Nicht Befehl, sondern Bitte

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Von Daniel Muhl

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Bibeltext

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ELB Phim 1:8 Deshalb, obwohl ich große Freimütigkeit in Christus habe, dir zu gebieten, was sich ziemt,

ELB Phim 1:9 bitte ich [doch] vielmehr um der Liebe willen als ein solcher, wie ich bin, Paulus, der Alte, jetzt aber auch ein Gefangener Christi Jesu.

Die Freimütigkeit zu gebieten

Paulus macht hier auf seine Autorität und Vollmacht aufmerksam. Als Apostel, der von Gott und nicht von Menschen eingesetzt wurde (Gal 1:1), durfte er durchaus innerhalb der Gemeinde Dinge anordnen. So gab es zweifellos Angelegenheiten, die nicht verhandelbar waren und heute noch sind. Es ist z. B. absolut nicht verhandelbar, ob wir vor Gott aus Glauben oder aus Gesetzeswerken gerechtfertigt werden! Das Faktum, dass wir nur aus Glauben Jesu Christi vor Gott gerechtfertigt werden können, ist nicht verhandelbar und dazu gibt es keine Alternative!
Nebenbei bemerkt: In Jak 2 geht es nicht um Gesetzeswerke, sondern um Werke, die aus einem echten Glauben entstanden sind, also um (Glaubens-)werke und es geht auch nicht um eine Rechtfertigung vor Gott, sondern um eine Rechtfertigung vor Engeln und Menschen. Jakobus beschreibt den "unechten Glauben", der nicht von der Nächstenliebe gesteuert wird und dieser "unechte Glaube" kann zudem nicht retten.
Von der "Freimütigkeit zu gebieten", will der Apostel hier aber nicht Gebrauch machen. Das hängt vermutlich mit folgenden Faktoren zusammen:

  1. Philemon war geistlich mündig (den Unmündigen muss man oft noch gebieten)
  2. Philemon war von der Liebe geprägt und wollte aus der Liebe heraus handeln
  3. Hier ging es nicht um eine absolut zwingende Angelegenheit
  4. Der allfällige Schuldenerlass und die Freistellung des Sklaven, sollte auf Freiwilligkeit basieren

Hier dürfen wir auch wieder ein weisheitsvolles Schreiben und Handeln des Apostels erkennen. Paulus verzichtet auf seine Autorität und überträgt die Verantwortung auf seinen Bruder Philemon. Er traut ihm eine weisheits- und liebevolle Entscheidung zu. Eigentlich ist es für einen Hirten und Lehrer wunderbar, wenn er nicht mehr gebieten und herrschen muss, wenn er erkennen darf, dass die ihm Anvertrauten selbstständig in der Lage sind, aus der Liebe heraus zu denken, zu reden und zu handeln.
Letztlich ist das genau das Ziel unseres Herrn! Nichts freut Ihn mehr, wie wenn Er sieht, dass Er uns nicht mehr gebieten muss, sondern wenn wir freiwillig lieben wollen und uns von der Liebe leiten lassen wollen. Da wo dies geschieht, ist absolute Freiheit!
In der Vollendung, wenn Gott alles in allen sein wird (1Kor 15:28), wird jedes Geschöpf zu 100% mit der göttlichen Liebe erfüllt sein und deshalb wird sich jedes Geschöpf zu 100% von der Liebe Gottes leiten lassen. In diesem Zustand braucht es absolut keine Herrschaft mehr! Nicht einmal Gott selbst muss dann noch herrschen, weil alle nur noch aus der Treue, der Erwartung und der Liebe heraus leben. Da wird dann die totale Freiheit sein und wir werden die vielfältige Kreativität der Liebe in jedem Einzelnen erleben, sodass wir von einer Herrlichkeit zur nächsten Herrlichkeit schreiten werden. Deshalb schreibt Paulus auch:

  • 1Kor 15:28 - ... dann das Ende, wenn er das Reich dem Gott und Vater übergibt; wenn er alle Herrschaft und alle Gewalt und Macht weggetan hat.

Paulus schrieb: "dir zu gebieten, was sich geziemt." Alles, was aus der Liebe kommt, geziemt sich. Das gr. Wort für "sich-geziemen" lautet "aneko" (+433) und könnte wörtlich mit "hinauf-gekommen-sein" übersetzt werden. Wer ganz aus der göttlichen Liebe heraus denkt, redet und handelt, der ist wirklich am Ziel angekommen.

Um der Liebe willen

Wenn nun Philemon, in Bezug auf seinen Sklaven Onesimus, eine Entscheidung fällen muss, dann sollte dies eine Liebesentscheidung sein. Entscheidungen, die wir aus der Liebe heraus gefällt haben, sind immer die besten Entscheidungen. Nicht selten sind es aber auch Entscheidungen, die sich in Bezug auf das eigene Wohlbefinden zuerst einmal negativ auswirken. Die größte Liebesentscheidung, die je gefällt wurde, war die schmerzlichste! Unser Herr Jesus Christus hat sich aus Liebe zu uns dafür entschieden, einen unsagbar schmerzvollen Tod zu erleiden. Doch in Seiner Weisheit kam er zu dem Schluss, dass es sich lohnen wird, diese Schmerzen auf sich zu laden. Jesus hat sich immer von der Liebe leiten lassen und Er hat immer Liebesentscheidungen getroffen. Diese Liebesentscheidungen waren aber immer auch mit der göttlichen Weisheit gepaart.
Sollte Philemon bei seiner Liebesentscheidung zu dem Schluss gekommen sein, Onesimus dem Apostel Paulus als Mitarbeiter zur Verfügung zu stellen, dann wäre das für ihn persönlich ein Verlust gewesen. Onesimus war sein Sklave, und nachdem dieser zum lebendigen Glauben gekommen war, wäre er für Philemon ein sehr nützlicher Sklave gewesen. Man stelle sich die Situation des Philemon vor: Endlich wird ein unnützer Sklave nützlich und ausgerechnet dann soll ich ihn hergeben.
Wir wissen es nicht, aber vielleicht hat sich Philemon dazu entschieden, seinen Sklaven dem Apostel Paulus zur Verfügung zu stellen. Vielleicht sagte er zu ihm: "Geh wieder zu Paulus und diene ihm, und wenn er Dich nicht mehr benötigt, komme zu mir zurück!" Das wäre für Philemon ein Opfer gewesen. Ein Opfer für den Dienst am Evangelium! Onesimus hätte dem Paulus in seinen vielen Nöten nützlich und ihm ebenso in vielen praktischen Dingen behilflich sein können. Gleichzeitig hätte Onesimus bei Paulus viele zusätzliche Dinge des Glaubens lernen können. Man stelle sich vor, als was für ein Mann Onesimus danach zu Philemon zurückgekommen wäre: als gereifter Bruder, der von Paulus noch einmal zusätzlich unterrichtet wurde. Vielleicht hätte er dadurch noch mehr lernen dürfen, für andere Menschen da zu sein und aus der Liebe heraus zu dienen! Wie viel Gewinn hätte Philemon dadurch gehabt? Vermutlich noch viel mehr!
In diesem Fall hätte Philemon noch einmal zusätzlich erleben dürfen, wie es ist, wenn man eine Sache loslässt und anschließend von Gott viel mehr bekommt, als man je geahnt hätte. Natürlich war Onesimus bei dieser Rückkehr bereits nicht mehr der unnütze Sklave, sondern schon ein liebender Bruder, wie aus diesem Brief klar ersichtlich wird, aber ein weiterer Dienst bei Paulus hätte sehr wahrscheinlich noch eine weitere Vertiefung in den christlichen Glauben zur Folge gehabt.

Alt und gefangen

Warum bezeichnet sich Paulus hier als „der Alte“? Das Alter und die Ältesten haben in der Bibel eine gewichtige Bedeutung. Wer ihren Rat nicht beachtet, ist ein großer Tor! Selbstverständlich haben die Alten nicht immer recht und manchmal stimmt auch das Sprichwort: "Alter schützt vor Torheit nicht!" Aber wer auf die Alten nicht hört und nicht prüft, was sie zu sagen haben, ist ein großer Narr! Dies musste Rehabeam schmerzlich erfahren. Zu seiner Zeit hatte es die Teilung des Reiches zur Folge (2Chr 10:13-19).
Heute leben wir in einer Zeit, wo in der Wirtschaft und manchmal auch in der Politik fast nur noch die jungen und dynamischen Leute gefragt sind. Die Vorteile liegen auf der Hand: "Die Jungen sind oft schneller im Denken, sie haben eine schnelle Auffassungsgabe, sie haben oft noch mehr Power und sie lassen sich leichter, so in eine Firma einspannen, dass sie ihr Leben für den Beruf opfern! Durch die rasante technische Entwicklung können ältere Menschen den Anforderungen einer Firma oft nicht mehr genügen. Sie sind zu langsam und für die Wirtschaft zu träge!"
Dabei vergisst man etwas! Zum einen, dass dadurch wichtige Lebenserfahrungen verloren gehen und zum anderen dass bei schwerwiegenden Entscheidungen, die "Langsamkeit" durchaus seine Vorteile hat. Eine der Stärken von Bundeskanzlerin Angela Merkel ist die Tatsache, dass sie kaum vorschnelle Entscheidungen gefällt hat, sondern zuerst möglichst viele Vor- und Nachteile abgewogen hat. In einer guten Firma braucht es "Schnelldenker" und auch Leute, die flexibel auf die neuen Herausforderungen reagieren können, aber wenn diese Leute meinen, sie haben es nicht nötig auf die Lebenserfahrung alter Menschen zu hören, dann sind sie einfach nur Narren!
Die Werte unserer Gesellschaft (man muss jung, schön, schnell, flexibel, intelligent, euphorisch und selbstverliebt sein) färben sich natürlich auch auf unsere Gemeinden ab! Die Christen hinken dem Zeitgeist zwar meist etwas hinterher, aber sie folgen ihm trotzdem zu oft! Junge und dynamische Gemeinden sind oft "sehr erfolgreich", weil sie wachsen und immer mehr Leute für den christlichen Glauben gewinnen. Dieses dynamische Potenzial hat seine Vorteile und wir sollten es nicht verachten. Gefährlich wird es aber vor allem da, wo die aktiven Leute innerhalb der Gemeinde nicht mehr auf die Ältesten hören. Bezüglich der Lehrfragen in Bezug auf das Evangelium sollte man sich den Ältesten unterordnen (sofern die Lehrmeinung der Ältesten biblisch begründbar ist).
Paulus schreibt nicht umsonst: Paulus hatte nicht nur als Apostel eine große Autorität, sondern ebenfalls als ein älterer Bruder, mit einer sehr großen Lebenserfahrung. Es zeigt auch, dass dieser Brief bereits im fortgeschrittenen Alter des Apostels Paulus geschrieben wurde.

Bereits ein zweites Mal betont Paulus hier seine Gefangenschaft und wieder sieht er sich als ein Gefangener Jesu Christi. In der Regel ist es ja so, dass je älter man wird, desto mehr muss man sich einschränken! Der Aktionsradius wird kleiner, man wir langsamer, unflexibler, hat weniger Kraft! Diese Einschränkungen kann man sehr wohl als ein Gefängnis empfinden. Wenn man sich aber, wie Paulus, als Gefangener Jesu Christi sieht, dann wird dieses Gefängnis plötzlich ein Vorrecht! Man lernt noch mehr aus der Abhängigkeit Jesu Christi zu leben und dadurch wird man ein Brief Jesu Christi, der von allen Menschen gelesen wird (2Kor 3:2-3). Wenn wir wissen dürfen, dass wir in Gefangenschaft jener Person sind, die die Liebe, Barmherzigkeit und Gnade ist, dann ist das eine Gefangenschaft der Glückseligkeit!


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