Leide mit!

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Abschrift einzelner Themen aus: Die Gemeine
Pfarrer Theodor Böhmerle (1870 - 1927)

Auszug aus: Zeit und Ewigkeitsfragen im Lichte der Bibel
Verlag des Ev. Vereins für innere Mission Augsb. Bekenntnisses, Karlsruhe

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Inhaltsverzeichnis:
Kapitel davor:
Das Glückseligkeitsreich (Mt 5-7)

Leide mit!

  • 2Tim 1:7-14 (ELB) (7) Denn Gott hat uns nicht einen Geist der Furchtsamkeit gegeben, sondern der Kraft und der Liebe und der Zucht. (8) So schäme dich nun nicht des Zeugnisses unseres Herrn noch meiner, seines Gefangenen, sondern leide mit für das Evangelium nach der Kraft Gottes! (9) Der hat uns errettet und berufen mit heiligem Ruf, nicht nach unseren Werken, sondern nach [seinem] eigenen Vorsatz und der Gnade, die uns in Christus Jesus vor ewigen Zeiten gegeben, (10) jetzt aber geoffenbart worden ist durch die Erscheinung unseres Heilandes Jesus Christus, der den Tod zunichte gemacht, aber Leben und Unvergänglichkeit ans Licht gebracht hat durch das Evangelium, (11) für das ich eingesetzt worden bin als Herold und Apostel und Lehrer. (12) Um dieser Ursache willen leide ich dies auch; aber ich schäme mich nicht, denn ich weiß, wem ich geglaubt habe, und bin überzeugt, daß er mächtig ist, mein anvertrautes Gut bis auf jenen Tag zu bewahren. (13) Halte fest das Vorbild der gesunden Worte, die du von mir gehört hast, in Glauben und Liebe, die in Christus Jesus sind.(14) Bewahre das schöne anvertraute Gut durch den Heiligen Geist, der in uns wohnt!

Ein Kreuzes- und Sterbensweg

Wir haben einen gekreuzigten Heiland! Und obwohl Er erhöht ist, so ist Er auf Erden immer noch der Niedrige. Bis zur Stunde entfaltet der Herr nirgends äußere Höhen und Herrlichkeit. In den Seinen ist Er freilich der Überwinder, aber immer durch Kreuz und im Kreuz. Glauben heißt, einen Kreuzes- und Sterbensweg gehen, allerdings mit dem inneren Besitz der herrlichen Erlösungsgaben und Erlösungsrechte. Die Gemeine Gottes erscheint in dieser Welt nur als die Leidende, doch immer ist sie auch die Überwindende. Es geht dabei allerdings immer noch wie zur Zeit des Herrn: Das Kreuz stand vor allen offen da, Auferstehung und Himmelfahrt dagegen vollzogen sich in der Stille und im Verborgenen und mussten, abgesehen von den wenigen Augenzeugen, geglaubt werden. Noch ist nicht die Königszeit Christi, noch ist nicht die Zeit Seiner Weltherrschaft und Weltdurchdringung. Wer sich der Gemeine Jesu anschließt, der schließt sich einer leidenden, duldenden und tragenden Minderheit an, die aber, wenn sie überwunden hat, in Christus zur Herrschaft bestimmt ist. Zum freiwilligen Übernehmen dieses Leidensweges ruft der Apostel den Timotheus und in ihm uns alle auf: „Leide mit!“ heißt die Parole des Textes.

Timotheus war, wie wir das aus manchen Bibelstellen ersehen, von Natur zaghaft und schüchtern. Nun stand er allein, er, der gewohnt war, meist um den Apostel zu sein. Und offenbar harrten Leiden auf ihn. Offenbar war auch Paulus, der in Ketten lag, vor ihm herabgesetzt worden. Da ruft ihn nun Paulus zum freudigen Leiden und Kreuztragen auf. Er sagt ihm: Lieber Timotheus, wir haben nicht einen Geist der Furcht, das heißt der Feigheit und der Angst. Schäme dich doch nicht, wenn das Evangelium dir Trübsal bringt. Ärgere dich auch nicht an mir, der ich, wie so oft auch jetzt wieder, ein Gefangener Christi bin. Ich weiß wohl, es gibt immer und überall Leute, die meinen Banden ein Ärgernis anhängen wollen, als wären sie keine Leiden um Christi willen. Du aber wirst dich doch nicht daran stoßen. Du weißt doch, dass der Weg des gekreuzigten und gebundenen Jesus in solche Lagen führt. Auf, lieber Timotheus, leide selbst solches Kreuz und solche Trübsal mit, Kreuz und Evangelium gehören besonders in dieser Erstlings- und Gemeinezeit unweigerlich zusammen. So muntert Paulus seinen Timotheus auf, lieb zu haben die leidenden und gefangenen Brüder, ohne Scham in ihre Gemeinschaft einzutreten und freudig und frei sein Teil Leiden auf sich zu nehmen.

Glauben und Leiden

Das gilt auch uns. Leide mit als guter Streiter Jesu Christi, so ruft Paulus. Weißt du auch etwas vom Kreuz Christi und von seinen Leiden? Stehst du drin? Wir reden nicht von den allgemein menschlichen Leiden, die auch auf der ungläubigen Welt lasten; wir reden von den besonderen, aus dem lebendigen Glauben an den Heiland kommenden Leiden. Das sind vor allem die inneren Leiden der B u ß e , der wachstümlichen Sinnesänderung. In Jesus gilt es alle Tage unter Wehen innerlich Dingen abzusterben, die der natürliche Mensch und das Fleisch gerne hätten und gerne tun würden. Das Geistesleben ist der Widerpart des Fleischesleben. Wer im Geist leben will, kreuzigt in Christo das Fleisch. Das geht nicht ohne tiefes Weh bis zu Tränen. Selbstentäußerung, Selbsterniedrigung, Selbstverleugnung sind fürs Fleisch keine Freuden. Im Glaubenswachstum geht es zwar innerlich von Klarheit zu Klarheit, „doch der Natur geht es gar sauer ein, sich immerdar in Christi Tod zu geben.“

Dann bringt die Bindung an den Heiland L ö s u n g e n vom heilandslosen Leben und von heilandslosen Menschen. Das gibt bei Jung und Alt in den Freundschaften, Gesellschaften, Vereinen, oft auch bei den Eigenen, bittere Kämpfe. Solche Lösungen haben Spott, Hohn, ja auch Benachteiligungen mancher Art zur Folge. Und der Weg des Unrechttragens und des Unrechtleidens ist ein rechter Sterbensweg. Jesu Bahnen zeichnen sich überall ab. In Geschäft und Beruf, in Stellung und Umgang wird alles anders und das nicht ohne manches Weh, manchen Nachteil und Verlust. Wie viele kommen zu keiner Entscheidung für den Heiland, weil sie solche Leiden fürchten und scheuen. Wie viele kommen von gewissen Stationen an nicht mehr mit, weil sie die Kämpfe, die Nachtteile, das Kreuz nicht übernehmen wollen, innerlich und äußerlich nicht. Und wenn erst das Kreuz unter den frommen Leuten kommt, dann schrecken viele zurück, die Bahn des Glaubenslebens mutig weiter zu beschreiten. Wie viele nehmen an der Gemeinschaft der Gläubigen Anstoß? Es ist eine gar niedrige Gemeine, diese Glaubensgemeine.

Deshalb ruft Paulus dazwischen: „Schäme dich Meiner nicht, der ich ein Gebundener bin“ (2Tim 1:8). Leide mit und nimm das Schwere des Glaubenslaufes getrost auf dich. Was sind denn deine augenblicklichen Glaubensleiden? Vor welchen äußeren und inneren Folgen deines Glaubenslebens schreckst du zurück? O tue es nicht, du bringst dich um viel, um sehr viel. Leide mit! Das ist das rechte Kennzeichen der Wahrheit, wenn es aus Leiden in Leiden geht. Jede geistliche Wahrheit und Kraft muss versucht und bewährt werden, und das geschieht im Kreuz. Wundert euch nicht, meine Lieben, wenn ihr in mancherlei Anfechtungen fallt. Leidet mit! Christenart ist freiwillig übernommenes Leiden. Der natürliche Mensch steht knechtisch in seinem Leiden. Er muss - er kann nicht anders. Wenn er könnte, würde er die Leiden seines Lebens wegwerfen. Er geht ihnen, wo er kann, aus dem Weg und weicht ihnen aus. Der Glaube tut das nicht. Der nimmt die in seinen Weg gelegten Passion frei auf und läuft, sie tragend in dem Kampf, der ihm verordnet ist. Hast du diese Gnade? Wir haben die Möglichkeit, das zu tun, denn uns ist gegeben der Geist der Kraft, der Liebe und der Zucht (2Tim 1:7). Der Heiland tut es nicht anders, als dass Er zu jedem auferlegten Kreuz auch die Kraft, die Liebe und die Zucht gibt, und zwar immer in dem Grad und Maß, wie der Glaubenskämpfer es braucht.

Geistgerüstete Kämpfer

Für den Glaubens gibt es in den gottverordneten Kämpfen kein „unmöglich“ und kein „ich kann nicht“. Das sind beides Unglaubensworte. Zu jedem Glaubenskreuz bekommst du den Geist der Kraft. Und das ist die überwindende Siegeskraft Christi, denn der Heilige Geist hat in Jesus in allen Versuchungen überwunden. Es kann dir also gewiss nicht fehlen, du musst nur den Geist der Kraft anziehen und in ihm kämpfen. An Kraft des Sieges fehlt’s dem Glauben nie, denn er ist der Sieg, der die Welt überwunden hat. Dazu bekommen wir den Geist der Liebe. Wo Menschenkinder in Christo leiden und tragen, da bleibt der Geist nicht aus, der ihnen sagt, dass sie von Gott geliebt sind. Welche der Herr lieb hat, die züchtigt Er. Unter den Glaubenskreuzwegen gießt der Geist die Liebe Christi in uns aus. Wir sehen S e i n Kreuz und wie Er uns geliebt; und wir wissen, dass alles Kreuz lauter Liebe ist, unser Bestes zu schaffen. Als Geliebte des Vaters in Christo leiden, tragen, sterben wir. Da ist tiefe Seligkeit im Kreuz. Und dazu kommt der Geist der Zucht oder besser gesagt, der inneren Gleichmütigkeit und Gelassenheit. Die Gläubigen kommen durch ihr Kreuz nicht in innere Verwirrung und Erregung, sondern in eine freudige Stille. Schau sie alle an, die das Kreuz des Herrn getragen haben, ob nicht diese freudige Stille in ihnen war. Wer so ausgerüstet wird, der kann auch Kreuz tragen, und der spiegelt dann in seinem Kreuz ein Stück der Klarheit Christi wider. Durch den Geist der Kraft, der Liebe und der Gelassenheit wächst er unter dem Kreuz, es dient ihm zum Guten. Darum fürchte dich nicht, leide mit und wachse. Das geht nur durch Leiden, die im Geist überwunden sind. Die geistgerüsteten Kämpfer des Herrn sind reiche Kreuzträger.

Reiche Kreuzträger sind sie auch um der g r o ß e n S a c h e willen, für die sie leiden. Dies hält Paulus seinem Timotheus kräftig vor, um ihn zu ermuntern zum: Leide mit! Ach, um welcher Erbärmlichkeiten und Niedrigkeiten willen leidet doch die Welt! Meist geht es dabei um den Bauch, der ihr Gott ist (Phil 3:18.19). Es ist Kreuz um nur vergänglicher Dinge willen, obwohl es dabei auch Unterschiede gibt. Wenn ein Zeppelin um der Luftfahrt willen allen Freuden der Welt entsagt, wenn er sein ganzes Vermögen opfert und arm wird, wenn er sich einen Toren und Narren schelten lässt, so hat er es um einer großen und edlen Sache willen getan. Und doch ist auch Luftfahrt irdisch. Wie unendlich höher ist die Gottessache, um derentwillen Kinder Gottes leiden. Kann es etwas Gewaltigeres geben, als für den, und um deswillen zu leiden, welcher als ewiger Sohn Gottes Sich zuerst dahingegeben hat und uns durch Seinen Tod errettete und berief zur Seligkeit?

Wir sollten wahrhaftig stolz sein, um des Namens Jesu willen leiden zu dürfen; wir sollten es als eine Würde ohnegleichen ansehen, die Schmach Christi zu tragen. Mose schon, obwohl er noch keinen für ihn gestorbenen Heiland hatte, hielt die Schmach Christi für etwas Höheres als alle ägyptische Kulturgröße. Den Unterschied dieser beiden Größen: Weltkulturpracht und Christi Kreuzesschönheit bedenken selbst viele Fromme nicht. O leide mit, du Glaubensmensch, du leidest für etwas unsagbar Großes. Es ist, wie Paulus sagt, der ewige Gottesratschluss,der schon vor Grundlegung der Welten gefasst war und jetzt ausgeführt wird, um dessentwillen wir leiden. Der ewige Gottesrat ging in seiner innersten Größe und Schöne von allen Ewigkeiten her auf eine durch Kreuz und Tod hindurch verklärte Söhnegemeine, die in allem dem eingeborenen Sohn gleich sein sollte und durch die der Welt und aller Kreatur Heil, Frieden und Segen vermittelt werden sollte. Wer glaubt, ist in diesen ewigen Gottesrat eingetreten. Wer glaubt, ist in dies ewige Kreuz-, Todes- und Lebensgeheimnis hinein verflochten und bekommt seinen Anteil an Kreuz und Herrlichkeit.

An Großem schaffst du mit

In Jesus Christus, dem Gekreuzigten, Gestorbenen und Erstandenen ist dies große Geheimnis Gottes zur Durchführung gekommen. Er ist als Sündloser in den Tod gegangen, hat ihn durchbrochen und hat Leben und unvergängliches Wesen ans Licht gebracht. Und nun holt das leidensverklärte Haupt Seine Glieder und vollendet sie auf dem gleichen Weg. In diesen Weg, sagt Paulus zu Timotheus, bin ich eingegangen, ja ich bin Apostel, Prediger und Lehrer desselben geworden, und deshalb leide ich mein Leidensteil und sterbe ich mein Sterbensteil, um diesen wunderbaren Rettungsrat mit zu vollenden, der der Vollendung der Gemeine und der ganzen Welt zugute kommt. An diesem Großen schaffst du mit, wenn du eingehst in die Leiden Christi. Du wirst zu einem Glied am Haupt und wirst, wenn du im Leiden vollendet bist, einer der königpriesterlichen Söhne Gottes, die der ganzen Kreatur das Heil bringen dürfen. Erst wenn die Glaubens-Leidens-Glieder-Gemeine vollendet ist, kann der große Rettungsrat Gottes die ganze Kreatur umfassen. Jetzt wartet sie noch auf die selige Freiheit der Kinder Gottes.

Willst du für diese große Sache nicht dein Teil leiden und sterben? Ist’s nicht etwas Großes, für dies zu offenbarende Seligkeitsgeheimnis der Welt sich ganz einsetzen zu dürfen? Wer jetzt im Glauben an Christus den ihm verordneten Kreuzesweg frei übernimmt und im Geist überwindet, der tut für die Welt das Größte: Er arbeitet an ihrer Gesamtrettung in Christus. O suche die Herrlichkeit dieser Leiden und - leide mit!

Die Herrlichkeit der vollendeten Gläubigen

Du darfst aber auch d e i n e eigene H e r r l i c h k e i t sehen. Die Herrlichkeit der vollendeten Gläubigen wächst aus ihren frei übernommenen, und in Christi Geist überwundenen Trübsalen. Paulus sagt: „Ich weiß, an welchen ich glaube“, das heißt wörtlich: „Ich weiß, welchem ich mich anvertraut habe.“ Paulus weiß, dass er dem Gekreuzigten, aber auch dem Erhöhten und Verherrlichten gehört. Er weiß, dass sein Heiland, dem er in der Niedrigkeit dient, der wahrhaftige Herr sei, dem sich noch alle Knie beugen müssen. Er weiß, wem er sich anvertraut hat, dem nämlich, der all die Seinen zu sich ziehen kann und wird. Paulus kennt „die Beilage“, die er am Tag des Herr sicher bekommen wird. Paulus leidet, kämpft und überwindet auf einen Tag hin - auf den Tag der Ankunft des Herrn Jesus Christus zu Seinen Gläubigen. Und auf diesen Tag weiß Paulus sich etwas Großes beigelegt oder hinterlegt. „Ich habe einen guten Kampf gekämpft“, sagt er an anderer Stelle, „ich habe Glauben gehalten“ - eben im Kreuz - „hinfort ist mir beigelegt die K r o n e der G e r e c h t i g k e i t, welche mir der Herr, der gerechte Richter, geben wird, nicht mir aber allein, sondern auch allen, die Seine Erscheinung lieb haben.“

Paulus erwartet eine Krone und die Ebenbildlichkeit des Königspriesters. Dieser Stand wächst mit seiner Herrlichkeit aus den im Geist übernommenen und überwundenen Leiden heraus. Höre auf diese heilsamen Worte, sagt er zu Timotheus. Verscherze nicht durch Leidensscheu die Kleinodskrone, den Siegeskranz. Bewahre dir deine Beilage, für die du das Angeld schon im Herzen trägst im Heiligen Geist. Wo der Heilige Geist im Herzen wohnt, redet er deutlich von dieser großen und schönen Herrlichkeit. Sie wächst aber ganz aus dem Leidensweg. Wer den Leiden Christi aus dem Weg geht, hat kein beigelegtes, unverwelkliches Erbe. Und jedes innere und äußere Sterben, vor dem du furchtsam abbiegst, verringert deine Beilage. Wie werden sich einst schämen, die sich hier geschämt haben! O bitte um den Geist der Kraft, der Liebe und der Zucht, und dann gehe hin - und was der Herr an Kreuz dir vorlegt, das nimm auf:

Leide dich, leide dich, Zion, leide ohne Scheu...,
lass doch ja nicht lau die finden.
Auf, das Kleinod rückt herbei!

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