Die Fürbitte

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Abschrift des Heftes:'"Fünf Gebetsstufen"
von Friedrich Malessa, Samplatten (Ostpr.)

Veröffentlicht unter Zulassung der Militärregierung 1947
Kurt Reith Verlag "Wort und Geist", Wüstenrot Kr. Heilbronn"

Siehe weitere Abschriften
Inhaltsverzeichnis

II. Die Fürbitte

Die Fürbitte ist die zweite Gebetsstufe. Sie liegt wesentlich höher. Auf ihrer Höhenlage ist ein wichtiges Merkmal der ersten Stufe nicht mehr zu finden, nämlich das Ich und Mein. Der Beter steigt mit der Fürbitte zum Du und Dein. Sofern das Ich auf der zweiten Gebetsstufe noch vorhanden ist, dann nur im Dienste des Du.

Damit ist festgestellt, dass der Fürbittende nicht nur in einem klaren Gebetsverhältnis steht, sondern auch in einer höheren Lebenslage. Des Fürbittenden Leben hat Wachstum aufzuweisen. Zur Stufe der Fürbitte kann nämlich nur steigen, dessen Ichwesen überwunden ist, d. h. der selbstlos und uneigennützig denken und handeln kann. Das Fürbitteverhältnis kann nur denen eigen sein, die mit Paulus sprechen: „Ich lebe aber, doch nun nicht ich, sondern Christus lebt in mir“ (Gal 2:20). Menschen, die ihr Ichwesen nicht in den Tod gegeben haben, werden nie das Duwesen anerkennen, noch viel weniger für dasselbe leben.

Oft hat es den Anschein, als ob auch im unbekehrten Verhältnis Menschen selbstlos und uneigennützig leben können. Doch ist das nur ein Schein. Nur zu oft wird die Selbstlosigkeit als Deckmantel benutzt. Sie ist eine Tarnung, hinter der sich die Selbstsucht umso hartnäckiger halten kann. Der natürliche Mensch bleibt naturgebunden, auch wenn seine Verschleierungskünste noch so geschickt angewandt werden. Sollte es Menschen geben, die ohne Bekehrung zum gottgefällligen Gemeinschaftsleben fähig wären, dann hätte Gott die totale Bekehrung nicht gefordert. Gott weiß sehr wohl, dass sein: „Es sei denn“ (Joh 3:5) berechtigt ist.

Wer Fürbitte üben will, wird folgende drei Tatbestände kennen müssen:

1. Beten im Willen Gottes

Die Fürbitte ist stets mit dem Willen Gottes zu vereinbaren. Was bei der Bitte maßgebend ist, nämlich die Übereinstimmung mit dem Willen Gottes, ist auch für die Fürbitte gültig. Dieses zu erwähnen sollte sich erübrigen. Und doch muss dieser grundlegende Tatbestand noch behandelt werden, weil bei der Fürbitte neue Faktoren mitsprechen. Sie sind in der Lage, die Haltung des Fürbittenden unsicher zu machen.

Wir müssen verstehen, dass bei der Fürbitte nicht der Fürbittende, sondern der Umbetete die treibende Kraft ist. Ob passiv oder aktiv, ist gleich. Wenn nun der Fürbittende von echter Nächstenliebe beseelt ist, so steht er in der gewissen Zwangsläufigkeit, von der Nächstenliebe überwältigt zu werden. Die Liebe ist ihm so dringend, dass er die Frage nach dem Willen Gottes übersehen und übergehen kann. Die Hilfsbereitschaft kann unter Umständen so zwingend werden, dass die Fürbitte in jedem Falle als zweckmäßig angesehen werden kann.

Es steht jedoch fest, dass die Zweckmäßigkeit der Fürbitte von Gott entschieden wird, nicht vom Fürbittenden. Gott hat sich die Entscheidung vorbehalten, weil er es ist, der die Fürbitte erhören soll. Seine Erhörung wird schon seinem Willen entsprechen müssen. Darum hat der Fürbittende gerade unter der Gewalt der Liebe auf den Willen Gottes zu achten.

Der Fürbittende hat hier eine verantwortungsvolle Kontrollaufgabe. Er ist es, der die Fürbitte nach dem Willen Gottes ausrichten soll. Er ist nicht wie der Umbetete in einer bedrückenden Notlage, der nur von dem Gedanken der Notbehebung beherrscht wird. Der Fürbittende hat die höhere Stufe inne und muss darum in der Lage sein, die Bitte mit dem Willen Gottes abzuwägen. Somit trägt der Fürbittende in dieser Bittangelegenheit die höhere Verantwortung. Er trägt die Verantwortung für die Notwendigkeit, aber auch für die Bewertung der Fürbitte. Er muss eher und besser in der Lage sein, die Fürbitte auch lassen zu können, sofern sie dem Willen Gottes zuwiderläuft.

Das Amt der Unterweisung

Somit übernimmt der Fürbittende gleichzeitig das Amt der Unnterweisung. In vielen Fällen ist die Unterweisung des Umbeteten erforderlich. Dass hierbei die Verantwortung des Fürbittenden aufs höchste steigt, ist gewiss. Der Fürbittende muss schon ein tief geheiligtes Herz und einen ebenso geheiligten Verstand und geheiligte Lippen haben. Er muss die Haltung und das Bewusstsein eines Fürsprechers haben. Seine innewohnende Liebe muss ebenso dringen wir auch beurteilen können. Auch ihn wird die Liebe nach Röm 12:9 beherrschen müssen.

Damit stellen wir die wichtige Tatsache fest, dass die Fürbitte den Fürsprecher vor den Geber und vor den Empfänger stellt. Sie stellt ihn vor Gott und vor den Menschen. Die Vergegenwärtigung ist weit umfangreicher und verantwortungsvoller als bei der Bitte. Der Fürbittende übernimmt Mittlerdienste. Die Fürbitte ist also ein einzigartiges Führungsmittel, man kann auch sagen, ein wunderbares Binde- und Vereinigungsmittel, das in seiner Bedeutung nicht genug erkannt werden kann. Hier ersehen wir, warum Gott die Fürbitte fordert. Denn sie trägt den Charakter der Versöhnung!

Auf dem Boden der Versöhnung erhält der Fürbittende die volle Bereitschaft, für den Nächsten vor Gott einzutreten. Das Lebensverhältnis seines Mitmenschen geht ihn an. Daraus ergibt sich der nächste Tatbestand:

2. Der Standpunkt des Umbeteten

Der Fürbittende muss sich auf den Bedürfnisstandpunkt des Umbeteten stellen. Diesen Standpunkt soll der Fürbittende unbedingt einnehmen, weil er die Kenntnis des Bedürfnisses erlangen muss. Er will doch das betreffende Anliegen seinem Gott vortragen. Darum muss er es kennen. Andernfalls würde er Gott etwas Fremdes vortragen. Das hätte zur Folge, dass sein Gebet keine Fürbitte mehr wäre. Will der Fürbittende jemand vor Gott vertreten, dann muss die Vertretung echt sein. Vertreter ohne Anteilnahme erreichen nichts.

Die Anteilnahme des Fürbittenden muss echt sein, denn sie wird von zwei Seiten beurteilt, nämlich von Gott und dem Umbeteten. Sofern der Umbetete nicht in der Lage ist, die Echtheit der Fürbitte zu erkennen, dann erkennt sie Gott umso genauer.

Dass eine echte Anteilnahme eine wahre Selbstlosigkeit erfordert, ist selbstverständlich. Selbstsüchtige Menschen, die aus der Fürbitte eigenen Nutzen ziehen wollen, sind für die Fürbitte unbrauchbar.

Wo diese Richtlinien der Fürbitte beachtet werden, da werden Fürbitter und Umbeteter in heilige Zucht genommen. Da wird man das Fürbittewesen nicht zum Jahrmarkt machen, auf dem die Fürbitte sogar für Geld gesucht wird und Fürbitter für klingende Münze sich gruppenweise anbieten. Sofern die Fürbitte zum frommen Geschäft wird, ist sie wesenlos und vor Gott ohne jede Bedeutung. Bei Beachtung dieser Richtlinien wird der Umbetete sich seine Fürbitter ansehen und nicht wahllos jedem ausliefern. Auch der Fürbitter wird prüfen, ob er für die jeweilige Fürbitte den Auftrag hat. Fürbitte hat es im Prinzip mit dem Gnadenwalten Gottes zu tun und kann darum nur im Heiligtum Gottes ausgetragen werden. Nur wer Zugang zum Heiligtum hat, darf und wird sich dieser Aufgabe unterziehen.

Damit ist des Fürbitters größte Verantwortung festgestellt. Dieses Verantwortungsbewusstsein ist nicht nur sachlich notwendig, sondern auch von Gott gefordert, denn:

3. Der Fürbittende als Ausführer

Der Fürbittende wird von Gott in vielen Fällen als Ausführer der Erhörung bestellt. Es darf nicht übersehen werden, dass Gott in den meisten Fällen seine Erhörung durch Menschen durchführt. Menschen werden Gottes Handlanger. Oft bevorzugt Gott dafür den Fürbittenden. Und das mit gutem Grund. Denn der Fürbittende steht dem Hilfsbedürftigen am nächsten. Sofern er zur Durchführung der Erhörung in der Lage ist, wird er als „Mitarbeiter Gottes“ gebraucht. Dass Gott den Fürbittenden zur Hilfeleistung heranzieht, beweisen folgende Schriftworte: „So aber ein Bruder oder eine Schwester bloß wäre und Mangel hätte der täglichen Nahrung, und jemand unter euch spräche zu ihnen: Gott berate euch, wärmet euch und sättigt euch; gäbet ihnen aber nicht, was des Leibes Notdurft ist: was hülfe ihnen das? (Jak 2:15.16) „Denn wer da weiß Gutes zu tun, und tut’s nicht, dem ist’s Sünde“ (Jak 4:17). „Wenn aber jemand dieser Welt Güter hat und sieht seinen Bruder darben und schließt sein Herz vor ihm zu, - wie bleibet die Liebe Gottes bei ihm?“ (1Jo 3:17).

Die eben angeführte Tatsache, dass Gott unter Menschen Menschen als Mitarbeiter gebracht, muss der Wichtigkeit wegen noch beleuchtet werden. Gott ist Geist. Den Geistmenschen kann Gott mehr unvermittelt seine Willensoffenbarung zuteil werden lassen. Obgleich auch sie noch Mittlerdienste benötigen, z. B. durch Wort, Predigt, Lehre, geistliche Erleuchtung usw.. Jedoch je fleischlicher ein Mensch ist, umso mehr Mittlerdienste durch geistliche Menschen sind ihm erforderlich. Dem Fleische kann Gott nur im „Fleische“ dienen. „Der natürliche Mensch vernimmt nichts vom Geiste Gottes.“ Für diesen unentbehrlichen Gottesdienst ist die Fürbitte eine gute Erziehung. Anders gesagt: Gott gebraucht die Fürbitte als ein Führungsmittel, um den geistlichen Menschen zur Mitarbeit zu ziehen. - Die Fürbitte ist ein Sich-Hinein-Versetzen des Fürbittenden in die Bedürfnisse seines Nächsten. Die Fürbitte ist weiter eine Bereitschaftserklärung zum Vertreterdienst. Zur Folge hat die Fürbitte die Vergegenwärtigung Gottes. Schließlich kann es in der Gegenwart des unveränderlichen Schöpfer- und Erlösergottes nur zu der völligen Bereitschaftserklärung kommen: H e r r sende m i c h ! Wenn jeder Fürbittende über den göttlichen Führungssinn der Fürbitte sich klar werden würde, dann dürfte jede Fürbitte ein göttliches Resultat erlangen. Dann könnte die Fürbitte eine Gebetsübung werden, die man allerwärts mit großer Sehnsucht suchen würde. Die Fürbitte wäre dann mindestens so oft vorhanden wie die Bitte. - Man überdenke, ob in der Praxis das der Fall ist. Wohl kaum. Sogar die wahrhaft Gläubigen kommen so wenig von dem Bittstand los, bei dem es nur um die eigenen Interessen geht. Verhältnismäßig wenige erreichen den Fürbittestand, der zweifellos vor Gott auf einer höheren Stufe liegt und wachstsümlich im Gebetsleben der Gläubigen sich einstellen muss.

Fürbitte führt zur Mitarbeit

Jeder Beter denke an die Tatsache, dass die Fürbitte zur „Mitarbeit“ führt. Darum gebrauche jeder Beter die Fürbitte nur dann, wenn er zur Mitarbeit Gottes bereit ist. Jeder Beter bedenke aber auch, dass Gott alle Wiedergeborenen zu seinen Mitarbeitern berufen hat. Darum sollte jeder Wieder-Geborene die Fürbitte mindestens so viel wie die Bitte gebrauchen.

Zu diesem Verhältnis zeigt sich die Wesensechtheit des Fürbittenden. Hier wird die Hilfsbereitschaft unter Beweis gestellt. Hier kann die Liebe zur leuchtenden Tat werden. Hier zeigt es sich, ob Selbstlosigkeit und Uneigennützigkeit vorhanden sind. - Fürbitte ist eine höhere Gebetsstufe. Sie fordert nicht nur die Zurückstellung des Ich-Wesens, sondern verlangt auch den vollen Einsatz für das Du-Wesen.

Mit welchem Verlangen sollte darum jeder Beter von der Bitte zur Fürbitte schreiten. Allerdings wird auch der reifste Beter die Bitte nicht entbehren können. In dem Niedrigkeitsverhältnis wird zum Bitten auch für den geforderten Beter genügend Anlass vorhanden sein. Es sollte die Bitte nur die erste Stufe sein. Die Bitte ist für den Beter eine An-Gelegenheit, die Fürbitte eine Gelegenheit. Die Fürbitte hat mehr göttliches Wesen.

Wohl ist streng zu beachten, dass das Gebetsleben nicht mit der Fürbitte beginnen darf, denn sie ist die zweite Stufe und hat Wachstumswesen. Die erste Stufe muss unbedingt begangen werden. Dann aber gehts vorwärts und aufwärts. Kein Beter sollte ohne Wachstum, ohne Fortgang bleiben. Stillstand ist Rückgang. - Wie ist es mit Deinem Gebetsleben bestellt?

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3. Dank-Gebet