicht im urtextlichen Ausdruck belassen haben. Es sind ja andere nicht übersetzte Begriffe verständlich geblieben, z. B. Christus, Evangelium, Jehova, Halleluja u. a.

Freilich besteht in der Gemeinde eine heilige Mannigfaltigkeit. Sie dient aber nie zur Trennung, Zersplitterung und Entfremdung, sondern zur Ergänzung, Erbauung und Einheit.

Die Not der Zwiespältigkeit der Christen dieser Zeit mit der „Knechtsgestalt“ entschuldigen zu wollen, ist töricht. Hat Jesus etwa deswegen die Knechtsgestalt angenommen, weil er in sich selbst uneins war?

Die klare Gemeindedarstellung des Neuen Testaments weist auch die Linie im weltlichen Geschehen auf. Gemeinde hat in dieser Welt keine Heimat, denn sie ist herausgerufen und nicht hereingerufen. „Sie sind nicht von der Welt, gleichwie ich auch Ich nicht von der Welt bin“ (Joh 17:16). Wenn sie Licht der Welt sein soll, dann nur im herausgerufenen Stande. Solange sie herausgerufen ist, d. h. ausgesondert auf dem Leuchter steht, ist sie Licht. Wird sie hineingerufen, dann nimmt sie Finsterniswesen an und verliert ihre Bestimmung.

Freilich haben die Glieder der Gemeinde, solange sie in der Zeitlichkeit stehen, auch bürgerliche Rechte und Pflichten. Doch gehen ihre bürgerlichen Beziehungen nur soweit, wie sie die Gemeinde nicht verunehren. Sie halten sich nach den Worten Jesu: „Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott was Gottes ist.“ Die Gemeinde selbst, der sie angehören, werden sie nie in die Niederungen des weltlichen Lebens hineinzerren, eben weil sie herausgerufen ist.

Gemeinde ist nicht Reich Gottes

Dass die Gemeinde dem Wort und dem Sinn nach nicht Reich Gottes ist und sein kann, haben wir im ersten Kapitel festgestellt und soll hier nur noch vermerkt werden. Reich Gottes ist das All, d. h. das absolut umfassende Gesamtwerk Gottes. Gemeinde dagegen ist ein sehr wichtiger Faktor im All Gottes, nämlich die „F ü l l e“, d. h. das Vollmaß, der Leib Christi! Christus ist aber nicht das Reich, sondern der König des Reiches. Folglich kann auch die Gemeinde nicht Reich sein, sondern das, was Christus im Reiche ist.

Es ist darum höchst widerspruchsvoll, wenn man das Wort der Bibel, soweit es sich auf das Reich und auf das Reichsvolk bezieht, auf die Gemeinde anwendet. Man kommt dann zu den kuriosesten Deutungen wie: Gemeinde muss National- und Rassenpolitik treiben, weil auch Israel dazu verpflichtet war. Solche und ähnliche Deutungen geschehen unzählig, bis zum Überdruss und zur größten Lächerlichkeit, nur weil man die Linien der Gemeinde und des Reiches durcheinander laufen lässt.

Lies weiter:
3. Die Gemeinde in ihrer vorgeschichtlichen Existenz