Der Antisemitismus und die Bibel

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Abschrift einzelner Themen aus: Die Gemeine
Pfarrer Theodor Böhmerle (1870 - 1927)

Auszug aus: Zeit und Ewigkeitsfragen im Lichte der Bibel
Verlag des Ev. Vereins für innere Mission Augsb. Bekenntnisses, Karlsruhe

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Inhaltsverzeichnis:

Der Antisemitismus und die Bibel

Auflehnung gegen die Gottesordnung

Gegen Sem, so heißt Antisemitismus wörtlich. Gegen Sem, das ist aber wurzelmäßig widerbiblisch. In der großen Menschheitverheißung an Noah nach der Sintflut hat Gott, der Herr durch Sein Wort dem Sem und seinen Nachkommen die Führung, allerdings die geistliche Führung der Völkerwelt, aber damit eben wurzelmäßig die ganze Führung übertragen. „Gelobt sei der Herr, der Gott Sems“, so heißt es dort. Japhet soll wohnen in den Hütten Sems, und Kanaan, das heißt die Hamiten, seien Knechte (1Mo 9:26.27). Wir wollen hier nicht näher in die Auslegung dieses grundlegenden, und für die ganze Menschheitsgeschichte wegweisenden Wortes eingehen. Es genügt für unseren Zweck zu sehen, dass Sem zum Menschheitsführer bestimmt ist. Antisemitismus ist nun die bewusste oder unbewusste Auflehnung gegen diese Gottesordnung. Die erste Auflehnung dagegen liegt im babylonischen Turmbau. Dort wollten die Menschen sich einen N a m e n machen. Name heißt aber hebräisch „S e m“ . Sie wollten also sich selbst zum „S e m“ machen und die Semordnung Gottes aufheben: Das ist dann über Ägypten bis heute die innerste Ursache alles Antisemitismus, die Auflehnung gegen die Ordnung Gottes, dass Sem die Führung der Welt haben soll, und Sem ist weitergeführt in der Linie Abrahams und der Juden. Nicht Sem, sondern Japhet heißt die Parole der Antisemiten, es wird auch noch heißen, nicht Sem, sondern Ham.

Die innerste Wurzel des Antisemitismus, dieses „gegen Sem“, ist also eine widergöttliche und widerbiblische, darum sind auch alle diejenigen als zwar unbewusste, aber doch wirkliche Antisemiten anzusprechen, die den Rat Gottes mit den Juden außer acht lassen. Die Kirchen, am ausgeprägtesten die katholische Kirche, haben ja diesen Rat Gottes völlig verändert und vielfach sich anstelle der Juden gesetzt. Darum fallen auch die Kirchenleute so schnell und leicht dem Antisemitismus zu. Der nicht wahrhaft bekehrte Mensch trägt lauter widerbiblische Wurzeln in sich, und der Antisemitismus ist, wie wir eben gesehen haben, auch eine solche. Der Antisemitismus ist die Auflehnung der Nichtsemiten gegen die semitische Weltvorherrschaft, die Gott später einem von Ihm auserwählten aus der semitischen Linie - Abraham und seinen Nachkommen und damit den Juden - zugesprochen hat, ehe es überhaupt Juden gab. Es ist eine merkwürdige Tatsache, aber eben eine Bestätigung des göttlichen Wortes, dass trotz aller Unterdrückung von Seiten aller Nationen der Welt Sem in seinem jüdischen Zweig immer und überall wieder zur Herrschaft gelangt. Das gebiert dann den Antisemitismus. So ist eigentlich der Antisemitismus selbst eine laute Bestätigung dafür, dass Gottes Wort sich unbeirrt durchsetzt.

Unter dem Gericht Gottes

Wir müssen nun allerdings bei dieser Heraussstellung des ewigen göttlichen Rates und Willens, welchen auch der Antisemitismus niemals aufhalten, sondern nur fördern wird, eine sehr wichtige, für diesen gegenwärtigen Äon geltende Bemerkung machen. Das jüdische Volk, dieser Ur-Sem und Kern-Sem, steht zur Zeit unter dem Fluch Gottes. Es hat seinen Messias, Jesus, den Christus, verworfen und lebt darum im Galuth, wie es selbst sagt, das heißt in der Zerstreuung und Verbannung, also unter dem Gericht Gottes. Dass ihm jener Gottesspruch vom Berg Ararat heute noch gilt, das zeigt die Tatsache, dass es selbst in der Verbannung unter den Völkern zur Macht und zur Herrschaft gelangt. Diese Herrschaft des verworfenen Volkes ist aber jetzt ein Fluch für die Völker. Darum hätten die Völker, besonders diejenigen, welche das Evangelium kennen, die Juden als Fremdlinge behandeln und ihnen in ihrem jetzigen Verworfenheitszustand keinen maßgebenden Einfluss geben sollen. Und eben indem sie das in seiner ganzen Schwere spüren, sollen sie sich wieder heimsehnen nach Kanaan und nach ihrem Gott.

Die ungläubigen Völker und ihre ungläubigen Führer haben hier selbst den Grundfehler gemacht und die Juden als gleichberechtigte Volksglieder in sich aufgenommen. Das war und ist in dieser Verwerfungszeit durchaus nicht der Wille Gottes. Wir sollen und dürfen sie natürlich nicht hassen, noch weniger verfolgen, haben wir ihnen doch als den erwählten Offenbarungsträgern unser Heiligstes zu verdanken, aber wir sollten sie als Fremdlinge unter ein Fremdenrecht stellen, zwar in aller Freundlichkeit, aber auch in aller Festigkeit. Das wäre nach Gottes Willen, und so würde das von seinem Gott hinaus getane Volk am schnellsten wieder umkehren lernen. Die Völker sind selbst schuld, wenn das gottverworfene Volk sie mit hineinzieht in sein Verderben, sie haben es ja selbst zu dem gemacht, was es ist. An die eigene Brust sollten wir schlagen, nicht gegen andere. Aber das wird nicht kommen, die Völker gehen, wie das jüdische Volk, auch hierin ihre eigenen Wege. Erst nehmen sie das Judenvolk gleichberechtigt in ihre Mitte, und dann, wenn es ihnen zu stark wird, werden sie Antisemiten und schlagen es hinaus.

Stellung der Gotteskinder

Die Ägypter haben ihm in ihrem Antisemitismus immer härtere Frondienste auferlegt. So muss dann der Rat Gottes erfüllt werden durch Schläge und Gericht. Und der Antisemitismus ist eine der widergöttlichen Geißeln, die Gott aber braucht, um Seinen Rat mit Sem erst recht durchzuführen. Die Geißeln werden dann selbst von Gott ins Gericht geworfen, um endlich durch den inzwischen bekehrten Sem wieder gesegnet zu werden. Von diesem widergöttlichen Antisemitismus sollten sich Gotteskinder fernhalten. Sie stehen den Juden in göttlicher Weise gegenüber. Wir haben keine Ursache, sie zu hassen, zu schelten oder ihnen gar Böses zu wünschen und zu tun. Der Jude ist uns Mensch, und darum umfasst ihn unsere Menschenliebe; ja, der Jude ist uns mehr, er ist uns der gotterwählte Träger der irdischen Herrschaft Christi, darum beten wir für ihn, dass er seinen Beruf bald ergreife. Wir sagen ihm aber auch mit allen seinen Propheten, wer und was er jetzt ist im Galuth, in der Gottverwerfung. Wir weisen ihn auf seinen Messias und Christus, so gut wir können. Wir lassen uns nicht hinein verwirren in den törichten und unbiblischen Wege der Judengleichstellung, weil wir wissen, dass ein Jude nie in den Nationen aufgehen kann, auch nicht soll - er hat einen anderen Beruf - wir lassen uns auch nicht hineinverwirren in den ebenso unbiblischen Weg des Antisemitismus, dieser selbst ungläubigen Geißel des ungläubigen Volkes Gottes. Haben wir so in dem „Anti-Sem“ die unbiblische Wurzel des Antisemitismus gesehen, so werden wir uns nicht wundern, wenn er auch durchaus antibiblische Früchte bringt. Darunter verstehen wir seine bibelzersetzende Wirkung.

Zwei Hauptlinien

Zwei Hauptlinien möchten wir nur davon herausgreifen. Es ist uns allen bekannt, wie die Antisemiten von Abraham, Isaak und Jakob, den Erzvätern und Urvätern auch der Gemeinde in Christo reden. Es müsse endlich damit aufgeräumt werden, sagen sie, diese Gestalten unserem Volke als die vorbildlichen hinzustellen. Unser eigenes Volk habe doch viel herrlichere und vorbildlichere Gestalten. Zum rasseechten Germanentum müssten wir zurückgehen. Das ist vom biblischen Standpunkt aus eine furchtbare antichristliche Verirrung. Wir sind von Hause aus eine heidnische Nation wie alle anderen Nationen, außer den Juden. Mit den rasseechten Urvätern würden wir unseren Kindern und Kindeskindern wieder Heiden als Muster hinstellen. Wir sind Gott dankbar, dass Er uns Seine Offenbarung und Sein Offenbarungswort gesandt hat. Er hat uns die Botschaft verkündigen lassen, dass wir aus der germanischen Naturlinie herausgenommen werden können, aus dieser Linie, die dem Gesetz der Sünde und des Todes unterliegt, und eingefügt werden können, sofern wir glauben an den Namen des Herrn Jesus Christus, in die Offenbarungs-, Heils- und Herrlichkeitslinie, der Abraham, Isaak und Jakob als Urväter gedient, angehören.

Hier scheiden sich Gotteskindschaft und Antisemitismus wie Feuer und Wasser. Wir wollen einst nach Jesu Wort mit Abraham, Isaak und Jakob zu Tisch sitzen. Wenn das die Antisemiten auch nicht wollen, wir sind wie Isaak, nach der Verheißung Kinder. Und lassen wir uns ja nicht beirren, wenn der Antisemitismus die Fehler und Sünden dieser Urväter heraussucht und sagt, mit solchen Leuten wollten wir nicht zusammen sein, ja es sei eine Sünde, sie unseren Kindern als Vorbild hinzustellen. Es ist immer bedenklich, wenn jemand sich an den Sünden der anderen aufhält, anstatt an den eigenen. Es ist noch bedenklicher, wenn jemand mit den Sünden anderer hausieren geht und Geschäfte mit ihnen macht. Das tut aber der Antisemitismus in jeglicher Hinsicht. Das muss jedes Gotteskind weit vom Antisemitismus fernhalten. Wir wollen nicht von den aufgedeckten Sünden anderer leben, sondern von Christi Blut, das unsere eigenen Sünden zugedeckt.

Abraham, Isaak und Jakob

Woher kennt übrigens denn der Antisemitismus die Sünden Abrahams, Isaaks und Jakobs? Er kennt sie aus der Bibel. O welch eine Bibel; o welch ein Gott und Herr, der die Sünden der Gläubigen nicht verschweigt; ja so verschweigt Er uns auch die unsrigen nicht, und eben deswegen können wir uns zu Abraham, Isaak und Jakob stellen. Das ist die Glaubenslinie der Erwählten Gottes, da kommen nur Sünder - aber zerbrochene Sünder hinein. Abraham, Isaak, und besonders Jakob sind eben nicht nur Sünder, sondern zerbrochene Sünder (1Mo 32), und als solche sind sie begnadigt, und Träger der Gnadenwahl. Nicht ihre Sünde liebt der Herr, sondern ihre Buße. Der Antisemitismus freilich bedarf der Buße nicht. Bedürfte er ihrer, dann würde er an Jakob keinen Anstoß nehmen. Im Gegenteil, er würde über diesen Gestalten loben und danken, denn mein Glaube sagt, wenn Gott, der Herr diese sündigen Väter durchgebracht und getragen hat, dann ist auch für mich allergrößte Hoffnung. Und lehret eure Kinder nur, an Abraham, Isaak und Jakob die Sünde erkennen, aber auch die Gerichts- und Gnadenwege Gottes, dass sie zum Leben durchdringen, das wird allewege besser sein, als wenn sie die Sünde in der Welt kennenlernen und in ihr verderben.

Der menschgewordene Jahwe

Doch das wäre noch nicht das Schlimmste, dass der Antisemitismus die Väter angreift, er greift auch unseren Herrn direkt an, und damit die Zentrale der ganzen Bibel. Er nennt den Herrn gewöhnlich mit seinem biblischen Namen J a h w e , aus dem unser Jehova entstand. Über Ihn ergießt er all seinen Hohn und Spott. Einen Jahwe brauchen sie nicht, sagen sie. Damit ist nun nicht nur das Judentum, sondern das gläubige Christentum ins Herz getroffen. Wer ist denn der Jahwe? Das ist gar niemand anderes, als unser Heiland Jesus Christus, der Herr. Jahwe ist in unserer deutschen Bibel im Alten Testament stets mit Herr übersetzt, und das neutestamentliche Wort Herr ist ganz das gleiche, es ist das alttestamentliche Jahwe. Von 1Mo 2 an bis hinein in die Offenbarung Johannes begegnen wir diesem Jahwe. Der Name wird im alten Testament an vielen Stellen von Gott dem Vater gebraucht, an den meisten aber ist Gott der Sohn gemeint. Nach der ganzen biblischen Lehre offenbart sich Gott der Welt nur im Sohn. Dieser Sohn aber wird mit dem Namen Jahwe genannt.

Schon im Paradies verkehrte dieser Jahwe, der Herr, täglich mit den ersten Menschen. Ein Seth hat Ihm einen Altar aufgerichtet und Ihn gepredigt. Er hatte persönlichen Umgang mit Abraham, Isaak und Jakob. Er ist Mose erschienen. Er war über dem Gnadenstuhl in sichtbarer Gegenwart bis zur babylonischen Gefangenschaft. Er hat auf mancherlei Weise mit allen, und durch alle Propheten geredet. Und dieser Herr, dieser Jahwe wurde Mensch in Bethlehem und ist aus Davids Stamm in Juda geboren - ein echter Abrahamssohn. Jesus ist der menschgewordene Jahwe. Er ist für die Sünden der Welt gestorben, Er ist auferstanden und sitzt zur Rechten Gottes. Er kommt wieder zu den Seinen, zum jüdischen Volk, zu aller Welt. Er, der Jahwe, der Heiland Jesus Christus, Er wird die Welt richten, und Er wird es also hinausführen, dass einst alle Zungen noch bekennen müssen, dass Jesus Christus der Herr, das heißt der Jahwe sei, zur Ehre Gottes, des Vaters.

Gläubige Gemeinde: wer den Jahwe schilt, lästert deinen Heiland. Wer je bekannt hat, Jesus Christus sei der „Herr“, oder das andere: „Mein Herr und mein Gott“ - der hat sich zu Jesus als Jahwe bekannt. Das wird ja eben einst für das jüdische Volk so entsetzlich sein, dass es erkennen muss, dass der Jesus, den es gekreuzigt und verworfen hat, der Jahwe war und ist, dem es all sein Heil und seine Erwählung von den Vätern her verdankt. Mit seinem Jahwe-Hass greift der Antisemitismus mitten ins Herz der Bibel hinein und trifft die ganze gläubige Gemeinde mit. Und diese ist so verkehrt, dass manche ihrer Glieder noch mitmachen.

Eine große Täuschung

Der Antisemitismus holt noch viel mehr hervor, um den Herzen den Jahwe zu verdächtigen, aber er geht dabei mit der Schrift nicht wahrheitsgemäß um. Schon darin liegt eine große Täuschung, dass Jahwe der Stammes- und Volksgott der Juden sein soll. Er ist der Herr der g a n z e n W e l t. Nicht nur das Judenvolk kennt Jahwe, sondern noch viel ältere Völker. Wir wissen es zum Beispiel von den Ägyptern. Sie kennen Ihn von der ersten Zeit der Menschheit an, wo Ihn ja ein Seth gepredigt hat. Aber ist denn danach Jahwe, der Herr, nicht doch der Familiengott Abrahams, Isaaks und Jakobs geworden und der Stammesgott des jüdischen Volkes? Nun und nimmer! Das ist gerade der große Unterschied zwischen dem jüdischen Volk und allen anderen Völkern. Diese haben sich eigene Nationalgötter gemacht, also selbsterdachte Götter, nur das jüdische Volk nicht. Vom jüdischen Volk heißt es: „Nicht ihr habt Mich erwählt, sondern Ich habe euch erwählt". Das ist gerade der Punkt, wo die rassechten Antisemiten wieder zurückfallen ins alte Heidentum: sie wollen den Deutschen wieder Nationalgötter geben, und modeln den Gott aller Götter und den Herrn aller Herren zu einem Nationalgott um.

Nein, das Judenvolk hat keinen Nationalgott gehabt und hat heute keinen, sondern der Herr, der eingeborene Sohn Gottes, hat Israel zum Träger seiner Offenbarung für diese Weltzeit erwählt. Eben daher, dass sich Israel Jahwe nicht selbst gesetzt hat, kommt es auch, dass es Ihm immer abtrünnig wurde. Während die Nationen an ihren selbstgemachten Göttern so steif und fest hingen und hängen, dass es Antisemiten gar einfallen kann, nach tausendjähriger Predigt des Evangeliums die alten Nationalgötter wieder hervorzuholen, ist das jüdische Volk von seinem Jahwe immer wieder abgefallen, ja hat Ihn schließlich in Jesu gekreuzigt. Das ist also just das Gegenteil von dem, was die Antisemiten sagen. Dass sich aber der Herr Abraham und das jüdische Volk schließlich erwählte, um Sich in ihm zu offenbaren, hat darin seinen Grund, dass die zu Völkern angewachsene Menschheit nichts mehr von Ihm wissen wollte. Lange hat es der Herr mit der ganzen Völkerwelt versucht.

Jahwe ist Gott der ganzen Welt

Als sie sich aber immer wieder von Ihm abwandten, ging Er zur Zurüstung eines ganzen Volkes über, aber nur, um durch dasselbe, wenn es vollendet wäre, a l l e zu segnen. Darum sind schon bei der Erwählung Abrahams, Isaaks und Jakobs immer alle Nationen mit eingeschlossen. Von Anfang an ist Jahwe der Gott aller Welt. „In dir und deinem Samen sollen gesegnet werden a l l e Nationen d e r E r d e !“. So sagt Er gleich in der ersten Verheißung. Wo ist da der Stammesgott? Und so geht’s durch alle Propheten: Immer ist Jahwe der Weltenschöpfer und Weltenerlöser und braucht nur das Gefäß des jüdischen Volkes zur Ausführung eines Teiles Seines Rates. Daher ist es nach der Bibel völlig falsche und streitet gegen die klarsten Schriftstellen, dass Jahwe ein Stammes- oder Volksgott sei. Er ist der Herr und keiner mehr.

Aber noch ein gewichtigeres Geschütz führt der Antisemitismus auf. Doch auch das hat nach der Bibel starke Konstruktionsfehler und kann auf Bibelkennern keinen Schuss tun. Man sagt, Jahwe sei ein rachsüchtiger, blutdürstiger und mörderischer Gott, der den Juden lauter Blutbefehle gegen die anderen Völker gegeben habe. Ihm diene eben das jüdische Volk heute noch. Man sollte den Antisemiten zunächst die Schulaufgabe geben, alle d i e Sprüche zu sammeln - es stehen viele sogar im Katechismus - , welche die wunderbare, zarte Liebe Jahwes, Seine Gnade, Sein Erbarmen, Seine Geduld, Seine Güte preisen. Es ist eine große Zahl. Zusammengefasst sind sie in dem köstlichen Spruch: „Gnädig und barmherzig ist der Herr - ist Jahwe - , geduldig und von großer Güte.“ Wunderbar evangelische Töne von der nimmermüden Liebe und Gnade Jahwes durchziehen das ganze Alte Testament.

Jahwe ist Richter

Allerdings, Jahwe ist auch Richter, ernster, heiliger Richter. Ja, h e i l i g e r , unerbittlicher Richter, aber all Sein Gericht steht im Dienst Seiner Gnade. Von dem Geheimnis der Gerichtswege weiß der Antisemitismus natürlich nichts. Wahrlich, wenn e i n Volk der Erde sich über Jahwe beklagen dürfte, dass Er hart und grausam sei, dann wäre es das jüdische Volk. Keines hat Er durch so viele Gerichte allerschwerster Art geführt wie Sein Eigentumsvolk. Und jetzt, da es Ihn, den Herrn Jesus - den Jahwe Jesus - gekreuzigt hat, lässt Er es schon bald 2000 Jahre im Galuth, das heißt in der Verstoßung und Verbannung unter den Völkern. - Das jüdische Volk, das erwählte, ist auch das am schwersten gerichtete. Wenn aber Jahwe Seinem Volk räuberische und grausame Befehle gegen andere Völker gegeben hat, so liegen diese Befehle auch auf der Gerichtslinie. Wir wollen nur zwei besondere Fälle herausnehmen und an ihnen zeigen, wie diese vom Antisemitismus missbrauchten Stellen nach der Schrift zu verstehen sind.

Nach 2Mo 11 und 12 forderten die Juden vor dem Auszug aus Ägypten auf Befehl Jahwes von den Ägyptern goldene und silberne Gefäße und Kleider und nahmen sie mit als Beutestücke. Das wird als Aufforderung zum Diebstahl gedeutet und Jahwe ein diebischer Gott genannt. Das ist eine fast satanisch zu nennende Bibelauslegung. Wir wissen, der Herr hat für Sein wehrloses Volk in gewaltigen Taten gegen die übermächtigen Pharaonen gekämpft. Wir wissen, welches Unrecht die Pharaonen am jüdischen Volk verübt hatten. Lange Jahre hatten die Juden umsonst gefront. Nun war ihr Herr, der sie selbst wehrlos waren, für sie eingetreten. Er hatte für sie gestritten. Nach furchtbaren Kämpfen hatte der Herr über die sich verstockende Großmacht den Sieg in der Hand. Ägypten musste die Juden loslassen. Aber nun mussten die Juden auch den Siegespreis verlangen. Willig wurde er ihnen gegeben, wenn sie nur gingen. Und so nahmen sie als Sieger in ihrem Herrn gewissermaßen auch die Kriegsentschädigung oder, wie man heute sagt, die Wiedergutmachungskosten mit.

Das jüdische Volk behielt aber die Schätze nicht für sich, sondern legte sie später alle im Heiligtum an. Der Herr aber hat die Ägypter gerichtet, weil ihre Zeit und ihr Maß voll waren. Gewiss haben sich aber eine Menge Ägypter gerade durch diese Gerichte und durch diesen Sieg Jahwes unter Ihn gebeugt und Ihn als den wahren Gott anerkannt. Nachdem sie gerichtlich zerbrochen waren, sind sie reif geworden, in der anderen Welt nach der Menschwerdung und Versöhnung des Herrn aus Seiner Hand die Rettung zu nehmen. Wenn auch tief gerichtlich oder, besser gesagt, w e i l tief gerichtlich, war jene Zeit für die Ägypter eine große Gnadenzeit, deren Früchte bei der Niederfahrt Jesu ins Totenreich reifen. Wir müssen bei den Maßnahmen des Herrn immer mit Äonen und mit der Rettungsabsicht rechnen.

Befehl zur Ausrottung der Kanaaniter

Genauso verhält es sich mit einem anderen Befehl Jahwes, mit dem Gebot an Sein Volk, beim Einzug in Kanaan alle Kanaaniter mit Stumpf und Stiel auszurotten. Das war kein Rachebefehl, sondern ein in tiefster Ewigkeitsliebe gebotenes Gericht. Bedenken wir zunächst, dass die Juden den Befehl nicht ausführten. Also muss er doch nicht so sehr zu ihrem äußeren Vorteil gewesen sein, wie man doch von dem Befehl eines „Nationalgottes“ hätte erwarten müssen. Das Nichtbefolgen zeigt deutlich, dass der Befehl ihrem Fleisch nicht behagte. Das sollte uns schon über dies Gebot nachdenklich machen. Weiter aber: lesen wir nur, was die Nichtbefolgung des Befehls für grausige Folgen hatte. Jahrhundertlange Kämpfe mit unendlichen Blutvergießen waren das Ergebnis. Es ist, wenn wir’s überschlagen, tausend- und abertausendmal mehr Weh über die Kanaaniter und über die Juden gekommen, als die Befolgung des Befehls je mit sich gebracht hätte.

Gottes Gerichte, selbst wenn sie noch so grausig erscheinen, sind immer das barmherzigste, was es gibt. Sie nicht auszuführen, wenn sie befohlen sind, bringt viel mehr Jammer und dazu nicht die Segensfrucht. Hätten die Juden gefolgt und im Namen Jahwes Volk um Volk vernichtet, welcher Schrecken vor dem Namen Jahwes wäre auf diese Völker gefallen. Sie wären durch Ihn auf das tiefste gerichtet ins Jenseits gekommen. Welch eine Vorbereitung wäre das gewesen auf den Tag des Herrn. Wie wären diese Massen Ihm zugefallen noch Seiner Menschwerdung und vollbrachten Versöhnung. Nun dauert es durch diesen Ungehorsam hier auf dieser Welt und in jener viel länger. Der Befehl war der tiefsten Retterliebe entsprungen, die eben nur durch Gericht hindurch sich auswirken kann. Das versteht natürlich nur, wer selbst durch äußere und innere Gerichte hindurch in die Rettungsgnade hineinwächst. Aber Gläubige sollten etwas davon verstehen. Ein besonderes Licht fällt auch noch durch 1Mo 15:16 auf diesen Befehl. Dort sagt der Herr, darum müsse Israel 400 Jahre nach Ägypten, weil die Missetat der Amoriter noch nicht voll sei. Also gab Er den Kanaanitern noch 400 Jahre Raum, um ihnen ja kein Unrecht zu tun. Es war ein wahrhaftiger Liebesbefehl, auf die Erlösung gesehen, die eben nur durch das Sterben des Fleisches geht. Der Sohn Gottes musste doch selbst auch nach dem Fleisch verderben, um zu retten.

Jahwe starb, um die Welt zu versöhnen

Nein, der Jahwe, der selbst am Kreuze starb, um die Welt zu versöhnen, der tat und tut kein Unrecht. Alles, was Er tut, auch das schärfste, geschieht im Blick auf die Rettung. Wie werden alle Lästerer Jahwes noch froh sein, dass Er so gnädig ist. Lassen wir uns darum durch den Antisemitismus, welcher die Bibel mit der Brille der Judenfeindlichkeit liest, unsere Bibel nicht zerreißen. Judenfeindschaft ist nicht der Geist, der in die Erkenntnis der Schrift führt. Gotteskinder haben nichts gemeinsam mit dem Antisemitismus, er ist ein Bibelfeind. Sie sagen, wenn es nötig ist, den Juden die Wahrheit, auch über ihren jetzigen Fluchzustand, aber sie sagen sie in der Liebe Christi, welche über allem ausgebreitet sieht: den Wunderrat Jahwes, des Herrn.

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