Die Wende zur Zeit Daniels

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Version vom 7. Dezember 2020, 17:26 Uhr von MI (Diskussion | Beiträge) (Die unsichtbaren Hintergründe des Weltgeschehens)

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Abschrift des Buches: Zeitenwende
Eine Bibelhilfe aus dem Danielbuch

Verfasser: Georg Thaidigsmann (Pfarrer in Waldbach)
Verlag: Wilhelm Fehrholz Baden-Baden (1947)

Siehe weitere interessante Bücher unter: Abschriften

Inhaltsverzeichnis
Kapitel davor:
Einführung

In Bearbeitung

Die Wende zur Zeit Daniels

Die Gegenwart als Zeitwende

Das Danielbuch gehört in die Zeit der babylonischen Gefangenschaft Israels. Diese war eine Wende von großem Ausmaß innerhalb der Geschichte des erstberufenen Gottesvolks. Deren erster Teil war mit der Zerstörung Jerusalems und des Tempels durch den König Nebukadnezar und mit der Wegführung des Volks nach Babel abgeschlossen, und zwar unter dem Zeichen des Gerichts Gottes. Es war ein äußerer und innerer Zusammenbruch von einer Tiefe, die es von außen gesehen fraglich machte, ob die Geschichte Israel als des Gottesvolks überhaupt noch eine Fortsetzung finden werde. Daniel selber war von diesem Zusammenbruch mitbetroffen. Er war, noch vor der letzten Katastrophe, mit einer Anzahl anderer junger Leute aus den besten Häusern nach Babel verschleppt worden, wie etwas später der Prophet Hesekiel. Die beiden, Hesekiel und Daniel, sind die Propheten der babylonischen Gefangenschaft; nur mit dem Unterschied, dass Hesekiel mitten unter den Weggeführten lebte und wirkte und der Sprecher Gottes zu ihnen war, während Daniel eine Sonderstellung einnahm, weil er am fremden Hof lebte und Dienst zu tun hatte. Aber Propheten waren beide. Der Verschiedenheit ihrer äußeren Stellung entsprach auch der Unterschied der ihnen zuteil gewordenen göttlichen Einblicke: Hesekiel hatte den W e g g e f ü h r t e n Gottes Wort zu s a g e n, um sie für Gottes neues Wirken reif zu machen, während Daniel die B l i c k e bekam in den Fortgang der ganzen W e l t g e s c h i c h t e, aber in deren Verflechtung mit der Geschichte des Gottesvolks.*

*Hesekiel und Daniel sind oben als die e i n z i g e n Propheten der babylonischen Gefangenschaft genannt. Man hat aber lange von einem anderen Propheten dieses Zeitraums gesprochen, nämlich von dem sogenannten z w e i t e n Jesaja, dm man die Kapitel Jes 40-66 des Jesajabuches zuschrieb. Nun soll kein einziges ungutes Wort gegen diejenigen gesagt werden, die zu dieser Annahme glauben genötigt zu sein und die einige Gründe für ihren Glauben geltend machen können, z. B. den Unterschied der Sprache zwischen dem 1. und 2. Teil des Buchs und den weiteren Umstand, dass man den Inhalt des 2. Teils am besten versteht vom Boden der babylonischen Gefangenschaft aus, genauer: von der Zeit kurz vor ihrem E n d e. Nur muss man sich darüber klar ein, dass das alles nur eine Annahme ist, die mit geschichtlichen Nachrichten nicht belegt werden kann. Es ist aber gut möglich, ja wahrscheinlich, dass der e i g e n t l i c h e Jesaja etwa 150 Jahre vor der babylonischen Gefangenschaft gelegt und gewirkt hat, im voraus am Schluss seiner Wirksamkeit die spätere Zeit so deutlich hat sehen dürfen, dass es uns nun hintendrein vorkommt, als habe er erst in jener Zeit gelegt und vom Boden jener Zeit aus geschrieben.
Gerade wenn er im Geist in jene spätere Zeit entrückt worden ist, ist es verständlich, dass auch seine Sprechweise eine andere Art angenommen hat. In welchem Maaß Jesaja im Geist in späteren Zeiten gelebt hat, so dass er sie als g e g e n w ä r t i g, ja als bereits v e r g a n g e n empfand, das ist an einem Kapitel des 2. Teils ersichtlich, nämlich an Jes 53. Diees Kapitel handelt von etwas, was zur Zeit Jesajas noch in ferner Zukunft lag, nämlich von dem Leiden des Gottesknechts, wie es in der Passion Jesu wirklich geworden ist. Und doch hat er davon gesprochen in der V e r g a n g e n h e i t s form: „Er t r u g unsere Krankheit.“ Ferner sei noch darauf hingewiesen, dass man auch Stücke im ersten Teil des Jesajabuches vom eigentlichen Buch abtrennen müsste, wenn man der Überzeugung ist, Jesaja habe nur von solchen Dingen der Zukunft gesprochen, die u n m i t t e l b a r auf seine damalige Gegenwart folgten. Denn schon im ersten Teil ist von Babel und vom Sturz des babylonischen Königs die Rede, obwohl die babylonische Herrschaft zur Zeit Jesajas noch in weiter Ferne lag.
Der Grund, weshalb von dem allem gesprochen wurde, entspringt nicht dem Verlangen, die Kritik an der Bibel wieder zu kritisieren, vielmehr dem Bedürfnis, das Wort der Bibel so zu fassen und zu lassen, wie es sich gibt.

Wendezeit Israels

Die Wende, die in Israels Geschichte durch die babylonische Gefangenschaft entstanden ist, muss aber noch in einem w e i t e r e n Zusammenhang gesehen werden, nämlich in ihrer Verflechtung mit der ganzen W e l t geschichte. Jene Zeit und schon die ihr vorausgehende Zeit ist gekennzeichnet durch einen gewaltigen Umbruch im ganzen Orient. Unter Orient verstehen wir das Mittelstück des großen Kontinentalblocks Europa-Asien-Afrika*

*Die Bibel berichtet, dass der O r i e n t die Wiege der Menschheit war, nicht etwa der Norden Europas, wie es schon behauptet worden ist; auch nicht etwa Afrika, wie es z. T. heute behauptet wird. Desgleichen erzählt die Bibel, dass die n e u e Menschheit nach der S i n t f l u t ebenfalls im Orient ihren Anfang nahm, und zwar im armenischen Hochland. Von dort aus drang sie, den beiden Strömen Euphrat und Tigres folgend, in das fruchtbare Zweistromland vor. Dieses Land ist der Boden, auf dem die großen, alten Weltstädte entstanden sind, unter ihnen hauptsächlich Ninive und Babel. Und von dort aus hat sich die Menschheit über die Erde verbreitet. Auf welchen Wegen die Besiedlung der Erde durch die neue Menschheit zustande gekommen ist, lässt sich heute nicht mehr feststellen. Was die Besiedlung Amerikas anbetrifft, so ist sie möglicherweise über die schmale Meeresstraße zwischen dem nördlichen Asien und dem nördlichen Amerika erfolgt. Das hätte freilich andere klimatische Verhältnisse zur Voraussetzung, als sie heute in jenen nördlichen Gegenden herrschen. Aber ob eine Änderung des Klimas in g e s c h i c h t l i c h e n Zeiten g a n z ausgeschlossen ist?
Aber viel wichtiger als die Frage, w i e die Besiedlung der Erde durch die neue Menschheit sich vollzogen hat, ists der biblische Bericht darüber, dass die Völkerwelt aus d r e i G r u p p e n bestehe, die man nach den drei Söhnen Noahs die Semiten, Japhetiten und Hamiten heißen kann (S. die Völkertafel 1Mo 10). D i e s e Einteilung der Menschheit ist et was anderes als die nach R a s s e n. Die letztere verwendet einen ganz anderen Gesichtspunkt, sofern sie den Menschen nur nach seiner N a t u r seite, nach rein k ö r p e r l i c h e n Merkmalen erfasst und demgemäß die Menschheit einteilt. Auch in diesem Punkt wird die Bibel recht behalten. Welche ernste Folgen übrigens die Betonung des R a s s e mäßigen hat, das hat die Geschichte des letzten Jahrzehnts bewiesen. Das Blut ists nicht das einzige, was das Wesen des einzelnen und der Völker bestimmt. Vielmehr ist die Art eines jeden Menschen und ebenso der Völker wesentlich durch das bestimmt, was sie an Besonderheiten von Gott her mitbekommen haben und durch die Stellung, die ihnen Gott inmitten der anderen und an ihrem bestimmten geschichtlichen Standort zugewiesen hat.

Wende im Orient

Das Wort „Semiten“ ist allgemein im Gebrauch. Dem Umfang nach sind sie die kleinste Gruppe innerhalb der Völkerwelt. Aber biblisch betrachtet hatten und haben sie für den Menschheitsgang eine größere Bedeutung, größer als z. B. die alten Griechen und Römer mit ihren bis in die Gegenwart reichenden Nachwirkungen. Die hauptsächlichen d e r z e i t i g e n Vertreter der Semiten sind die Juden und Araber, beides Völker von weltgeschichtlicher Bedeutung. Seit Mohammeds Zeit haben die Araber die Weltgeschichte bis in ihre Tiefen aufgewühlt. Zu Beginn des Mittelalters hat nicht viel gefehlt, dass sie die ganze Welt um das Mittelmeer herum aus den Angeln gehoben hätten. Juden und Araber sind ihrer Abstammung nach Brüder und trotzdem, ja vielmehr gerade deshalb, grimmige gegenseitige Feinde. Ihre Feindschaft drückt der gegenwärtigen Geschichte des Heiligen Landes den Stempel auf. Sie sind die Nachkommen Ismaels und Isaaks, die b e i d e Abrahams Söhne waren: der eine dessen vorzeitiger Sohn von der Magd, der andere der Sohn der Verheißung von seiner Gattin. Die Familiengeschichte - wir könnten auch sagen: die Familientragödie - in Abrahams Haus, die sich um Ismael und Isaak abspielte, hat in der Feindschaft zwischen den Arabern und Juden, die bis jetzt n och nicht zum Austrag gekommen ist, ihre weltgeschichtliche Fortsetzung gefunden. - F r ü h e r war der Kreis der semitischen Völker umfangreicher. Wie später zu zeigen ist, gehörten ihren auch die Assyrer und Babylonier an.’'
Die Bezeichnung „Japhethiten“ wird selten verwendet. Der Umfang ihres Kreises deckt sich annähernd mit dem Völkerkreis, den wir die „Indogermanen heißen. Zu denen gehörten in der alten Zeit die Perser, Griechen und Römer, in der heutigen die europäischen Völker mit ihren Ablegern in Amerika. Auch die Oberschicht der Bevölkerung Indiens gehört hierher. Die Japhethiten und Semiten sind die Herren der Welt geworden und haben sich die Hamiten dienstbar gemacht. So im Beginn der neueren Geschichte die Ureinwohner Amerikas und später die Bevölkerung Afrikas auf dem Weg der Unterjochung (Kolonisation genannt); oder so, dass sie die hamitischen Völker ihrem Einfluss unterwarfen, wie beispielsweise die Chinesen. Nur e i n hamitisches Volk hat den Weg zur Abschüttlung des Joches und zur Erringung eigener Weltherrschaft versucht, nämlich die Japaner. Gelungen ist es ihnen nicht.
Bereits iim vorstehenden ist es ersichtlich geworfen, dass man unter „Hamiten“, wenn man sie nämlich im biblischen Sinn versteht, einen weiteren Völkerkreis befassen muss als nach dem sonst üblichen Sinn des Worts. Im letztern Fall denkt man nur an die schwarze Bevölkerung Afrikas. Es ist aber sowohl kulturgeschichtlich als abstammungsmäßig wahrscheinlich, dass die von Ham ausgehende Völkergruppe den größten Teil der Menschheit umfasst, nämlich außer der Negerwelt Afrikas auch die Urbevölkerung Amerikas, und zwar sowohl deren hochstehende alte Völker, die von den ersten Einwanderern in Amerika unterworfen worden sind, als auch die Reste der Indianer, die sich heute noch im amerikanischen Gebiet finden. Weiter gehört zu dieser Völkergruppe die Urbevölkerung Indiens, die später von den Indogermanen unterworfen wurde. Ebenso werden die Chinesen und Japaner, die alte Bevölkerung Australiens und die Bewohner des Pazifiks den Hamiten zuzurechnen sein. Kein Glied der hamitischen Völkergruppe hat sich auf die Dauer dem Zugriff der semitischen und namentlich der japhethitischen Völkergruppe entziehen können. Was bei diesen Zugriffen an der Urbevölkerung Amerikas und bis vor nicht allzu langer Zeit an der Negerwelt Afrikas gesündigt worden ist, ist damit nicht gutgeheißen. In welchem Maße ist das Fluchwort in Erfüllung gegangen, das einst der Stammvater der zweiten Menschheit, nämlich Noah, nach der Sintflut über seinen Sohn Ham ausgesprochen hat wegen dessen unehrerbietiger Haltung gegen seinen Vater! Hams Nachkommen hatten den Fluch zu tragen. Zuerst wurde, bereits in alter Zeit, Hams jüngster Sohn Kanaan, genauer gesagt die Kanaaniter, davon betroffen (1Mo 9:25). In seinem Sohn Kanaan hat Noah dessen Vater Ham zum geringsten Knecht seiner Brüder degradiert.

Diese drei Erdteile gehören schon rein geographisch gesehen zusammen, im Unterschied von dem, was die Bibel die „Inseln“ nennt. Nach biblischem Sprachgebrauch gehören zu den letzteren sogar ganze Kontinente, wie Amerika und Australien. Diese sind erst verhältnismäßig spät in den Gesichtskreis der Menschheit getreten.

Was nun den großen Kontinentalblock Europa-Asien-Afrika anbelangt, so war in den letzten Jahrhunderten vor Christi Geburt dessen ferner Osten noch unbekannt; Afrika schlief noch mit Ausnahme Ägyptens und der Südküste des Mittelmeers; der größte Teil Europas zeigte damals noch wenig geschichtliches Leben, die spätere europäische Geschichte bereitete sich mit der Geschichte Griechenlands und Roms erst vor. Aber der Orient war schon lange in geschichtlicher Bewegung, namentlich im Zweistromland und in Ägypten. Gerade in diesem Gebiet gab es etwa vom 8. bis zum 6. Jahrhundert vor Christi Geburt große Umbrüche.

Die unsichtbaren Hintergründe des Weltgeschehens

Wie müssen vom b i b l i s c h e n Standpunkt aus solche Umbrüche verstanden werden? Wer die Geschichte nur nach i n n e r weltlichen Gesichtspunkten zu verstehen sucht, dem werden solche Völkerbewegungen als mehr oder minder zufällig erscheinen, oder er wird sie aus rein natürlichen Gründen zu erklären versuchen. Aber die Völkergeschichte hat auch einen ü b e r weltlichen Hintergrund, und auf den lehr die B i b e l achten. Besonders das Danielbuch zeigt auf d i e s e m Hintergrund hin, wenn es h i t e r den menschlichen Herrschern und Gewalthabern und hinter der ganzen Regierungspolitik der Weltreiche das Eingreifen und die Wirksamkeit der G e i s t e r w e l t sehen lehrt. Zwar vom Satan s e l b e r ist im Danielbuch noch nichts gesagt.*

*Im letzten Buch der Bibel, der Offenbarung des Johannes, wird über die u n s i c h t b a r e Seite am menschlichen Geschehen noch mehr gesagt. Dem letzteren geht ein Geschehen am Thron G o t t e s voraus znd zur Seite. Die widergöttliche Seite am Menschheitsgang hat s a t a n i s c h e n Hintergrund. Diese Einblicke finden sich aber nicht erst im letzten Buch der Bibel, sondern sind bereits im Wort Jesu enthalten, so schon in der 7. Bitte des Vaterunsers, die wahrscheinlich den Sinn hat: erlöse uns von dem „Bösen“, nämlich vom Satan; ferner die Einblicke, die der Herr in der Nacht des Verrats seinen in diesem Stück noch ahnungslosen Jüngern gegeben hat; ,aber ebenso Worte der Apostel, wie Eph 6:12, wo davon die Rede ist, dass hinter Fleisch und Blut, d. h. hinter dem eigenen menschlichen Wesen und hinter der menschlichen Umgebung Gewalten aus der unsichtbaren Welt stehen - d i e s e n gelte der Kampf, und d e n e n gegenüber bedürfe ein Christenmensch einer geschlossenen, gottgegebenen Waffenrüstung.’'
Diese eingehendere Enthüllung der satanischen Hintergründe des Menschenlebens und des Menschheitsganges hängt damit zusammen, dass erst der Ü b e r w i n d e r des teuflischen Wesens und Wirkens offenbar werden musste, nämlich Jesus Christus, der durch sein Sterben und Auferstehen und durch seine Erhöhung auf den ThronGottes zum Herrn auch über diese unheimlichen Mächte geworden ist, und der allein imstande ist, Menschen gegen sie zu decken und aus ihrer Verstrickung zu lösen. Das ist der Grund, weshalb erst im N e u e n Testament die Hülle weggezogen ist, welche noch über die Abgründe des menschlichen Daseins und Geschehens gebreitet war. Übrigens ist diese Hülle im Neuen Testament noch nicht g a n z weggezogen, denn in die „Tiefen des Satans“ - siehe diesen Ausdruck in Offb 2:24 - können wir noch nicht hineinsehen. Diese letzten Einblicke sollen wir nicht einmal b e g e h r e n, sonst könnte die Hand aus der Tiefe, vor der wir täglich der Bewahrung und Deckung bedürfen, nach uns greifen in allerlei Arten und Formen. Der Einblick in diese unheimlichen Dinge darf also nicht der Gegenstand der Neugierde sein und darf deshalb auch nicht zum Zweck der Befriedigung der Wissbegierde begehrt werden, sondern muss dem Ernste dienen, der nach Lösungen aus satanischen Bindungen und Verstrickungen begehrt.’'

Aber von der Geisterwelt ist ihm Kunde gegeben worden, und zwar nicht nur von d e m Teil der Geisterwelt, der im Dienst G o t t e s in der Welt steht, sondern auch von den überirdischen Werkzeugen der w i d e r g ö t t l i c h e n Macht (zum ersteren vergleiche Dan 8:13; Dan 9:21; Dan 10:5; Dan 12:1; zum letzteren Dan 10:13)*

* Menge hat in seiner trefflichen Übersetzung des Alten Testamens die überirdischen Mächte, die hinter der Machtentfaltung und Politik des persischen und griechischen Reiches standen, mit dem Wort „Schutzengel“ wiedergegeben. Vielleicht ist er dabei der Übersetzung von E. Kautzsch gefolgt, die noch wesentlich unter dem Einfluss der kritischen Stellungnahme zum alten Testament stand. Der in der hebräischen Bibel verwendete Ausdruck heißt „Fürst“. Die Übersetzung „Schutzengel“ ist bereits eine A u s l e g u n g, aber eine irreführende. Denn der Leser kann sich darunter nur g u t e Geister Gottes denken. Wären aber s o l c h e gemeint, dann müßsste nicht von einem K a m p f der guten Geister mit den unsichtbaren Regenten der persischen und griechischen Weltmacht gesprochen werden. Der Ausdruck der „Fürst Persiens“ und „der Fürst Griechenlands“ liegt auf der gleichen Linie wie der neutestamentliche Ausdruck „der Fürst dieser Welt“. Der letzter leitet die g a n z e Weltgeschichte in Richtung auf ein widergöttliches Weltziel; und die „Fürsten“ der jeweiligen Weltmächte sind die unsichtbaren Beauftragten d e s „Fürsten der Welt“. D i e s e „Fürsten“ sind also von den m e n s c h l i c h e n Herrschern zu unterscheiden. Die letzteren üben ihre Herrschaft nur eine Zeitlang aus. Dann sterben sie, und andere treten an ihre Stelle. Dagegen die unsichtbaren Fürsten b l e i b e n und besstimmen die Politik der Weltmach auf l a n g e Zeiträume, manchmal auf Jahrhunderte und noch länger.’'
Die vorstehend gezeichnete prophetische Geschichtsauffassung bildet eine Erklärung dafür, wie es kommt, dass die Politik einer Weltmacht bei allem Wechsel der Herrscher in sich gleich bleibt. Sie zeigt zugleich, dass die jeweils in der Geschichte aufkommenden und sich durchsetzenden Geistesströmungen und Weltanschauungen einen unsichtbaren Hintergrund haben und letzten Endes aus der Geisterwelt stammen. Damit ist auch ihre jeweils die Gemüter ergreifende und in Bann schlagende Macht erklärt.
Im Danielbuch ist aber nicht nur von der Wirklichkeit und Wirksamkeit solcher überidischen Mächte die Rede, sondern auch von K ä m p f e n, die in der unsichtbaren Welt stattfinden. Kämpfe gibt es also nicht nur auf dem i r d i s c h e n Schauplatz der Geschichte. Gottes Regierung lässt wohl den satanischen Mächten nach der Regel des heiligen rechts einen gewissen S p i e l r a u m, aber sie tritt auch g e g e n sie auf. In der j e t z i g e n Weltzeit freilich nur zurückhaltend, hindernd und eindämmend. Die Finsternismächte möchten mit ihren Plänen r a s c h und ohne Unterbrechung zum Ziel kommen. Aber durch den Dienst der guten Geister legt Gott im Kleinen und Großen auch in das abwegige Geschehen A t e m p a u s e n ein, die für das Nähertreten s e i n e s Reiches Raum schaffen. Diese unsichtbaren Schutzmächte werden aber zu ihrer Zeit zurückgezogen werden. Hierher wird wohl gehören, was 2thes 2:6.7 gesagt ist vom Weggetanwerden dessen, d e r aufhält und w a s aufhält. „Der Schacht des Abgrunds wird einmal geöffnet werden“ (Offb 9:1-2), so dass die sprichwörtliche Redensart; „die Hölle ist los“ in buchstäblichem Sinn zu schrecklicher Wirklichkeit werden wird. Wird es einmal so weit ein, dann wird der Menschheitsgang r a s c h seinem schlimmen Ausgang entgegeneilen. Nach der Gerichtskatastroßphe am Schluss des jetzigen Zeitlaufs soll der „Fürst dieser Welt“ auf lange Zeit unter Verschluss gelegt werden. Dadurch wird der Raum frei werden für die Aufrichtung de Reiches Gottes auf dieser Erde unter dem wiederkommenden Herrn. das ist aber noch nicht des Reiches Gottes letzte, vollendete Gestalt. Erst die e n d g ü l t i g e Ausschaltung der satanischen Wirkungen, die Offb 20:10 verheißen ist, wird das eigentliche Ziel herbeiführen. V o l l e n d e t wird das Reich Gottes sein nach der Beseitigung a l l e r widergöttlichen, gottfeindlichen Mächte durch Christus, der nach seinem völligen Sieg sein Christusamt als ein restlos durchgeführtes in Gottes Hände zurücklegen wird (1Kor 15:28).
Das sind Aufschlüsse, die bereits auf der Linie des Danielbuchs liegen, die aber durch das Zeugnis des Neuen Testaments bestätigt und weiter ausgeführt worden sind. Welche p r a k t i s c h e Bedeutung solchen Aufschlüssen innewohnt, das möge n och an drei Punkten zu zeigen versucht werden.
Einmal: wieviel Not und Elend erwächst den Völkern und den einzelnen durch das Aufkommen und die Tätigkeit von Gewaltmenschen! Daran entzündet sich dann wiederum der Hass gegen die letzteren, manchmal über deren Tod hinüber. Die Empfindung und das Urteil solchen Männer gegenüber wird zurückhaltender und stillen, wenn erfasst wird, dass sie, ihnen selbst nicht oder kaum bewusst, Werkzeuge in der Hand des „Fürsten dieser Welt“ waren, bzw. in der Hand der von ihm beauftragten unsichtbaren Fürsten aus der unheimlichen Geisterwelt. Das Schuldkonto solcher Männer wird damit nich aufgehoben. Einesteils wird allerdings ihre Schuld etwas kleiner, sofern sie nicht aus eigenem Antrieb und in eigener Selbstständigkeit handelten. Auf der anderen Seite wird aber ihre Schuld noch größer, weil sie sich von den Finsternismächten bestimmen ließen. Der Grad solcher Schuld ist verschieden. Deren höchster wird einmal von dem „Menschen der Sünde“ (2Thes 2:3) erreicht werden, der einst wissentlich und vollständig sich zum satanischen Dienst h ergeben wird, so dass der Fürst dieser Welt ihn zu seinem e i g e n t l i c h e n Beauftragen machen kann und damit zum Gegenstück, und Widersacher des Beauftragten G o t t e s, nämlich des Christus, also zu Anti-Christus. Denen, die das Unheil sehen und die unter dem Unheil leiden, das von solchen Männern ausgeht, wird durch selche Erkenntnis die persönliche Bitterkeit und der persönliche Hass erspart, ohne dass sie deshalb empfindungslos und nachlässig werden müssten.
Dazu kommt ein Zweites: es ist eine ernste Sache, sich den jeweiligen Zeitströmungen bedenkenlos aufzuschließen und hinzugeben, mögen sie nun mehr gedanklicher oder praktischer Art sein. Was wir e m p f a n g e n könnten, das ist nicht nur der H e i l i g e G e i s t, sondern auch den Geist der W e l t (1Kor 2:12). Beide, d. h. sowohl der Heilige Geist als der Geist der Welt, ,gehen da ein, wo sie offene Pforten finden. Es ist erschütternd zu sehen, wie die jeweiligen Zeitströmungen nach jedem greifen, der nicht gegen sie gefestigt ist. Es es ergreifend, die Gewalt wahrzunehmen, die solche Gedankenkreise und Willensrichtungen auf diejenigen ausüben, die sich ihnen hingeben. Um sich solchen Strömungen und Strebungen zu entziehen, ist die Hilfe dessen nötig, der der Durchbrecher aller Bande ist.
Daraus ergibt sich ein Drittes: wie nötig ist es, über sich selber zu wachen, sich unter die Zucht des Wortes und Geistes zu s t e l l e n und sich unter der Zucht Gottes selbst in Zucht zu n e h m e n im glaubenden Anschluss an den Herrn und im betendem Aufblick zu ihm und in der Deckung durch ihn! Das gilt nicht nur gegenüber der jeweils herrschenden Zeitströmungen, sondern auch gegenüber dem, was zu a l l e n Zeiten in der Welt ist. Dessen ist viel und vielerlei und gleichzeitig nur wenig. Denn letzten Endes geht das, was die Welt füllt, nach einem bekannten Wort des Apostels Johannes (1Jo 2:16) auf drei Dinge zusammen: auf das Begehren dessen, was an uns Fleisch ist; auf das Verlangen, die Augen zu befriedigen durch das Sichtbare, und auf die stolze Ausstellung und Aufblähung des menschlichen Lebens, die selbst in den feinsten Formen der Kultur vor sich gehen kann. Johannes hat gesagt, diese drei Dinge seinen a l l e s, was die Welt fülle. Und die Welt s e l b e r liege im Bann dessen, der der Arge ist (1Jo 5:19), und sei deswegen mit all ihrem Begehren dem Vergehen unterworfen. Ewigen Bestand hat nur, wer den Willen Gottes tut.

Der satanische Weltplan und Gottes Gegenwirkung

So ist hinter dem, was Daniel von den Abgründigkeiten der Weltgeschichte sehen durfte, doch bereits etwas vom „Fürsten dieser Welt“ wahrzunehmen, wie Jesus den Satan genannt hat. Auf diese Hintergründe des Weltgeschehens soll nun bei der Beschreibung der Zeitwende der babylonischen Gefangenschaft besonders geachtet werden. Zu diesem Zweck ist aber ein kurzer Überblick zu geben über die biblische Geschichtsdarstellung überhaupt:

Die Menschheit ist für das Reich G o t t e s bestimmt, aber Gott hat einen W i d e r s a c h e r, der die menschliche Geschichte und die ganze Völkerwelt nach s e i n e n Plänen und zu s e i n e m Ziel zu leiten versucht. Von ihm war den letzten Anmerkungen die Rede. Er hat auch den Umfang der ersten menschlichen Gesamtgeschichte so unheimlich beeinflusst, dass die erste Menschheit bis auf wenige ihrer Glieder, die die Brücke zur zweiten Menschheit wurden, n der Sintflut durch das Gericht Gottes wieder ausgetilgt wurde. Gott stellte nun zwar die werdende neue Menschheit auf eine neue Bahn. Aber bereits deren Stammvater Noah ahnte etwas von einer kommenden Fehlentwicklung an den zuchtlosen Art seines jüngsten Sohnes, über dessen Geschlecht er deshalb den Fluch ausgesprochen hat. Tatsächlich hat der Widersacher Gottes auf den nun beginnenden neuen Menschheitsgang ebenfalls Einfluss gewonnen, indem er versuchte, die werdende neue Menschheit zu einem von i h m bestimmten Ganzen zusammenzufassen.

Die Menschheit hatte damals zahlenmäßig noch einen kleinen Umfang. Sie meinte, als sie sich durch den Turmbau zu Babel vor der Zerstreuung zu sichern suchte, in ihrem stolzen Sinn aus aus e i g e n e m Antrieb zu handeln, und ahnte nicht, w e r hinter ihrem stolzen, himmelstürmenden Beginnen stand. Da hat Gott dieses stolze Gebilde zerschlagen und hat die Menschheit auseinander getrieben in die Weiten der Erde. Die Entstehung der V ö l k e r hat also nach dem biblischen Bericht nicht nur n a t ü r l i c h e Ursachen, sondern it eine Folge von Gottes g e r i c h t l i c h e m Eingreifen. Das letztere war allerdings mit G n a d e verbunden. Wohl ließ er nun zunächst die einzelnen Völker ihre eigenen Wege gehen, und die führten hinein in die Nacht der Gottferne und des Heidentums. Aber Gott hat sich ihnen trotzdem nicht unbezeugt gelassen, sondern hat das große Suchen und Sehnen nach I hm in sie hineingelegt, wie es ergreifend sogar in den irrigen Religionen und Gedanken der Völker zum Ausdruck kommt. Paulus hat das deutlich empfunden und ausgesprochen, als er auf seiner 1. und 2. Missionsreise mit dem Götzendienst in den abgelegenen




Die Sonderstellung Israels

Warum die Weltreiche von neuem entflammen

Warum Gottes Gericht über das alte Gottesvolk zur Zeit Daniels

Wie sich das Gericht Gottes zur Zeit Daniels auswirkte

  1. Der Verlust der eigenstaatlichen Existenz
  2. Der Verlust des Heimatbodens
  3. Verstümmelung des Volkskörpers
  4. Der Verlust der Heiligen Stadt
  5. Der Verlust des Heiligtums