Das unvergängliche Leben

Aus Bibelwissen
Wechseln zu: Navigation, Suche

Abschrift des Buches: Das Los der Toten
(gänzlich umgearbeitete Neuauflage von Auferstehung des Fleisches)

Verfasser: Pastor Samuel Keller
Verlag der Vaterländischen Verlags- und Kunstanstalt, Berlin 1913

Inhaltsverzeichnis
Kapitel davor:
4. Die Seelenvernichtungslehre

5. Das unvergängliche Leben

Auf meiner Reise nach Norwegen lernte ich einen Jugendfreund von Björnstjerne kennen und wir sprachen über den damals gerade heimgegangenen Dichter. Da sagte der gläubige alte Herr mit einem bitteren Zug um den Mund: "Jetzt ist er fortgegangen und hat unsere Hoffnung nicht erfüllt. Wir hatten immer noch von Jahr zu Jahr auf seine Bekehrung zu Christo gewartet und ich hatte ihm gesagt: Dann wirst du deine Dichtergabe in Jesu Dienst stellen und einen Psalm aufs ewige Leben dichten.“ Diese kleine Episode fiel mir ein, als ich mich anschickte, diesen Abschnitt niederzuschreiben. Wenn unsere begabtesten Dichter doch sich dem Schönsten der Menschenkinder ergeben, und ihre Harfen zu seinem Lobe stimmen wollten! Mir fehlen die Farben auf der Palette und die formvollendete Sprache, um entsprechend wiederzugeben, wes das Herz voll ist. Kaum jemals bin ich mir der Unwürdigkeit und Unbeholfenheit im Ausdruck so bewusst geworden, wie in diesem Augenblick. Die Sprache ist zu spröde, die Worte matt und ungeeignet, um dem hohen Gegenstand zu einer Darstellung zu verhelfen, die ihm angemessen wäre. Und doch darf ich im Zusammenhang dieses Büchleins nicht vom „ewigen Leben“ schweigen, denn auch ihm gegenüber wirkt sich der Drang aus, falschen Vorstellungen den Weg zu versperren, und meinen müden Brüdern und Schwestern einen Trost zu geben.

Die übliche Vorstellung vom ewigen Leben

Die vulgäre Vorstellung von „ewigen Leben“ ist merkwürdig genug, und ihr Zustandekommen wieder nur durch den Einschlag neuplatonischer Gedanken zu erklären. Die Bibel ist daran unschuldig. Man glaubt, die Seele sei eine edle Gefangene im schmutzigen Kerker des Leibes*) und sobald sie durch den Tod von ihm erlöst sei, schwinge sie sich über die Wolken, um dort in einem Seelenhimmel endlos glücklich zu sein. Allenfalls kommt noch eine etwas massivere Idee von weißen Kleidern, Palmzweigen in den Händen und goldenen Harfen hinzu, auf denen man in alle Ewigkeit Melodien spielt zur Ehre Gottes.

*) Die falsche manichäisch-philosophische Meinung, als sei die Sinnlichkeit der Sitz der Sünde, und als wäre man mit der Entledigung vom Leibe auch der Sünde entledigt, dürften Christen nicht dem Apostel Paulus zuschieben, wenn er Röm 8:23 sagt: „Wir warten auf unseres Leibes Erlösung“. Als ob Unglaube, Hochmut, Neid und Herrschsucht aus dem leiblichen Leben stammten! Im Gegenteil, alle Sünden, die wirklich aus der sinnlichen Sphäre stammen, haben es so an sich, dass sie am Leibe selbst bestraft werden, und mit seiner Ermüdung oder seinem Schmerz (wer am Fleisch leidet, hört auf zu sündigen“, aber nicht mit Murren, Unglauben usw.) ganz von selbst nachlassen, während die rein geistigen Sünden das Wesen des Menschen viel innerlicher vergiften und entstellen! -

Von einer Vergeltung nach dem Tode, von einem Ausreifen der Persönlichkeit, von einer Auferstehung, die uns Christo, dem Auferstandenen gleich machen soll, von einem Leben auf der neuen, verklärten Erde - kein Wort. Kann man sich wundern, wenn der Spott des Unglaubens gegen solch ein Weltziel, und solch ein Lebensideal in der grimmigsten Weise mobil gemacht hat! Wo bleiben die biblischen Andeutungen über das Leben der Geretteten und die Gedanken Gottes über seine ganze Schöpfung? Wenn nur der Einzelne seine private Glückseligkeit vor Augen hat, dann kann man sich über die egoistische Form seines Christentums auf Erden, und die armselige Beteiligung an sozialer Arbeit, oder auf dem großen Gebiet der Reichsgottesarbeit im engeren Sinn des Wortes nicht wundern!

Zuerst muss ich nach der Schrift betonen, dass das ewige Leben nicht mit dem Augenblick des Todes beginnt, - weder das des Einzelnen, noch die letzte eigentliche Herrlichkeitsstufe der Vollendung. Ersteres fängt beim Gläubigwerden an und letztere beim Eintritt der großen Neuordnung aller Dinge am Ende dieser Weltzeit. Wer an den Sohn glaubt, der hat das ewige Leben, d. h. bei dem fängt es an, sich auszuwirken, denn der Geist Christi nimmt Besitz von den Geistes- und Seelenkräften dieses Menschen. Und sein Leib? Steht nicht geschrieben, dass unser Leib ein Tempel des Heiligen Geistes sein soll? Damit stoßen wir schon auf eine Frage, die ich noch im Vorhof des letzten Kapitels streifen muss. Hat der Spiritualismus recht, dass alles vergeistigt werden muss, dass das letzte Ziel eine reine Geistergemeinde sein wird, - oder hat Paulus Röm 8:19ff. recht, wo er von dem Seufzen der Kreatur redet? Wie muss der biblische Christ zu den stofflichen, sinnenfälligen Dingen in der Welt sich stellen? Wird das alles vernichtet oder gibt’s auch für die Kreatur und das Sinnenfällige eine Zukunft? Je nachdem, wie man darauf antwortet, entscheidet man über seine Stellung auf Erden zu sozialen, kulturellen, nationalen Interessen, aber auch über die Vorstellung, die man sich von der ewigen Vollendung wird machen müssen.

Die leibliche Auferstehung

Die leibliche Auferstehung Jesu und damit unsere eigene, die neue Erde, auf welche die Stadt Gottes herabkommen soll (Offb 22), ja wenn ich nicht sehr irre, die ganze Stellung, welche die Bibel zur Leiblichkeit des Menschen einnimmt, drängt mich auf die Seite jenes alten schwäbischen Pietisten, der das Wort geprägt hat: „Leiblichkeit ist das Ende der Wege Gottes!“ Wenn Jesus vom Gewächs des Weinstocks neu trinken will in seines Vaters Reich, dann passt das nicht auf bloße Seelen oder pure Geister; die trinken keinen Wein! Jesus hat nach seiner Auferstehung essen und trinken, und sich betasten lassen können.

In den Erdentagen Jesu hatte sein Leib eine ganz besondere Stellung in der Welt: es war der Anfang einer großen Umwandlung der ganzen Schöpfung ins Göttliche zurück! Das Wort ward Fleisch um alles Fleisch zu erlösen, um Gottes Schöpfung aus dem Verderben zeitlich und ewig zurückzuführen, bis dass Gott sei alles in allem. Jesus das Modell: ein Stück Erde, das erste Stück Erde, welches ganz in Gottes Besitz gekommen ist, weil das Ich, das darin wohnte, sich in freiwilligem Liebesgehorsam ganz dem Vater ergeben hatte. Daher auch die merkwürdige Herrschaft Jesu über Staub und Stoff, und seine Stellung zu der ihn umgebenden Natur. (Wandeln auf dem Meere, verdorrter Feigenbaum, Verklärung).

Seit Jesus auferstanden ist, erweitert er sein Herrschaftsgebiet, das heißt seinen Leib, durch jeden gläubig gewordenen Christen, in dem derselbe Geist anfängt zu wirken, der in Jesus zur vollen Auswirkung gekommen war. Natürlich wird das hienieden um unserer noch immer uns anhaftenden Sünde willen, nur bruchstückhaft, und - weil unsere ganze Umgebung noch nicht dem Geist gehorsam ist, - tausendfach gehemmt möglich sein. In uns Gläubigen ragt der Zukunftsbau des Reichs der Vollendung jetzt schon (wenn auch profanem Auge verborgen) ins irdische Welttreiben hinein. Der Leib Christi, seine Gemeinde, ist die in die gegenwärtige, vergängliche Welt hineinragende künftige, unvergängliche Welt! Der Leib Christi verhält sich zur ganzen Menschheit wie einst das Paradies zur Erde; die ganze Erde hätte Paradies werden sollen!

Anders ausgedrückt: nicht einzelne Seelen sollen in den Himmel kommen, sondern der Himmel soll auf die Erde kommen! Und das nicht durch einen Staatsstreich, eine Vergewaltigung der Menschheit, durch unpsychologisch vermittelte Katastrophen, sondern organisch, sittlich, religiös, frei - durch Jesu Werk. Dazu kam er auf die Erde, dazu nahm er ein Stück Erde zu seinem irdischen Leib und verwandelte dasselbe durch gottgemäßes Wollen und Leben zu einer schmalen Oase mitten in der Wüste. Von da aus ging’s langsam vorwärts. Zu Pfingsten standen dreitausend in der gleichen Richtung und seither ist diese „Moorkultur“, diese Umwandlung, des durch die Sünde gottentfremdeten Bodens, im Menschenwesen weitergegangen. Nicht nur zahlenmäßig, in den als wirklichen Christen heimgegangenen Anhängern Jesu, sondern auch in andern Dimensionen. Anschauungen, Sitten, Idealen, Kulturarbeit, Hygiene, soziale Ausgleichung, - alles wird in Angriff genommen, weil Jesus das Haupt ist und seinem Ziele zudrängt: „Siehe, ich mache alles neu!“ Wenn es auch nicht gradlinig weitergehend zu der Erfüllung dieses Wortes kommen mag, und die Bibel mit ihren geweissagten Worten Katastrophen, die, als ein Vorbehalt Gottes stets drohen, recht behalten sollte, - das ändert an der Beurteilung des ganzen Prozesses nichts: Jesus muss alle Welt, alle Gebiete dieser Welt, auch diejenigen, die uns jetzt noch unsichtbar sind, ganz erobern, und für Gott in den Zustand bringen, dass Widerspruch und Kampf aufhört, und Gottes Gedanken und Gottes Pläne das wiedergewonnene All durchfluten können in voller Harmonie.*)

*) „Die Herrlichkeit, zu welcher bei Jesu Wiederkunft die Gotteskinder, diese Glieder seines Leibes, erweckt werden, ist das Abbild seiner Herrlichkeit. Und das Abbild ihrer Herrlichkeit ist die Freiheit der Kreatur von ihrem Joch.“ (Geß, Römerbrief, S. 322).

Die Vollendung der Schöpfung

Durch solche Vorstellungen allein wird man der biblischen Gedankenwelt völlig gerecht und hat dabei den Lohn, dass alle edlen irdischen Arbeiten, jeder wirkliche Kulturfortschritt, jeder Sieg des Geistes über die Materie - nicht verloren ist für das Schlussbild der letzten Vollendung. Was für eine andere Wertung aller irdischen Verhältnisse, wenn wir, die darin stehen, uns sagen müssen: Hier ist ein Stückchen dir anvertraut, dass du aus Erdenlast und seufzender Sklaverei - Himmel schaffst! Kunst und Wissenschaft, Selbstverleugnung in tausend Kleinigkeiten, Mission und Samariterliebe - alles strebt zur Spitze! Denen, die Gott lieben, müssen alle Dinge zum Besten dienen, und sie selbst müssen in allen Dingen dieser letzten großen Gottesliebe dienen! Was die gottgewollte Naturbeherrschung durch den Geist gefördert hat, war in diesem Sinne ebenso Wegbereitung für das Reich Gottes wie die sittlichen Siege einzelner, die sich um Jesu willen geopfert haben im Dienst der Liebe.

Fertig werden wir hienieden nirgends, - alles ist Stückwerk, - aber es soll kein Acker dieser Welt übrig bleiben, der nicht umgebrochen und in Angriff genommen wäre. Jesu Fähnlein müssen über Musik und Malerei ebenso flattern, wie über Politik und Wissenschaft, bis alle die Kanäle im trockenen Land fertig gegraben sind, und dann die letzte Katastrophe die Flut bringt, die alle jene Gräben mit Wasser füllt. Wie dann die letzte Umwandlung sich vollziehen wird, dass aus der jetzigen Welt sich die neue endgültige Form herausschält, das wissen wir nicht. Aber kommen wird’s - über alles Begreifen herrlich! -

„Und nun vollendet sich, worauf das ängstliche Harren der Kreatur mit tausend Seufzern und Tränen gewartet hat. Wie oft hat es geschienen, als wollte ein Strahl unvergänglichen Lebens aus der Natur hervorbrechen, aber immer wieder wurde sie zurückgeworfen in das Verhängnis des Todes und der Vergänglichkeit. Jetzt, nachdem alles Ungöttliche ausgeschieden ist, kann der Geist Gottes die gesamte Schöpfung durchdringen und in vollendetes Leben umwandeln.“ (Generalsup. D. Th. Braun)

Beck a. D. S. 757: „In diesem Hereinnehmen des irdischen Elementarlebens besteht eben die Eigentümlichkeit, wodurch sich fortan die neue menschliche Weltsphäre, obgleich nun selber verhimmlicht, dennoch unterscheidet von den übrigen himmlischen Sphären.... die spezifischen Unterschiede innerhalb des Gemeinsamen behalten also ihr Recht, und die Menschen, obschon den Engeln gleich, sind Menschen, nicht Engel, und im Besitz ihre eigentümlichen Welt: der Name Mensch hört nicht auf.“... Die selige Ruhe ist eben kein Zustand der Untätigkeit, kein Müßiggang; das Wirken ist bei den Seligen so wenig aufgehoben wie bei Gott durch seine Ruhe. Joh 5:17.

Die Herrlichkeit auf der neuen Erde

Von der Herrlichkeit auf der neuen verklärten Erde können wir wenig Gewisses sagen! Wir stammeln jetzt im Halbdunkeln hinter dem Vorhang, - aber ein heller Lichtstreifen, der durch eine schmale Ritze in unsern Kerker fällt, predigt doch davon, dass uns draußen ein Meer von Licht umflutet! Man möchte statt aller eigenen Worte nur mit dem alten volkstümlichen Sänger sagen:

“Kein Mund kann je erreichen
Die ew’ge Zierheit groß;
Man kann’s mit nichts vergleichen.
Die Worte sind zu groß.
Drum müssen wir es sparen
Bis an den Jüngsten Tag;
Da werden wir erfahren,
Was Gott ist und vermag.“

Aber auf Erden war unsere Beziehung zu unserer Umgebung das eigentlich Charakteristische unseres Lebens. Wenn wir nur diesen einen Gedanken uns für die neugewordene Umwelt etwas vorstellen, darf uns niemand der Phantasie-Spielerei bezichtigen.

Zunächst die Beziehung, die wir auf erden zu unserem eigenen Leibe hatten. Ach, was waren das oft für beschämende und drückende Beziehungen! Wir waren von so viel leiblichen Bedürfnissen und Schwachheiten abhängig, - wir hatten den Leib zu einem Werkzeug der Sünde gemacht, und da rächte er sich: eine Art Gesetz in den Gliedern lehnte sich gegen alles geistliche Leben auf und störte uns. Vergleichen wir doch nur die widerwillige Beteiligung, die unser leibliches Wesen an Andacht, Erbauung, Gebet, Abendmahlsgang zeigte mit dem Benehmen desselben Stoffes, wenn Leidenschaft, Sinnlichkeit oder Zorn in allen Adern tobte! Statt eines willigen Werkzeugs fand der neue Geistesmensch oft genug nur einen Hemmschuh oder gar einen Feind an seinem Leibe. Das wird in der Verklärung anders sein. Es ist für Jesus eine art Naturnotwendigkeit, ein Druck seiner Liebe, dass er uns seine Auferstehungsherrlichkeit mitteilen muss! Der neue Leib, dem Leibe Christi nach seiner Auferstehung ähnlich, wird sich dem geistlichen Gewordensein der Seele ganz anpassen und ihr keine Last und kein Hemmnis mehr sein, sondern eine Lust und ein Glück. Erkennen werden wir uns da gewiss*), und doch sind alle Spuren der Sünde weggeschmolzen wie Schlacken, und Leib und Seele werden jauchzen können in der vollsten Harmonie.

*) Über das Wiedererkennen habe ich oben schon gesprochen. Außerdem Lk 13:28 und Phim 1:15. Unsere Persönlichkeit wäre nicht wirklich hergestellt, wenn sie ihre besonderen Erkennungszeichen verloren hätte. Unsere Eigenart, von der Sünde gereinigt, wird dem neuen Leib sein besonderes Gepräge geben: lauter Originale!

Verwandlung der Natur

Dasselbe gilt von der uns umgebenden Natur. Die Beziehung zur Natur war hienieden sehr eng, - wir nehmen sie ja durch Essen und Trinken in uns auf, - aber auch oft genug drückend, wie einschneidende Fesseln. Die von Gott gewollte Herrschaft über die Natur hatten wir nicht, oder nur zum geringsten Teil ausüben können. Statt ihr Segen waren wir ihr Fluch geworden, denn unserer Sünde willen war sie der Vergänglichkeit und dem Schmerz unterworfen. Darum sagt der Apostel (Röm 8:19ff.) davon: „Das ängstliche Harren der Kreatur wartet auf die Offenbarung der Kinder Gottes.“ Drum gleicht die Natur mit all ihrem Weg, bei all ihrer Schönheit einer zur Hochzeit geschmückten Braut, die den Bräutigam hat sterben sehen: noch trägt sie Schleier und Myrtenkranz, aber in ihren Augen schimmern die Tränen eines unsäglichen Schmerzes! Da wundert es uns nicht, dass unsere Beziehung zur Natur, trotz unserer Freude an ihrer Schönheit, voll Schmerz und Weh ist. Wieviel Jammer in der Menschenwelt durch sogenannte Naturereignisse, Unglücksfälle und Ausbrüche der Naturkraft, der wir wehrlos gegenüberstehen! Das soll einst in der Vollendung anders werden.

Der Sieg ist überall erfochten, und alles Natürliche ist aus der demütigenden Entartung durch die Sünde, und aus der entstellenden Verzerrung, die ihr der Fürst dieser Welt antun durfte, herausgerissen und strahlt Gottes wundersame Gedanken in einer Vollkommenheit wider, von der die jetzigen Naturschönheiten nur ein unvollkommenes Vorbild sind. Wir stehen hienieden gleichsam in einem tiefen, trockenen Flussbett. Mit dem Rücken lehnen wir uns an ein gewaltiges, und hoch überragendes Schleusentor. Dann und wann sickert hoch über uns ein Tröpflein durch eine feine Ritze. Dann können wir uns gegenseitig darauf aufmerksam machen: also so hoch steht die Lebensflut dahinter, die einst alles überfluten wird!

Die Beziehung zu unseren Mitmenschen

Oder die Beziehung zu unsern Mitmenschen! Wie waren die hienieden? Wir standen mit vielen Seelen in engerer oder lockerer Beziehung und erlebten ihren guten oder bösen Einfluss. Leider lässt sich trotz des Verbotes der Schrift (Jak 5:9) davon kaum ohne Seufzen reden. Wieviel Schuld haben wir dabei auf uns geladen, wieviel Last haben wir mit unserer Eigenart andern zu tragen gegeben, - aber, wenn wir ehrlich sein wollen, - wieviel fremde Schuld und Last hat auch auf uns gedrückt und unser Leben erschwert. Und auch im sonst noch lichten Verkehr von gläubigen Gotteskindern untereinander war nicht alles lautere Liebe und gegenseitiges williges Tragen; nein, die Erschwerungen und Streitigkeiten, Missverständnisse und Verstimmungen waren oft genug durch Schuld von beiden Seiten herbeigeführt. Aber das Schönste war es doch schon, wenn wir jemand selbstlos, ohne dass wir das Unsere dabei suchten, lieben*) durften!

*) Richard Rothe: „Es würde der größte Unverstand sein, jemand lieb zu gewinnen, wenn es kein ewiges Leben gäbe, denn wahre Liebe legt es immer auf die ewige Gemeinschaft an.“

Wie leicht werden wir es den andern da machen uns zu lieben, wenn all unsere eckigen, borstigen, sündigen Eigenheiten abgetan sein werden, und wie leicht wird es uns fallen, dann die andern zu lieben, wenn es ihnen ebenso gegangen ist und jeder von uns etwas von Jesu Schönheit an sich trägt. Keiner von uns ahnt jetzt, wie schön er selbst, und wie schön die andern sein werden, wenn das Hässliche, Selbstsüchtige für immer abgeschmolzen sein wird und statt dessen Jesu Ähnlichkeit wie strahlender Sonnenglanz in jedem klaren Tautropfen von Menschenbild sich anders spiegeln wird!

Unsere Beziehung zu Jesus und Gott

Und wie werden unsere Beziehungen zu Jesus und Gott sein?

Wie ist mir doch das Wort zu arm,
In seinen Rahmen es zu fassen,
Was ich so gerne liebeswarm
Dich mitempfinden möchte lassen!

Hier auf Erden war es oft genug so, dass wir uns selbst gekränkt fühlten, dass wir ihn so wenig geliebt haben und nicht besser lieben konnten. Viel öfter hatte unsere Seele sich geschickt, aus Not nach ihm zu blicken, als ohne Unterlass aus wirklicher Liebe! Wem viel vergeben ist, der liebt viel. Was muss es denn sein, wenn uns alles vergeben ist, alles! Wenn keine Sündenspur mehr den leisen, wehen Misston hineinträgt in die Jubelharmonie jauchzender Liebe! Das hat kein Ohr gehört und kein Auge gesehen, das kann kein Menschenherz hier fassen, und kein Menschenmund hier aussagen, was unsere Gemeinschaft mit Jesus dort sein wird, wenn wir ihn erkennen werden, wie er uns hier erkannt hat. Petrus weiß, was er sagt, wenn er (1Petr 1:8) mit verhaltenem Jauchzen spricht: „wenn nun geoffenbart wird Jesus Christus, welchen ihr nicht gesehen und doch liebt habt, und nun an ihn glaubet, wiewohl ihr ihn nicht sehet, so werdet ihr euch freuen mit unaussprechlicher und herrlicher Freude!“ Wir in ihm und er in uns! Lobe den Herrn meine Seele ewiglich! -

Das ist die Schönheit, auf die wir warten! Jesus hat uns mit dem Vater für immer vereinigt, und wir wirken und leben in voller Harmonie mit Gott auf der neuen verklärten Erde, „auf dass Gott sei alles in allen“.

Lies weiter:
6. Die Situation damals und heute