Kainsfragen

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Abschrift einzelner Themen aus: Die Gemeine
Pfarrer Theodor Böhmerle (1870 - 1927)

Auszug aus: Zeit und Ewigkeitsfragen im Lichte der Bibel
Verlag des Ev. Vereins für innere Mission Augsb. Bekenntnisses, Karlsruhe

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Inhaltsverzeichnis:
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Leide mit! (2Tim 1:7-14)

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Kainsfragen

  • 1Mo 4:1-26 (ELB) (1) Und der Mensch erkannte seine Frau Eva, und sie wurde schwanger und gebar Kain; und sie sagte: Ich habe einen Mann hervorgebracht mit dem HERRN. (2) Und sie gebar noch einmal, [und zwar] seinen Bruder, den Abel. Und Abel wurde ein Schafhirt, Kain aber wurde ein Ackerbauer. (3) Und es geschah nach einiger Zeit, da brachte Kain von den Früchten des Ackerbodens dem HERRN eine Opfergabe. (4) Und Abel, auch er brachte von den Erstlingen seiner Herde und von ihrem Fett. Und der HERR blickte auf Abel und auf seine Opfergabe; (5) aber auf Kain und auf seine Opfergabe blickte er nicht. Da wurde Kain sehr zornig, und sein Gesicht senkte sich. (6) Und der HERR sprach zu Kain: Warum bist du zornig, und warum hat sich dein Gesicht gesenkt? (7) Ist es nicht so, wenn du recht tust, erhebt es sich ? Wenn du aber nicht recht tust, lagert die Sünde vor der Tür. Und nach dir wird ihr Verlangen sein, du aber sollst über sie herrschen. (8) Und Kain sprach zu seinem Bruder Abel. Und es geschah, als sie auf dem Feld waren, da erhob sich Kain gegen seinen Bruder Abel und erschlug ihn. (9) Und der HERR sprach zu Kain: Wo ist dein Bruder Abel ? Und er sagte: Ich weiß nicht. Bin [ich] meines Bruders Hüter? (10) Und er sprach: Was hast du getan! Horch! Das Blut deines Bruders schreit zu mir vom Ackerboden her. (11) Und nun, verflucht seist du von dem Ackerboden hinweg, der seinen Mund aufgerissen hat, das Blut deines Bruders von deiner Hand zu empfangen! (12) Wenn du den Ackerboden bebaust, soll er dir nicht länger seine Kraft geben; unstet und flüchtig sollst du sein auf der Erde! (13) Da sagte Kain zu dem HERRN: Zu groß ist meine Strafe, als daß ich sie tragen könnte. (14) Siehe, du hast mich heute von der Fläche des Ackerbodens vertrieben, und vor deinem Angesicht muß ich mich verbergen und werde unstet und flüchtig sein auf der Erde; und es wird geschehen: jeder, der mich findet, wird mich erschlagen. (15) Der HERR aber sprach zu ihm: Nicht so, jeder, der Kain erschlägt - siebenfach soll er gerächt werden! Und der HERR machte an Kain ein Zeichen, damit ihn nicht jeder erschlüge, der ihn fände. (16) So ging Kain weg vom Angesicht des HERRN und wohnte im Land Nod, östlich von Eden. (17) Und Kain erkannte seine Frau, und sie wurde schwanger und gebar Henoch. Und er wurde der Erbauer einer Stadt und benannte die Stadt nach dem Namen seines Sohnes Henoch. (18) Dem Henoch aber wurde Irad geboren; und Irad zeugte Mehujael, und Mehujael zeugte Metuschael, und Metuschael zeugte Lamech. (19) Lamech aber nahm sich zwei Frauen; der Name der einen war Ada und der Name der andern Zilla. (20) Und Ada gebar Jabal; dieser wurde der Vater derer, die in Zelten und unter Herden wohnen. (21) Und der Name seines Bruders war Jubal; dieser wurde der Vater all derer, die mit der Zither und der Flöte umgehen. (22) Und Zilla, auch sie gebar, [und zwar] den Tubal-Kain, den Vater all derer, die Kupfer und Eisen schmieden. Und die Schwester Tubal-Kains war Naama. (23) Und Lamech sprach zu seinen Frauen: Ada und Zilla, hört meine Stimme! Frauen Lamechs, horcht auf meine Rede! Fürwahr, einen Mann erschlug ich für meine Wunde und einen Knaben für meine Strieme. (24) Wenn Kain siebenfach gerächt wird, so Lamech siebenundsiebzigfach. (25) Und Adam erkannte noch einmal seine Frau, und sie gebar einen Sohn und gab ihm den Namen Set: Denn Gott hat mir einen anderen Nachkommen gesetzt an Stelle Abels, weil Kain ihn erschlagen hat. (26) Und dem Set, auch ihm wurde ein Sohn geboren, und er gab ihm den Namen Enosch. Damals fing man an, den Namen des HERRN anzurufen.

Grundpfeiler aller Offenbarung Gottes

Die ersten Kapitel der Bibel haben den gläubigen wie den ungläubigen Menschen schon viel zu raten und zu fragen gegeben. Vielen dünken sie überhaupt märchenhaft zu sein. Und dies Grundpfeiler aller Offenbarung Gottes an uns müssen vielfach dem Spott und dem Hohn zu Grundpfeilern dienen, um die geoffenbarte Wahrheit lächerlich zu machen. Bezeichnenderweise ist es gerade K a i n, an welchen die höhnenden Fragen dieser Welt oft anknüpfen; und wiederum bezeichnenderweise für die ganze Grundgesinnung der Welt ist es das W e i b Kains, welches Grund und Ziel der Spottfragen bildet. „Woher nahm Kain sein Weib?“ Mit dieser ebenso oberflächlichen wie lächerlichen Frage, welche anzeigt, ,dass die Fragesteller nie tiefer in die Bibel eingedrungen sind, suchen viel Ungläubige einfältige Bibelchristen zu verblüffen. Obwohl wir wissen, dass Gotteskinder durch solche Fragen nicht bewegt werden in ihrem Glaubensstand, so fehlt doch manchen der Durchblick zu rechten Antwort auf diese oder ähnliche Fragen, und da wollten wir hier einmal eine kleine Handhabe bieten, indem wir einige Kainsfragen zu lösen versuchen.

Wir sind uns zwar bewusst dass unsere Lösungsversuche der Kainsfragen die Ungläubigen nicht überzeugen werden, denn ihre Fragen sind wirkliche K a i n s f r a g e n, das heißt, sie kommen aus einem kainitischen Herzen, aus einem von Angesicht Gottes abgewandten Sinn. Solange dieser nicht gebrochen ist, werden dem Herzen die Fragen auch nicht wahrhaft gelöst. Weil aber solche Kainsfragen uns herausfordern, den gewissen Grund unseres Glaubens aufzuzeigen, so möchten wir auch bereit sein, darzulegen, dass unser Offenbarungsglaube gar feste und gediegene Grundlagen hat. Wir möchten aber auch nicht nur den oberflächlichen Fragern, sondern v i e l m e h r noch den gläubigen Lesern der ersten Bibelkapitel zeigen, dass darin viel gewaltigere und tiefere Fragen enthalten sind, als der rasch darüber hinweggehende Sinn sich nur träumen lässt.

Gott spricht mit den Menschen

Ehe wir ins einzelne gehen, etwas Allgemeines. Der sinn der gottfremden Herzen fasst natürlich schon den ganzen Offenbarungscharakter dieser Grundkapitel der Bibel nicht. Dass hier der Herr r e d e t mit den Menschenkindern, auch mit einem Kain, wie ein Mensch mit einem Menschen, wie ein Erzieher mit dem Kinde, das fassen sie nicht. Sie halten es für märchenhafte Einkleidung der ersten Menschheitsgeschichte, die eben, wie sie meinen, eine kindlich-einfältige gewesen sei. Im guten Sinn ist sie das auch gewesen, aber eben das macht diese Geschichte so tief und so gewaltig. „Wenn ihr nicht werdet wie die Kinder“, sagt doch der Heiland, „werdet ihr nicht ins Himmelreich kommen.“ Damit legt Er in den einfältigen Kindessinn das Geheimnis des Höchsten und seine Offenbarung. Er selbst, der Heiland, der Gewaltigste unter den Menschenkindern, ist ja nichts anderes gewesen als ein Kind Gottes, als das Kind Gottes im allerhöchsten Sinn und wollte nie etwas anderes sein. Darum war Sein Höchstes: Kindesgehorsam bis zum Tod. Und daraus kommt der Welt das Leben. Hier wird sie schon zuschanden, die selbstgroße und in sich selbsthohe Welt, sie ist viel zu aufgebläht - denn all ihre Größe ist Aufblähung-, um die herrlichen Offenbarungsgedanken und Offenbarungsfragen zu fassen.

Jener Person-Verkehr mit Kain ist dem kindlichen Glauben das aller Selbstverständlichste, was es gibt. Dieses: „Der Herr redete mit Kain“, „der Herr sprach zu Kain“ und wiederum: „Kain sprach zu dem Herrn“, das ist uns allerwirklichste Wirklichkeit. Gott hat sich zu allen Zeiten in Seinem Sohn geoffenbart, und der Herr, der mit Kain redet, ist eben der Sohn Gottes. Dieser Sohn Gottes ist aber, um von allem andern abzusehen, in Jesus von Nazareth Mensch geworden und hat mit vielen Menschenkindern, kainitischen und nicht-kainitischen geredet; ja dieser Herr und Sohn Gottes hat nach Seiner Erhöhung den Geist der Kindschaft ausgegossen und redet in dem selben zu jedem Gläubigen, und diese reden wieder in der Kraft desselben Geistes mit Ihm. Wer zum Glauben gekommen ist, redet im Heiligen Geiste genauso mit dem gleichen Herrn, wie Kain mit Ihm geredet hat, und dieser Herr redet genauso mit den Gläubigen, wie Er einst mit Kain geredet hat. Und in Seinem Wort, das mächtig in den Gewissen widerhallt, redet Er gleicherweise mit allen Menschen, auch mit den kainitischen, wie Er einst mit Kain sprach. Zudem warten wir, Ihn über ein kleines von Angesicht zu sehen, um dann noch ganz anders mit Ihm zu reden, wie Kain einst. So ist uns der Umgang des Herrn mit Kain gar nichts Besonderes - allerhöchstens in dem Sinn, dass wir hoch aufjauchzen darüber, das der Herr, unser Heiland, also mit Sündern umgeht.

Evas erstgeborener Sohn

Wir sollten die Welt mit ihren oberflächlichen Kainsfragen einmal gegenfragen: „Weißt du auch, welches die allererste den Kain betreffende Frage war?“ Sie wurde schon bei seiner Geburt gestellt, und zwar von seiner eigenen Mutter, von Eva. Und diese Frage war eine gar gewaltige und herzbewegende. Es war die Frage, ob dieses neugeborene und erstgeborene Kind nicht am Ende gar der verheißene Retter der Welt sein. Das Mutterherz Evas glaubte es. Sie jauchzte laut auf bei seiner Geburt und sprach: „I c h h a b e den M a n n, den H e r r n !“ (1Mo 4:1). Ach dass er’s gewesen wäre! Aber es musste ja zuerst die Erde gefüllt und auch das Böse ausgewirkt werden. Und Kain wandte sich nach einer ganz anderen Seite, er ergab sich dem Selbstleben in der Finsternis die er allerdings für Licht und Leben hielt. Eva gab in dem Namen ihres zweiten Sohnes, Abel = Hauch, ihrem Schmerz ergreifenden Ausdruck. Ja, selbst wenn Kain nicht der geoffenbarte Herr war, der Mensch Gewordene, was hätte doch die Welt für einen anderen Gang genommen, wenn er sich auch zum göttlichen Leben entschieden hätte, Nun läuft von ihm die Linie der Selbstmenschen,die aber gebunden sind an das Gesetz der Sünde und des Todes, und diese Linie läuft in unseren Tagen auf ihre höchste Höhe und in ihre tiefsten Tiefen. Ja, eine furchtbare Kainsfrage ist die; "warum hat Kain sich für die Welt und für den Fürsten dieser Welt entschieden?“ Er war die erste Frucht aus der Entscheidung seiner Eltern wider Gottes Gebot. Diese Fehlentscheidung wirkt sich aus im erstgeborenen Sohn. Das ist eine wirkliche Kainsfrage, die heute noch brennend ist.

Die Bibel erzählt uns dann nur wenig vom Heranwachsen von Kain und Abel. Viele Dinge, die heutzutage wichtige Fragen sind, wie zum Beispiel die Berufsfrage, das waren damals gar keine bewegenden Fragen. Kain ward ein Ackersmann, Abel ein Schäfer. Vielleicht bewegen wir auch das im Herzen, warum heute die Berufsfrage eine so schwierige ist, warum sie nicht nur für die Männer, sondern sogar für die Mädchen und Frauen so brennend und oft so verhängnisvoll ist. Am Ende merken wir, dass das auch eine Kainsfrage ist. Denn wer hat den ersten festen, sagen wir einmal stadtartigen Ort gebaut? Wer hat die Industrie aufgebracht? Wer hat die Geiger und Pfeifer geboren? Wer hat das erste Schwert geschmiedet und Mord und Krieg im Lied verherrlicht? Das lesen wir alles in 1Mo 4 am Schluss. Das ist Kainsfrucht! O welch entsetzliche Kainsfrage!

Kain und Abel opferten

Die Bibel erzählt uns dann, wie beide Brüder, Kain und Abel opferten, Abel ein blutiges Opfer, Kain ein unblutiges. Wie kommen denn diese beiden ersten Söhne des ersten Menschenpaares zum opfern? Und zwar alle beide? Und dann von Kain und Abel an - sehen wir uns um-, alle Welt opfert! Es gibt kein einziges Volk der Welt, das je ohne Opfer gewesen wäre. Was aber noch einschneidender ist, alle haben b l u t i g e O p f e r. Wie kommt das? Welche Kainsfrage! Wir können es ruhig dem allgemeinen Völkergewissen zuschreiben. Es wissen eben alle Völker, ehe sie nicht durch Eigenkultur verdorben sind, dass die Sünde Versöhnung heischt. Es wissen alle Vlker, dass der Tod der Sünde Sold ist, und dass der Tod, der Sünde Schuld, nur durch den Tod eines Nichtschuldigen aufgehoben werden kann Daher das Opfer der nichtschuldigen Tiere, ja sogar bei fast allen Völkern je und je das Opfer noch reiner Menschen, wie etwa von Jungfrauen. Darin gibt sich, bei aller Verirrung der Art und Weise, doch der tiefste Gewissensschrei der Menschen kund. Doch wir dürfen noch weiter gehen.

Das erste Opfer hat der Herr selbst im Paradies nach dem Fall den Menschen gegeben. Ich sage ausdrücklich g e g e b e n , denn es war eine großes Trost- und Gnadengabe. Der Herr hat den gefallenen Menschen Röcke von Tierfellen gemacht. Dazu mussten Tiere geschlachtet werden. Die waren nicht zum Essen geschlachtet worden. Vom Fleischessen hören wir erst nach der Sintflut. Das waren Opfer. Der Herr, der nach seiner ersten Verheißung (1Mo 3:16) kommen und Mensch werden wollte und durch den eigenen Tod hindurch (Fersenstich) der Schlange die Macht nehmen wollte (Kopfzertreten), hatte zum Vorbild und zur Grundlage für seine Verheißung dem Menschen die Tieropfer gegeben. Schmerzlich machen, furchtbar schmerzlich machen wollte Er ihnen die Sünde, eben weil so viele Unschuldige sterben mussten. Sehnen sollten sie sich nach der Erlösung im wahrhaftigen Gotteslamm. Aber hier kommt nun wieder eine Kainsfrage: Warum opferte Kain keine Tiere?

Hier liegen seine bösen Werk von welchen Johannes in seinem ersten Brief (1Jo 3:12) sagt; hier kommt sein Unglaube, dem der Hebräerbrief den Glauben Abels gegenüberstellt (Hebr 11:4). Er hielt blutiges Opfer nicht für nötig. Ihm genügten Früchte des Feldes. Das ist heute noch die Kainiten-Art, sie verwirft das blutige Opfer, sie braucht auch keinen gekreuzigten und blutenden Heiland; für sie braucht niemand in den Tod zu gehen als Stellvertreter. Immer wenn die Kainsart, die Welt-Lebeart, in den Völker überhand nahm, verwarfen sie die Oper. Das ist Kainsart, die kein Versöhnen braucht, das ist Eigengröße, die weder ihre Sünde noch der Sünde Fluch kennt. Haben wir soviel Gnade und Erkenntnis, dass wir ein Opfer brauchen, das die Sünde ewig deckt? Können wir „O du Lamm Gottes“ aus Herzserfahrung singen? Hier scheiden sich Kain und Abel. Und so löst sich eine weiter Kainsfrage. Jetzt wissen wir, warum Gott das Opfer Abels gnädig ansah, das Opfer Kains aber nicht. Opfer gefallen Gott nur dann wohl, wenn ein geängstigtes und zerschlagenes Herz sie bringt Ein solches Herz sieht er an und gibt ihm Gnade. Ein stolzes in sich aufgerichtetes Herz, das kennt er von ferne (Ps 138:6). Kain brauchte keine Gnade - wie konnte sie ihm gegeben werden? Abel schrie durch sein Opfer um Gnade - er erhielt sie versiegelt.

Gott antwortet mit Feuer

Vielleicht ist uns das noch eine Kainsfrage, wie denn der Herr das kundgegeben habe, dass Er Abel gnädig war und Kain nicht. Die ist einfach zu lösen. Es geschah durch Feuer. Auf Abels Opfer fiel Feuer und verzehrte es; auf Kains Opfer fiel kein Feuer, es blieb liegen. Kein Wunder, dass die Sünde in Kain zu Hass wurde. Mit Feuer hat der Herr eins auf Abrahams Opfer geantwortet, so auch auf das erste Opfer Aarons, so auf das Opfer des Elia auf dem Karmel. Und das ist heute noch so. Wenn in eine bußfertig vor Gott liegenden Seele der Heilige Geist fällt, dies Feuer des Herrn, dann ist das Opfer angenommen, dann wacht der Glaube auf und mit ihm das Glaubensleben. Auf die größten Opfer des Eigenmenschen fällt kein göttliches Feuer, darin brennt dass Feuer der Eigenliebe und des Menschenlobes und zerstört es gewiss. In Kains Opfer fiel das Zornfeuer beleidigter Selbstliebe und beschämter Eigengerechtigkeit.

Und nun kommt die größte Kainsfrage: die S ü n d e n f r a g e. In großer Gnade wollte der Herr Kain helfen, Er, der große Sündenbandenlöser. Er wollt ihm Kraft geben, die Sünde unter die Füße zu treten (1Mo 4:7). Kain aber blieb in sich selbst, auf dem eigenen Sinn und Sinne. Und nun nahm das Sündengesetz seinen Lauf. Von Stufe zu Stufe wurde er Knecht seines Unglaubens, seiner Leidenschaft gegen den Bruder, und die Sünde, als sie vollendet war, gebar sie den Tod. Ja den Tod, nicht nur den seines Bruders, sondern noch vielmehr den seinigen; denn kaum hatte er den Bruder getötet, stand er innerlich und äußerlich so tief unter dem Todesfluch, dass er zum Herrn schrie, zu dem Herrn, den er verachtet hatte, seine L a s t sei s c h w e r e r, als dass e r sie t r a g e n könne. (1Mo 4:13). Und der Herr war ihm gnädig. Doch davon später. Jetzt wollen wir noch bei der innersten und größten Kainsfrage stehenbleiben, der Frage unserer Stellung zur Sünde, zum Selbstleben ohne Gott, zum Selbstleben in der Welt, zum Wachsen- und Wurzelnlassen von Leidenschaften welcher Art sie seien.

Denn wenn wir zu Welt und Sünde nicht die Bußstellung, die Abkehrstellung einnehmen und die Glaubensstellung zum Herrn, der uns retten will und kann, dann gehen wir unweigerlich ins Todeselement, innerlich, äußerlich, ewig. Wir wollen uns gar keiner Täuschung hingeben, sondern diesen Kain ruhig ansehen, - war Kain nicht ein Mörder? Nein, er w a r einer, er ist#s geworfen. Falsche Stellung zur Sünde hat er eingenommen. Er hat dem Selbstleben den Willen getan. Mit der Verachtung des Opfer- und Bundesblutes hat’s angefangen, und mit dem Mordblut hat’s geendet! Wer in der Sünde bleibt, den verstrickt sie und zieht ihn in den Tod! Das ist auch eine Kainsfrage; ein e r w a c h t e s böses G e w i s s e n ohne Buße, es kommt für jeden Menschen einmal unweigerlich die Stunde, wo das Gewissen, wo die Sünde als Schuld erwacht. Wehe denen, bei denen die Erwachen wie bei Kain ohne tiefgehende Buße geschieht - sie fallen in die Gerichts- und Todesläufe. Selig, bei wem hier in der Jetztzeit das Gewissen erwacht und der Geist Buße wirkt - er tritt in die Lebens- und Rettungslinie. Wissen wir, was Buße ist - haben wir je Buße getan? Soll die Sünde und Schuld in uns ohne Bußschrei erwachen? Fürchten wir uns!

Mit dem Tod ist nichts aus

Und mit dem Tode ist nichts aus - das ist auch eine Kainsfrage. Als Abel tot war, da war der Anstoß nicht abgetan. Da ging’s erst los. Das Blut des in die unsichtbare Welt eingegangenen Abel s c h r i e zu G o t t. Aber, der Totgeschlagene, l e b t e vor dem Herrn, und sein vergossenes Blut stand mit vor dem Herrn in seiner hingemordeten Gestalt. Kain aber, der Lebendige, der war furchtbar im Tode. Er starb jede Minute einen inneren und äußeren Tod, unstet und flüchtig. Alles geht weiter. Wir können nichts und niemanden wegschaffen. Abel lebt, und sein Blut schreit. Was lebt und schreit schon alles in der unsichtbaren Welt wider uns? Oder kennen wir das Blut Christi, das für uns schreit, so laut, dass es alles andere übertönt? Und wissen wir auch, dass es nach der Bibel vier „himmelschreiende“ Sünden gibt? Ich will sie hier nur kurz aufzählen. Erstens: das unschuldig vergossene Blut (1Mo 4:10). Zum anderen: die Unzuchtsünden Sodoms und Gomorras (1Mo 18:20.21). Zum dritten: die Unterdrückung der Unschuldigen (2Mo 22:20ff.). Zum vierten: der zurückgehaltene Lohn des Arbeiters (Jak 5:4). Diesen ziehen unweigerlich Gericht herab.

Sehen wir weiter, wie der Ertrag des Ackers und der Missertrag desselben mit der Sünde zusammenhängt (1Mo 4:12), wie der Unruhegeist zwischen den Völkern und innerhalb der Völker auch mit der Sünde zusammenhängt (1Mo 4:12ff.)? Aber nun fahren die vorwitzigen Kainsfrager fort, das sei doch merkwürdig, dass Kain sage; „Mich wird totschlagen, wer mich findet!“ Wer soll ihn den totschlagen? Es war doch niemand mehr auf der Welt nach Abels Tod als sein Vater und seine Mutter, die werden doch den eigenen Sohn nicht erschlagen! Ob tatsächlich niemand auf der Welt war an Menschen im Jahre 129, in welchem die Ermordung Abels geschah, das ist sehr die Frage. Wir wollen davon aber erst weiter unten reden. Hier nur soviel, dass von den zur Zeit des Mordes lebenden Geschwistern Abels, von denen manche schon über oder gegen 100 Jahre alt waren, wohl eines oder das andere den Tod Abels hätte rächen können.

Aber selbst wenn in der Familie sich niemand gefunden hätte, das Blutrecht an Kain zu vollziehen, so wären doch noch genug Wesen vorhanden gewesen, um Kain zu richten. Standen nicht vor der Paradiespforte die Cherubim mit bloßem, hauenden Schwert? Wie naheliegend ist es, dass Kain ihr heiliges Gottesgericht fürchtete. Dann aber war damals der Vorhang zwischen der unsichtbaren und sichtbaren Welt noch nicht so dich zugezogen wie heute nach Jahrtausenden der Sündenentwicklung. Die ersten Menschen mögen manchen Verkehr mit den uns jetzt unsichtbaren Engelwelten gehabt haben. Vor allen Dingen kannten sie nach dem Fall auch die Finsterniswelt. Satan hatten sie nur zu entsetzlich kennen gelehrt. Kain konnte nicht wissen, ob nicht irgendein mörderischer Satansgeist sich auch an ihm vergreifen würde. Nehmen wir dazu das verängstigte Gewissen, welches überall gEfahren sieht, so begreifen wir sehr wohl, wie Kain rufen konnte: „Mich wird totschlagen, wer mich findet!“

Das Kainszeichen

Wenn es nicht im Bereich der Möglichkeit gelegen hätte, dass Kain getötet worden wäre, so hätte der Herr ihm gewiss kein Zeichen gegeben, dass ihn niemand erschlüge. Aber hier kommt eine neue Kainsfrage, die Frage nach diesem Zeichen. Was war denn das? Die Schrift schweigt darüber. Viele Schriftausleger haben schon versucht, das Geheimnis zu ergründen. Wir glauben, dass es ein B l u t m a l war, welches der Herr an seinem Gesicht, wohl an der Stirn aufgehen ließ. Es handelt sich doch um ein Zeichen, welches den Gerichtstod von Kain zunächst in seiner Erdenzeit abwenden sollte. Welche ist denn das einzige Zeichen, das gilt, wenn der Todes- und Gerichtsengel vorübergehen soll? Ist es nicht das Zeichen des Bundesblutes? Denken wir an Ägypten! Und im Neuen Bund ist nur gerettet, wer besprengt isst mit dem Blute des Lammes. Ein solches Blutzeichen oder Blutmal war für Kain, so sehr es Rettungszeichen war, noch ein ganz besonderes Gerichtszeichen. Hatte er doch gerade den Rettungsrat durch Blut des Lammes verachtet, Hatte er doch seine erste Gegensätzlichkeit gegen Gotte Willen in seinem unblutigen Opfer bewiesen. Und nun musste ein gottgewirktes Blutzeichen ihm Verschonung erwirken. Welch entsetzliche Demütigung! Welch ein Weg, so recht des Herrn würdig, der auch diesen verlorenen Sünder noch suchte. Kain mit dem Verschonungsblutmal an der Stirn - ist das nicht ein ergreifendes Denkmal von des Herrn Gericht und Gnade in einem? Vielleicht dürfen wir darauf hinweisen, dass bei solchen, die nicht ganz verhärtet sind, ,das Schuldbewusstsein sich stets durch eine nach der Stirn schießende Blutwelle kundgibt. Wo wir sie gewahren, sind wir stets geneigt zu vergeben, denn es ist doch Gewissens-Reue da.

Mit diesem Zeichen an der Stirn wandte sich nun Kain hinaus vom Paradies, weg ins Erdenland. Unter die Herrschaft Satans tiefer geraten, ging er hinein in die Erde, welche Satans Eigentum und Wohnplatz war. Die Erde war nämlich zur Zeit der ersten Menschen dreiteilig. Da war ein Garten in Eden, das war das Allerheiligste. Hier standen die zwei Sakramentsbäume, welche wir n ach vielen Anzeichen in der Schrift für einen B r o t b a u m (Leben und für eine R e b e (Erkenntnis des Guten und Bösen) halten. Hier pflegten die ersten Menschen vor dem Fall des Sakramentes. Dann kam das Paradies oder Eden; hier floss das Wasser. Hier floss das Wasser. Hier geschahen offenbar Reinigungen, gewissermaßen die Taufe der Heiligen. Draußen vor dem Paradies war die Erde, gewissermaßen der Vorhof. Dahinaus ging nun Kain - der Welt zu. Dort herrschte Satan, von dort kam er ins Paradies. Die Menschen aber sollten Eden bauen, über die Erde ausdehnen, und dabei Eden b e w a h r e n. Die Gläubigen hielten sich solange die Herrlichkeit des Herrn im Pardies noch auf der Erde war, so nahe wie möglich bei ihm. Hochbedeutsam ist es aber doch, ,dass Kain bei seinem Hinausgehen in die Welt das Verschonungsblut an der Stirne trug - ein Zeichen, dass doch noch einmal auch die Kainslinie zur Buße, zur Umkehr unter die Herrschaft des Blutes Christi käme. Ein Zeichen war’s fürwahr ein Zeichen!

Die Kainslinie wurde geboren

Und hier nun erkannte er sein Weib, und die Kainslinie ward geboren. Und jetzt sind wir bei der großen „Grund- und Haupt“-Kainsfrage der Kinder dieser Welt: „Woher nahm Kain sein Weib?“ Es ist bezeichnend für das ganze am Allerläußerlichsten und sinnlichsten hängende Wesen der Kinder dieser Welt, dass unter all den vielen Kainsfragen diese ihnen am wichtigsten ist. Zu ihrer Beantwortung ist zuerst die Feststellung der Zeit der Ermordung Abels wichtig. In 1Mo 4:25 lesen wir, dass Adam für den gemordeten Abel Seth zeugte. In 1Mo 5:3 steht, dass Adam 130 Jahre alt war, als er Seth zeugte. So liegt also die Ermordung Abels etwa im Jahre 129. Von wann an zählen nun diese Jahre Adams? Gewöhnlich denkt man von der Schöpfung der Welt an. Dann wären alle die Ereignisse: Paradiesleben, Erschaffung des Weibes, Fall der Menschen ungemein nah aufeinander gedrängt. Das glauben wir nun nicht. Wir glauben, dass das Äonen waren oder doch e i n Äon im Paradies, und dass das Zählen der Jahre des Menschen erst nach dem Sündenfall begann. Wir meinen, wenn man nicht sterben muss, zählt man die Jahre nicht. Was hat das für einen Wert, die Jahre zu zählen, wenn sie nie aufhören? Das war aber doch vor dem Sündenfall so.

Erst wenn der Tod am Ende steht, wird das Zählen der Jahre wichtig. Jetzt sind sie Lebenseinschnitte, oder auch Todes-Einschnitte, wie man sagen will, Zählten die Menschen die Jahre erst vom Sündenfall an, dann wird es auch verständlich, dass jetzt die Menschheit die Jahre vom erschienen Retter an zählt. Die erste Zahlenreihe ist so die Zahl des ersten, des gefallenen Adam; die zweite Zahlenreihe die Zahl des zweiten, des Retter-Adam. Dann haben wir bis zum Tod Abels fast 130 Jahre. Wie viele Söhne und Töchter mögen da Adam und Eva geboren worden sein! wir dürfen doch bei den ersten Menschen eine ungemeine Fruchtbarkeit und Kraft annehmen. Er zeugte Söhne und Töchter, heißt es von Adam. Eine dieser Schwestern nahm Kain zum Weib. Die ersten Ehen waren Geschwisterehen. Da die ganze ungeteilte Kraft der Menschen noch in ihnen lag, war das nicht von schädigender Wirkung. Und weil das ganze Geschlechtsleben der Menschen noch nicht unter der bodenlosen Verdorbenheit von heute lag, so hatte das auch nichts Anstößiges. Er in der immer weiter zerteilten Menschheit sind Geschwisterehen verderblich. Bei dem gewaltigen Alter der Menschen, welches ihrer Urkraft entspricht, war ihre Kinderzahl eine so große, dass die Nächstenheiraten bald aufhörten. Dass aber die Zahl der F rauen diejenige der Männer übertraf, sehen wir daran, dass in der Kainslinie gar bald die Männer mehrere Frauen nahmen. (1Mo 4:19). Zu den bemerkenswerten Kainsfragen kann auch die gerechnet werden, dass die Frauen, welche z u e r s t heraustreten und in der Bibel neben den Männern mit Namen genannt werden, alle der Kainslinie angehören. Das gibt zu denken auch für unsere Zeit.

Was aber dieses Kainskapitel der Bibel so bluternst macht und alles leichtfertige Fragen verstummen machen sollte, das ist der das ganze Kapitel durchziehende Tod. Zum ersten Mal tritt uns der erst und der andere Tod - dieser in der Höllenangst Kains - erschütternd entgegen. Aber auch der Retter ist da, nicht nur im Herrn selbst und in Seinem Reden und Handeln, sondern auch in Abel vorgebildet. Und von dem Blute dieses Gottessohnes heißt es, dass es besser rede denn Abels Blut. Dieses redet zum Gericht, jenes schreit Barmherzigkeit. Die größte Kainsfrage ist die Sind wir in Christi Blut und Auferstehung vom Tod zum Leben hindurchgedrungen im Glauben?

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