Worin bestand die Ebenbildlichkeit des ersten Menschen?

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Abschrift des Heftes: Der erste Mensch und seine göttliche Würde
Julius Beck (1887-1962)

Aus der Reihe: Vätererbe Bd. I (1962)
Verlag Ernst Franz Metzingen, Württ.

Siehe weitere Abschriften
Inhaltsverzeichnis

Der erste Mensch und seine göttliche Würde

2. Worin bestand die Ebenbildlichkeit des ersten Menschen?

Vordringlich ist die Frage: Hat Gott den Menschen in einer Person, als Adam; oder hat Er ihn als zwei Personen, als Adam und Eva, d. h. einen Mann für sich und eine Frau für sich geschaffen? Ist es doch immer fraglich gewesen, wie der Ausdruck zu verstehen ist: „Und Gott schuf den Menschen Ihm zum Bilde; und schuf ihn als `Mann und Frau ́.“ (Die Übersetzungen schwanken in 1Mo 1:27). Zum besseren Verständnis mag auf die Streitfrage der Sadduzäer hingewiesen werden: Wessen Weib wird im ewigen Leben die Frau sein, die hier mehrere Männer gehabt hat? Darauf antwortet Jesus, dass „in der Wiedergeburt“ keine Geschlechtertrennung mehr stattfinden werde. Das bedeutet, dass der Mensch im Ebenbilde Gottes nicht mehr nach Mann und Frau getrennt sein wird.

Damit ist die Frage aufgehellt, worin – auch – die Ebenbildlichkeit Adams bestand. Hier soll die Frage nach der Ebenbildlichkeit nur in Bezug auf die Geschlechtsfrage gestellt sein.

Adam ist das Nachbild der himmlischen Menschheit, d. h. des eingeborenen Sohnes. Dieser ist aber „Einer“, nicht zwei Individuen. Wiederum: Der eingeborene Sohn ist eine Gleichheit mit dem Vater, aus dem Er gekommen ist. Auch der Vater ist nur Einer, der Person nach.

Dagegen ist eine Mehrheit an Kräften in der Gottheit in ihrem Ungrund, welche die Mystiker mit den Buchstaben A, O und U bezeichnen. Unter der Kraft A wird die göttliche Aktionskraft verstanden, die männlichfeurig ist. Unter O wird die göttliche Reaktionskraft verstanden, die empfangen und mütterlich- gebärender Natur ist. U aber ist die Ursache der Bewegung von Aktions- und Reaktionskraft zur Offenbarung. Und diese drei Zentralkräfte bilden zusammen den „Ungrund“, den noch ungeoffenbarten Gott, der ein „einiger“ Gott ist in seiner Verborgenheit.

Ist der Vater als das Urbild ein Einzelner, und ist der Sohn als sein Ebenbild ein Einzelner, so ist auch das Abbild des Ebenbildes ein Einzelner. Also vereinigte Adam die männlich-zeugenden und die weiblich-gebärenden Kräfte in sich als in einer Person. Er war „Männlein-Fräulein“ in einem Individuum.

Dies zu glauben sei niemand zugemutet; wer es fassen mag, der fasse es! Ein solcher wird aber auch „fassen“, dass der Mensch Jesus von Nazareth ebenfalls in dieser doppelten Kräfteverbindung stand, also männlich-weiblicher Natur war. Denn erst durch den Sündenfall wurden aus dem Individuum Adam zwei Wesen: ein Mann und eine Frau. Die Frau ist die „Rippe“, die Gott aus Adam nahm. Demnach war sie in ihm, sonst hätte sie nicht aus ihm genommen werden können. Nachher war sie die Gehilfin „um“ ihn. Und wen mag von dieser Sicht aus die Annahme überraschen, dass der Mensch „in der Wiedergeburt“, d. h. wenn er wieder ins Bild Gottes zurückgekehrt ist, auch darin gottähnlich sei, dass er beide Tinkturen, die männliche und die weibliche, wieder in sich trage?

Sündenfall und Wiedergeburt

Mit dieser Einsicht haben wir unendlich viel gewonnen für das Verständnis des Sündenfalls, sowohl als für die Wege Gottes zu seiner Behebung. Denn es geht bei der „Wiedergeburt“ um mehr als um einige fromme Vorstellungen aus der Bibel; nicht umsonst nennt Gott diese Erneuerung eine „Geburt“, und zwar „von oben her“. Doch tat der fromme Nikodemus sehr schwer, sich über einen solchen Neuanfang unserer inneren, geistigen Existenz klar zu werden. Auch uns geht es zunächst nicht anders; denn nur derjenige wird etwas von diesen Dingen verstehen, in dem sie sich ereignen. Dann allerdings werden sie für ihn ein offenes Geheimnis.

Die Mystiker belegen dieses Doppelwesen in männlich-weiblicher Art mit dem treffenden Ausdruck: „eine männliche Jungfrau“. Dieser Begriff hilft sehr viel zum Verstehen aller jener Schriftstellen, in denen auf die Vollendung des menschlichen Wesens hingewiesen wird. In der Auferstehung zum ewigen Leben, nicht aber in der zum anderen Tod, erscheint der Mensch „neu“, d. h. wieder im Bilde Gottes. Wie sehr sehnt sich Paulus nach dieser Vollendung, dem Kleinod der himmlischen Auferstehung!

Indirekt findet der oft überstarke Zug der Geschlechter zueinander hier eine hinreichende Begründung. Und nur der in der Wiedergeburt Stehende kann diesen Zug allmählich überwinden, weil sich in ihm die neue Existenz, das Gottwesen mit der Doppelnatur, entwickelt und ihm besondere Kräfte verleiht.

Wir staunen nicht nur über das große „Format“, das der Schöpfer dem Adam anerschaffen hat, indem Er ihn in seiner Gleichheit in doppelter Geistesart schuf. Wir freuen uns zugleich über die große Aussicht auf eine – wieder – göttliche Existenz durch die Erneuerung des Bildes Gottes in uns; denn Gott strafte Adams Sünde nicht dadurch, dass Er ihm auf immer und ewig die Möglichkeit vorenthalten hätte, wieder Ihm ähnlich zu werden, obgleich der Mensch das Recht dazu verwirkt hätte. Die Liebe und Barmherzigkeit Gottes weiß hier zu übersehen und zu überbrücken.

Doch ist es nötig, dass wir die Natur der männlichen Jungfrau noch genauer verstehen lernen.

Der Originalmensch als Doppelwesen

So, wie der Mensch heute ist, wurde er nicht von Gott erschaffen; sonst müsste man sagen, der Mensch sei Gott völlig missraten. Wenn der heutige Mensch nicht durch Gesetze und Ordnungen gezügelt wird, richtet er sich und seine Nebenmenschen zugrunde. In dieser Gestalt wäre der Mensch ein Scheusal, nicht aber ein Ebenbild Gottes gewesen. Die Ursache des heutigen Zustandes des Menschen liegt darin, dass in ihm das Böse über das Gute herrscht. Normalerweise müsste das Gute über das Böse, das Licht über die Finsternis herrschen.

Dies war die geistige Ordnung des Menschen, als er aus der Hand des Schöpfers hervorging; erst die ungeheuerliche Katastrophe des Sündenfalles hat ihn so übel zugerichtet. Diese lag aber nicht in der Absicht des Schöpfers, obwohl Er sie zugelassen hat. Wiederum: Er konnte sie nur zulassen, weil Er Mittel und Wege zur Behebung dieser Katastrophe sah.

Die Kräfteordnung in dem von Gott erschaffenen Menschen war derart, dass er sich selbst bewahren, nicht aber zerstören sollte. Die in ihm zusammengeordneten Kräfte des Lichts und der Finsternis wurden durch die Herrschaft des Lichtes in einer göttlichen Ordnung gehalten. So wie in Gott immer das Licht über die Finsternis herrscht, so herrschten im Original- Menschen, dem Abbild Gottes, ebenfalls die Kräfte des Lichtes über die der Finsternis. Übrigens war der Mensch keineswegs sich selbst überlassen; denn ihm war der Geist Gottes als eine höhere, göttliche Instanz beigegeben. Dieser Geist aber ging unmittelbar aus der Gottheit in ihn über und war das regulierende und beherrschende Prinzip in ihm. In dieser inneren Geistesordnung war der Mensch ein durchaus lebensfähiges, ja harmonisches Wesen; denn er stand in der Harmonie der Kräfte Gottes, die niemals sich selbst auflösen können. In diesem paradiesischen Zustand war der Mensch ein geradezu herrliches Geschöpf; wurde er doch von der Macht der Finsternis beneidet ob seiner ihm anerschaffenen Herrlichkeit – und darum von ihr angefeindet und schließlich gefällt und seiner inneren geistigen Struktur nach zerrüttet! In solch zerrüttetem Zustand findet sich der Mensch- nach dem Fall – vor; in diesem Elend ist er nicht mehr ein Gegenstand der Freude und des Wohlgefallens Gottes. Sich selbst aber ist er zur Last und zur Gefahr geworden. Nur wer den großen Einsatz Gottes zur Wiederherstellung des Menschen in sein Urbild erkennt, kann ermessen, in welchem Ausmaß die Finsternis den Menschen schädigte und in seiner edlen und herrlichen Anlage zerstörte. Wehe, wenn dieser Mensch völlig sich selbst überlassen wäre! Wenn ihn nicht von Gott gesetzte Kräfteordnungen in einer halbwegs noch angängigen Ordnung hielten! Freilich, um in dem zerrütteten Zustand nicht allzu viel Unheil anrichten zu können, entmächtigte der Schöpfer sein herrliches Geschöpf, indem Er es sozusagen „entzweite“, d. h. aus einem Individuum zwei schuf. Aus dem Originalmenschen mit seinen gedoppelten Tinkturkräften, der sogenannten „männlichen Jungfrau“, wurde durch Gottes gerichtliches – und bewahrendes – Walten jeweils gesondert ein Mann und eine Frau. Dies war ein unerhörtes Novum, auch wenn wir es heute als selbstverständlich, ja als „normal“ ansehen. Dieser „entzweite“ Mensch ist nicht der Normalmensch; er kann es aber durch eine Neuschöpfung wieder werden, wobei gewaltige Kräfte Gottes, nämlich das Blut Jesu Christi, des Sohnes Gottes, eingesetzt werden müssen, um den Zustand der Zerrüttung zu beheben – und alles „neu“ zu schaffen!

Dann wird wieder eine göttliche Ordnung in den Kräften des Menschen herrschen: das Licht wird wieder Macht über die Finsternis üben und diese im Zaum hatten, ja sie in den Dienst des Lichtes stellen, so dass sie unter der Herrschaft des Lichtes das Gute befördern muss, vielleicht sogar will! Herrscht wieder der Geist, das Licht im Menschen, dann ist er wieder auf dem Weg, in den Urzustand des göttlichen Ebenbildes zurückzukehren. Paulus wusste hiervon aus Erfahrung etwas zu melden: „Das Gesetz des Geistes hat mich frei gemacht von dem Gesetz der Sünde und des Todes.“ Dieser Weg ist also gangbar und erfolgreich.

In Adam wohnte die Fülle der Gottheit

Der unendliche reiche Gott hatte bei seiner ersten Offenbarung aus dem Ungrund in seinen einzigen Sohn alle seine göttliche Fülle gegeben. Diese Fülle im „Wort“ war unbegrenzt; vermochte doch dieses „Wort“ Himmel und Erde zu schaffen. In begrenzterem Ausmaß wohnte dieselbe göttliche Fülle später im Menschensohn. Doch war auch diese Fülle so groß, dass nicht nur die Apostel aus ihr nehmen konnten. Sie steht uns allen zur Verfügung und vermag uns alle zu erfüllen; denn Er ist „reich über alle, die Ihn anrufen“.

Noch begrenzter war die geschöpfliche Fülle, die der Schöpfer seinem herrlichsten Geschöpf, dem Menschen, einersenkte und als Ausstattung für seinen Auftrag mitgab. Und doch war diese Mitgift wieder unvergleichlich größer als die, welche der Schöpfer in die übrigen Geschöpfe legte. In diesen sollte nur ein geringer Teil seiner Herrlichkeit wohnen, sollten nur geringe Strahlen seines Lichtes sich abmalen. Und dennoch „rühmen die Himmel des Ewigen Ehre“. Und wie „herrlich“ finden wir nicht nur gewisse Partien der Erde, sondern auch einzelne Geschöpfe!

Adam war arm im Blick auf die viel größere Fülle seines Schöpfers; aber er war reich im Blick auf die Gesamtheit der Kreaturen, von denen keine mit ihrem inneren Reichtum an Adam hinreichte. Selbst die Engel nicht; denn sie sind nur aus einer, nicht aus drei Welten geschaffen, tragen also nicht den Reichtum des göttlichen Ebenbildes in sich.

Die geschöpfliche „Fülle“ Adams bestand darin, dass nicht nur einzelne Kräfte des Schöpfers in ihm wohnten, sondern der Schöpfer selbst. Nirgends im ganzen Universum war ein ihm ähnliches Geschöpf zu finden. Denn er glich seinem Urbild, der himmlischen Menschheit, nicht nur in Einzelheiten, sondern namentlich darin, dass er – wie jene – Tempelwohnung und Thron Gottes war. Aber immer in geschöpflicher Abstufung und Beschränkung! Und doch zeigt dies eine unvergleichliche Größe und Würde des menschlichen Wesens an. Man bedenke, wie wenig der gefallene Mensch sich dieser Würde bewusst ist, und wie leer und öd ihm sein ganzes Wesen und Leben erscheinen kann!

Aussichtsreich für uns ist die Tatsache, dass diese göttliche Fülle durch den Abfall von Gott nicht auf immer verloren ging. Immer noch wird sie dem suchenden und bittenden Menschen angeboten und zuteil, so dass einst ein so Erfüllter – ohne Überhebung – sagen konnte: „Ich bin ein mehrfacher Millionär geworden“ – nach dem inneren Reichtum des Geistes aus Gott! Es ist die wiedergeschenkte Gottnatur mit ihrer Fülle. –

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3. Der ebenbildliche Mensch als König des Universums