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Abschrift des Buches: Rom - Babel - Jerusalem’'
Der Weg der Menschheit im Licht der Schrift bis zur Vollendung des Gottesreiches

Verfasser: G. Thaidigsmann (Pfarrer in Waldbach) (1928)
Verlag: Gebrüder Schneider, Karlsruhe i. B.

Inhaltsverzeichnis'’'
Kapitel davor:
Geleitwort des Buches

Geleitwort


Der Titel des Buches bedarf einer Begründung. Es sei zuerst vom Untertitel die Rede.

Biblische Hinweise für das Verständnis des Menschheitsweges:
Wenn der Menschheitsgang im Licht der Schrift dargestellt werden soll, so muss die Darstellung anders werden, als wenn die Bibel auf der Seite gelassen wird. Es seien einige Punkte genannt, in welchen eine von der Bibel beeinflusste Geschichtsschreibung von der nichtbiblischen abweicht.

Der göttliche Ursprung

und die göttliche Bestimmung der Menschheit

Die Bibel lenkt von der ersten bis zu letzten Seite den Blick auf Gott. Darum muss auch eine biblische Geschichtsdarstellung fortwährend den Blick auf Gott richten. "Von ihm, durch ihn und zu ihm ist das All" (Röm 11:36). Die Menschheit ist in Gottes Augen ein wichtiger Teil des Alls, vielleicht noch wichtiger als die Geisterwelt. Der große Beweis, wie wert Gott die Menschheit hält, ist die Einführung seines Sohnes in die Menschheit als deren Glied und Haupt. So hat die Menschheit nicht bloss ihren Ursprung, sondern in seinem Sohn ist er selber in die menschliche Geschichte eingetreten. Jesus Christus ist die organische Verbindung Gottes mit der Menschheit; er ist im buchstäblichen Sinn "Immanuel" (Mt 1:23). So hat Gott mit der Menschheit auch ein besonderes Ziel und wird es durchführen allen Widerständen und Schwierigkeiten zum Trotz. Dieses Ziel ist die Einfügung der Menschheit in sein Reich. Es kommt nicht rasch zustande, weil es übergroß ist wegen der, in die Menschheit eingedrungenen, sie vergiftenden und bösartig machenden Sünde. Eine Stufe dazu ist die Erwählung eines Volkes zum Gottesvolk und zum Dienst an der Völkerwelt, nämlich die Israels. Israels Geschichte hätte mit der gläubigen Unterstellung des Gottesvolkes unter seinen König Jesus ihren Höhepunkt erreicht; das Reich Gottes auf Erden hätte beginnen können. Aber Israel als Ganzes hat versagt; ja es ist gegen Jesus und seine Gemeinde feindselig aufgetreten.

Gottes Reich hat aber auf Erden doch begonnen, wenn auch in aller Niedrigkeit. In der Schar derer, die durch Gottes Geist sich zu Jesus rufen lassen, und in ihm ihren Herrn ehren, ist das bereits da. Es ist etwas Merkwürdiges um diese Gemeinde Jesu: sie hat das Reich Gottes und wartet doch darauf; sie ist im Frieden und gleichzeitig im Ringen; sie darf die Erlösung genießen, und harrt doch der vollen Erlösung; von der Welt ist sie gleichzeitig begehrt und gehasst. Die Gemeinde Gottes ist erst der unscheinbare Anbruch des Reiches Gottes; aber es soll noch mit Macht in der Menschheit offenbar werden, dann, wenn der König des Reiches aus der Verborgenheit heraustreten wird. Doch zuvor muss die Menschheit vollends ihren sündigen Gang bis zur letzten Auswirkung gehen und ihn auskosten unter schweren Gerichten Gottes.

Das Reich Gottes auf Erden ist aber noch nicht dessen letzte Gestalt. Diese wird erst erreicht, wenn Gott alles neu macht durch das Feuer des Gerichts hindurch. Alles Geschaffene, Himmel und Erde, die Menschheit aller Zeiten und die Geisterwelt kommt darin zum Ziel. Über Golgatha hinaus reicht das Ziel dem Anfang die Hand. Das Reich Gottes ist vollendet, wenn Gott sein wird alles in allen und in allem (1Kor 15:28).

Die satanische Beeinflussung

Die Beziehung der Menschheit zu Gott, zu Christus und zum Reich Gottes ist aber nicht das einzige, wodurch sich die biblische Beleuchtung der menschlichen Geschichte von einer andersartigen Geschichtsdarstellung unterscheidet. Wenn nur die genannte Beziehung vorhanden wäre, dann erschiene die Geschichte zu sehr in Licht getaucht. Das ist aber nicht der Fall. Es liegen auf ihr tiefe Schatten. Der tiefste ist noch nicht der viele Jammer in der Menschheit, sondern deren Verhaftetsein an die Macht der Finsternis mit ihrem unheimlichen Haupt, dem Fürsten dieser Welt und Weltzeit, dem alten, bösen Feind, dem Satan, dem Teufel. Bereits im Alten Testament ist nicht bloß die Welt der guten Geister bezeugt, die in Gottes Dienst stehen als seine Boten oder Engel, sondern auch das Reich der bösen Geister, die Gottes Werk hindern wollen.

Jesus und die Apostel, und zumal die Offenbarung des Johannes haben den Blick auf diese Mächte gelenkt, die, zwar selbst seit Golgatha gerichtet, doch Gottes Gericht gegen die menschliche Sünde geltend machen, die hinter jeder menschlichen, und hinter der Menschheitssünde stehen, und sie auf ihren Gipfelpunkt treiben wollen, die nicht bloß Jesum verderben wollten, sondern auch das Gottesvolk des Alten und Neuen Bundes für seinen Beruf an der Welt untauglich, und ihren eigenen Zwecken dienstbar machen wollten, bis sie endlich ausgeschaltet und unter Gottes Gericht gestellt werden.

Bis zum Gericht gibt Gott diesen finsteren Verderbensmächten noch Wirkungsmöglichkeit, und stellt ihnen noch nicht seine Macht gegenüber. Er lässt sich herbei, fast während der ganzen irdischen Geschichte mit ihnen um die Menschheit zu ringen bis zum scheinbaren Unterliegen seines Reiches. Dann erst schaltet er sie aus, und überwindet sie auf dem Boden des Rechts und Gerichts. Die Wahrnehmung dieser Einflüsse aus der finsteren Welt auf den Menschheitsgang ist ein wichtiges Stück einer biblischen Geschichtsdarstellung.

Die Einheit der Menschheit

Die Schrift betont ferner die Einheit der Menschheit in einer Weise, wie es der Profan-Geschichte nicht möglich ist. Sie bezeugt dieselbe nicht nur durch deren Zurückführung auf einen einzigen Stammvater, nämlich auf Adam als Anfänger der ersten, und auf Noah als Anfänger der zweiten Menschheit, sondern ebenso durch die Bestimmung des rechten Menschensohns, Jesus, für die ganze Menschheit. (Röm 5:12-21; 1Kor 15:45), dessen Amt es ist, die an Sünde, Tod und Teufel verlorene Menschheit zu Gott zurückzuführen in einer langen Geschichte, die das Kreuz und die Auferstehung Jesu zur Grundlage hat. Die Betonung der Zusammengehörigkeit der Menschheit in der Schrift ist um so bedeutsamer, als die letztere nicht nur die großen, auch sonst anerkannten Unterschiede des Geschlechts, der Altersstufen, der Lebenskreise, der Völker und Völkergruppen gelten lässt, sondern noch auf weitere Unterschiede, ja Gegensätze den Nachdruck legt, so auf den zwischen Gerechten und Ungerechten, zwischen dem Gottesvolk und der Völkerwelt, zwischen dem lebenden und dem abgeschiedenen Teil der Menschheit. So werden im Licht der Schrift innerhalb der Menschheitsgeschichte Spannungen sichtbar, auf die in der üblichen Geschichtsdarstellung kaum geachtet wird.

Neben diesen großen Spannungen innerhalb der Menschheit schürzen sich zum Knoten und Haupt der Menschheit, Jesus Christus, welcher, der einzige Gerechte, von Gott am Kreuz zur Sünde gemacht wurde, der in seinem irdischen Gang den Lebenden und den Toten angehörte, der Glied Israels und der Menschheit ist, ja in welchem eine noch größere Spannung zur Einheit zusammengebunden wurde für alle Zeiten, und zwar seit Bethlehem, nämlich die zwischen Gott und Mensch. Die Menschheit ist ein großer, göttlich gewollter Organismus, und es bedarf der ganzen Energie des Glaubens, Liebens und Hoffens, um diese Wahrheit lebensmäßig zu erfassen und festzuhalten; aber Gott behandelt die Menschheit in Gnade und Gericht als zusammengehöriges Ganzes.

Die Stellung der Menschheit in der Schöpfung

Die Menschheit ist ein Ganzes in sich. Und doch steht sie nicht vereinzelt da. Denn es gibt noch andere Geschöpfe Gottes. Und die Menschheit kommt zum Ziel zusammen mit der gesamten Schöpfung, wenn das Reich vollendet wird. Neben, und zeitlich vor der Menschheit steht die Geisterwelt, die wir die Engel heißen, mit ihrem lichten, bei Gott gebliebenen Teil und mit dem finstern, von Gott abgewandten, und seither ihm entgegen arbeitenden Teil. Beide sind in der Schrift als Mächte beschrieben, mit einem weitreichenden Einfluss ins weite Gebiet der Schöpfung und bis tief in die Menschheit, in die menschlichen Bewegungen und Verhältnisse, z.T. bis in das menschliche Herz hinein. Diese Geistesmacht, z.T. im Dienst Gottes, z. T. gegen ihn, ist Wirklichkeit; nur dass im irdischen Stand keine persönlichen Beziehungen zur Geisterwelt oder gar Dienst ihr gegenüber göttlich erlaubt sind. Obwohl die Menschheit hinsichtlich der ihr verliehenen Kräfte unter der Geisterwelt steht, ist sie doch der Mittelpunkt der gesamten Schöpfung. Auch die im Gehorsam gebliebene Geisterwelt bekommt ihre endgültige Stellung im Reich Gottes nur zusammen mit der Menschheit, und ist deshalb am Gang der Menschheit aufs tiefste interessiert; und das Los der finsteren Geistesmächte kommt ebenfalls zusammen mit der Entscheidung über das Ergehen der Menschheit zum Abschluss. (Über die hierher gehörenden, das Gemüt bewegenden Fragen, siehe den Schlussabschnitt).

Der große Beweis für die überragende Stellung, die Gott der Menschheit im Ganzen der Schöpfung angewiesen hat, ist wiederum die Tatsache, dass Gott seinen Sohn, seinen einzigen, in die Menschheit hineingestellt hat. Seine Einreihung in die Geisterwelt wäre deren Art nach näher gelegen. Aber "nicht mit der Engelwelt tritt er in nähere Verbindung, sondern mit dem Samen Abrahams" (Hebr 2:16). Darum muss auch von den Wirkungen der Kreuzestat Christi noch das ganze All ergriffen werden. So hat Gott die Menschheit, trotz ihres tiefen Falls, zum Mittelpunkt der ganzen Schöpfung gemacht.

Die Beziehung der Menschheit zur Erde

Die Schöpfung ist aber größer als die beiden ihrer selbst bewussten Teile, nämlich als die Menschheit und die Geisterwelt. Es gehört hierher auch alles, was wir mit einem gebräuchlichen, wenn auch nicht der Schrift entnommenen Wort, das Naturgebiet der Schöpfung nennen können. Das der Menschheit zugewiesen Gebiet der Schöpfung ist die Erde. Der Größe nach ist diese verschwindend klein, sogar innerhalb der unserer sinnlichen Wahrnehmung zugänglichen Welt; aber vor Gott ist sie großer Ehre wertgeachtet, größer als das ganze Weltall. Mit der Erde ist die Menschheit auf das engste verknüpft, schon durch ihre leibliche Organisation. Unser Leib ist ein Stück Erde, das Beste von ihr, und kann nur durch die fortwährende Verbindung mit der Erde bestehen. Und die Erde ist die Wirkungsstätte der Menschheit.

Uns ist nur die Oberfläche der Erde bekannt. Was sie in sich birgt, ist unserer Wahrnehmung entzogen; aber die Schrift bezeugt an vielen Orten, dass ihr Inneres ernste Geheimnisse in sich schließe: dass es der Ort sei, welche dem abgeschiedenen Teil der Menschheit zugewiesen ist, soweit er nicht, oder noch nicht in den Genuss der Erlösung hat eintreten dürfen; und dass es ein noch furchtbareres Geheimnis in sich schließe, nämlich das, dass es die qualvolle Stätte der ungehorsamen Geisterwelt sei, die Stätte, wo sie rechtmäßig hingehört, auch wenn sie seit ihrem Ausschluss, aus ihrer ursprünglichen Heimat bei Gott, noch Wirkungsmöglichkeit hat zwischen Himmel und Erde. In der Lutherübersetzung der Bibel werden die beiden eben genannten Stätten mit dem gleichen Wort "Hölle" genannt, obwohl sie im Bibeltext unterschieden sind als "Hades" und Gehenna".

Auch in diese Tiefen reicht Christi Macht und seine Heils-Gnade, seitdem sein Geist zwischen seinem Sterben am Kreuz und seiner Auferstehung in der Hölle geweilt hat. Lassen wir die Bezeugung der Schrift gelten, dann ist die Erde trotz des modernen Weltbildes der Mittelpunkt der ganzen sichtbaren Welt, selbst wenn sie es räumlich nicht in vollem Maße wäre. Ja, das neuere Weltbild muss sogar die Bezeugung Christi noch deutlicher machen, sofern streng genommen die Erde nicht „unten", und der "Himmel" nicht oben ist, sondern sofern die Erde auf allen Seiten vom sichtbaren und unsichtbaren Himmel umgeben ist.

Der Himmel, die Stätte der unmittelbaren Gegenwart Gottes, ist allenthalben um uns; er umfasst, ja er durchdringt die ganze sichtbare Welt. Und besonders umfasst ist die mitten drinnen schwebende Erde. Auch die Totenwelt, und vollends die eigentliche Hölle, ist umfasst von Gottes Regierung. Dorthin in den letzten Winkel wird schließlich der unselige Widerstand gegen Gottes guten, gnädigen Willen zusammengepresst werden. Dass er sich dort nach dem letzten Gericht noch wendete und endlich Gnade begehrte!

Die Stellung der Erde innerhalb der Welt

Wo wird das Reich Gottes vollendet werden? Unser noch stückweises Denken versagt hier fast den Dienst. Aber das Wort der Weissagung kommt zur Hilfe. Nicht im Himmel, sondern auf Erden! Im Mittelpunkt, im Zentrum! Himmel und Erde müssen neu werden. Auch der Himmel ist alt und verunreinigt durch Ungehorsam. Auch er wird neu gemacht. Neu gemacht wird aber auch die Erde. Da ist soviel Sünde geschehen. So muss sie durch das Feuer des Gerichts hindurchgehen, nachdem schon in der vorgeschichtlichen und geschichtlichen Zeit, und in der Endzeit ernste, tief eingreifende Gerichte über die Erde ergangen sind. Und der neugewordenen Erde steht noch Großes bevor.

In der Wende der Zeiten sandte Gott seinen Sohn. Ihn musste auf einige Zeit noch einmal der Himmel aufnehmen. Aber, von ihm gesandt, trat der Heilige Geist der Erde und der Menschheit ganz nahe. Nach der schweren Endzeit, wenn die widergöttliche Entwicklung der Menschheit ihren Gipfelpunkt erreicht hat, will auch er aus seiner Verborgenheit wieder heraustreten, und noch auf der alten Erde die Widerstände brechen und das Reich Gottes aufrichten. Und wenn die Erde im Feuer des letzten Gerichts neu geworden ist, dann will Gott selber der Erde ganz nahe kommen, ja seine Wohnung nehmen bei den Menschen. War vordem das ganze All vom Himmel umfasst, so soll nun vom heiligen Bezirk auf der neugewordenen Erde, vom neuen Jerusalem aus, die Herrlichkeit und Heiligkeit Gottes hinausstrahlen in das ganze Gebiet der neuen Schöpfung.

Innerhalb der letzteren wird ein Gebiet aus der alten Schöpfung noch da sein, nämlich die Hölle mit der im Gericht nicht bestandenen unseligen Menschen- und Geisterwelt. Wird dieses unselige Gebiet bleiben, oder wird Gottes Herrlichkeit und Heiligkeit auch da noch siegen? Eine Antwort wird versucht werden im Schlussabschnitt. Jedenfalls steht ein Ziel über alles groß da: Gott alles in allen (im ganzen Gebiet der Schöpfung), s. 1Kor 15:28. Dann ist das Reich Gottes vollendet. Und ebenfalls groß steht da die Bezeugung der Schrift, dass es nur mit der Menschheit und auf der Erde zur Vollendung kommen soll, und zwar durch Jesum Christum, den Gottes- und Menschensohn, den Gekreuzigten und Auferstandenen, den Versöhner der Menschheit und der ganzen Welt.

Die Urgeschichte der Menschheit und der Welt

im Licht der Schrift, im Unterschied zu andersartigen Gedanken.

Der Unterschied zwischen der üblichen und der biblischen Darstellung des Menschheitsganges tritt am deutlichsten in der Urgeschichte der Menschheit zutage. Von einer solchen wagt die Profan-Geschichte kaum zu reden. Aber gerade sie bildet den Anfang der Bibel, und deren Fortgang beruht auf diesem Anfang. Es sei in dieser Hinsicht auf einige wichtige Punkte hingewiesen. Die Schrift berichtet von einem zweimaligen Anfang der Menschheit. Die schmale Brücke zwischen der ersten und zweiten Menschheit über die Sündflut hinüber bildet Noah mit den Seinen. Diese wichtige Bezeugung greift noch über die Menschheitsgeschichte hinüber. An der Geschichte von der Sündflut und vom erstmaligen Auftreten des Regenbogens nach der Sündflut wird deutlich, dass im Lauf der menschlichen Geschichte Ereignisse auf der Erde und am Himmel vor sich gegangen sind, für welche, die sich nicht an die Bibel haltende Forschung, viel weiter zurückliegende Zeiten in Anspruch nimmt. Ob nicht die Wissenschaft an manchen ihrer Aufstellungen noch eine Korrektur vornehmen muss? Was sie aus Funden von längst vergangenen menschlichen Geschlechtern erschließt, kann einer viel näher liegenden Zeit angehören, nämlich der Zeit vor der Sündflut, welch letztere in der Menschheits- und Erdgeschichte einen tiefen Einschnitt hinterlassen hat.

Damit hängt ein anderer Unterschied zwischen der gewöhnlichen und der biblischen Geschichtsdarstellung zusammen. Soweit die erstere Angaben über die älteste Zeit der Menschheit wagt, rechnet sie mit hohen Jahreszahlen. Die Zahlen der Schrift über die seitherige Dauer der Menschheit sind klein. Ohne an dieser Stelle auf Einzelheiten der biblischen Zeitrechnung einzugehen, sei gesagt, dass die Bibel bis Christi Geburt nur mit einer etwa 4000-jährigen Dauer der Menschheit rechnet. Die Zeit zwischen der Sündflut und dem Beginn unserer Zeitrechnung schrumpft in der Bibel auf etwa 2 1/2 Jahrtausende zusammen. Die Geschichtsschreibung glaubt z.T. den Nachrichten anderer Völker, z.T. aufgrund von Schlüssen, viel längere Zeitabschnitte annehmen zu müssen; und ein gutes Teil des Misstrauens gegen die Bibel rührt von diesen andersartigen Zahlen her. Es ist aber eine große Frage, ob die üblichen Zahlen recht haben; oder ob nicht vielmehr die Bibel auch auf diesen sog Außengebieten noch in wunderbarer Weise recht behalten wird.

Die Schrift greift in ihrem ersten Kapitel noch über die Menschheitsgeschichte hinaus. Die Unterschiede zwischen den üblichen Gedanken über die Geschichte der Erde, und die Entstehung des Weltalls, und zwischen dem entsprechenden Wort der Schrift sind groß. Aber das letzte Wort ist noch nicht gesprochen. Das gilt nach zwei Seiten: es ist die tatsächliche Meinung der Schrift über diese Dinge noch nicht endgültig festgestellt; aber die Wissenschaft kann ebenfalls keine feststehenden Ergebnisse vorlegen.

Dass 1Mo 1:3-26 die Erschaffung von Himmel und Erde erzählt sei, das ist nicht sicher. Dies kann bereits im 1. Vers erzählt sein und Vers 2 kann auf eine Verwüstung der ursprünglichen Schöpfung hindeuten infolge des Falls in der Geisterwelt. Der größere Teil der Erdgeschichte kann vor dem 3. Vers seinen Platz haben. Und die Erzählung von Vers 3-26 kann die Instandsetzung der licht- und leblos gewordenen Erde für ihren wichtigsten Bewohner, den Menschen, bedeuten. Es sind auch damit noch nicht alle Fragen gelöst, aber ein Weg wäre angezeigt. Das 1. Kapitel der Bibel gilt bei solcher Betrachtungsweise nicht als Erzeugnis frommen Nachdenkens, sondern als Wiedergabe von Blicken und Offenbarungen, wenn auch entsprechend der Auffassungsgabe des Empfängers. Letzten Endes handelt es sich bei diesen Fragen um die Stellung der Bibel als zur Schrift.

Gewiss ist sie nicht als naturwissenschaftliches und geschichtliches Lehrbuch gegeben. Aber sie ist mehr als das Ergebnis frommen Nachdenkens. Auch wo sie auf die Schwachheit des Menschen Rücksicht nimmt, und infolge dessen menschlich redet, steht hinter ihrem Wort der Geist des lebendigen Gottes. Es ist nicht richtig, hinter dem Wort der Schrift, wenn es über das unmittelbar Praktische hinausgeht, nur den frommen Menschen zu sehen, der mit den Mitteln seines Forschens und Verstandes sich ein Welt- und Geschichtsbild geformt habe. Auf Menschenwort kann sich der Glaube nicht stützen. Und die Unterscheidung von zweierlei Bestandteilen der Bibel, von solchen, die unmittelbar gewissen- und glaubensweckend seien, und von solchen die preisgegeben werden dürften, ist eine ernste Sache. - Für diejenigen Leser, welche das Bedürfnis haben, die ersten Kapitel der Bibel ohne die üblichen vielen Abzüge, durchzudenken, sei hingewiesen auf ein älteres Werk: Joh. Heinrich Kurz, Bibel und Astronomie, eine Darstellung der biblischen Kosmologie und ihrer Beziehungen zu den Naturwissenschaften 3. Auflage Berlin 1853.

Babel, Jerusalem, Rom

in ihrer geschichtlichen und sinnbildlichen Bedeutung.'’'

Die vorliegende Darstellung verzichtet auf eine Besprechung der Urgeschichte der Menschheit und geht sofort zu dem Punkt der Geschichte über, wo die werdende zweite Menschheit sich zum ersten mal als zusammengehöriges Ganzes erfasst, und auf Bildung eines Menschenreichs bedacht war, und zwar unter Ausschaltung Gottes. Das war damals, als Babel erstand mit seinem Turm. An dieser Stelle ist ein Wort zu sagen über den Haupttitel dieses Buches: Rom - Babel - Jerusalem. Die Namen sind buchstäblich und sinnbildlich gemeint. Von jeher hat die Entwicklung der Menschheit sich in den Städten zusammengeballt. Zum Beweis könnte eine große Anzahl von Städten von der alten bis zur neuesten Zeit genannt werden. Wenn man aus diesen Städten eine Auswahl trifft, indem am diejenigen aussucht, welche die menschliche Geschichte bisher am tiefsten beeinflussten, und nach dem prophetischen Wort der Schrift noch beeinflussen werden, dann sind in erster Linie Babel, Jerusalem und Rom zu nennen, die ersteren nicht nur als Brennpunkte des früheren Geschichtsgangs, sondern auch des kommenden.

Babel hatte eine große Bedeutung als Haupt des ersten Menschheitsreiches; es hat im Babylon Nebukadnezars eine Wieder-Erstehung erlebt; und in der Offenbarung Johannis wird Groß-Babylon als Mittelpunkt der letzten, antichristlichen Menschheitszusammenfassung bezeugt. Jerusalems Bedeutung hat seit Davids Zeit nie mehr ganz aufgehört, selbst wenn es zeitweise in der Weltgeltung zurückgetreten ist. Seine eigentliche Zeit soll noch kommen. Als dritte Stadt, von einer durch die Zeiten hindurch ragenden Weltbedeutung, hat sich Rom erwiesen. Aber gerade am letzteren wird deutlich, dass die genannten Städte nicht nur geographische Bedeutung haben, sondern dass ihr Name zugleich einen Grundsatz, ein ganzes Programm bedeutet. Babel ist die Verkörperung der Menschheit, die sich von Gott und Christus löst; Jerusalem ist das Wahrzeichen des Gottesreichs; und Rom ist das Sinnbild des großen Versuchs, Weltreich und Gottesreich zu vereinen, mit seinem bestrickenden Reiz. Babel und Jerusalem sind Gegensätze und offene Feinde; Rom ist der feinste und für die Gemeinde Jesu gefährlichste Nachfolger des alten und Vorgängers des neuen Babel mit dem Anspruch, das Gottesreich darzustellen in dieser Zeit und Welt. Einst standen die beiden Gegensätze: Babel und Jerusalem scharf nebeneinander, und sie sollen künftig in gleicher Schärfe wieder nebeneinander stehen. Rom ist das zeitliche Bindeglied zwischen der ersten Zeit jenes Gegensatzes, und zwischen dem kommenden Austrag desselben.

Ist die Betrachtung des Menschheitsganges mehr rückwärts gewandt, so würde sich zur Kennzeichnung der Darstellung eignen: Babel - Jerusalem - Rom. Wenn aber der Blick vorwärts gerichtet ist, dann lässt sich der Gang der Menschheit seit dem Ende der apostolischen Zeit besser durch die Folge: Rom - Babel - Jerusalem kennzeichnen, wobei das dritte Glied wohl noch dem gegenwärtigen Geschichtslauf angehört, aber bereits auch über ihn hinausschaut in das Reich Gottes auf Erden, dessen Mittelpunkt Jerusalem, "die geliebte Stadt" sein soll, und in das Reich Gottes in der neuen Schöpfung, das von seinem Mittelpunkt, dem neuen Jerusalem aus, zur Vollendung gelangen soll.

Auf diese Weise lässt sich der Menschheitsgang bis zum letzten von der Schrift gezeigten Ziel unter die Überschrift bringen: "Rom - Babel - Jerusalem."

Lies weiter:
1. Teil
Von den Anfängen