Eine erschütternde Weissagung

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Abschrift des Buches: Der da war, und der da ist und der da kommt!
Pfarrer Theodor Böhmerle (1870 - 1927)

Aus dem Gemeinschaftsblatt für innere Mission Augsb. Bek.: "Reich-Gottes-Bote“ (1918-26)
Selbstverlag des Bibelheims „Bethanien", Langensteinbach

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Inhaltsverzeichnis:
Kapitel davor:
76. Ein Braver im Feuergericht Jesu Mk 10:17-22 (1920)

77. Eine erschütternde Weissagung

  • Lk 5:27-39 (ELB) (27) Und danach ging er hinaus und sah einen Zöllner, mit Namen Levi, am Zollhaus sitzen und sprach zu ihm: Folge mir nach! (28) Und er verließ alles, stand auf und folgte ihm nach. (29) Und Levi machte ihm ein großes Mahl in seinem Haus; und [da] war eine große Menge von Zöllnern und anderen, die mit ihnen zu Tisch lagen. (30) Und die Pharisäer und ihre Schriftgelehrten murrten gegen seine Jünger und sprachen: Warum eßt und trinkt ihr mit den Zöllnern und Sündern ? (31) Und Jesus antwortete und sprach zu ihnen: Nicht die Gesunden brauchen einen Arzt, sondern die Kranken; (32) ich bin nicht gekommen, Gerechte zu rufen, sondern Sünder zur Buße. (33) Sie aber sprachen zu ihm: Die Jünger des Johannes fasten oft und verrichten Gebete, ebenso auch die der Pharisäer; die deinen aber essen und trinken! (34) Jesus aber sprach zu ihnen: Könnt ihr etwa die Hochzeitsgäste fasten lassen, während der Bräutigam bei ihnen ist? (35) Es werden aber Tage kommen, und dann, wenn der Bräutigam von ihnen weggenommen sein wird, in jenen Tagen werden sie fasten. (36) Er sagte aber auch ein Gleichnis zu ihnen: Niemand schneidet einen Flicken von einem neuen Gewand und setzt ihn auf ein altes Gewand; sonst wird er sowohl das neue zerschneiden, wie auch der Flicken von dem neuen zum alten nicht passen wird. (37) Und niemand füllt neuen Wein in alte Schläuche; sonst wird der neue Wein die Schläuche zerreißen, und er selbst wird verschüttet werden, und die Schläuche werden verderben; (38) sondern neuen Wein füllt man in neue Schläuche. (39) Und niemand will, wenn er alten getrunken hat, neuen, denn er spricht: Der alte ist milde.

Jesus offenbart sich dem Judenvolk

Der Heiland ist daran, Sein erwähltes Eigentumsvolk für seinen Weltenberuf zuzubereiten. Das ist ja der erste und nächste Zweck Seines Kommens gewesen, das prophtische Wort des Alten Bundes in allen Stücken in die Fülle einzuführen. Als verheißener und erwarteter Messias-König offenbart Er sich in Wort und Tat dem Volke. Das Königreich Gottes oder das Königreich der Himmel hat sich aber niemand anders gedacht, konnte sich auf Grund des prophetischen Wortes niemand anderes denken als ein Reich, das unter dem herrlichen Davidskönig alle Feinde des Judenvolkes richtete, das Judenvolk selbst herrlich machte, und von Zion aus dann alle Nationen der Herrlichkeit des Herrn unterwarf. Dabei war es prophetische Hauptgrundlinie, dass das erwählte jüdische Volk durch tiefe Buße hindurch mit geändertem Sinn die Vergebung der Sünden im Messias-Könit ergreifen werde und, gereinigt und geläutert, ein heiliges Priestertum, vom Geiste regiert, dem König zur Verfügung stehe.

Darum war das erste: der B u ß r u f; das zweite: die Beschaffung der Versöhnung und Erlösung im wahrhaftigen Passahlamm; das dritte: die geistesmäßige Anbietung der beschafften Versöhnung im erstandenen und verherrlichten Messias-König. Da war nun der Heiland an der Arbeit. Er steht in unserem Text noch im ersten Teil: im Bußruf, und doch auch schon in gewissem Sinn im zweiten Teil: in der innernsten Herzenspassion über der Unbußfertigkeit des Volkes im ganzen. Ja, indem der Heiland kämpfte und rang, zeugte und wirkte unter dem Volke, trat Ihm je länger, je mehr die entsetzliche Herzenshärte, sonderlich der Führer des Volkes, aber durch sie verführt, auch des größten Teiles des Volkes entgegen. Und da stieg vor Seinen geistlichen Prophetenaugen die ganze Zeit des Gerichtsfluches herauf, welche dies arme Volk noch durchmachen musste, bis es endlich reif würde, seinen geistlichen, weltumspannenden Beruf in seinem Jahwe-Jehova, Jesus Christus, zu ergreifen. Erschütternd spricht der Herr in unserm heutigen Text in dreifachem Ausspruch diesen Gerichtsspruch, stets sich steigernd, aus.

Jesu dreifache Gerichtsweissagung

Zuerst ist es ein doppeltes „ N i c h t“ gegenüber den selbstgerechten Pharisäern und Schriftgelehrten. Ihr braucht Mich nicht - darum kann Ich euch auch nicht brauchen. Die Gesunden bedürfen des Arztes nicht; Ich aber bin gekommen, Sünder zur Buße zu rufen und nicht Gerechte. Hier hören wir schon das erschütternde: Nein, es geht nicht; mit euch und in euch Selbstgerechten, der Buße nicht Bedürfenden, kann man kein Königreich aufrichten. Dann kommt das noch erschütterndere zweite Wort: es kommt die Zeit, dass der B r ä u t i g a m vom Volke, das zur Braut bestimmt ist, w e g g e n o m m e n werden wird (Vers 35). Der Heiland sieht, die Gesetzesknechtschaft ist ihnen lieber als der Brautstand, weil im Gesetz ihr eigenes Ich sich aufrichtet; im Brautstand aber müssten sie ihr Ich in des Bräutigams Ich aufgehen lassen - dazu sind sie noch nicht reif. Der Bräutigam muss erst von ihnen genommen werden, dann werden sie fasten. Es wird das Heimweh in ihnen erwachsen nach schwerem Vermissen unterm Gerichtsfluch.

Die ganze Verstoßungszeit, die schreckliche bräutigamslose Zeit des jüdischen Volkes steht dem Herrn vor Augen. Und da tut sich Ihm am Ende dieser Zeit auch der v ö l l i g e G e r i c h t s z e r b r u c h noch auf. Er sieht die fürchterlichen Tage, wo auch das alte lLeid, das Gesetz und die alten Schläuche, die Propheten, zerrissen sein werden, und wo das neue Kleid und der neue Wein, obwohl sie beide da sind, ihnen doch nicht gehören werden, weil sie das neue Kleid in Lappen zerschnitten und aufs alte gesetzt haben. Das ist das antichristliche Wesen nach seiner ganzen Art, und sonderlich in seiner erschütternden Gerichtsvollendung. Das ist die dreifache, erschütternde Gerichtsweissagung unseres Heilandes an Sein Volk in unserm Text, welche damals, als Er vor ihm stand, anhob zu laufen, und welche jetzt in ihre letzte Vollendung ausläuft.

Es ist erschütternd, den Heiland so zu sehen! Welch eine Passion mag Sein ganzes Wesen durchschauert haben! Wie tun wir einen Blick in Sein ununterbrochenes Leiden, aber auch wieder einen Blick in den Lauf des Rates Gottes, der, so erschütternd er ist, doch stärkend und gründend für unser Glaubensleben wirkt, weil wir, was der Heiland ausgesprochen, laufen und sich vollenden sehen durch die vergangenen Jahrhunderte hindurch in unsere Tage hinein. Doch sehen wir näher zu und dringen wir tiefer ein in das Verständnis dieser dreifachen, erschütternden Gerichtsweissagung des Herrn.

Die Fluchgeschichte

Das Verständnis unserer Stelle als einer erschütternden Gerichtsweissagung des Herrn wird dadurch sehr erschwert, ja man kann sagen, fast unmöglich gemacht, dass die herkömmliche Auslegung die ganze Stelle einfach und zuerst wieder auf die Nationen, also auf uns bezieht. Dass der Glaube aus diesen Versen in der Erleuchtung und Kraft des Geistes auch viel Erbauliches für den Innenmenschen ziehen kann, ist gewiss; aber diese erbauliche Anwendung wird in vielem schief sein, wenn wir den eigentlichen Grundsinn des Heilandes auf d i e J u d e n und ihre traurige F l u c h g e s c h i c h t e, welche auch die Nationen am tiefsten angeht, weil die Fluchgeschichte des jüdischen Volkes je länger, je mehr auch die ihrige wird. Dass der Heiland dies Wort vor Juden, und zu Juden gesprochen hat, das weiß jedermann. Das allein schon sollte uns veranlassen, es einmal ins jüdische Licht zu stellen. Aber es ist noch viel mehr als das. Der ganze Inhalt der Verse kann nur auf das Volk Israel angewandt richtig verstanden werden; erst von da aus gewinnen wir das richtige Verständnis für uns. Ganz Falsches kommt heraus, wenn wir es direkt auf die Christenheit oder gar auf die Gemeine anwenden. Dass die Gerichtsweissagung des Heilandes die Juden betrifft, sehen wir am klarsten aus dem zweiten und dritten Teil der Heilandsrede. Drum wollen wir da auch hineingehen.

Der Bräutigam und die Braut

Im Mittelpunkt unserer Weissagung steht der Gerichtsspruch: „Der Bräutigam wird weggenommen werden!“ Das passt doch n u r auf die Juden. Von der gläubigen Christenheit, von der Gemeine, ist doch der Bräutigam nicht weggenommen! Ganz im Gegenteil: wo eine gläubige Seele ist, da ist der Vater und der Sohn im Heiligen Geiste einwohnend. Und wo Gläubige sich versammeln, da ist doch der Herr im Heiligen Geiste gegenwärtig. Und im heiligen Abendmahl ist Seine Geistesgegenwart uns direkt verbürgt. Wo ist denn da der weggenommene Bräutigam? Der Heilige Geist heißt im vierten Evangelium direkt: d e r S t e l l v e r t r e t e r. Ja, der Herr sagt von den Seinen: „Ich will euch nicht als Waisen lassen; siehe, Ich komme zu euch.“ Bei der gläubigen Gemeine ist keine Rede davon, dass Er von ihr genommen ist. W i r sind ja i n I h m und E r in u n s - das ist ja gerade das Geheimnis der Glaubensgemeine. Und dass Er nicht sichtbar da ist, wiewohl gar sehr erfahrbar und in Auswirkungen bemerkbar, das ist eben der Charakter der Glaubensgemeine. Diese hat ihren Herrn gegenwärtig; das ist keine Frage. So ist Er also nicht von ihr genommen. Aber von wem denn?

Ei - von den Juden! Von diesen ist Er voll und ganz genommen, abgesehen von den Gläubigen, die auch aus dem Judenvolk Ihn ergreifen. Aber woher kommt es denn, dass so viele das auf die Christenheit beziehen? Daher, dass sie auch den Bräutigam falsch beziehen. Wir haben es selbst lange gefangen in Überlieferungen, getan. Die klare Schrift gibt hier Licht. Nach der Heiligen Schrift ist es falsch, von den Gläubigen als von einer Brautgemeinde zu sprechen. Und es ist falsch, den Heiland in Beziehung auf die Gläubigen als Bräutigam zu bezeichnen. Achten wir vor allem auf die Tatsache, dass das Wort „Bräutigam“ in allen apostolischen Briefen nie vorkommt. Das Wort Bräutigam kommt immer nur in Beziehung auf die Juden vor.

Und die Gläubigen in Christo?

Bedenken wird: die Gläubigen in Christo sind doch stets S ö h n e. Die Gemeine soll doch heranwachsen zum vollen M a n n e s a l t e r Christi. Die Gläubigen sollen doch in allem Christus gleich werden: Christus ist aber nach der Schrift der männliche Sohn, der Mann. Und die Gemeine ist immer männlich. Sie ist doch der L e i b C h r i s t i, des Mannes Leib, ein männlicher Leib. Die Gläubigen stehen auch in ihrer Vollendung dem Heiland nicht als ein Weib gegenüber, sondern sie ist v ö l l i g in I h m. Dagegen ist das jüdische Volk von Anfang der Offenbarung an die junge, freundliche Dirne, welche Sich der Herr erwählt hat - es ist das Weib; sündigt es, so ist es die Hure; verwirft es der Herr, so ist es die Witwe. Mit wem will Sich der Herr verloben in Ewigkeit (Hosea)? Mit Israel! Wem will Er begegnen wie ein Bräutigam Seiner Braut? (Jes 61 u. 62). Dem jüdischen Volke nach seiner Errettung. Wer hat unter allen Nationen erfahrungsgemäß den passiven, den leidenden, den weiblichen Charakter? die Juden.

Wer ist erwählt nur zum Empfangen und zum Weitergeben? der Jude! Und wer ist in einen Bund berufen? das Judenvolk! Wer dagegen ist ein eingeborener Sohn, gleich dem Erstgeborenen? der Gläubige in Christo. Lauter Brüder sind die Gläubigen unter sich und gegenüber Christus. Wenn Paulus an die Korinther schreibt, er wolle sie als eine reine Braut Christo zuführen, so ist das dort deutlich nur Gleichnis in Bezug auf die Reinheit. Und Eph 5 wird nicht die Gemeine mit der Ehe, sondern die Ehe mit der Gemeine verglichen. In Eph 5 handelt es sich nur um die Kennzeichnung der Ehe, und um die rechte Stellung der Gläubigen in der Ehe. So bezieht sich also sowohl der Bräutigam wie das Weggenommenwerden des Bräutigams auf die Juden. Die Gemeine ist mehr als eine Braut und ein Weib: sie ist ein Mann, Ihm gleich. Darum dürfen auch die Gläubigen mitherrschen; bei Gott herrschen aber nicht Weiber, sondern Männer. -

Die dritte Gerichtsweissagung

Genau so zeigt uns der dritte Gerichtsweissagungsspruch unseres Textes die Beziehung auf die Juden. Bei wem ist schließlich alles hin: Gesetz und Evangelium, Prophetie und Christus? Bei wem ist das alte Kleid zerrissen und das neue zerschnitten, bei wem die alten Schläuche kaputt und der Wein verschüttet? Das ist doch nicht bei der Gemeine der Gläubigen. Aber bei den Juden ist es so! Und zwar ist es bei ihnen vollendet vor dem Tausendjährigen Reich zu der antichristlichen Zeit und ihrem Gericht. So sehen wir auch durch unsere Verse des heutigen Textes bestätigt, was wir schon so oft gesagt haben, dass nämlich die drei ersten Evangelien grundmäßig der Epoche des Tausendjährigen Reiches oder des K ö n i g r e i c h e s Christi angehören. Das ist nicht etwa eine Äußerlichkeit, diese Wahrheit zu erkennen, sondern das ist eine große, tiefe, ins Innerste greifende Wahrheit.

Wer das klar hat, kriegt eine viel klarere Stellung in Christo, eine klarere Stellung zu Staat und Kirche und ihrem Wesen, eine klarere Stellung zu aller und in aller Reichgottesarbeit. Und hier tut ganz gewiss eine große Reformation not, ehe wir in die eigentlichen antichristlichen Sturzzeiten vollends ganz hinein gerissen werden, damit wir nicht mitgerissen werden. Hier tut eine Reformation not bis weit hinein in unsere Gemeinschaftskreise! Wer es fassen will, fasse es. Wenn wir es nicht durch das nüchtern betrachtete Wort Gottes lernen, so werden es uns über ein kleines die Zeiten lehren. Aber wir wissen wohl, was unser Text sagt: „Niemand, der den alten Wein trinkt, will schnell den neuen; denn er spricht: Der alte ist milder“ (V. 39).

Buße, das prophetische Grundwort

Doch nun noch zu einer kurzen Auslegung im sonderlichen unserer dreifachen Gerichtsweissagung. Die Grundlage für alles Eindringen in Gott, in Christum und in Sein Reich in jeglicher Haushaltung ist die Buße, die Sinnesänderung. Der uns angeborene Fleisches-Ich-Sinn muss zerbrochen werden, wenn für Gott, für den Heiland, für Seine Reichsgedanken Raum sein soll. Das ist auch in der Gemeine der Gläubigen der Weg. Über Buße und Glauben kommt das geheiligste Gotteskind nicht hinaus, wohl aber immer tiefer hinein. In der Heilandsgemeinschaft wird mein Ich immer jämmerlicher, darum eben Er immer größer. So ist denn Buße auch die Grundlage des Königreichs Christi. Die ganze Anlage von Gesetz und Prophetie war ein Bußweg für das jüdische Volk, d. i. ein Weg, der zur Buße führen sollte. (Auch der Nationenweg, der Preisgabeweg - „Gott hat sie dahingegeben“, Röm 1 - , auch dieser Weg ist d e r , der zur Buße führen sollte.) Buße ist das prophetische Grundwort. Deshalb stand am Eingang zur Aufrichtung des Königreiches Christi die v e r k ö r p e r t e B u ß e in Johannes dem Täufer. Und der Heiland nahm diesen Bußruf auf.

Er hatte einen merkwürdigen Erfolg. Neben einzelnen Bußfertigen aus allen Lagern war es die Schicht der Zöllner und Sünder, welche am meisten zum Zerbruch zeigte. Sie waren alles Leute, die Gesetz und Propheten und Messiasreich gering geachtet hatten gegen Weltgenuss der mannigfachsten Art. Als nun plötzlich die messianische Zeit hereinbrach, und sie vom ganzen Volk als die Hinausgestoßenen betrachtet wurden, ja mit Fingern auf sie gezeigt wurde, da bemächtigte sich dieser Kreise ein tiefes Weh und Heimweh. Und als dann der für den Messias gehaltene Jesus, Sich ihnen zuwandte und ihnen Vergebung und Aufnahme ins Königreich zusicherte, das brachen sie zusammen, und sanken vor des Heilands Füßen nieder. Wenn Er rief: „Levi!“ dann hieß es: Hier bin ich, ich Armer, ich folge Dir nach. Und wenn der Levi ein Mahl machte, da kamen sie zu Haufen, die Zöllner und Entrechteten am Himmelreich. Und nicht drastischer, nicht sinnfäliger konnte der Heiland den Grundweg der Buße dem ganzen Volke vor das Herz stellen, als wenn Er unter Scharen solcher zerbrochener Sünder als Messiaskönig saß.

Jesus unter Zöllnern und Sündern

Aber da wachte bei den „Braven“, bei den „Ich-Gerechten“, bei den Ich-großen Führern, bei den Ich-Wissern der Schrift der Hass auf. Eine tiefe Feindschaft brach in giftigen Fragen aus. „Warum esst ihr mit Zöllnern und Sündern?“ Das böse Gewissen wagte sich nicht gleich an den Herrn selbst - die armen Rettung Ergreifenden, die stießen sie an. Da sah der Heiland, dass sie mit ihrem Ich sich ins Gesetz gesetzt hatten, anstatt dass das Gesetz ihr Ich in den Staub geworfen hätte. Er sah sie und ihren bösen Einfluss; er sah die auch nur o b e n d r a u f erregte, darum leicht verführbare Masse. Er sah: die brauchen keine Buße, keine Versöhnung, keine Sündentilgung, keinen Heiland. Und Er sah: die konnte Er nicht brauchen ins Himmelreich. Sie waren Ihm nicht untertänig, sie waren in Sich selbst. Er sah das kommende Gericht. In zweimaligen „Nicht“, „Nicht“ sprach Er es aus - und litt tief.

Jene zerbrochenen Selig-Gewordenen aber, wie waren die glücklich! Ihnen war die messianische Zeit angebrochen. Sie waren aus großen Tiefen Gerettete, in die Gemeinschaft des Ewigen und Erwarteten und Gekommenen Versetzte. Was war für sie gesetzliches Fasten und gesetzliches Beten! Hier war Leben mit Ihm, ein fortgesetztes Fest und Freude. Fasten war zum Fest geworden, Beten war Leben mit Ihm. Da wachte die Wut der Gesetzeswächter auf: Diese Übertreter (die Geretteten) übertreten weiter! Das Gesetz und die Aufsätze der Ältesten verachten sie! Das Gesetz war nämlich der Selbstgerechten Gott, weil sie selbst d r i n g r o ß waren, anstatt zu Gott hin ihr Führer, der sie hätte k l e i n m a c h e n sollen. - Gesetz! So rechteten sie! - Und ein Bräutigam war doch da, die Fülle des Gesetzes. Aber sie wollten Gesetz, da waren sie die H e r r e n, obwohl es lauter Knechteswesen war; der Bräutigam muss von ihnen genommen werden. Er sah, wie nach Seinem Tode noch eine selige Bräutigamszeit anbrach.

Der Anfang des Königreiches

Der Anfang des Königreiches in Jerusalem - o, er überstrahlte das ganze Volk. Der Anbruch dort nach Pfingsten hatte Gnade bei Gott und allem Volk; aber diese Gesetzesstarren wollten nicht. Sie verfolgten und töteten. Da kam das Gericht. Der Bräutigam wurde von ihnen genommen. Zwei Jahrtausende elenden Fastens waren nun ihr Teil. Ja, der Heiland sah es wohl, sie merkten wohl die neue Zeit, das neue Kleid, den neuen Most. Es hätte ihnen auch vieles gefallen: das Gericht über alle Feinde, vornehmlich der Römer; die Herrlichkeit des Friedensreiches im Heiligen Lande; sie selbst große Ämter und Rechte innehabend; die Herrschaft von Zion aus über alle Nationen - das hätte ihnen alles, alles gar wohl gefallen. Aber sie wollten bleiben wie sie waren, und bleiben wer sie waren. Sie wollten diese ihnen passenden Stücke des neuen Kleides auf ihr altes setzen; sie wollten den neuen Most in ihre alten Schläuche fassen.

Da sah der Heiland das alte Kleid in Fetzen gehen und die Schläuche bersten. Ich-Wesen geht in den Tod. Und Er sah beides dahingehen: Gesetz und Prophetie, Ich-Wesen und das Himmelreich. O große Not! Ist es nicht das jüdische Volk nach seinem Wiedereintritt in die Geschichte, welches diese Lappentheorie und diese Mosteinfüllung in alte Schläuche alle Völker lehrt? Wer hat die Offenbarungsgedanken Gottes von sozialer Ausgleichung, von gerechter Güterverteilung, von Völkereinheit und Völkergerechtigkeit, von Völkerfrieden und Völkerseligkeit herausgerissen aus dem Kleide Christi und und hat sie auf den alten Rock des Egoismus gesetzt? Wer hat diesen Most genommen und hat ihn in die Schläuche selbstgroßer Gesetzlichkeit gefüllt? Das sind die Nationen unter Führung des Judentums! Und welche Gerichte hat das schon gebracht!

Das ist Antichristentum

Und welche wird es noch bringen! Die Menschheit retten wollen durch christliche Gedanken, die man der a l t e n M e n s c h h e i t einprägt, das ist das Antichristentum, das ist der letzte furchtbare Fluch. Ein Jude wird das vollenden. Da wird Gesetz und Prophetie dahin sein, und alle die geraubten Fetzen und der geraubte Wein mit - und kein Heiland da. Aber doch, wenn’s soweit ist, dann wird Er, das hat Er selbst dem Hohenpriester in der dunkelsten Nacht gesagt, dann wird Er wiederkommen. Dann wird beim größten Teil des Volkes die Bußreife dasein, drüben und hüben, im Totenreich und auf der Erde. Dann wird Er, der Zerstochene, König und Herr werden, und auf die Nationen wird sich’s Schritt für Schritt ausbreiten.

Die verklärten Söhnegemeine aber, die mit Ihm gekommen sein wird, die wird bei dieser Hochzeit des Lammes die Mitwirkende, der Leib des Bräutigams sein, Sein Krongeschmeide, das die Braut, das Weib, dann hoch entzücken wird. Die erschütternde Weissagung des Herrn tritt in ihr letzte Stadium. Siehst du es, gläubiges Volk? Das ist die Bedeutung für dich! Hebe deine Augen empor. Er, des du wartest, ist auf dem Wege, dass er dich vor diesen letzten Gerichten bewahre und zu Sich nehme. In den erschütternden Gerichten bleibe unerschüttert im Unerschütterlichen. Sein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit. Sein - der dein ist!

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78. Das Zeichen von Nain Lk 7:11-17