Der Mensch vor dem Fall – eine göttliche Geburtsquelle

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Abschrift des Heftes: Der erste Mensch und seine göttliche Würde
Julius Beck (1887-1962)

Aus der Reihe: Vätererbe Bd. I (1962)
Verlag Ernst Franz Metzingen, Württ.

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Inhaltsverzeichnis

Der erste Mensch und seine göttliche Würde

5. Der Mensch vor dem Fall – eine göttliche Geburtsquelle

Zur ursprünglichen Bestimmung des gottebenbildlichen Menschen gehörte auch irgendeine Form der Vermehrung der menschlichen Individuen. Um nicht zu irren, müssen wir immer auf die Funktionen des Urbildes schauen, nach welchem der Mensch geschaffen war. Der Mensch war als eine Geburts- und Offenbarungsquelle der Gottheit geschaffen – wie die himmlische Menschheit, Jesus Christus, der der eingeborene Sohn ist und durch den sich Gott in unendlicher Weite geoffenbart hat. Auch Er ist „Geburtsquelle“ und Ihm sollen „Kinder geboren werden wie der Tau aus der Morgenröte“. Irdische und himmlische Menschheit sind abgeleitete Geburtsquellen aus dem Ungrund der Gottheit, der ebenfalls „gebiert“. Aber wie? Als ein Einzelner, nicht als mehrere Personen. Bei dieser geistigen Geburt kommt es nicht auf eine Mehrheit von Personen, sondern auf eine Verschiedenheit und Mehrheit von Kräften an, die eine solche „Geburtsquelle“ ausmachen.

Im Vater als der ursprünglichen Geburtsquelle, der darum „Vater“ heißt, weil Er gebiert, liegen die Ursprungskräfte der männlichen Aktions- und der weiblichen Reaktionskraft, die durch die lusterweckende Kraft der Weisheit zur Selbstoffenbarung gelockt werden. Das Leben des Vaters aber ist eine ewige Geburt, eben die Ausgeburt des Sohnes. Dies geschieht sowohl im Lichtsraum der Ewigkeit, als auch in Menschenseelen, in denen der Vater den Sohn „offenbaren“, d. h. ausgebären will.

Es gehörte zur Herrlichkeit des ersten Menschen, dass er, nach Maßgabe des Schöpfers, ebenfalls als Einzelner sich offenbaren, d. h. vermehren sollte. Voraussetzung dafür ist, dass auch in ihm die „Fülle der Kräfte der Gottheit“, eben die männlichen Aktions- und die weiblichen Reaktionskräfte, wohnen. Das war aber der Fall bei dem ersten Menschen, der als „Männlein und Fräulein“ – in einer Person – geschaffen wurde. Ihm war auch die Weisheit als seine „Braut“ beigegeben, nicht als gesondertes Personwesen neben ihm, sondern als eine besondere Kraft in ihm, die zur Selbstoffenbarung der Geburtsquelle reizen sollte. Wie nötig dem Menschen diese Weisheit ist, ergibt sich daraus, dass Christus uns wieder gemacht ist zur Weisheit. Unter dieser Weisheit ist zunächst keineswegs nur etwas Intellektuelles verstanden, sondern etwas viel Höheres und Größeres, die Ergänzung des Menschen zum Vollwesen.

So ist der Mensch als geschöpflicher Inhaber der zu einer Geburtsquelle notwendigen Ursprungskräfte fähig zu „gebären“. Nicht in der heutigen, fast tierisch anmutenden Form, sondern in göttlicher Weise: aus sich selbst heraus! Wie herrlich müssten solche Geburten geworden sein, die doch alle Ebenbilder gewesen wären! War doch der Mensch noch nicht gefallen, sondern für sich selbst noch eine vollständige Geburtsquelle!

Es sei niemand verübelt, wenn ihm dieser Gedanke fremdartig und ungewöhnlich vorkommt. Wie leicht aber erklärt er jenen „Schlaf“ Adams, der – statt Gott! – eine Gehilfin, ein sinnliches Gegenüber, verlangt hatte, wenn ihm in Erfüllung dieses „Wunsches“ in seinem Schlaf die so viel beredete „Rippe“ – als das Weib, Fleisch von seinem Fleisch, entnommen und er dadurch in zwei „Tinkturen“, zwei Kräftequellen und in zwei Personen zerteilt wurde, was eine ungewöhnliche Schwächung seines ganzen Wesens bedeutete. Damit aber war auch seine Gottebenbildlichkeit – bis auf weiteres – dahin. Von nun an geschehen Geburten aus ihm in ganz anderer Weise, als dies von Gott vorgesehen war.

Es muss uns ganz bewusst sein, dass diese Art der Fortpflanzung des Menschen nur für das leiblich-seelische Gebiet zutrifft. Geistesmenschen zu gebären hat Gott sich selbst vorbehalten. „Von oben“, nicht aus der Kraft eines irdischen Menschen, kommen die Geistesmenschen, die neben den nur leiblich-seelisch existierenden Menschen als „Kinder Gottes“ und „Söhne Gottes“ täglich geboren werden und zu ihrer Vollendung ausreifen.

Die Geburt einer „neuen Menschheit

Die Geburt dieser „neuen Menschheit“ geschieht also „gottunmittelbar“. Darum sagt diese neue Menschenart zu Gott „Vater“. Bei ihnen ist Gott der „rechte Vater“, doch heißt auch der in den Geist erhöhte Gottmensch Jesus Christus „Vater der Ewigkeit“. Auch Er ist Geburtsquelle solch geistlicher Menschen, der neuen Menschen, die nach Gott geschaffen sind in rechtschaffener Gerechtigkeit und Heiligkeit. So erkennen wir die Tatsache, dass natürliche Menschen auf dem natürlichen Weg, Geistesmenschen auf geistlichem Weg geboren werden. Und zwar durch den Vater und den Sohn unmittelbar.

Diese Art der Fortpflanzung soll aber nicht auf Gott allein beschränkt bleiben. Vielmehr soll gerade auch in diesem Punkt die vormalige Herrlichkeit des Menschen wiederhergestellt werden. Aus dem Geist gezeugte und geborene Menschen durchlaufen in ihrem Dasein die Stufen des Kindes, des Jünglings, des Mannes (!) und schließlich des „Vaters in Christo“ (!). Paulus war ein solcher „Vater“ geworden, als er an die Galater schrieb: „Ich muss euch – geistlich – abermals mit Schmerzen gebären.“ Und Timotheus war sein geistlicher „Sohn“. Wieviel solcher geistlicher Söhne und Töchter sind inzwischen geboren worden nach Art des ersten, noch nicht gefallenen Menschen! Auch in diesem Punkt wird durch die Erlösung durch Jesus Christus der frühere, gottähnliche Stand wieder erreicht und dem geistlich reifen Menschen das geistliche Generationsvermögen wieder anvertraut.

Wir freuen uns über solche „Väter“ und „Mütter“ in Christo, die durch die Wiedergeburt der göttlichen Natur neuerdings teilhaftig geworden sind als „Kinder der oberen Mutter“, des „Jerusalems, das droben ist“.

Gottes Gedanken kommen alle zu ihrer Verwirklichung, auch wenn in ihrem Ablauf zeitweilig eine Verzögerung eingetreten ist. „Sein Werk kann niemand hindern!“

Der Mensch und die Natur

Die Natur war vor dem Menschen da. Dies beweist aber nicht, dass der Mensch aus ihr herausgewachsen ist und sich zum Herrscher über sie gesetzt hat. Nachdem Natur und Kreatur geschaffen waren, schuf Gott für sie einen König, der sie beherrschen sollte. Einst hatte er in Lucifer einen solchen Herrscher über sie gesetzt; dieser hatte versagt. Anstelle Lucifers schuf Er nun Adam und setzte ihn über die Natur. „Du aber herrsche über sie!“ Die Stellung des heutigen Menschen zur Natur ist völlig verschoben. Der Mensch ist abhängig von der Natur und muss sie ausbeuten, um existieren zu können. Das zeigt, dass er auch seine Herrschaft über die Natur weithin verloren hat – und die Natur vergewaltigt, statt beherrscht.

Als „Bürger zweier Welten“, der unsichtbaren Gotteswelt und der sichtbaren äußeren Welt, sollte und konnte Adam der irdischen Natur Leben und Kräfte der paradiesischen Natur vermitteln. Er war also nicht „Gleicher unter Gleichen“; sondern war zum Vermittler zwischen Schöpfer und Kreatur gesetzt.

Natur und Kreatur hatten nicht das Leben in sich selber; auch Adam nicht. Aber darin war er weit über die Natur hinausgehoben, dass er als Ebenbild Gottes eine Geburts- und Offenbarungsquelle für die Kräfte Gottes war. Sein Leben vollzog sich darin, dass Licht und Leben von oben in ihm ausgeboren wurden. Diese Gabe war keinem Tier gegeben. Da die Natur in und aus dem Leben des Wortes existierte, das Adam aus sich gebären konnte, so vermochte er tatsächlich die unter ihm stehenden Geschöpfe mit solchem – höherem – Leben zu versorgen. Das war die ihm vom Schöpfer übertragene Aufgabe. Damit aber „herrschte“ er über seine Untertanen. Dieses Herrschen war nicht etwa ein Ausüben von Gewalt; sondern so, wie Gott jetzt über den Menschen herrscht, den Er durch die Kraft seines Geistes nicht nur belebt, sondern auch bewirkt. Man kann dies eine magische Einwirkung nennen. Jedenfalls besaß der gottähnliche Mensch diese Fähigkeit. Sein Regieren war nicht ein Befehlen oder ein Gewaltüben, sondern ein Ausfließen und Beschenken der Untergebenen mit höheren Kräften. Adam lebte nicht von seinen Untertanen, sondern die Untertanen lebten von ihm. Die Sonne, die der Erde Licht und Leben vermittelt, war sein Gleichnis. Wie so ganz anders aber ist heute die Stellung des Menschen zur Natur!

Jesus, der zweite Adam

Jesus, der „zweite Adam“, nahm wieder die ursprüngliche Stellung zur Natur ein. Er herrschte über deren Gesetze. Indem Er das gewöhnliche Wasser mit paradiesischen Kräften erfüllte, wurde daraus edler Wein. Und wie hat Er sich oft und viel als den wahren Herrn der irdischen und menschlichen Natur gezeigt, indem Er dem Sturm gebot und die Wellen zur Ordnung rief; aber auch Kranke heilte und sogar Tote erweckte! Der erste Adam war durchaus darin sein „Vorbild“, d. h. er führte vor Jesus dieselben Funktionen der Natur gegenüber aus.

Wie arm ist dieser entthronte Herrscher heute! Er ist den Unbilden der Natur ausgesetzt, dem Einfluss der Elemente unterworfen und wird in seinem Dasein bedroht von Wesen, die er eigentlich regieren und denen er gebieten sollte. Denn nur so lange, als der Mensch Adam mit seinem Schöpfer in einem echten Lebensverhältnis stand – und Kräfte aus Ihm nahm, die er nach unten weitergeben sollte, konnte seine Herrschaft bestehen. In seiner Abhängigkeit vom Schöpfer war seine Herrschaft über die ihm untergeordneten Geschöpfe begründet. Nur so lange war er „Segensvermittler“. Genauso wie sein „Vorgänger“ Lucifer, der dem Menschen begreiflicherweise neidisch und feindselig gesinnt war als seinem Konkurrenten und Stelleninhaber.

Jedenfalls aber stand der gottgeschaffene und gottähnliche Mensch in einer Funktion, die seiner großen Anlage als Ebenbild Gottes entsprach. Er konnte herrschen über die Natur und war nicht nur ein Teil von ihr.

Adam als Priester der Natur

Nicht nur zum König, sondern auch zum Priester der Natur und Kreatur war Adam von Gott gesetzt.

Adam war nicht nur gewöhnliches Geschöpf; seine Körperlichkeit stammte aus der äußeren Welt, war aber von den Kräften der Paradieswelt durchdrungen und verklärt. Insofern stand er weit über den Tieren und allen übrigen Geschöpfen. Und das musste sein, wenn er diese regieren, aber auch Priester über sie sein sollte.

Priester sein heißt, die Natur erhöhen, sie auf die Stufe der eigenen Existenz emporheben; so wie Gott, der der Heilige ist, die gesamte Menschheit und Schöpfung in seine Heiligkeit hineinziehen will. Die Lebensstufe Adams aber war Unsterblichkeit und Herrlichkeit, wie sie der Schöpfer ihm verliehen hatte. Durch ihn sollten nun die mit einem untergeordneten Leben ausgestatteten Geschöpfe – als durch ihren Priester – auch in die Unverweslichkeit und eine ihnen zukommende Herrlichkeit hineingezogen werden.

Durch den Einfluss seiner Persönlichkeit sollte Adam den Geschöpfen um ihn und unter ihm höheres Leben vermitteln, so wie dies Jesus mit denen tut, die an Ihn glauben. Durch das Wirken Adams auf die Natur und Kreatur wäre diese vor dem jetzigen Jammer bewahrt worden und müsste jetzt nicht sich ängstigen und seufzen – und warten auf die Offenbarung der Kinder Gottes, die dann wieder in der Lage sind, der Kreatur das Ihre zu geben. Vorläufig ist sie in die Vergänglichkeit und Eitelkeit gefallen – durch Schuld des Menschen. Dieser ist unter den jetzigen Umständen weder ihr König noch ihr Priester, sondern quält und tötet sie.

Der Mensch als Tempel Gottes

Der Mensch war eine Tempelwohnung Gottes, Natur und Kreatur nicht; sie war viel einfacher organisiert und gehörte nur der äußeren Welt an. Adam dagegen war Zweiweltler und war darum imstande, Kräfte der höheren Welt, des Paradieses, an die einfacheren Geschöpfe zu vermitteln. Wohl hatte Adam das Leben auch nicht in sich selber; aber das Wort war in ihm nicht nur als Leben, sondern auch als Licht offenbar. Bei den Tieren war so etwas nie der Fall. Gerade darum aber konnte der Mensch ihnen als Priester dienen – und er wird dies einst wieder tun in seiner erneuerten Herrlichkeit. Sind doch die Erstlinge zu Königen und Priestern, auch der Natur und Kreatur gegenüber, berufen!

Wie armselig, ja geradezu jämmerlich ist das heutige Verhältnis des Menschen etwa dem Tier gegenüber! Er nimmt ihm – sogar das Leben, anstatt ihm zu geben. Hier wäre Geben königlicher als Nehmen. Dass die Tierwelt – auch heute – vom Menschen beeinflusst werden kann, braucht nicht bewiesen zu werden. Sie ist dankbar für jede rücksichtsvolle Behandlung – und seufzt und stöhnt, wenn sie gequält wird. Wie traurig und klagend blickt das Auge eines misshandelten Tieres! Seine Klage wird zur Anklage gegen den Menschen, der es missbraucht und misshandelt. Der Einfluss des Menschen auf das Tier hängt damit zusammen, dass das Tier auch eine Seele besitzt – ähnlich wie der Mensch, und dass der Körper des Menschen dem des Tieres verwandt ist. Doch liegt das Wesen des Menschen durchaus nicht im Körperlichen; ihn charakterisiert der Geist. Betont und überbetont der Mensch seine Körperlichkeit, so nähert er sich allerdings dem Tier, ohne diesem damit zu dienen. Die vom Schöpfer dem Menschen angewiesene Stellung ist die eines Mittlers zwischen Schöpfer und der unter dem Menschen stehenden Kreatur. Der Mensch sollte die Sonne sein, durch welche der Natur Leben einer höheren Welt zugeströmt und zugestrahlt worden wäre. In dieser Funktion hätte er nicht nur nach unten gedient, sondern hätte sein eigenes Leben dadurch erhöht und vervollkommnet. So wäre der Mensch im wirklichen Sinn die „Krone der Schöpfung“ gewesen.

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6. Die Gerechtigkeit des ebenbildlichen Menschen