“Ewig“ ist nicht endlos

Aus Bibelwissen
Wechseln zu: Navigation, Suche

Abschrift des Heftes „Wie sich die Ewigkeit einschlich“
von Paul Petry (1936)

Nachdruck aus der Konkordanten Schriftenreihe Nr. 227
Konkordanter Verlag Pforzheim, 47. Jahrgang: Heft 1-3

siehe weitere Abschriften
Inhaltsverzeichnis

In Bearbeitung

Wie sich die Ewigkeit einschlich

1. “Ewig“ ist nicht endlos

Das inspirierte Gotteswort spricht niemals von Ewigkeit. Nichts bezeichnet es als ewig. Es enthält keinen Ausdruck, der in sich selbst die Bedeutung unseres Zeitbegriffs „immerwährend“ trägt. Weil Ewigkeit mithin kein Gegenstand göttlicher Offenbarung ist, werden wir jetzt aufzudecken suchen, wie und wann dieser unbiblische Begriff mit seinen überaus unheilvollen Folgen Eingang in die Theologie erlangt hat. Da es sich hier um eine geschichtliche Untersuchung handelt, werden wir eine Reihe historischer Ereignisse und eine Anzahl früherer Übersetzer und ihre Arbeiten anführen müssen. Wir hoffen, dass solch eine Untersuchung, verbunden mit der Überprüfung verschiedener Stammwörter, die sich auf Zeit beziehen, allerlei Zweifel bei denen beseitigen wird, die sich nicht ganz sicher fühlen, wenn sie in der Konkordanten Übersetzung des Neuen Testaments durchgehend anstelle von „ewig“ das Wort „äonisch“ sehen. Wir dürfen wohl getrost behaupten: Je gründlicher man die ersten Jahrhunderte des Christentums durchforscht, desto klarer tritt zutage, dass allein eine unsachliche Theologie für die Verdrängung der biblischen Lehre von den Äonen durch das kirchliche Dogma von der Ewigkeit verantwortlich ist.

Offb 10:6 übersetzen Luther und andere: „Dass hinfort keine Zeit mehr sein soll.“ Das ist an sich völlig richtig, nur besteht die Möglichkeit, diese Formulierung in zweierlei Sinn auszulegen; und es ist tatsächlich so ausgelegt worden, als werde nun bald die „Zeit“ enden und die „Ewigkeit“ anbrechen, eine Vorstellung, der nicht der geringste Schriftbeweis zugrunde liegt. Der Zusammenhang an dieser Stelle beweist, dass kein Aufschub mehr stattfinden soll bis das Geweissagte eintrifft, im übrigen aber auf die geschilderten Ereignisse zunächst eine Periode von tausend Jahren folgt, während welcher „Zeit“ fortdauert.

Es ist darum richtiger zu schreiben, wie es die Konkordante Übersetzung tut: „Es wird kein Zeitaufschub mehr sein.“ Darauf läuft auch die Übersetzung von Menge hinaus, wenn er schreibt: „Es wird hinfort kein Verzug mehr sein.“ Auch bei Elberfeld heißt es: „Es wird keine Frist mehr sein, und in der Fußnote steht: kein Aufschub. Nirgendwo lehrt die Schrift, dass Zeit an sich einmal zu Ende geht. Alles, was sie hierüber offenbart, ist, dass die Äonen einmal ein Ende haben werden.So steht in 1Kor 10:11 z.B.: „Zu denen die Abschlüsse der Äonen gelangt sind“ (Luther hat hier: „Das Ende der Welt“). Ebenso steht in Hebr 9:26: „Für den abschließenden Zeitraum der Äonen“.

Wenn die Schrift lehrt, dass gewisse Dinge auch nach dem Abschluss der Äonen bestehen werden, oder irgend etwas als endlos beschreibt, wird im Griechischen eine besondere, verneinender Form des Umstandswortes bzw. Verhältniswortes gebraucht, um dies auszudrücken, wie in den folgenden Beispielen:

Lk 1:33: “Seine Königsherrherrschaft wird keinen Abschluss haben“ (ouk estai telos = nicht wird-sein Vollendung).
1Kor 15:42: „Auferweckt wird in Unvergänglichkeit“ (aphtharsia; der Anfangssilbe „a“ entspricht das deutsche „un-„).
1Kor 15:53: „Denn dieses Sterbliche muss Unsterblichkeit anziehen“ (athanasia = Un-Tod, Tod-Losigkeit).
1Petr 1:4: „... zu einem unvergänglichen, unentweihten und unverwelklichen Losteil“ (amaranton = un-verwelklich).
Hebr 7:15: „Nach der Kraft unauflöslichen Lebens“ (akataluton = un-auflöslich).
1Tim 1:4: „Endlose Geschlechtstregister“ (aperanton = un-andere- Seite im Sinne von „zu nichts führend“, d.h. ohne Ziel und Ende).


Wenn die Äonen dazu bestimmt sind, einmal ein Ende zu nehmen, so muss auch alles, was äonisch ist, einmal enden oder von dem verschlungen werden, was auf sie folgt. Gerade Gerichte, die als äonisch bezeichnet werden wie das Feuer in Mt 18:8, der Ruin fern vom Angesicht des Herrn in 2Thes 1:9 und das äonische Urteil in Hebr 6:2 werden zu bestimmter Zeit ein Ende haben. Im grellen Gegensatz solchen nur äonischen Gerichten steht das furchtbare Schicksal der Stadt Babylon, wie es Offb 18:21-23 geschildert wird, wo innerhalb dreier Verse uns nicht weniger als sechsmal der feierliche negative Ausdruck „niemals mehr“ (ou me eti) begegnet.

So wird Babylon, die große Stadt, mit Wucht hinab geworfen und niemals mehr darin gefunden werden. Niemals mehr wir man einen Ton von Harfensängern, Unterhaltern, Flötenspielern oder Posauenbläsern in die hören. Auch wird man niemals mehr irgendeinen Kunsthandwerker irgendwelcher Kunst in dir finden. Niemals mehr wird man das Geräusch des Mühlsteins in die hören. Niemals mehr wird das Licht einer Leuchte in dir scheinen. Niemals mehr wird man die Stimme eines Bräutigams und einer Braut in dir hören.

Nicht einmal Gott wird in der Schrift „ewig“ genannt. Was zwingt uns denn auch, Ihn als ewig zu bezeichnen? Ist es nicht fast beleidigend, solch ein Beiwort von Einem zu gebrauchen, der um wirklich Gott zu sein, eben ewig, also zeitlos ohne Anfang und Ende sein muss? Wir sprechen doch auch nicht von nassem Regen. Wäre er nicht nass, so wäre er kein Regen. In der Schöpfungsgeschichte wird das Dasein Gottes einfach vorausgesetzt. Kein Versuch wird gemacht, zu erklären, wer Gott ist, woher er kam, oder Beweise für Sein Dasein zu erbringen. Die Schöpfung setzt Seine Existenz voraus, und der Glaube nimmt Ihn an. Dass Er der „äonische Gott“, d. h. der Gott der Äonen ist, das ist eine besondere, hinzugefügte Offenbarung. Ebenso kann Er Sich der „Gott Israels“ nennen und dennoch der Gott des ganzen Weltalls sein. Während es Ihm unmöglich ist, mehr als ewig, als immerwährend zu sein, ist Er selbstverständlich nicht nur äonisch. Auf einer Bleitafel aus dem Anfang des dritten Jahrhunderts, die man in der Totenstadt Adrumetum in Nordafrika gefunden hat, ist folgende Inschrift in griechischer Sprache eingegraben: „Ich beschwöre Dich, den großen Gott, den äonischen und mehr als äonischen (epionion) und allmächtigen, den Einen, der erhaben ist über die erhabenen Götter.“ Theologen meinen, hier müsse übersetzt werden: „... den ewigen und mehr als ewigen.“ Dem gegenüber darf behauptet werden, dass keine Sprache noch geraume Zeit n ach dem ersten christlichen Jahrhundert irgendeinen Ausdruck zur Bezeichnung von „Ewigkeit“ im heutigen Sinne hatte.

Wie konnte solch ein Begriff sich einbürgern?

Wie konnte nun solch ein Begriff entstehen und sich so fest einbürgern? Dazu ist zunächst Folgendes zu beachten: Die hebräische Heilige Schrift ist fast ausschließlich in reinem Hebräisch geschrieben. Ebenso ist es mit der griechischen; sie enthält kaum eine andere als rein griechische Wörter. Mit den europäischen Bibeln ist das aber sehr anders. Sie enthalten viele Ausdrücke, die aus dem Lateinischen stammen, die englische allerdings weit mehr als die deutsche. Hätte man im frühen Mittelalter nicht alle Bibelübersetzungen nach der lateinischen Vulgata gemacht und hätte das Lateinische nicht damals das gesamte kirchliche Leben beherrscht, so hätten sich nicht nur weniger unbiblische und fremde Begriffe in den theologischen Wortschatz des Abendlandes eingeschlichen, vielmehr hätten auch an sich gute deutsche Wörter ihre ursprüngliche Bedeutung behalten. Das beste Beispiel hierfür ist eben das Wort „ewig“, das sich weitestgehend mit dem griechischen „äonisch“ deckte. Dann aber nahm es den Sinn an, der, wie wir später sehen werden, erst in das entsprechende lateinische Wort hineingelegt wurde, um das zu lehren, was die Kirche zum Dogma erheben wollte. Wäre der griechische Grundtext früher im Westen in Gebrauch gewesen, so hätte auch die Entwicklung auf dem Gebiet der Bibelübersetzung und kirchlichen Lehre eine andere werden können.Aber erst die Einnahme Konstantinopels durch die Türken im Jahre 1453 gab den Anstoß zu einer Rückkehr zur Sprache der Inspiration.

Konstantinopel war damals der große Mittelpunkt der Gelehrsamkeit, vor allem der griechischen. Nach dem Eindringen der Türken flüchteten zahllose Gelehrte von dort ins Ausland, verbreiteten sich über ganz Europa und brachten die Kenntnis der griechischen Sprache und die Schätze der griechischen Literatur dem Westen mit. Es ist kaum zu glauben, dass für mehr als ein Jahrtausend das Griechische in den meisten Ländern Europas fast unbekannt oder vergessen war, sogar in Italien, das es einst so völlig beherrscht hatte. In England begann man erst im Jahr 1484 das Griechische öffentlich zu lehren, und zwar an der Universität Oxford, wo Erasmus, der große niederländische Gelehrte, Griechisch lehrte und dann Professor dieser Sprache in Cambridge wurde. Sein erstes griechisches Neues Testament gab er 1516 heraus, das erste, das überhaupt zum Verkauf gedruckt wurde. Die erste griechische Grammatik seit wohl mehr als einem Jahrtausend wurde 1476 in Mailand veröffentlicht, das erste Lexikon vier Jahre später. Es war so, wie ein englischer Gelehrter es ausgedrückt hat: Griechenland war auferstanden aus dem Grab mit dem Neuen Testament in seiner Hand. - Um diese Zeit änderten große deutsche Gelehrte sogar ihre Namen in griechische um, so modisch war das Studium des Griechischen geworden. Schwarzerd wurde Melanchthon, Hausschein wurde Oekolampadius, Gerhard erlangt Ruhm als Erasmus, Horn meinte, mit dem Namen Ceratinus mehr Ehre einlegen zu können.

2. Wie die lateinische Sprache die Theologie beeinflusste

Es wird jetzt notwendig, einen Blick auf sprachliche Zustände in Griechenland und Italien vor und nach den Tagen des Paulus zu werfen.

Das klassische Latein war eine von vielen Sprachen, die von den früheren Einwohnern Italiens gesprochen wurden. Zuerst war es nur der Dialekt eines schmalen Landstrichs um Rom. Andere Dialekte, die sich im Laufe der Zeit damit vermischten, waren von sehr unterschiedlicher Art. Im Süden Italiens gab es viele griechische Kolonien, so dass diese Landschaft als „Groß-Griechenland“ bekannt war. Von den Anfängen einer beglaubigten Geschichte an dürfte die griechische Sprache einen starken Einfluss auf Italien ausgeübt haben. Was in späteren Zeiten der abgeschliffene Dialekt Roms wurde, war aber nicht die Sprache des gemeinen Volkes, ebenso wie das klassische Griechisch der Dichter und Denken nicht das der gewöhnlichen Leute war. Die Alltagssprache der Griechen war mehr der Art, wie sie in der Schrift gefunden wird, bekannt unter dem Namen koine, d.h. gemeine Redensweise. Latein war die Sprache der römischen Patrizier, der Gebildeten, der Politiker, eines nur schmalen Ausschnitts aus dem Volk.

Eine Folge des stürmischen Eroberungszugs Alexander des Großen (334-323 v.Chr.) war, dass Griechisch die Sprache der Regierung und der Literatur fast durch die ganze damalige zivilisierte Welt wurde. Es wurde die Misch- und Umgangssprache in Palästina und Ägypten. Aber nach dem Zerfall des Weltreichs wurde Rom immer mächtiger und um 189 v.Chr. war seine Herrschaft über Griechenland eine vollendete Tatsache.

Trotzdem behauptete sich das Griechische als die Sprache der vornehmen Welt noch lange Zeit, sogar in Italien selbst. Zur Zeit des Dionysius Thrax (um 80 v. Chr.) lernten die Kinder der Edelleute in Rom Griechisch, ehe sie Latein lernten. Dionysius war der Verfasser der ersten griechischen Schulgrammatik. Sie wurde in Rom zur Zeit des Pompejus (um 50 v.Chr.) veröffentlicht und Jahrhunderte hindurch benutzt. Dies kleine schlichte Werk existiert heute noch. Die erste Geschichte Roms wurde um 200 v.Chr. in griechischer Sprache geschrieben.

In den beiden ersten christlichen Jahrhunderten war das Griechische noch ganz allgemein in Rom in Gebrauch. Man konnte zwar überall zahlreiche andere Dialekte hören, Griechisch aber diente als Verbindungsglied, durch das sich alle miteinander verständigten. Deshalb brauchte Paulus an die Römer auch nicht lateinisch zu schreiben. Nicht nur, weil er zu feinfühlend war, ihnen in einer Sprache zu schreiben, die sie nicht verstanden; es steht auch sonst fest, dass die römische Gemeinde mit der griechischen Sprache völlig vertraut sein musste. Deshalb lag auch für ungefähr ein Jahrhundert nach der Zeit des Paulus kein Bedürfnis vor, in Italien eine lateinische Übersetzung der Heiligen Schrift zu haben. Es ist von größter Wichtigkeit, sich klarzumachen, dass die erste lateinische Bibelübersetzung ihren Ursprung nicht in Italien, sondern in Nordafrika hat. Von den noch vorhandenen Handschriften dieser alt-lateinischen Bibel gilt die Mehrzahl als typisch „afrikanisch“.

Ursprung der lateinischen Bibelübersetzung

An dieser Stelle muss einiges zur Orientierung über das Verhältnis der römischen Provinz Afrika zu Rom gesagt werden. In alter Zeit war hier eine kanaanitische Kolonie, von Tyrus und Sidon gegründet, Karthago genannt. Zur Zeit ihrer Macht beherrschte diese Stadt auch die großen Inseln des Mittelmeers: Sardinien, Korsika und einen Teil von Sizilien. Krieg mit der aufsteigenden Militärmacht Rom war unvermeidlich. Drei Feldzüge endeten mit der völligen Niederwerfung Karthagos um 146 v.Chr., das fortan zur römischen Provinz erniedrigt wurde.

Auch die Sprache dieser Provinz wurde im Folgenden lateinisch, aber es war der Dialekt des zweiten vorchristlichen Jahrhunderts.Dies zu beachten ist wichtig. Dieser Dialekt unterschied sich stark von der in späterer Zeit in Rom gesprochenen Sprache. Der Geschichtsschreiber Polybius (um 150 v. Chr.) behauptet, dass selbst die sachkundigsten Römer zwischen Rom und Karthago nur schwer den Wortlaut der früheren Verträge verstehen konnten, die doch nur etwa hundert Jahre alt waren. Horaz, der zur Zeit der Geburt Christi starb, bekennt, dass er die altlateinischen salischen Gedichte nicht verstehe, ja er sagt, niemand könne sie mehr verstehen, so sehr habe sich das Lateinische in ein paar Jahrhunderten verändert. Die Zeit der größten Reinheit des Lateinischen war das Jahrhundert vor Christus.

Karthago, in beträchtlicher Entfernung von Rom gelegen, entwickelte indes seinen lateinischen Dialekt unabhängig weiter, frei vom Einfluss des Griechischen. Geradeso, wie das Skandinavische, das man in Schweden und Norwegen spricht, sich sehr von dem alten Skandinavisch unterscheidet, das man vor tausend Jahren in Island redete; oder wie die Sprache der Buren in Südafrika vom Holländischen abweicht; oder wie das Englisch, das von 300 Jahren nach Amerika kam, dort Begriffe hinzunahm, die in England nicht gebräuchlich sind, dagegen aber andere verlor, die England bewahrt hat - geradeso hat sich auch das nach Karthago verpflanzte Latein in einer Weise weiterentwickelt, d,ass es sich bald merklich von der Sprache Italiens und Roms unterschied.

Tertullian von Karthago, dem frühesten der lateinischen Kirchenväter (um 160-220 v. Chr.) verdanken wir unsere erste Kenntnis von der Existenz der in seiner Heimat hergestellten altlateinischen Bibelübersetzung . Die noch vorhandenen Handschriften dieses Bibelwerks lassen erkennen, wie die Sprache desselben sehr von dem klassischen Latein abweicht. Sie ist wohl kraftvoller, hat aber manche Unbeholfenheiten und Eigenheiten, die anderen als Irrtümer und grammatikalische Fehler erscheinen würden. Diese Bibel war wohl ursprünglich eine Übertragung aus dem Griechischen durch ungeschulte Übersetzer, wenn nicht der Unterschied zwischen den Dialekten Roms und Karthagos ihre anscheinenden Sprachfehler hinreichend erklärt. Solange die altlateinische Bibel in Nordafrika blieb, erhielt sie sich ziemlich unverändert. Als sie jedoch auf italienischem Boden erschien, entstand eine große Verwirrung. Alte, in Karthago wohlbekannte Wörter mussten den Römern unverständlich sein. Neu in Afrika geprägte Ausdrücke waren ihnen ebenfalls fremd. In beiden Ländern hatten Wörter im Laufe der Zeit besondere und abweichende Schattierung ihrer eigentlichen Bedeutung angenommen. Die provinzialen Spracheigenschaften und Rauheiten der afrikanischen Bibel wurden nur notdürftig zurechtgeflickt, der Text nach den in Rom gebrauchten griechischen Abschriften zusammengestümpert, und das Resultat war unbeschreibliche Verwirrung. Man behauptete, es gäbe wohl so viele Übersetzungen wie Handschriften, wenngleich edas zweifellos übertrieben ist. Dem Kirchenvater Hieroniymus fiel um 380 die schwierige Aufgabe zu, Ordnung in dieses Chaos zu bringen. Das Ergebnis war eine lateinische Übersetzung, die als die Vulgata bekannt ist. bis dahin hatte etwa 600 Jahre lang die griechische Septuaginta das Feld behauptet, und so macht sich der neuen Bibel gegenüber zuerst ein starker Widerstand geltend. Dennoch sollte die Vulgata fast ein Jahrhundert lang, bis zur Reformation, den größten Teil der Christenheit beherrschen.

Wenn auch Hieronymus offenbar Fehler und schlechtes Latein in der alt-afrikanischen Bibel verbesserte, so war er andererseits doch sehr konservativ. Manchen Ausdruck ließ er stehen, wie er ihn vorfand. Was aber auch immer seine eigenen Ansichten über die Zukunft gewesen sein mögen, zwei lateinische Wörter voll tiefer Bedeutung, die in der alten Lesart erscheinen, hat er jedenfalls offensichtlich nicht geändert. Es sind die beiden Wörter, mit denen die alten lateinsch-karthagischen Übersetzer das griechische Wort aion wiedergegeben haben. Die lateinische Sprache benötigte gleich der gotischen, armenischen, englischen u. a. zwei Wörter, um diesen Begriff zu übertragen: seculum, von dem unser „säkular“ stammt, und aeternus, heute „ewig“. Der ursprüngliche Sinn des ersten Wortes war augenscheinlich „Welt“ vom zeitlichen Standpunkt aus betrachtet, also Dauer einer Weltordnung, im Gegensatz zu mundus, Welt als Örtlichkeit (gr. kosmos). Der Sinn des zweiten Wortes war wohl vor allem „ein Zeitalter oder lebenslänglich dauernd“. Wie wir in dem nächsten Artikel dieses Aufsatzes noch sehen werden, wurde das griechische aion manchmal durch das eine und manchmal durch das andere der beiden lateinischen Wörter wiedergegeben. Aber nicht nur das, sondern wenn im Griechischen das Wort aion zwei- oder dreimal in einem Satz vorkommt, wie z.B. in der Wendung „Für den Äon und für den Äon des Äons“, dann hat das Lateinische oft beiden, aeternum und seculum.

Dies dürfte als beweis dafür genügen, dass die zwei Wörter eine mehr oder weniger ähnliche Bedeutung haben könne; und wir müssen jetzt dartun, dass sie sich ursprünglich sehr wenig in ihrem Sinn unterschieden, dass aber die Theologie, hauptsächlich infolge des vorherrschenden Einflusses e i n e s Mannes, dem Wort aeternum eine Bedeutung beilegte, die seiner Abstammung und ursprünglichen Anwendungsweise fremd ist.

Lies weiter:
3. Ewig und säkular