Zum Grabe bereitet

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Abschrift des Buches: Der da war, und der da ist und der da kommt!
Pfarrer Theodor Böhmerle (1870 - 1927)

Aus dem Gemeinschaftsblatt für innere Mission Augsb. Bek.: "Reich-Gottes-Bote“ (1918-26)
Selbstverlag des Bibelheims „Bethanien", Langensteinbach

weitere Abschriften hier:

Inhaltsverzeichnis:
Kapitel davor:
17. Der göttliche Zweck des Hingangs Jesu Joh 16:5-15 (1922)

18. Zum Grabe bereitet

  • Mt 26:6-13 (ELB) (6) Als aber Jesus in Betanien war, im Hause Simons, des Aussätzigen, (7) kam eine Frau zu ihm, die ein Alabasterfläschchen mit sehr kostbarem Salböl hatte, und goß es aus auf [sein] Haupt, als er zu Tisch lag. (8) Als aber die Jünger es sahen, wurden sie unwillig und sprachen: Wozu diese Verschwendung? (9) Denn dies hätte teuer verkauft und [der Erlös] den Armen gegeben werden können. (10) Als aber Jesus es erkannte, sprach er zu ihnen: Was macht ihr der Frau Mühe? Sie hat doch ein gutes Werk an mir getan;(11) denn die Armen habt ihr allezeit bei euch, mich aber habt ihr nicht allezeit. (12) Denn als sie dieses Salböl über meinen Leib goß, tat sie es zu meinem Begräbnis. (13) Wahrlich, ich sage euch: Wo dieses Evangelium gepredigt werden wird in der ganzen Welt, wird auch von dem geredet werden, was sie getan hat, zu ihrem Gedächtnis.

Durch den Heiligen Geist

So legt der Heiland die Tat der Maria aus: „Dass sie dies Wasser hat auf Meinen Leib gegossen, hat sie getan, dass sie Mich zum Grabe bereite.“ Legt da der Heiland etwas in die Handlung der Maria hinein, wessen sie sich selbst nicht klar bewusst war, oder hat sie gewusst, was sie tat? Wir müssen wohl nach der ganzen Lage annehmen, dass Maria mit vollem Bewusstsein gehandelt hat, und dass der Heiland, der sie voll und ganz verstand, den nicht verstehenden Jüngern „ihren Wandel ohne Worte“ zum Verständnis brachte. Maria war die erste und einzige unter der Jüngerschar, welche einen Blick ins Kreuzesgeheimnis Christi hatte. Sie sah Seine Herrlichkeit in Seinem Sterben am gewaltigsten ausstrahlen; darum verwandte sie auf Seinen Leib, den sie im Geiste ersterben sah, das Beste, was sie hatte. Es erging ihr wie Zinzendorf: „So wie Er am verhöhntesten, so ist Er mir am Schönsten.“ Im Glauben sah sie die Vollendung des Werkes des Heilandes am Kreuze und durchs Kreuz.

Wie war aber solches möglich? Wie konnte s i e sehen, was alle andern nicht sahen? Das war vor allem des Heiligen Geistes Offenbarung. Wiewohl der Geist noch nicht ausgegossen war, hatte Er doch in einzelnen Seelen schon Sein vorlaufendes Geschäft. Wir wissen, wie Er schon im Alten Bunde wirkte in der Stufe jener Offenbarungshaushaltung; so wirkte Er auch nach dem Maß der Gabe in den Gläubigen um Jesum. Vom Vater im Himmel hatte Petrus, nicht anders als durch den Geist, die Klarheit, dass Jesus der Sohn des lebendigen Gottes sei. Durch den Geist sah Johannes im schlichten Rabbi von Nazareth die Herrlichkeit des eingeborenen Sohnes voller Gnade und Wahrheit. Durch den Geist sah der Schächer im mitgekreuzigten Jesus den König des Messiasreiches; durch denselbigen Geist sah der heidnische Hauptmann unterm Kreuz, dass dieser ein frommer Mensch und Gottes Sohn gewesen.

Durch den Heiligen Geist, der in ihr durch ihr kindlich gläubiges Aufnehmen der Worte Jesu reichlich war, hat auch Maria solches geschaut, was wir in unserer Geschichte sehen. Auch in sie kam der Geist, wie in uns alle durchs Wort, und weil sie zum Worte des Herrn jenes einfältige Zu-Füßen-Sitzen hatte, darum konnte der Geist so Großes in ihr wirken. Je einfältig-gläubiger du zum Wort stehst und unterm Worte sitzt und das Wort annimmst, umso größere Klarheiten schafft der Heilige Geist dir. In dieser Hinsicht war Maria ein auserwähltes Gefäß. Es kam aber noch manches hinzu, was sie befähigte, gerade den Tod des Herrn zu verstehen, und was sie trieb, das was sie hatte, auch zu bekennen. Zweifelsohne kannte sie alle Worte des Herrn von Seinem Leiden und Sterben, und hatte auch gehört, dass solches nach der Schrift geschehen müsse. Während nun die Jünger, ein Judas voran, aber auch ein Petrus und alle andern, sich innerlich gegen diese Leidenserkenntnis sträubten, und dem Worte des Herrn ihre eigenen Messias-Reichs-Gedanken hartnäckig gegenüberstellten, nahm Maria diese Worte tief ins betende Herz.

Marias Erkenntnis

Und während jene - die Jünger - sich also das Verständnis selbst verschlossen, ward es in Marias annehmender Seele aufgeschlossen. In diesem inneren Aufschluss sah sie dann auch immer mehr die schon gegenwärtige Leidensgestalt des Herrn. Sie sah, wie Er schwer und schwerer trug und litt. Da enthüllte sich ihr manches Wort und manche Tat des Heilandes in neuem Lichte. Sie fing an, von des Täufers ersten Worte an: „Siehe, das ist Gottes Lamm, welches der Welt Sünde trägt,“ durch alle Reden Jesu hindurch, den Kreuzesfaden zu sehen. Auch das Gesetz mit seinen Opfern ward ihr heller. Immer klarer sah sie den leidenden Messias. Ihre vertiefte Sündenerkenntnis im Umgang mit dem Herrn machte es ihr nur zu klar, wie auch sie Erlösung und Versöhnung brauchte, eine Stellvertretung für ihr Gericht. Anbetende Liebe quoll ihr auf den, der solches zu schaffen im Begriff stand. - Erhellt wurde ihr alles durch ein Weiteres. Der Herr hatte nie Sein Leiden verkündigt ohne Seine Auferstehung dazu zu offenbaren. Und nun hatte in ihrem Hause der Heiland die große Tat getan und nach drei Tagen ihren Bruder Lazarus auferweckt. Schwere äußere und innere Leiden, gerade auch Glaubensleiden - weil Jesus nicht gekommen war zu helfen - waren vorausgegangen, und dann die Auferstehung des Bruder. Da war das Licht in ihrer Seele vollends aufgegangen. Sie sah im Bruder und im eigenen Erleben das schwache Widerspiel des Heilandsweges. Schon lange hatte sie’s tastend geahnt; nun war es ihr klare Gewissheit: Er musste sterben um der Sünde willen aller Menschen, auch der ihrigen; dann aber auferweckt werden zum wahrhaftigen, lebendigen Messias, Heils- und Herrlichkeitsbringer.

Da tat es ihr nun je länger, je mehr bitterlich weh, das auch die nächsten Jünger so blind, so ganz blind über das Allerheiligste des Messias waren. Immer schwerer wurde es ihr, wenn sie die Stumpfheit auch der Gläubigen für diesen Weg erkannte. Sie sah auch wohl, wie der Meister litt unter dieser Trägheit des Geistes der Jünger. Sie hätte es gerne hinausgeschrieen und bekannt: ich weiß es, warum Du sterben musst. Aber es war zu heilig, es war zu groß, es geradezu hinaus-, und an die Schar der Unverständigen preiszugeben. Und doch trieb sie's je länger, je mehr. Sie bemerkte deutlich, wie im Jüngerkreis unter Führung des einflussreichen Judas Ischarioth sich gerade eine Missstimmung gegen Jesus oder doch eine heimliche Gedrücktheit ausbreitete. Sie konnte fast nicht mehr schweigen. Aber sie war ein Weib, ein echtes, ganzes Weib. Sie war noch nicht durchfressen von dem Zeitgeist, der heute selbst fromme Weiber anfrisst, dass sie in der Versammlung auch vor Männern reden und Gottes klare Ordnungen fast noch im Namen des Heiligen Geistes übertreten.

Das Zeugnis Marias

Jene Männer waren auch noch nicht so weibisch, wie heutzutage viele, nicht zuletzt auch fromme Männer, die sich wie Schäflein zu der Weiber Füßen setzen. Nein, Maria hatte jene innere Frauen-Keuschheit, welche ihr verbot, so herauszutreten; sie hatte auch den züchtigenden und zur Ordnung weisenden Geist also in der Wahrheit, dass sie in dieser Männerschar nicht redend und predigend auftreten konnte. Aber ihr Herz war übervoll. Sie hatte die innere Klarheit: e i n e Seele wenigstens musste dem schwer leidenden Meister es sagen und zeigen, dass sie Sein Leiden und Sterben begriff; e i n e Seele musste der dumpfen Jüngerschar es doch bezeugen, welches der Weg des wahrhaftigen Retterheilandes sein musste. Wie sollte sie es nur anfangen? Sie rang mit sich und Gott. Und siehe, da wurde ihr ein Weg gezeigt, auf welchem sie den weiblichen Gehorsam ganz wahren und doch machtvoll zeugen konnte. Sie hatte eine Flasche köstlichen Nardenwassers, das wollte sie über Sein Haupt gießen und Ihm damit sagen: ich glaube, dass Du der Messias-König und Hohepriester bist, auch wenn Du leiden und sterben gehst. Ja, ich glaube, dass Du sterben m u s s t (darum salbe ich Dich zuvor), damit Du König, Priester und Herr des Messiaskönigreiches werden kannst. Welch eine Erquickung für Jesus, der die große Leidenswoche zu gehen Sich anschickte! Aber im Jüngerkreis brach ein Sturm los, von Judas entfacht.

Die Antwort Jesu

Da erhob Sich der Herr mit dem nardenfeuchten Haupt vom Polster, auf dem Er am Tische lag, und trat mit wuchtiger Rede für Seine Jüngerin ein. „Was bekümmert ihr das Weib? Sie hat ein gutes Werk an Mir getan! Arme habt ihr allezeit bei euch, Mich aber habt ihr nicht allezeit. Was sie getan hat, das hat sie darum getan, dass sie Mich zu Meinem Tode bereite.“ Und dann nennt Er der erschrockenen und das Große nicht fassenden Jüngerschar Seinen Tod, d a s E v a n g e l i u m, die Freudenbotschaft, welche einst der ganzen Welt verkündigt werde, und sagt Maria, dass ihre Glaubenstat mit dem Evangelium Seines Todes für alle Zeiten verknüpft sein werde.

Wir aber stellen uns auch zu Maria und handeln damit nach dem Wort des Herrn. Was hat auch unsere Seelen gewonnen? Was hat sie erschlossen, dass sie eröffnet wie ein zerschlagen Nardenglas vor Jesu liegen? Was hat uns bewogen, unser Bestes, Leib und Leben, Hab und Gut auf Jesum auszugießen? Nichts als Sein Sterben für uns! Dass Er unsere Sünde getragen, meinen Fluch erlitten, meinen Tod, mein Gericht durchbrochen durch Sein unschuldiges in Tod- und Gerichts-Gehen - das ist’s - das ganz allen. Das Haupt voll Blut und Wunden, das hat die Antwort des Glaubens in uns ausgelöst: ich bin Dein, sprich Du darauf Dein Amen.

Zwar heute noch ist diese Kreuz-Glaubens-Gemeine die angefahrene und verspottete Maria. Auf Kanzeln und Kathedern, in Schulen und Kirchen, bei Geistlichen und Laien - die alle den Namen Christi tragen - ist vielfach Sein heiliges Opferleiden ein unverstandenes und verachtetes Ding. Immer kommt Seine Kreuz-Gemeine mit Ihm ins Kreuz, wie Maria, die erste Kreuz-Gläubige in der neutestamentlichen Gläubigenschar. Aber auch immer tritt der Herr für diese Kreuzes-Bekenner ein. Wie ist Er nur für Luther, den großen Mann des Kreuzes, eingetreten! Die Pforten der Hölle können diese Kreuz-Gemeine nicht überwältigen. Und für eine Welt der Sünde und der S c h u l d, des Todes und des Gerichte und der Gottgeschiedenheit ist es das einzige Evangelium, die einzige Frohbotschaft: die Sünden sind vergeben, die Schulden sind getilgt, der Tod zerbrochen, das Gericht aufgehoben, der Weg zur Sohnschaft bereitet: alles im Blute des gekreuzigten, gestorbenen, begrabenen und erstandenen Gottesohnes. Auf, lasst uns als zerbrochene Nardengefäße vor dem zerbrochenen Heiland ausgießen unseren Willen und unser Leben, unser ganzes Sein für Ihn, der das Seine für uns ausgegossen hat!

Das Lamm, das erwürget ist, ist würdig, zu nehmen Kraft und Reichtum und Weisheit und Stärke und Ehre und Preis und Lob (Offb 5:12).

Lies weiter:
19. Gethsemane Mt 26:36-46 (1926)