Das 2. Gebot

Aus Bibelwissen
Wechseln zu: Navigation, Suche

Abschrift des Heftes: "Die 10 Gebote in heilsgeschichtlicher Deutung"
von Friedrich Malessa, Samplatten (Ostpr.) (1895-1981)

Veröffentlicht unter Zulassung der Militärregierung Juli 1948
im Kurt Reith Verlag Wüstenrot Württ.

Siehe weitere Abschriften
Inhaltsverzeichnis

Das 2. Gebot


Du sollst dir kein Bildnis noch irgend ein Gleichnis machen, weder des, das oben im Himmel, noch des, das unten auf Erden, oder des, das im Wasser unter der Erde ist. Bete sie nicht an und diene ihnen nicht. Denn ich der Herr, dein Gott, bin ein eifriger Gott, der da heimsucht der Väter Missetat an den Kindern bis in das dritte und vierte Glied, die mich hassen; und tue Barmherzigkeit an vielen Tausenden, die mich lieben, und meine Gebote halten.

Beginnt das erste Gebot mit der Darstellung des Erlösers, um dann kurz auch die Erlösungsnotwendigkeit anzudeuten, so behandelt das zweite Gebot dieselben Gegenstände in umgekehrter Reihenfolge. Die erlösungsnötigenden Gründe stehen im Vordergrund und werden umfassend erwähnt.

Das ist folgerichtig. Ganz eigenartig wird im ersten Gebot der Jehova (= Erlösungsvollführer) und Elohim (= Erlösungsbestimmer) vorgestellt, damit die Erlösungsnotwendigkeit begriffen werde. Der Erlöser bewirkt das Erlösungs-Wollen. Das erste ist darum nicht die Darstellung der Erlösung, sondern des Erlösers. In der Gegenwart des Erlösers wird die Erlösungsnotwendigkeit erkannt. „In seinem Licht sehen wir das Licht“. Kein anderer als der Erlöser stellt die Gründe, die ihn auf den Plan rufen, heraus. Hat im ersten Gebot der Erlöser die Erlösung erforderlich gemacht, so kann im zweiten Gebot das Erforderliche zuerst ins Gesichtsfeld treten. Darum beginnt das zweite Gebot mit der Schulddarstellung.

Die Gründlichkeit der Schulddarstellung ist begründet in der Gründlichkeit der Erlöserdarstellung. Wo er sich offenbart, ist vor ihm alles offenbar.

Zu beachten ist, dass die Schulddarstellung nicht mit dem Vorsatz der Verdammung vorgenommen wird. Im Verdammungsfalle müsste es heißen: Weil du das getan hast, wirst du ... Hier ist eine Schulddarstellung mit dem Vorsatz der Erlösung. Denn es heißt: Du sollst nicht! Das ist eine Warnung. Warnung ist aber bereits Hilfe, mindestens Hilfsangebot.

Auch ist zu berücksichtigen, dass die persönliche Schuld, d. h. die Schuld des Einzelnen aufgewiesen wird: D u sollst nicht. So wie die Errettung (= das neue Leben) nur im Persönlichen und Einzelnen vollzogen werden kann, so muss dementsprechend die persönliche Schuld erkannt werden. - Die Gesamtschuld ist übrigens nur deswegen so wenig erkennbar, weil sie zu unpersönlich ist. Die Gesamtschuld wird meisten als jemandes Schuld empfunden.

Wie sehen die hier aufgewiesenen Schuld-Stufen aus?

Von Gott ein Bild machen

Das ist eine große Entgleisung, jedoch nicht die größte. Beim Sich-ein Bild-machen von Gott ist eine Gottablehnung noch nicht vorhanden. Im Gegenteil, der „Bildner“ hat eine gewisse Gott-Achtung. Nur möchte er von Gott ein Bild haben. Er möchte über Gott „im Bilde“ sein. Das ist:

a) ein unbewusstes Befolgen der satanischen Einflüsterung: „Ihr werdet sein wie Gott!“. Das ist ein Eindringen in Gott. Nicht im Sinne des Erforschens, sondern der Angleichung. Um seinesgleichen zu werden. Das ist:
b) eine Gott-Entwürdigung. Denn wenn der Mensch Gott „im Bilde“ vor sich hat, dann ist Gott des Menschen Denk- oder Vorstellungsprodukt geworden. Das Bild ist das menschliche Vermögen, jedoch nicht mehr Gott. - Das ist Satans Trick. Damit ist er dem Menschen behilflich, Gott natürlicher zur erkennen. Dabei wird eine radikale Vermenschlichung Gottes vollzogen. Gott sinkt herab zum Produkt des Menschen.

Nach dem Urtext handelt es sich nicht nur um ein Bild, sei es ein gedankliches oder gemaltes, sondern um ein geschnitztes Bild, um ein Schnitzwerk. Da ist die Entgleisung noch viel folgenschwerer gekennzeichnet. Ein geschnitztes Bild ist mehr als ein Denk- oder Malbild. In einem Schnitzwerk liegt viel Absicht, Eifer, Ausdauer, Meisterschaft, Verewigungsabsicht usw. Es soll auf ewig mit einem mit viel Meisterschaft angefertigten Geschnitz das Ab-Bild geschaffen werden.

Welche Not wird hiermit aufgewiesen! Wie geringfügig, sogar „fromm“ mag der erste menschliche Anlass zu dieser Verirrung sein. Mit wieviel Eifer und Liebe wird der Mensch diese Verirrung oft verfechten. Und je mehr er dafür strebt, umso größer ist sein Abgleiten in die Gott-Ferne.

Von Gott ein Gleichnis machen

Dieses Vorhaben ist eine wesentlich tiefere Stufe. Jedoch immer noch nicht das Gott-Gegnerische. Der Mensch will etwas mit Gott vergleichen, Gott gleich machen. Beim Vorhergehenden sahen wir, dass der Mensch Gott abbilden will. Hier sehen wir, dass er bestrebt ist, irgend etwas Gott gleichzusetzen. Da war die Vermenschlichung Gottes festzustellen, hier die Vergöttlichung des Menschlichen. Der Wert Gottes wird gemessen an dem Wert der irdischen Dinge. Oder auch umgekehrt, der Wert der irdischen Dinge wird dem Werte Gottes angeglichen. Wie hoch die Dinge einzuschätzen sind, so hoch ist Gott. Es geht hier vor sich die Verwandlung, von der Paulus in Röm 1:23 spricht.

Hier ist eine Gefahrenlinie aufgewiesen, auf der sich sogar viele fromme Menschen bewegen. Das Gott-Vergleichen will, oder soll bei ihnen kein Ende nehmen. In Gleichnissen wollen sie reden, damit sie besser verstanden werden. Dabei berufen sie sich auf Jesus. Dem sei die Frage entgegen gehalten: Hat Jesus jemals über Gott Gleichnisse gemacht oder von Gott in Gleichnissen gesprochen? Gott ist mit nichts zu vergleichen und nichts ist mit Gott zu vergleichen. Es bleibt dabei: „Du Unerforschlicher“! Jede Gottvergleichung ist eine Gottentwürdigung*

* Wenn Jesus vom Vater spricht, und zum besseren Verständnis auf den irdischen Vater hinweist, dann ist das keine Vergleichsdarstellung, sondern eine Wissendarstellung. Denn auch die irdische Vaterschaft ist wesenhaft.

Im einzelnen werden die mit Gott verglichenen Dinge aufgezählt: Das Himmlische, Irdische und Unterirdische. Damit sind nicht nur die Dimensionen der Verirrung und Gottentfremdung des Menschen durch seine „Gleichnis-Macherei“ angedeutet, sondern auch die Tiefe und Gründlichkeit.

Die Reihenfolge des Abgleitens ist zu beachten: Die h i m m l i s c h e n Dinge sind als Vergleichsobjekt am geeignetesten, weil sie so „überirdisch“ sind. Wie groß sind auch diese Dinge, z. B. Sonne, „Sonnen“, Sterne, Naturgewalten u. a.? Sie mit Gott zu vergleichen liegt sehr nahe, weil sie schöpferische Kräfte bei haben. Wie hat der Mensch aller Zeiten sie in die göttliche Sphäre erhoben. Sie sind so vergottet worden, dass sie nicht nur bei den primitiven Menschen, sondern beim modernen erst recht Gegenstand göttlicher Verehrung geworden sind. Erinnert sei nur an Spiritismus, Okkultismus, Fatalismus, Astrologie u. dgl. mehr. Diese Richtungen sind mehr verbreitet, als man gemeinhin annimmt.

Die i r d i s c h e n Dinge werden ebenfalls immer wieder in den Kreis der gottverehrenden Gegenstände einbezogen, sonderlich da, wo die Geisteshaltung des Menschen durch Atheismus, Rationalismus und Materialismus beeinflusst wird. In diesen Stücken ist das gegenwärtige Zeitalter reicher als das alte.

Die u n t e r i r d i s c h e n Dinge erlangen die Würde der Gottverehrung dann, wenn das religiöse Bewusstsein der Menschen die primitivste Stufe erreicht hat. So werden bei den primitiven Religionsträgern Schlangen, Krokodile, Wassertiere u. a. m. göttlich gesehen und göttlich verehrt. Auch die modernen Menschen weichen nicht von dieser Linie, wenngleich bei ihnen die „unterirdischen“ Wesen mehr begrifflicher Art sind. Alles begrifflich „Unterirdische“ ist aber gefährlicher als die gefährlichste Naturschlange, und ist zudem zu der Gott-Vergleichung passender.

Die Anbetung der Kreatur

Das ist die tiefste Stufe. Es handelt sich hier um die göttliche Anbetung der oben genannten Dinge. Was der Mensch zunächst als Gleichnis, als Gegenstand zur Gottverehrung angesehen hat, wird ihm jetzt Gegenstand der Anbetung. Alles wird an Stelle Gottes gesetzt und wird zum Gott. Diese Abwärtsentwicklung ist folgerichtig. Denn was erst als Hilfsmittel zur Gottanbetung gewählt wird, wird bald Gegenstand der Anbetung. - Jehova Elohim kann nur unmittelbar oder überhaupt nicht angebetet werden.

Was ist Anbetung? Rückhaltlose Verehrung, völliges sich hineinversenken, unaussprechliches Aufgehen in das Angebetete. Anbetung ist ein mit- und hinreißender Vorgang. Der Anbetende ist ein Gefangener des Angebeteten.

Wenn der Mensch zur Anbetung der Kreatur erst gewillt ist, dann ist die Gottentfremdung auf dem Höhepunkt. Darauf kann nur folgen das Gericht Gottes. Die Schwere, die Art und der Umfang des Gerichtes werden ersichtlich am Offenbarwerden des Richters: „Denn Ich, der Jehova, dein Elohim, bin ein eifriger Elohim“.

Die Schwere des Gerichtes ist begründet in seinem Wesen. Er ist Gott und bleibt Gott! Darum wird alle Götter-Sucht verzehrt werden vom Feuer seiner Göttlichkeit. - „Schrecklich ist es, in die Hände des ‚lebendigen‘ Gottes zu fallen“ (Hebr 10:26-31).

Die Art des Gerichtes ist begründet in dem „Jehova dein Elohim“. Diese Namen bezeugen, dass es sich um ein Gericht mit dem Zwecke der Aufrichtung handelt. In diesem Gerichte wird „gerichtet“, d. h. auf- und ausgerichtet. Darum wird er die „Missetäter“ heimsuchen. Das ist eine unsagbar schwere Heimsuchung; aber immer eine „Heimsuchung“.

Daraus ergibt sich auch der Umfang des Gerichtes: „... Bis ins dritte und vierte Glied“. Nicht weiter? Nein, es wäre das dann keine „Heim-Suchung“ mehr. Das weltgeschichtliche Menschheitsverhältnis ist der klare Beweis für den Sinn dieser Heimsuchung. Man überlege, wo heute die Menschheit wäre, wenn Gott die sündliche Entartung und Verderbtheit des Menschen in seinen Nachkommen nicht aufheben würde!

Sofer jede Sünde mit ihrem sittlichen Verderben und dem vernichtenden Einfluss in der letzten Konsequenz sich auswirken dürfte, wäre die Menschheit längst nicht mehr da! „Die Sünde ist der Leute Verderben“. Hätte Gott ihr nicht so nahe Schranken gesetzt, dass wäre im Sumpfe des Verderbens die Menschheit im Anfang schon umgekommen.

Beachtlich ist auch der Zusatz, dass Gott die Sünde heimsuchen wird an denen, „die ihn hassen“. Gemeint sind die bewussten Gottesgegner. Denn Hass ist eine bewusste Gegnerschaft. Bei denen aber, die ihn lieb haben, hat er einen anderen Maßstab: „Und tue Barmherzigkeit an vielen Tausenden.“ Die Barmherzigkeit ist turmhoch erhaben über die Heimsuchung, oder besser gesagt, in der Heimsuchung. Denn auch in der Heimsuchung ist unendliche Barmherzigkeit. Die Barmherzigkeit Gottes triumphiert! Man beachte auch die Tatsache, dass das „ihn lieben und seine Gebote halten“ ebenfalls nur eine Wirkung der Barmherzigkeit Gottes ist. Denn wo ist ein Mensch, der von Natur aus Gutes tun kann? „Da ist keiner, auch nicht einer“, sagt Paulus. Bei denen, die Gott lieben, ist die Barmherzigkeit nicht eine Belohnung, sondern eine Wirkung, die sie in der Heim-Suchung erreicht und erfasst hat. Sie empfangen nun den vollen Segen der Barmherzigkeit bis ins tausendste Glied. Das soll wohl sagen: unübersehbar.

Der Triumph und die Krönung des Gerichtes Gottes ist seine Barmherzigkeit. Das kann freilich ein Mensch nicht verstehen. Das soll er auch nicht verstehen. Denn das Geschehen der Barmherzigkeit Gottes geht über alle menschliche Vernunft. Das kann nur geglaubt werden.

Der eifrige Gott wird heim-suchen zuerst; und wird Barmherzigkeit erweisen zuletzt. Versuche doch niemand, diese Reihenfolge zu ändern. Es bleibt bestehen: Gott wird heimsuchen „vierfach“ d. h. göttlich gründlich und wird Barmherzigkeit erzeigen „tausendfach“ d.h. triumphal und endgültig. Das sind die Gerichtsheilwege Jehovas, unseres Elohims.

Beim zweiten Gebot ist hinsichtlich des geistlichen Menschen Folgendes zu sagen: Niemals wird der geistliche Mensch zur Anbetung der Kreatur herabsinken, weil er.

  1. durch die Wiedergeburt aus dem Kreaturenverhältnis herausgehoben und ins Kindschaftswesen gesetzt ist,
  2. weil er der paulinischen Überzeugung ist, dass er an der Befreiung der Kreaturen von ihrem vergänglichen Wesen beteiligt sein wird,
  3. weil er sich als der König und Priester Gottes weiß und mit Christus regieren und herrschen wird über alle Welten von Äon zu Äon.

Wie sollte der geistliche Mensch mit dieser erhabenen Überzeugung sich wesensmäßig unter die versklavte Kreatur stellen? Wie sollte er dem Gedanken verfallen, in der durch die Sünde verzerrten Kreatur ein Abbild zu suchen, die Kreatur mit Gott zu vergleichen, oder sogar die Kreatur an Stelle Gottes zu setzen um sie dann anzubeten? Der geistliche Mensch kann aufgrund seines neuen Lebens nur in der Gott-Anbetung stehen. Darin findet er mehr als die volle Befriedigung. Darin findet er - Gott, den Vater!

Lies weiter:
Das 3. Gebot