Die 10-Stämme-Lehre

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Der Same Ephraim, der Nationen Fülle
eine Betrachtung über 1Mo 48:19 (2022)

Einige Tage vor seinem Heimgang am 20. Dez. 2022
erlaubte mir Gerhard Groß, seine Arbeit zu veröffentlichen.

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Inhaltsverzeichnis

Der Same Ephraims, der Nationen Fülle

3. Die 10-Stämme-Lehre

An diesem Punkt müssen wir jetzt kurz anhalten, denn hier hakt die so genannte „10-Stämme-Lehre“ ein, die ja schwerpunktmäßig die wohl auch berechtigte Frage stellt: Wo sind die 10 Stämme geblieben?

Ich muss an dieser Stelle erst einmal für mich sagen, dass ich mich mit dieser Lehre Jahrzehnte nicht mehr befasst habe. Ich wurde seinerzeit, als ich noch die Brüderkonferenzen auf der LaHö besuchte, durch die Brüder Pasedag, F. H. Baader und später noch durch den Bruder Braun vom Morgenlandverlag mit dieser 10-Stämme-Lehre konfrontiert, ich konnte mich auch mit etlichen Brüdern an Ort und Stelle darüber austauschen, und kam zu dem Ergebnis, dass diese Lehre sehr viele Punkte, z. B. die Infragestellung Pauli oder ein ganz anderes Weltbild enthält, die für mich untragbar sind! Ich legte sie also seinerzeit einfach beiseite, und habe mich seither nie mehr mit ihr beschäftigt. Wie gesagt: Das liegt Jahrzehnte zurück!

Ich wurde also – und das möchte ich hier betonen - bei meiner Hinführung zu 1Mo 48:19 in keinster Weise von dieser Lehre beeinflusst! Aber es darf doch auch heute noch (ohne gleich in die Ecke der so genannten 10-Stämme Lehre gedrückt oder gar als Irrlehrer gebrandmarkt zu werden) ganz schlicht und einfach gefragt werden: Wo sind denn nun diese 10 Stämme, die sich, wie Gott Selbst bezeugt, unter die Nationen gemischt und vermischt haben, und deren Existenz wir anhand der Aussagen in Hosea klar gesehen haben?

Es ist für mich interessant, dass diese Frage für einen Teil der Gläubigen tabu zu sein scheint! „Warum“ man darüber nicht sprechen möchte (oder darf), bleibt mir aber verschlossen! Denkbar wäre, dass Gläubige schlechte Erfahrungen mit der „10-Stämmelehre“ gemacht haben, indem zum Beispiel von diesen das paulinische Evangelium abgelehnt wird – dieser Grund ist auch von mir akzeptabel. Doch ehrlich: Müssten wir dann nicht auch den ganz großen Teil jener lieben Gläubigen um uns herum, die bewusst das Gesetz lehren und sich darunter stellen, ablehnen? Ständen wir dann nicht ziemlich einsam da?

Doch ... könnte es nicht auch sein, dass hier ein gesundes (!) Nachforschen in dieser Frage verhindert werden soll? Eigentlich müsste es doch alle Gläubige, egal aus welcher Glaubensrichtung sie kommen, interessieren, was aus diesen 10 Stämmen geworden ist!!!

Für mich persönlich hat ein nur ganz kurzes Nachforschen in dieser Frage bemerkenswertes hervorgebracht: So haben Geschichtswissenschaftler nachgewiesen, dass gerade in Europa und in den USA viele Spuren auf die 10 Stämme hinweisen, besonders auffällig taucht der Name Ephraim in USA auf. Damit will ich es aber auch schon belassen, denn ich möchte mich in dieser Schrift weniger wissenschaftlich, als vielmehr mit Gottes Aussagen in Seinem Wort befassen, die, von der richtigen Seite aus beleuchtet, viel mehr aussagen!

Damit gehen wir auch wieder zurück zu Seinem Wort und kommen wieder zu der Aussage Jakobs:

Die Fülle der Nationen

In 2Mo 19:6 lesen wir, warum Gott Sich das Volk Israel auserwählt hat und welches Ziel Er damit verfolgt: „Und ihr, ihr sollt für Mich ein königliches Priestertum und eine heilige Nation werden.“ Dies ist die göttliche Berufung Israels, und zwar des gesamten Volkes. Rund 1500 Jahre später sagte Jesus im Mt 28 die bekannten Worte zu Seinen Jüngern: „Daher gehet hin, macht alle Nationen zu Jüngern ...!“ Diese Verheißung und späterer Auftrag ist von uns leicht zu verstehen, weil wir längst um den irdischen Auftrag Israels wissen.

Und nun zu Jakob, wobei wir bewusst manches wiederholen, was wir schon an früherer Stelle geschrieben haben: Als Joseph ihm seine zwei Söhne Manasse und Ephraim vorstellt, damit sie den Segen des Vaters erhalten sollten, geschieht ja schon das Seltsame, dass Jakob den zweitgeborenen Ephraim vorzieht, und ihm mit gekreuzten Armen den ersten Segen gibt, was wir ja in unserer Auslegung des letzten Bandes vom 1. Buch Mose ausführlich beschrieben haben. Aber noch etwas hören wir, was uns aufmerken lassen sollte: Jakob segnet Ephraim derart, dass sein Same zur Fülle der Nationen werde, was ja wenig oder nichts mit dem so genannten Missionsbefehl in Mt 28 zu tun hat – aber was sieht Jakob hier voraus?

Wir können es nun drehen oder wenden, wie wir wollen, es bleibt nur eine einzige Antwort auf unsere Frage: Der Same Ephraims als Fülle der Nationen können nur Nachkommen jener 10 Stämme Israels sein, die sich unter Jerobeam von Juda und Benjamin abgetrennt haben und im AT vielfach bezeugt unter dem Sammelnamen „Ephraim“ weiter existierten, bis sie in assyrische Gefangenschaft gerieten, dann aus der Gefangenschaft flohen und sich als Flüchtlinge unter die Nationen mischten.

Mit obigen Gedanken wurde ich dann förmlich zu Röm. 11:25 geführt, wo die bestens bekannten Worte stehen: „Verstockung ist Israel zum Teil widerfahren, bis die Vervollständigung der Nationen eingehe.“ War mir in diesem Satz der erste Teil zuerst noch unwichtig (die Gewichtigkeit dieser Aussage wurde mir dann etwas später gegeben) so war es erst einmal „die Vervollständigung der Nationen“, die ich „mit Ephraims Same, der die Fülle der Nationen“ werden soll, in eine Verbindung brachte. Vervollständigung – Fülle? Ist das identisch? Ich forschte in meiner konkordanten Übersetzung in der Stichwortkonkordanz nach und wurde auf Seite 444 unter „Füllung“ zu der dortigen Erklärung geführt: „Vervollständigung, siehe Füllung, ist „das, was etwas füllt oder vollständig macht, also hinzugetan wird um voll zu machen. ...“.

Es geht also in Röm 11:25 um die Vollzahl der Körpergemeinde Christi Jesu, also um eine Füllung einer von Gott bestimmten Zahl an Auserwählten, die Christi Jesu Körperschaft darstellen, also genau um das, was uns die Stichwortkonkordanz unserer konkordanten Übersetzung erklärt. Und nun kommt die spannende Frage:

Wenn Gott Sich tatsächlich Seine Werkzeuge nur aus Seinem auserwählten Volk Israel beruft, müsste auch die Vervollständigung der Nationen, die in Röm 11:25 genannt ist, ihre Wurzeln in dem Volk Israel haben!

Damit sind wir an einem entscheidenden Punkt in dieser Schrift angelangt, wo es darum geht: Haben „die aus den Nationen“ israelische Wurzeln (die aber verdorrt sind) oder nicht?

Du, lieber Leser, kannst an diesem Punkt sagen: „Das interessiert mich nicht, ob ich israelische Wurzeln habe oder nicht“ – dann bleibt für Dich alles beim Alten, und die Sache hat sich erledigt! Wenn aber dein Forschergeist angesprochen wurde, geht unser Weg weiter, wie folgt:

Eph 2:12

In mir kam nun die Frage auf: Ist Ephraims Same etwa die Fülle der Nationen, und dies passend zu Röm 11:25? Was dann folgte, war eine ganz große Freude in mir, die ich kaum beschreiben kann! Ich empfand sehr deutlich eines: Gott führt mich jetzt auf einen neuen (und doch uralten) Weg! Und dabei führte Er mich als Erstes in einen der köstlichsten Briefe Pauli, nämlich jenen an die Epheser, speziell zu Eph 2:11-12, wobei ich hier anmerken muss, dass ich mit der vierten Auflage der Konkordanten Übersetzung aufgewachsen bin, wo manche Aussagen durch die fünfte Auflage (leider) verändert wurden. So war mir noch in gutem Gedächtnis, dass in dieser vierten Auflage übersetzt wurde, dass wir (die aus den Nationen) dem Bürgerrecht Israels entfremdet wurden.

„Entfremdet“ heißt doch klipp und klar, dass wir in früheren Zeiten das Bürgerrecht Israels besaßen. ... und dann nach und nach entfremdet wurden – wir erinnern uns hier an Hos 9:16, die verdorrten Wurzeln. Finden wir hier nicht eine herrliche Übereinstimmung?

Es wird nun leider notwendig, dass wir uns mit der für mich nicht ganz glücklichen Übersetzung in der fünften Auflage etwas beschäftigen müssen, wo durch ein einziges revidiertes Wort das Gegenteil gesagt wird, nämlich dass wir nicht entfremdet, sondern auf einmal „Fremde“ geworden sind, und damit nie Wurzeln zu Israel hatten - also das Gegenteil! Was ist nun richtig?

Mit der letzten Frage müssen wir zumindest in aller Kürze ein problematisches Thema aufgreifen, nämlich die kaum mehr überschaubaren Vielzahl an Bibelübersetzungen. In jungen Jahren, wo ich noch mit den herkömmlichen Übersetzungen arbeitete, hat mich ein Faltblatt von Bruder Jaegle (Kurzgefasste Erklärung des Wortes ‚Konkordant’) überzeugt, worin er erläuterte, was die „Konkordante Übersetzung“ ist, wie sie entstand und worin ihre Vorzüge gegenüber anderen Übersetzungen besteht. Der Schwerpunkt lag darauf, möglichst jedes Wort der Urtexte mit dem gleichen deutschen Wort wiederzugeben. Diese Übersetzungsmethode brachte viele Irrtümer wieder ans Tageslicht, ich nenne hier nur als Beispiel das Wort „Ewigkeit“, das konkordant mit „Äon“ übersetzt wurde. Und jetzt komme ich zum Thema:

Auch Eph 2:12 wurde ja in diesem Sinn, also konkordant, übersetzt, nämlich dass wir aus den Nationen „entfremdet dem Bürgerrecht Israels“ sind. Damit sagt die Konkordante Übersetzung, dass wir in früheren Zeiten „keine Fremden“ waren, sondern das Bürgerrecht Israels hatten, also Israeliten waren. Wir fügen hier noch an, dass unsere Wurzeln einst mit dem Volk Israel verbunden waren, aber im Lauf der Zeit als „Flüchtlinge unter den Nationen“ verdorrten!

In den Achzigerjahren kam aber nach der 4. Auflage der Konkordanten Wiedergabe eine 5. „revidierte“ (neu überarbeitete) Auflage, doch was wurde überarbeitet? Leider auch die Aussage in Eph 2:12, und aus „entfremdet“ wurden nun „Fremde gegenüber dem Bürgerrecht Israels“! War die erste Übersetzung falsch? Wurde hier ein konkordant übersetztes Wort dem Gefühl oder der Lehrmeinung, dass wir eben keine Israeliten sind, angepasst? Ich schlug die konkordante Stichwortkonkordanz, 5. Auflage, auf und fand auf Seite 403 unter dem Stichwort „Bürgerrecht“ den Hinweis „entfremdet dem Eph 2:12“ ... also doch „entfremdet“?

Da ich noch im Besitz der ganz alten Konkordanten Übersetzung, „The Sacred Scriptures,“ bin, herausgegeben im Jahr 1930 in Los Angeles, also jene englische Version, die mit dem griechischen Urtext unterzeilt ist, schlug ich hier bei Eph 2:12 nach und fand unter dem griechischen Urtext das englisch unterzeilte Wort „alienated“, was im Lexikon mit „entfremdet“ nachzulesen ist. Das spricht für sich!

Ich möchte zum Schluss hier auch noch F. H. Baader zitieren, der Eph 2:12 in seiner DaBhaR-Übersetzung so wiedergibt: „Entfremdetwordene betreffs des Bürgerrechts des ISRAE’L“. Nun kann man sagen, „na gut, Baader ist ein 10-Stämme-Lehrer“ und übersetzt entsprechend seiner Ansicht“! Aber – abgesehen davon, dass man dann diese Art der Übersetzung genauso gut auch den anderen Übersetzern, auch den Konkordanten, unterstellen muss, war Baader immer sehr genau in seiner Übersetzung, sogar noch wortgetreuer als die Konkordante Übersetzung, da er keinen Wert auf die flüssige Sprache legte.

Ich selbst bin in keinster Weise ein Kenner der Urtextsprache, konnte aber durch die so genannten Studienblätter des Konkordanten Verlags, in welchen die Paulusbriefe griechisch/deutsch unterzeilt waren, so manches lernen und aufnehmen, was mir bei meiner Beurteilung konkordanter Texte hilfreich war. Ich vermesse mich aber nicht zu sagen, die 4. Auflage hat Recht, die 5. Auflage wäre falsch - vielmehr ergibt sich mir die Richtigkeit der 4. Auflage, nämlich „dass wir entfremdet sind“, aus dem gesamten Zusammenhang im Wort Gottes, den wir hier versucht haben, darzulegen. So manche ungelöste Frage, die auch ich mit vielen Geschwistern hatte und diskutierte, löst sich dadurch auf, dass Gottes Auswahl aus den Nationen eben doch nur jene traf und trifft, die als Ephraimiten unter die Nationen gemischt wurden, und deren Wurzel zu dem Volk Israel verdorrt waren, das heißt, die das Bewusstsein ihrer Zugehörigkeit zu Israel verloren haben..

An dieser Stelle ergibt sich schon wieder eine für uns wichtige Frage: Welche Rolle spielen dann die übrigen Nationen?

Dahingegeben

Die Antwort finden wir im 1. Kapitel des Römerbriefes, der ja die Grundlage des paulinischen Evangeliums aufzeigt, wo Gott den Stand der Nationen klarstellt: Sie sind von Ihm dahingegeben. Drei Mal betont Gott ausdrücklich diese Dahingabe, und zwar in den Versen Röm 1:24.26.28. Dass Gott dabei Einzelne aus den Nationen, die sich durch ihre guten Werke hervorheben und damit zu Guttätern werden, mit äonischem Leben belohnt, können wir dem 2. Kapitel des Römerbriefes in den Versen Röm 2:5-10 entnehmen. Bruder Jaegle hat ja im Jahr 1983 hierüber eine Schrift mit dem Titel „Übeltäter und Guttäter in Gottes Heilsvorsatz“ herausgegeben, die noch bei uns erhältlich ist. Fazit:

Die für uns herkömmlichen Nationen hat Gott bis auf die Guttäter dahingegeben.

Lies weiter:
4. Israel zum Teil verstockt