Ein Braver im Feuergericht Jesu

Aus Bibelwissen
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Abschrift des Buches: Der da war, und der da ist und der da kommt!
Pfarrer Theodor Böhmerle (1870 - 1927)

Aus dem Gemeinschaftsblatt für innere Mission Augsb. Bek.: "Reich-Gottes-Bote“ (1918-26)
Selbstverlag des Bibelheims „Bethanien", Langensteinbach

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Inhaltsverzeichnis:
Kapitel davor:
75. Ein Blick ins Geisterreich der Finsternis Mk 5:1-20 (1926)

76. Ein Braver im Feuergericht Jesu

  • Mk 10:17-22 (ELB) (17) Und als er auf den Weg hinausging, lief einer herbei, fiel vor ihm auf die Knie und fragte ihn: Guter Lehrer, was soll ich tun, damit ich ewiges Leben erbe ? (18) Jesus aber sprach zu ihm: Was nennst du mich gut? Niemand ist gut als nur [einer], Gott. (19) Die Gebote weißt du: «Du sollst nicht töten; du sollst nicht ehebrechen; du sollst nicht stehlen; du sollst nicht falsches Zeugnis reden; du sollst nichts vorenthalten; ehre deinen Vater und deine Mutter!» (20) Er aber sagte zu ihm: Lehrer, dies alles habe ich befolgt von meiner Jugend an. (21) Jesus aber blickte ihn an, gewann ihn lieb und sprach zu ihm: Eins fehlt dir. Geh hin, verkaufe alles, was du hast, und gib [den Erlös] den Armen, und du wirst einen Schatz im Himmel haben, und komm, folge mir nach! (22) Er aber ging, entsetzt über das Wort, traurig weg, denn er hatte viele Güter.

Aus dem Geist geboren

Die p r o p h e t i s c h e B e d e u t u n g der vorliegenden Geschichte sei heute unser Gegenstand. Alles biblische Wort ist ja prophetisch. Es heißt in der Schrift selbst: „Same“, „unvergänglicher Same“, „Same der Wiedergeburt“. Aller Same ist aber prophetisch, denn er schließt in seiner Hülle eine noch nicht vorhandene Zukunft ein. Ein erfahrener Gärtner kennt die prophetische Bedeutung der Samenkörner. Hat er ein Samenkorn in Händen, so sieht er schon, wie es erwächst, und welche verschiedenen Gestaltungen es im Gang seiner wachstümlichen Entfaltung annimmt. Also ist auch ein jegliches Wort aus dem Geist geboren. Es trägt in sich eine Zukunft, die aus ihm erwächst, ein jegliches Wort hat eine eigene Zukunft nach seiner Art. Die einen erwachsen mehr im persönlichen Leben der Gläubigen, die anderen mehr bei der Hinausführung des Rates Gottes in der Gemeine und in der Welt. Die ganze Welt- und Kirchengeschichte ist wachstümliche Entfaltung des Wortes Gottes. Das Wort Gottes wird täglich voller und ausgewachsener. Am Ziel der in ihm geoffenbarten Wege Gottes steht es dann völlig ausgewachsen da.

Darum sagt der Heiland: „Himmel und Erde werden vergehen, aber Meine Worte werden nicht vergehen.“ Im Gegenteil, sie werden in ausgewachsener Schönheit im erfüllten Rat Gottes vor uns stehen. Das gehört zu der tiefen, seligen, inneren Freude des Glaubenslebens mitten in solchen schweren Zeiten, wie wir sie haben, das Wort Gottes nach seiner Gerichtsseite und nach seiner Gnadenseite immer voller werden zu sehen. Darum hat alles, wo wir hinsehen in der Bibel, auch eine prophetische Seite. Eine Abelgeschichte, eine Kainsgeschichte, ein Henoch und ein Noah und seine Arche, ein Abraham und Joseph, ein Mose und ein Aaron, die Könige und die Priester und die Propheten und all ihre Geschichte und ihre Geschichten, alles, alles schließt zukünftig auswachsende Wahrheiten in sich. Und von wie vielen sind wir heute Zeugen, wie sie sich bis in unsere Tage hinein erfüllt und gefüllt haben, und doch ist ihrer keine noch ganz voll, sondern sie laufen alle noch bis ans vorgenommene Ziel. So sind auch die Heilandsgeschichten der Evangelien alle prophetisch. Und wenn wir jüngst das Gleichnis vom verlorenen Sohn als die Weissagung vom Weg der Nationen durch die Weltgeschichte ansahen, so ist unsere heutige Geschichte vom reichen Jüngling ganz deutlich die G e s c h i c h t e der J u d e n, durch die Zeiten hindurch in großen Zügen gezeichnet. In der Geschichte vom reichen Jüngling haben wir gewissermaßen die Geschichte des zweiten im Hause gebliebenen Sohnes vor uns.

Der Offenbarungsträger Gottes

Der reiche Jüngling - oder, wie Lukas sagt, der reiche Oberste - ist das j ü d i s c h e V o l k. Dieses Volk hat Gott der Herr nach Seinem ewigen Erwählungsrat vor allen Völkern mit einem Reichtum von Gaben ausgestattet, der es tüchtig machen soll zu seinem großen Menschheitsberuf. Es ist keine Frage, dass das jüdische Volk unter allen Völkern der Erde mit leiblichen, seelischen und geistigen Gaben am reichsten ausgestattet ist. Sonst würde das jüdische Volk nicht unter allen Nationen, unter die es gestreut ist, immer sofort eine führende Stellung einnehmen; sonst hätte es seine jahrtausendelangen furchtbaren Leiden unter den Völkern nicht also ertragen können, dass es heute noch mit ungeschwächter Spannkraft von Geist, Seele und Leib dasteht, ja gestählter denn je. Sein ewiges Gesetz ist: „Je mehr sie es drückten, umso kräftiger mehrte es sich.“ Das gilt für Geist und Leib. Und immer und immer wieder hat Gott der Herr das Volk, wo es nur etwas sich regen konnte, schnell an allen irdischen Gütern reich werden lassen. Dies gilt von Abraham an bis heute.

Der größte Reichtum aber, der ihm gegeben ist, das ist die ihm anvertraute Offenbarung Gottes. Das jüdische Volk ist der Träger der göttlichen Wahrheit an alle Nationen der Erde, von Abraham an bis heute, und es wird dieser Offenbarungsträger im Vollsinn erst werden nach seiner Vollbekehrung am Ende der Tage. Es ist der Offenbarungsträger des lebendigen Gottes nach beiden Seiten hin, nach Gericht und Gnade: nach Gericht durch d e n Teil des Volkes, der unter dem Fluch steht - nach der Gnade durch d e n Teil, der unter dem Segen steht. Die Nationen brauchten gar nicht antisemitisch zu werden, sie sollten sich an ihre eigene Brust schlagen. Es ist i h r e e i g e n e Schuld, dass sie in die Fluchauswirkung des, aus seinem Lande verworfenen jüdischen Volkes mit hineingekommen sind. Sie verwerfen im Unglauben die Bibel; da könnten sie unter dem v o l l e n S e g e n des gläubigen Teiles des jüdischen Volkes stehen. Und alles, was glaubt, steht darunter. Wir können Gott nicht genug danken, dass wir unter den von Juden übermittelten Segnungen stehen dürfen, von Abraham an bis zu Paulus und Petrus und Johannes - vor allem aber in Jesus selbst.

Wie sollten wir gegen ein Volk sein, dem wir alles in Zeit und Ewigkeit verdanken, weil es der Herr zu Seinem Mittler erwählt hat? Was kann uns der unter der Verwerfung lebende Teil dieses Volkes tun? Wir können ihn höchstens zu eifern reizen, wenn er sieht, dass wir in seinem Segen so glücklich und selig sind, und er unterm Elend gehen muss. Wir möchten allen Juden unserer Tage laut es zurufen: da seht den Reichtum der Gläubigen, den sie haben von euch Juden, und ihr gehet draußen in der Verwerfungsferne! Wollt ihr nicht kommen und auch selig sein in eurem eigenen, von euch leider nicht erkannten Reichtum? Und den Nationen möchten wir laut zurufen: warum lebt ihr nicht in den herrlichen Offenbarungen des lebendigen Gottes, welche uns durch den gläubigen Teil des jüdischen Volkes gegeben sind? Weil ihr diese verwerft, darum müsst ihr nun teilhaben an dem Verwerfungsfluch des draußen stehenden Teiles des jüdischen Volkes. Kommt, lebt nicht vom unbekehrten, sondern vom bekehrten Juden! Aber du sagst: von g a r k e i n e m. Ich aber sage dir, von e i n e m m u s s t du leben, das ist der unabänderliche Rat Gottes. Entweder - oder.

Der reiche Jüngling

Das ist also nun der reiche Jüngling, das ist der reiche Oberste - dieses zum reichsten und o b e r s t e n der Völker gemachte Judenvolk. Und es ist tatsächlich ein Jüngling unter den Völkern. Es ist das jüngste Volk. Nachdem 1Mo 10 schon alle Grundmauern und Grundwurzeln aller Nationen ins Lebensbuch eingetragen sind, wird erst 1Mo 12 Abraham als Stammvater des jüdischen Volkes erwählt. Und Ägypten ist bereits ein großes Volk und eine Nation unter Pharaonen, als das jüdische Volk erst ganz allmählich unter ihm zum Volk erwächst.

Dieser r e i c h e J ü n g l i n g unter den Völkern, das jüdische Volk, hat nun als allerherrlichsten Reichtum die Verheißung auf seinen Messiaskönig, der es zu Seiner Zeit zum Segensvolk der Welt machen wird. Auf diesen seinen Messiaskönig zielt seine ganze Erziehung unter dem Gesetz hin. Zuchtmeister auf Christus sollte es ihm sein. Gespannt harrte darum das ganze Volk auf den großen Tag seines ewigen Königs und Herrn.

Und siehe, als die Zeit erfüllet war, da kam Er in Sein Eigentum. Voraus ging der große Wegbereiter Johannes,und zeugte von Jesu als dem Verheißenen. Und das Volk ahnte den Anbruch seiner großen längst verheißenen Stunde. Es geschah, was unser Text sagt: „Es lief einer herzu, fiel vor Ihm nieder und sprach: guter Meister, was muss ich tun, dass ich das ewige Leben beerbe?“ Eine gewaltige, das ganze Volk umfassende Bewegung entstand schon durch Joannes. Was sollen wir tun? Was sollen wir tun? so ging es von Mund zu Mund. Und machtvoll, wie ein Frühlingssausbruch, durchzog es das ganze Volk, als sein Herr heilend und zeugend, die Zeichen des Messias erfüllend, durchzog. Mehrmals wollten sie Ihn zum König machen. Beim Einzug in Jerusalem brach der innerste Glaube des ganzen Volkes aus. Und selbst nach der Kreuzigung, an Pfingsten, erfasste es noch einmal die Tausende: „Was sollen wir tun, was sollen wir tun?"

Seine falsche Herzensstellung

Aber leider war das Gesamtvolk nach seiner Masse, und waren seine Führer in einer falschen Herzensstellung, so dass die herrliche Zeit nicht anbrechen konnte. Sie waren in der Herzensstellung unseres reichen Jünglings: in sich selbst gerecht, in sich selbst reich, selbstbewusst - das auserwählte Volk, das Anspruch hatte auf Herrlichkeit und Völkerführung. Es war blind dafür, dass vor allen Dingen es selbst innerlich zerbrochen werden, und Versöhnung und Erneuerung annehmen müsse, ehe es gereinigt der Völker Heilsmittler werden könnte. Es sah ein, wie der reiche Jüngling, dass ihm noch etwas fehlte. Johannes der Täufer und der Heiland selbst hatten es davon überzeugt; aber dass es durch einen völligen Zerbruch, durch eine Versöhnung durch des Messias eigenes Blut gehen müsse, dafür hatte es in seiner Selbstgröße keinen Sinn. Es wandelte ja von Jugend an in den Gesetzen Gottes. Der Meister sollte ihm nur das eine sagen, was es noch zu tun habe, um sein Erbe anzutreten.

Umsonst schlug der Herr dem reichen Jüngling ins Gewissen mit Seinem gerichtlichen Wort: „Niemand ist gut als der einige Gott.“ Umsonst schlugen Johannes und der Heiland an die Herzen, indem sie das Gesetz einhämmerten. Johannes tat es in seiner Bußpredigt, der Heiland in der Bergpredigt und in vielen herzbeweglichen Reden. Trotz vorübergehender Bußwallungen, wie sie der reiche Jüngling mit seinem Niederfallen vor dem Herrn bekundet, blieb es doch endlich dabei: „Das habe ich alles gehalten von meiner Jugend an; was fehlt mir noch?“ Wie beim reichen Jüngling, so ging durch das Volk und seine Führer immer klarer und tiefer eine Abneigung gegen den Herrn und eine Abweisung desselben. Und der anfängliche Glaube ward verschlungen vom Unglauben. Der Herr aber hörte nicht auf, Seinen reichen Jüngling zu lieben. Er arbeitete weiter an ihm. Nun hatte Er ihn jahrhundertelang erwählt, geführt, gerichtet, gerettet - er war Seine erste und Seine bleibende Liebe.

Erneuter Werberuf ans jüdische Volk

Je mehr das Volk sich abwandte in seinem eigenen Wesen, umso mehr liebte Er es. Je tiefer der Herr sah, dass von einer Annahme des Heils keine Rede war zu jener, Seiner Zeit, je klarer Ihm das Gericht Jerusalems vor Augen stand, umso herzbrechender weinte Er um den selbstgroßen in sich verhärteten Sohn. Und Er ging hin und ließ Sich töten und vergoss Sein Blut zur Versöhnung auch dieser Verhärteten in der Gewissheit, dass sie einst noch sehen würden, in welchen sie gestochen hatten. Ja - Er sah ihn an und liebte ihn. Er ließ nach vollbrachter Versöhnung, nach geschehener Auferstehung und nach erfolgter Erhöhung im Tempel Seinen Stellvertreter, den Heiligen Geist, erscheinen. Und noch einmal ließ Er den Werberuf ergehen ans ganze Volk. Und diesmal hieß er: O, lass deinen Reichtum fahren, deinen eigenen und eigengroßen! Komm, nimm Vergebung an! Folge Mir, dem Gekreuzigten, nach! Tritt ein in Meine Lebensgemeinschaft! Und nimm alle deine Güter, verkaufe sie und gibt sie den Armen! Sieh, die Heiden stehen vor der Türe und warten. Willst du um Jahrhunderte ihr Heil aufhalten, weil du in Eigengerechtigkeit und Eigengröße an dich reißest was Ich doch im Grunde nur für sie dir gegeben habe? O, nimm all deine Güter, verkaufe sie und gib sie diesen Armen! Sei mit Leib und Seele und mit allem, was Ich dir gegeben, für die Heiden da, für welche du berufen bist -

Aber der reiche Jüngling, das jüdische Volk, ward unmutig. Es machte den Zaun noch fester um seinen reichen Hof und Garten und ließ die armen Verachteten draußen stehen. Die Gläubigen, die kleine Schar derer, die sich retten ließen, gingen hin und taten also, sogar rein irdisch. Sie verkauften alles was sie hatten und teilten’s aus; sie wurden auch der heilige Same, der nun das Reich unter die Nationen trug - allerdings, weil die Fülle des jüdischen Volkes versagte, noch nicht zum Heil für alle V ö l k e r, sondern zunächst zur Gewinnung des Heidenanbruchs. Hauptsächlich der treue Paulus trug's hinaus. Dem reichen Jüngling aber zerschlug der Herr seinen Zaun und verbrannte ihm Haus und Hof und warf ihn arm und verachtet auf der Heiden Straßen. Und die quälen ihn nun schon jahrhundertelang. Es ist, als ob sie es fühlten: du mit deinem Eigenstolz warst und bist schuld, dass wir noch so arm sind.

Aber der Herr liebt ihn immer noch und wartet nun seiner Heimkehr und Umkehr. Und gerade der Heiden Schläge werden ihn endlich heimtreiben wie einst der Ägypter Schläge. Wenn er kommt, wird der Herr ihn wieder reich machen. Und dann wird er all seinen Reichtum, nunmehr begnadigt, den Heiden geben, und dann kommt die große selige Zeit. Dann wird der reiche Jüngling sie alle reich machen im reichen Herrn. Du aber, Gemeine des Herrn, jetzt schon reich in Ihm, hebe dein Haupt in die Höhe - der reiche Jüngling, jetzt so verachtet unter den Nationen, fängt an, umzukehren. Es ist große Zeit im Reiche Gottes! Bei allem S c h w e r e n ist es eine L u s t, ein K i n d G o t t e s zu sein!

Lies weiter:
77. Eine erschütternde Weissagung Lk 5:27-39