Wenn Christus nicht gestorben wäre?

Aus Bibelwissen
Version vom 13. April 2021, 15:32 Uhr von MI (Diskussion | Beiträge) (Der wahre Weinstock)

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Abschrift des Buches: Der da war, und der da ist und der da kommt!
Pfarrer Theodor Böhmerle (1870 - 1927)

Aus dem Gemeinschaftsblatt für innere Mission Augsb. Bek.: "Reich-Gottes-Bote“ (1918-26)
Selbstverlag des Bibelheims „Bethanien", Langensteinbach

weitere Abschriften hier:

Inhaltsverzeichnis des Buches:
Kapitel davor:
15. Der Niedrigkeits-Einzug Jesu Mt 21:1-11

In Bearbeitung:

16. Wenn Christus nicht gestorben wäre?

Joh 12:20-27

Eine undenkbare, eitel Entsetzen in sich schließende Frage legt uns unser heutiger Text vor. Die Frage nämlich: was wäre, wenn der Heiland nicht gestorben wäre? Und in doppelter Hinsicht steigt diese Frage vor uns auf. Die Griechen, welche Jesum sehen wollen, denen sich aber der Heiland nicht zu sehen gibt, zeigen uns an, was mit d e n M e n s c h e n geworden wäre, wenn Jesus nicht gestorben wäre. Es ist eine durchaus b i b l i s c h e Sache, auch einmal über diesen Fall, dass der Herr nicht ins Sterben gewilligt hätte, nachzudenken. Der Apostel Paulus im 1Kor 15 redet viel davon, was wäre, wenn Christus nicht auferstanden wäre. Der Heilige Geist kann dann nur umso herrlicher den ganzen Gnadenreichtum der Auferstehungsfrucht vor uns ausbreiten und anheben: “Nun aber ist Christus auferstanden“. So wird auch uns die ganze Fülle des Reichtums, welche durch das Sterben Jesu eröffnet wurde, nur umso größer, wenn wir nach Anleitung des eigenen Heilandsworte einmal der Tatsache ins Herz fassen: „Wenn Jesus nicht gestorben wäre, was wäre dann!"

Was wäre dann?

Wie wird der Gnadenbrunn sich öffnen, wenn wir danach es aufrichten können: Nun aber ist Christus gestorben. - Unser Bibelwort erzählt uns von Griechen, welche hinaufgekommen waren nach Jerusalem aufs Osterfest, dort anzubeten. Wir haben sogenannte Proselyten des Tores vor uns. Leute, welche die Heilige Schrift an andern Orten „Gottesfürchtige“ nennt. Das waren von Natur Heiden, welche aber an ihrem heidnischen Gottesdienst irre geworden waren. Wir dürfen wohl in den meisten Fällen annehmen, dass es Leute waren „aus der Wahrheit“ und darum Erlösung Suchende. Sie waren mit der Offenbarung Gottes in Gesetz und Prophetie bekannt geworden und hatten mit ihrem inneren Wahrheitsgefühl gar bald den Wahrheitsgehalt dieser Offenbarung begriffen und sich ihr zugeneigt. Sie warteten nun mit allen frommen Juden auf den Messias und die messianische Zeit, welche auch ihnen das Heil bringen sollte. Solche Heiden, und zwar Griechen waren auf das Fest gekommen. Da war nun alles voll von Jesus. Das Volk hatte sich beim feierlichen Einzug zu Ihm, als dem Messiaskönig bekannt. Die letzte Tat Jesus, die Erweckung des Lazarus, war in aller Munde.

Wendestunde der Offenbarung

Heiß erwachte das Sehnen in dieser Griechen Herzen, mit dem Herrn in nähere Verbindung zu treten. Aber sie als Heiden - wie konnten sie es wagen, mit dem erhofften Messias Gemeinschaft haben zu dürfen? Hielten doch die gewöhnlichen Juden sie in fernen Schranken. Schüchtern klopften sie drum bei den Jüngern an, zuerst bei Philippus. Auch dieser ist bedenklich, wahrscheinlich in Rücksicht auf die ganze aufgeregte Volksstimmung, und sagt es erst Andreas, und erst mit diesem im Bunde wagt er es, Jesus selbst zu fragen. Und siehe, der Herr schlägt ab, nicht direkt, aber indirekt. Der Heiland sieht in der Frage der Griechen die große Wendestunde der Offenbarung gekommen. Diese Griechen sin Ihm die Vertreter der Gesamtnationenwelt. Die Nationen melden sich dem Heiland in dem aufgetragenen Wunsche an. Die Heiden wollen herein ins Gottesreich.

Seit dem babylonischen Turm sind sie draußen. Sie haben gewaltige Weltreiche gebaut und alle sind zerbrochen. Ein Sehnen nach einem Neuen geht durch sie hindurch. Sind sie doch hinausgetan a u f H o f f n u n g. Der Heiland sieht sie heranfluten in diesen fragenden und bittenden Griechen. Ob der Herr die ersten Erstlinge der Gemeine in ihnen sah, oder überhaupt den Ruf der Gesamtnationen, das ist umso weniger von Bedeutung als ja die Erstlinge eben die Vertreter, der Anbruch der ganzen Heidenwelt waren. Der Herr sieht, dass die Stunde Seiner Verklärung, die Stunde des Ausbruchs in die Völkerwelt da ist. Er weiß aber auch, dass Er dieser Völkerwelt gar nichts ist und gar nichts bringen kann, wenn Er nicht durch Tod und Auferstehung hindurch die Versöhnung und Erlösung vollbracht hat. Darum fährt Er in hochfeierlicher, beteuernder Weise fort: "Wahrlich, Ich sage euch, es sei denn dass das Weizenkorn in die Erde falle und ersterbe, s o b l e i b t’ s allein, wenn es aber erstirbt, so bringt es viele Frucht.“

Die Griechen fragen nach Weisheit

Ein nicht-gestorbener Jesus hat für die Welt gar keinen Wert, das weiß der Heiland wohl. Er hat auch wohl aus der Bitte und Frage der Griechen den f e i n e n N a t u r t o n herausgehört. Sie haben nicht nach einem H e i l a n d und E r l ö s e r gefragt, sondern nach J e s u s. Die Griechen fragen nach Weisheit. Sie fassen den kommenden Weltenherrn nach ihrer ganzen Anlage als einen gewaltigen Weltweisen, dessen Weltweisheit auch in der Verkündigung der wahren, freimachenden Religion bestehe. War doch selbst den Juden das eigentliche Versöhnungs- und Erlösungs-Geheimnis im Blut des Lammes verborgen, wieviel mehr diesen gottesfürchtigen Griechen. Sie wollten J e s u m sehen. J e s u s ist der Name des Heilandes als d e s M e n s c h e n. Sie erwarteten den großen, gewaltigen Religionspropheten, welcher die Welt von allen Rückständigkeiten religiöser, staatlicher und wirtschaftlicher Art befreien werde Sie hatten den glauben angenommen, dass dieser Weltweise aus den Juden käme, und nach allem, was sie von Jesus gehört hatten, nahmen sie an, dass Jesus der Verheißene sei. Darum wollten sie Jesum gerne sehen. Hätten sie Ihn erkannt als den Ersehnten, dann hätte sie es im ganzen Griechentum und damit im ganzen Römerreich ausgebreitet.

Das Weizenkorn muss sterben

Der Heiland durchschaute sie wohl. Er erkannte ihr lauterliches Suchen, darum hielt Er Seine Stunde für gekommen zu Seiner Verklärung; Er erkannte aber auch ihres Herzens Fehlgang, darum ließ er Sich nicht sehen, sondern senkte Sich in den Tod als Weizenkorn der Welt. Ja, das größte religiöse Genie, ausgestattet mit staaten- und welt-umwälzenden Kräften, alles war ja beim Heiland da, aber was nütze es der Welt, wenn das Gesetz der Sünde und des Todes auf ihr lasten blieb. Das hätte wohl ein blitzartig aufleuchtendes herrliches Menschheitsreich - doch nicht ohne viel Blutvergießen gegeben, und dann wär's jäh im Tode zusammengebrochen. Der Teufel wollte beim Herrn das ja anbieten. Aber wie wäre die Menschheit betrogen gewesen! Sie hätte im besten Falle Herrliches aufleuchten sehen, und dann wäre alles in Finsternis hinabgefahren. In den Tod muss der wahrhaftige Heiland der Welt, ,f r e i und o h n e S ü n d e, und so der Welt Fluch wegtragen - und ins Totenreich muss Er hinab und von Gott erweckt werden um Seiner Sündlosigkeit willen und den Tod samt aller Sünde durchbrechen und neues, ewiges leben ans Licht bringen.

Wenn Jesus nicht gestorben wäre, dann hätte die Welt ihr ersehntes Friedens- und Gerechtigkeitsreich als eine Fata Morgana gesehen, d. h. als ein Trugbild, das heute aufgestiegen und morgen in den Tod gefahren wäre. Ähnlich wär’s gewesen, wie es der Antchrist ihr bringt, und ausgegangen wäre es in finstere Nacht, und weil dann kein Helfer mehr gewesen wäre - denn der Eine hätte ja Seine Kraft umsonst verpufft - so wäre ein ewiges und unendliches sich Aufraffen und wieder Zusammenstürzen der Welt entsetzliches bleibendes Teil geworfen.

O, wenn Jesus nicht gestorben wäre, dann wäre Er das strahlendste und blendendste, aber auch das trügerischste Irrlicht geworden, das die Welt je gesehen hätte. Das macht die Welt aus den christlichen Gedanken heute noch, wenn sie den gekreuzigten und gestorbenen und erstandenen Herrn nicht nimmt. Entsetzlich elende Welt, wenn Jesus nicht gestorben wäre. Nun aber ist Er gestorben und ist auferweckt - und nun ist die Sünde getilgt, und nun ist der Tod durchbrochen, und nun k a n n Leben, ewiges Leben dargereicht werden und wird dargereicht in den verschiedenen Haushaltungen Gottes - aber immer und ganz allein im gestorbenen und gekreuzigten und erstandenen Christus. Auch du, liebe Seele hast nichts, gar nicht von Jesu, solange du nicht in dem für dich Gestorbenen die Vergebung der Sünden und im Auferstandenen die Gabe des aus dem Tode sieghaft gedrungenen Lebens hast. -

Wäre Christus nicht gestorben

Ebenso furchtbar, wie für die Welt, wäre es aber auch für den Heiland selbst, wenn Er nicht gestorben wäre. In zweifacher Weise sagt Er’s, was mit Ihm selbst geworden wäre, wenn Er nicht in den Tod gegangen wäre frei für uns. Er sagt zuerst: Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und erstirbt, so b l e i b t’ s a l l e i n; und Er sagt sodann, wer sein Leben lieb hat, der wird es verlieren. Wir können es uns in dreifacher Weise denken, dass Er von Ewigkeiten her in den Todesrat des Vater nicht gewilligt hätte. Der Vater hat doch, ehe der Welten Grund gelegt ward, all Seinen Rat dem Sohne geoffenbart, und der Sohn musste ihn aufnehmen und annehmen. Wir sind doch schon vor Grundlegung der Welten in Ihm erwählt. Wenn nun der Sohn in den Ewigkeiten zum Vater gesagt hätte: Ja, lieber Vater, diesen grausigen Todesgang, welchen Du Mir in Deinem Rate auferlegst, den kann Ich nicht übernehmen - dann wäre es ohne Zweifel auch nicht zu den Schöpfungen gekommen.

Wie hätte doch der Vater können Geschöpfe machen, sie in Sünde fallen lassen, o h n e G a r a n t i e ihrer E r l ö s u n g. Dann wäre aber der Sohn in all Seiner Herrlichkeit als ein nicht in die Erde gefallenes Weizenkorn a l l e i n geblieben. Eine von niemandem gekannte, von niemandem gerühmte, auch vom Vater, dessen Willen Er dann nicht getan hätte, getrennte e i n s a m e S c h ö n h e i t wäre Er in Seiner Herrlichkeit gesessen. Grausiges Allein-Sein - welch ein Gegenstück zu dem Lamm, das erwürget, und dem alle Kreaturen anbetendes Lob in Unendlichkeiten bringen. Armer, alleinstehender Sohn Gottes, so müsste man da sagen. „Selber essen macht“ eben nicht „fett“, wie das Sprichwort sagt, sondern bringt die Schwindsucht, weil’s einem ewig allein schließlich nicht mehr schmeckt. - Wir könnten uns aber noch ein Ärgernis denken. Angenommen, der Sohn Gottes hätte in den Ewigkeiten, begeistert von des Vaters herrlichem, einzigartigem Liebesplan, gesagt: Ja, Vater, ja, von Herzensgrund. Und nun wären die Schöpfungen vor sich gegangen; nun wären auch die Sündenfälle gekommen; nun wäre der Tod hindurchgedrungen; und nun wäre die Stunde gekommen, wo der Sohn als Weizenkorn hätte in die Erde fallen sollen. Und nun hätte Er gesagt: „Vater, Ich kann nicht - es ist zu grausig!“ Dann wäre Er in Seiner Herrlichkeit gesessen und rings um Ihn hätten Welten gejammert, geklagt, geheult - wären verdorben und gestorben. Und all ihr Schrei wäre eine Anklage gegen Ihn gewesen, der nicht herabgegangen wäre in diese Welt.

Fürchterliches Alleinsein

Welch ein fürchterliches Alleinsein hätte Er da in alle Unendlichkeiten! Und all die heulende Kreatur ist doch durch Ihn und zu Ihm geschaffen. Sie ist ein Stück Seines Lebens - und dies Lebensteil läge ständig unter dem Tode - und Er wäre allein. Unausdenkbar fürchterliches Alleinsein. Und doch gäbe es noch einen traurigeren Fall. Angenommen, der Sohn Gottes geht ein die Welt, wird Mensch; stirbt aber als Mensch nicht. Er m u s s t e ja nicht sterben. Er hätte ohne Tod Verklärung anziehen können. Es hat Ihn ja grausiges Entsetzen vor dem Tode erfasst. Wie, wenn Er nicht hineingegangen wäre. Was meint ihr, wie Ihn der Teufel ausgeschrieen hätte, wenn Er ohne Tod als verklärter Mensch einhergegangen wäre. Wie hätte Satan triumphiert und es hinausposaunt: Er hätte euch alle retten können, aber weil Er Sein Leben lib hatte, hat Er’s nicht getan - und nun bleibt ihr alle mein und unendlich unter dem Tode. Es gibt keine Hoffnung mehr für euch. Wie hätte die Welt Jesum verachten müssen.Wahrlich jetzt hätte sie Ihn mit Recht angespeit und geschlagen, verspottet und verhöhnt, ausgestoßen und hinausgetan aus ihrem Lager.

Der wahre Weinstock

Jetzt wäre Ihm m i t R e c h t begegnet was, als Er freiwillig starb, mit Unrecht an Ihm geschah. In verächtlicher Einsamkeit wäre Er der große Verdammte aller Menschheit geworden, weil Er ihr aus Liebe zu sich selbst geholfen, Er der Einzige, der ihr hätte helfen können. Grausiges Allein-Sein, grausiges Verlieren das! A b e r nun ist E r g e s t o r b e n, f r e i für u n s, unter namenloser Pein - und nun ist Er der fruchtbare Weinstock. Die erst Frucht ist seine eigene, wunderbare Herrlichkeit im verklärten Auferstehungsleibe zur Rechten des Vaters in aller Majestät; die nächste Frucht ist die feierliche, jubelnde Anbetung aller Engelwelten; die nächste Frucht ist die Aufhebung alles Sünden- und Todesfluches; und da erscheinen zuerst die geretteten, seligen und herrlich-gemachten Gläubigen - jetzt schon eine große Schar - du auch dabei? Und nun erntet Er ohne Aufhören. Von Äon zu Äon wird’s herrlicher! Die Ewigkeiten singen ein Lied von Golgatha.

Und Frucht Seiner Leiden bin auch ich - und will Ihm danken ohne Aufhören für Sein Bluten, Sein Erbleiben. Ja, was wollen wir: wir wollen Ihm zuliebe auch unser Leben hassen - und Ihm allein leben in Seiner Liebe. Wir wollen auch nicht mehr lieben u n s e r Leben - und allein bleiben - entsetzlich allein. O, in der Hölle in den Straorten ist lauter Einzelhaft. Die gewesenen und gebliebenen Selbstleber werden drüben im andern Todes ausgesprochen sich selbst leben. Jeder für sich allein - in der Hölle gibt’s keine Gemeinschaft. Wir wollen alles Selbstleben in Ihm hassen lernen - und das ewige Liebesleben in Ihm anziehen, dann werden auch wir Frucht bringen und ernten ohne Aufhören. Wer sein Leben hasst in dieser Welt, wird’s erhalten zum ewigen Leben. Wer Ihm dienen will, der folge Ihm nach durch Tod und Grab; wo Er ist, wird der Diener auch sein. Und wer Ihm hingegeben ist, den wird der Vater ehren. Ja, wenn Jesus nicht gestorben wäre, wir blieben alle im Ich-Leben, wir gingen alle den schrecklichen andern Tode im vereinsamten Alleinsein entgegen. Nun k e n n e n wir und k ö n n e n wir g e h e n den Weg der Selbsthingabe und ewiger, seliger, frucht- und erntereicher Lebensgemeinschaft.

Wohlan denn: Christus ist gestorben, und Er ist darum für alle gestorben , auf dass die, so da leben, hinfort nicht ihnen selbst leben, sondern dem, der für sie gestorben und auferstanden ist. Die Parole der Gläubigen heißt: Unser keiner lebt sich selber, und keiner stirbt sich selber - ob wir leben oder sterben: wir sind des Herrn.

Lies weiter:
17. Die göttliche Zweckmöglichkeit des Hingangs Jesu Joh 16:5-15