Das 4. Gebot

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Abschrift des Heftes: "Die 10 Gebote in heilsgeschichtlicher Deutung"
von Friedrich Malessa, Samplatten (Ostpr.) (1895-1981)

Veröffentlicht unter Zulassung der Militärregierung Juli 1948
im Kurt Reith Verlag Wüstenrot Württ.

Siehe weitere Abschriften
Inhaltsverzeichnis

Das 4. Gebot


Gedenke des Sabbattags, dass du ihn heiligest. Sechs Tage sollst du arbeiten und alle deine Dinge beschicken, aber am siebenten Tage ist der Sabbat des Herrn, deines Gottes. Da sollst du kein Werk tun, noch dein Sohn, noch deine Tochter, noch dein Knecht, noch deine Magd, noch dein Vieh, noch dein Fremdling, der in deinen Toren ist. Denn in sechs Tagen hat der Herr Himmel und Erde gemacht und das Meer, und alles was drinnen ist, und ruhete am siebenten Tage. Darum segnete der Herr den Sabbattag und heiligte ihn.

Das vierte Gebot beginnt mit dem vielsagenden Wort: Gedenke. Das will sagen:

  1. Der Sinn der Gebote ist dem Menschen nicht neu. Er kennt ihn schon lange, vielleicht immer. Nur, er hat ihn verkannt. Er wird gemahnt zu bedenken, was er zu bedenken, zu berücksichtigen und zu befolgen versäumt hat. Die Gebote sind nicht eine neue Willenskundgebung, sondern Verbote der groben Verstöße gegen den längst vorhandenen und wirksamen Willen Gottes.
  2. Der Mensch wird aufgefordert sich eines Tatbestandes zu erinnern, der sein Leben unsagbar reich machen kann. Seine Armut ist auf das Fehlen dieses Tatbestandes zurückzuführen.

„Gedenke des Sabbattages, dass du ihn heiligest“. Soweit ist also der Mensch verirrt, dass er den Sabbattag nicht nur nicht heiligt, sondern auch an den Sinn und Zweck des Tages nicht denkt. Er soll darum zunächst an die segensreiche Bedeutung des Tages „denken“, damit er dann den Tag auch heiligen kann. Von der E r k e n n t n i s des T a g e s wird die Heiligung abhängig gemacht.

Die Sabbatfrage

Was hat der Sabbat-Tag auf sich? Im zweiten Teil des Gebotes ist hierfür die Antwort, und beginnt mit dem Wörtchen: denn. Dieses „Denn“ zeigt an, dass nunmehr die Aufklärung, ja sogar die Begründung der Sabbat-Heiligung erfolgt.

Die Sabbat-Heiligung hat Gott selbst eingeführt; nicht durch ein Gebot, sondern durch sein Vorbild, d.h. durch die eigene Tat, indem er ruhete am siebenten Tage von seinen Werken, die er an sechs Tagen vollbrachte. Damit erhält das Sabbat-Gebot einen besonderen göttlichen Wert.

Was war das für eine Ruhe, die da Gott einführte? Etwa eine Ruhe im Sinne von: „kein Werk tun“? Das ist nicht anzunehmen. Denn Gott ist der unwandelbarer Schöpfer-Gott. Als solcher wirkt er ohne Aufhören. Solches gebietet sein Wesen und solches fordert seine Schöpfung. Sein Wirken ist sein Leben; und alles Leben steht im ewigen Wirken. Seine Ruhe kann darum nicht ein Aufhören seiner Werke bedeuten, sondern der B e g i n n der H a r m o n i e seiner W e r k e ! Mit dem siebenten „Gottes-Tag“ begann der wunderbare Ausgleich, der aufeinander ausgerichtete, ruhevolle Dienst in der Schöpfung. Diese Ruhe hat es mit der restlosen Ausgeglichenheit, mit der vollsten Harmonie, mit dem tiefsten Frieden der Geschöpfe zu tun. Darum segnete und heiligte der Schöpfer „seinen Tag“, weil in ihm eine segnende und heiligende Struktur vorhanden war. Das Werk und das Wirken ging weiter, und musste um des Lebens willen weiter gehen, nur mit dem Unterschiede, dass es „ruhevoll“ weiter ging.

Hat etwa der Schöpfer bis dahin Unruhe in seinem Werk und Wirken gehabt? Nein, in seinem Werk war keine Unruhe, aber neben seinem Werk, oder sogar zwischen seinem Werk bestand ein „Unruhe-Wirken“. Es bestand daneben, - mit einem alles besagenden Wort: Satan! Der hat auf jeden „Tag“ noch eine „Nacht“ heraufbeschworen. Das Wort „Nacht“ besagt alles! Als aber der siebente „Tag“ anbrach, dem keine „Nacht vorausging, sondern der sechste Schöpfungstag mit dem einzigartigen Ergebnis: „Der Mensch“, da begann der Ruhe-Dienst, der Ruhe-Tag, der Gottes-Tag.

Mit der Erschaffung des Menschen hat der Sabbat einen einzigartigen Zusammenhang. Wir müssen darum die Erschaffung des Menschen ins Auge fassen, auf die uns 1Mo 2:2 aufmerksam macht, dann wird uns das Wesen des Ruhetages verständlich. Zu welchem Zweck wurde der Mensch erschaffen? „... füllet die Erde und machet sie euch untertan und herrschet...“ (1Mo 1:28). Beachten wir sehr: Untertan machen und herrschen sollte der Mensch am siebenten Tage. Und zwar über alle Kreatur, die nicht Gott, sondern dem Fürsten dieser Welt untertan war und von ihm beherrscht wurde. Aus der Botmäßigkeit Satans sollte der Mensch die gesamte Kreatur herausführen. Das war eine gewaltige Aufgabe und ein umfassender Dienst. Wohlgemerkt: Solches sollte am siebenten Tage, am „Tag des Herrn“ am „Tag des Heils“ vollführt werden. Keineswegs war also der Ruhe-Tag ein Tag der Tatenlosigkeit. Im Gegenteil, es war das ein Tag des emsigen Wirkens und zwar des gottbezogenen Wirkens. Das war ein heiliges Wirken, ein Heils-Wirken! Diesen Tag, d. h. dieses Tages-Wirken segnete Gott und „ruhete“ hierin.

Der Sinn der Sabbat-Ruhe

Sonnenklar ist somit die Tatsache, dass dieser „Tag“ nur deswegen ein Ruhetag geworden ist, weil an ihm das harmonische, friedvolle Wirken des „Gottes-Menschen“ innerhalb der ruhelosen Schöpfung begann. Der Sinn dieser Ruhe liegt in dem heilsmäßigen Dienen für Gott! Niemals kann darum der Sabbat (= Ruhe) um der Tatenlosigkeit oder um des Tages willen sein*, sondern um des Heiles Gottes willen!

* Es ist bedauerlich, dass man den Sabbat (= Heils-Ruhe) zur Tagesfrage entwürdigt hat. Darum der sinnlose Streit über den Tag und über die Tätigkeit oder Untätigkeit an diesem Tage.

Auch ist der Sabbat grundsätzlich nicht vom siebenten Tage abhängig, sondern von dem Vollendungswillen Gottes durch den Menschen. „Also vollendete Gott am siebenten Tage seine Werke, die er machte, und ruhte am siebenten Tage ...“. Das Vollendungsgeschehen brach am siebenten „Gottes-Tage“ an. Das war für die „Ruhe“ Gottes ausschlaggebend. Das grundsätzliche und höchste Merkmal des Ruhetages ist der zur Vollendung führende, erlösungsmäßige Dienst! Erlösungswirken ist der eigentliche Inhalt des Sabbats. Alles, was der Erlösung dient, und was den Charakter der Ruhe im Sinne der Erlösung trägt, gehört hierher. Behalten wir die Tatsache: Sabbat bedeutet nicht tatenlose Ruhe, sondern Erlösungs-Ruhe! Sie ist erst nach vollbrachter Erlösung vorhanden.

Nun ersteht aber die Frage: Hat Gott dem Volke Israel nicht den Sabbat-Tag, d. h. den siebenten Tag der Woche zur Heiligung verordnet? Ja, jedoch im lehrhaften Sinne (Kol 2:16.17). Dem natürlichen Menschen ist nur das Schattenhafte, das Bildhafte zugänglich. Für das Wesenhafte, Geistliche und Lebensmäßige hat er kein Verständnis. Er muss zum Wesenhaften erzogen werden. Darum empfängt er eine natürliche Verordnung, die ihn zum geistlichen Erleben führen soll.

Darum auch die Mahnung: Gedenke! Denke doch an den eigentlichen Sinn des Sabbat-Tages, der in der Schöpfungsgeschichte ersichtlich ist. Erst wenn du ihn „begriffen“ hast, wirst du ihn geistlich halten können. Das Schwergewicht liegt auf der Sinnerkenntnis. Ohne sie ist auch die sturste Sabbat-Feier eine tote Angelegenheit (Hebr 4:6).

Weil aber Israel den geistlichen Stand nicht hatte, auch nicht haben konnte, musste es durch die Feier des siebenten Tages erzogen werden. Der natürliche Mensch benötigt natürliche Erziehungsmittel. Für die Ziehung hin zum „Gottes-Tag“ ist als Erziehungsmittel der natürliche Tag geeignet. Er ist darum zum strengen Ruhe-Tag dem natürlichen Menschen verordnet worden.

Sehr zu beachten ist, dass zum Ruhe-Tag der siebente Tag verordnet wurde. Der Mensch sollte zur Ruhe kommen nach vollbrachtem Werk. - Ruheanspruch besteht erst nach dem große „Es ist vollbracht“!

Der Tag der Heilsoffenbarung

Darum die eingehende Anweisung der Verse neun und zehn. Die irdische Arbeit musste auf das Notwendigste beschränkt werden. Die „Ruhe Gottes“ kann dem natürlichen Menschen am besten durch die Untätigkeit demonstriert werden. Freilich handelt es sich hier nur um die körperliche Untätigkeit. Die geistige Tätigkeit war, soweit sie die religiösen Belange betraf, geboten. Das ist wiederum ein Beweis für die Erziehung hin zum Geistlichen.

Dieses Ruhen in körperlicher Hinsicht war in erster Linie Sache des Hausvorstandes. Der da „herrschen und untertänig machen soll“, muss in erster Linie davon erfasst und durchdrungen sein. Er muss die Ruhe so haben und befolgen, dass seine ganze Umgebung das miterleben kann. So ruhete am siebenten Tage das ganze Haus, sogar die niedere Kreatur. Auch sie hat Anteil an der „Ruhe Gottes“. Sie ist generell universell.

Doch ist das Erzieherische nur Mittel zum Zweck und darum von vorläufiger Bedeutung. Gottes Vorhaben ist, vom Schattenhaften zum Wesenhaften zu führen. War das Schattenhafte dem natürlichen Menschen gegeben, so ist das Wesenhafte dem geistlichen Menschen anvertraut. Wir werden darum das Sabbat-Verhältnis noch zu klären haben bei denen, die dieses Gebot „ins Herz“ geschrieben erhielten; bei denen das Gesetz nicht Landes-Sitte (natürliche Sitte) sondern Lebens-Sitte (geistliche Sitte) geworden ist.

Wir bleiben bei der Feststellung, dass es am Sabbat weder um die Untätigkeit, noch um die Art oder das Maß der Arbeit, sondern um die zur Ruhe führende Arbeit vor Gott geht. So ist für den geistlichen Menschen nicht nur die Frage wichtig, was er nicht tun soll, sondern was er für Gott verrichten darf. Nicht die Untätigkeit ist das Entscheidende, sondern die Tätigkeit für Gott! Auch behalten wir die Feststellung, dass die Sabbatfrage keine Tagesfrage, sondern eine Heilsfrage ist. Ob es der siebente Tag, ob es Sonnabend oder der Sonntag ist, bleibt von untergeordneter Bedeutung. Grundsätzlich geht es um den „Tag des Herrn“! Der ist nur da, wo gottgewolltes Erlösungswirken vorhanden ist (Hebr 4:7). Das kann am Montag genauso sein, wie am Sonntag oder Sonnabend. Dem geistlichen Menschen, der voll im Erlösungsdiensnte steht, ist jeder Tag ein „Tag des Herrn“, ein Tag des Heils. Wo Gott wirkt, ist der Heilsoffenbarungstag.

Dass der geistliche Mensch heute den Sonntag feiert, ist von untergeordneter Bedeutung. Jeder andere Tag hätte es auch sein können. Da aber die ersten Christen am ersten Tage der Woche zusammenkamen, weil sie durch die Auferstehung und die Ausgießung des Heiligen Geistes dazu geführt wurden, ist der Tag beibehalten worden. Darin mag auch Gottes Absicht liegen, dass der geistliche Mensch nicht zur Verehrung des natürlichen Tages Veranlassung finde. In Christus ist das Wesenhafte, das Neue, das Erste maßgebend.

Auch wird der geistliche Mensch den Sonntag halten, weil er im Allgemeinen ein werkloser Tag ist. An diesem Tag hat er mit seinen Brüdern die Gelegenheit, in der Wort- und Liebesgemeinschaft die „Ruhe in Gott“ in besonderer Weise zu finden, zu erleben und zu pflegen. Das ist von sehr großer Bedeutung.

Freilich wird in Anbetracht der aufgewiesenen Ruhe das Ablegen der körperlichen Arbeit notwendig sein. Dem geistlichen Menschen geht Wortgemeinschaft, Brüdergemeinschaft, Liebesgemeinschaft und Dienstgemeinschaft über alles (Hebr 10:24.25).

Darum wird er sich schon aller körperlichen Arbeit entledigen, um zur „gegebenen Zeit“ diese geistlichen Dinge zu suchen und zu finden. Der Drang und der Zwang zur „Sonntags-Heiligung“ liegt in ihm, d. h. in seinen inneren Bedürfnissen und Verpflichtungen. Er hat das Gesetz in sich und vollführt es peinlich genau, nicht mit knechtischer Furcht, sondern mit heiligem Sehnen und Verlangen und großer Glückseligkeit.

Gedenke!

So gilt dem geistlichen Menschen dasselbe lieblich mahnende Wort: Gedenke! Gedenkt er in Wahrheit der ursprünglichen und unwandelbaren Bestimmung des „Ruhe-Tages“, nämlich des beglückenden Dienens in und für Gott, dann nützt er jede Gelegenheit, um durch den Heils-Dienst die Heils-Ruhe vor Gott zu erlangen.

Versäumen wollen wir nicht, noch drei wichtige Tatbestände uns vorzustellen:

  1. Der Sabbat (= der Ruhe-Tag des Herrn) führt zu Christus! Der Tag des Herrn soll den Herrn des Tages offenbaren. Der Herr des Tages ist Christus! Er ist der Herr des Sabbats (Mt 12:8). Sowohl die alttestamentlich wie auch die neutestamentlichen Menschen sollen in der Sabbatfeier Christus finden (Kol 2:16.17). In Christus finden sie den „Sabbat“ (= ruhe). „Denn wer zu s e i n e r R u h e kommen ist, der ruhet auch von seinen Werken, g l e i c h w i e Gott von s e i n e n“ (Hebr 4:10).
  2. Der Sabbat ist Christus! Sabbat (= Ruhe-Tag des Herrn) ist die Volloffenbarungszeit Gottes. Die Volloffenbarung Gottes, des Vaters, ist im Sohne Jesus Christus. Er ist darum der personifizierte Sabbat. Wer diesen Sabbat erlebt und auslebt, der ist nicht mehr irgend einem vierundzwanzig Stundentag verpflichtet, sondern dem „anderen Tag“, von dem in Hebr 4:6.7 zu lesen ist. Selbstverständlich ist der geistliche Mensch diesem „ewigen Tag“ total verpflichtet, d. h. verpflichtet mit allen seinen Lebenstagen. Er heiligt alle Tage, weil er vom „Tag des Herrn“ geheiligt wird. Hier ist das Hinweisende und Vorbildlich beendet und das Beweisende und Wesenhafte begonnen. Anders gesagt: Hier ist das Zeitliche und sich immer Wiederholende eibezogen ins Ewige und Bleibende. Hier ist aus dem siebenten 24 Stundentag der überzeitliche „erste Tag“, der Vollendungs-Tag erstanden. - Hier ist der Sabbat im prophetischen, d. h. im heilsmäßigen Blickfeld!
  3. Christus ist das Fundament des Sabbats. Das beweist die zweimalige Anführung des alleinigen Namens Jehova im vierten Gebot. Jehova ist der Erlöser der gesamten erlösungsbedürftigen Kreatur. Jehova segnete und heiligte den Sabbat-Tag. Wer ist Jehova? C h r i s t u s ! Darum ist er der Herr des Sabbats. Darum ist er der Gebieter der Sabbat-Heiligung. Wer den Christus hat, hat und hält auch den Sabbat mit seinem ganzen beglückenden Sinn.

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