Im Garten Gethsemane

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Abschrift des Buches: Der da war, und der da ist und der da kommt!
Pfarrer Theodor Böhmerle (1870 - 1927)

Aus dem Gemeinschaftsblatt für innere Mission Augsb. Bek.: "Reich-Gottes-Bote“ (1918-26)
Selbstverlag des Bibelheims „Bethanien", Langensteinbach

weitere Abschriften hier:

Inhaltsverzeichnis:
Kapitel davor:
18. Zum Grabe bereitet Mt 26:6-13 (1918)

19. Im Garten Gethsemane

  • Mt 26:36-46 (ELB) (36) Dann kommt Jesus mit ihnen an ein Gut, genannt Gethsemane, und er spricht zu den Jüngern: Setzt euch hier, bis ich hingegangen bin und dort gebetet habe! (37) Und er nahm den Petrus und die zwei Söhne des Zebedäus mit und fing an, betrübt und geängstigt zu werden. (38) Dann spricht er zu ihnen: Meine Seele ist sehr betrübt, bis zum Tod. Bleibt hier und wacht mit mir! (39) Und er ging ein wenig weiter und fiel auf sein Angesicht und betete und sprach: Mein Vater, wenn es möglich ist, so gehe dieser Kelch an mir vorüber! Doch nicht wie ich will, sondern wie du willst. (40) Und er kommt zu den Jüngern und findet sie schlafend; und er spricht zu Petrus: Also nicht eine Stunde konntet ihr mit mir wachen ? (41) Wacht und betet, damit ihr nicht in Versuchung kommt! Der Geist zwar ist willig, das Fleisch aber schwach. (42) Wiederum, zum zweiten Mal, ging er hin und betete und sprach: Mein Vater, wenn dieser Kelch nicht vorübergehen kann, ohne daß ich ihn trinke, so geschehe dein Wille! (43) Und als er kam, fand er sie wieder schlafend, denn ihre Augen waren beschwert. (44) Und er ließ sie, ging wieder hin, betete zum dritten Mal und sprach wieder dasselbe Wort. (45) Dann kommt er zu den Jüngern und spricht zu ihnen: So schlaft denn fort und ruht aus! Siehe, die Stunde ist nahe gekommen, und der Sohn des Menschen wird in Sünderhände überliefert. (46) Steht auf, laßt uns gehen! Siehe, nahe ist gekommen, der mich überliefert.

Offenbarung der Finsternis

Wir wollen heute nach Gethsemane gehen. In Gethsemane kann man nie zu viel verweilen. Das werden die gewaltigsten Kräfte der Finsternis und des Lichtes offenbar. Da sehen wir sie miteinander ringen, da lernen wir was Geisteskämpfe sind, und wie sie überwindend durchgekämpft werden. Das sehen wir die ungeahnte Macht Satans, aber auch den unbedingten Sieg in Christo. Da tun wir vor allem einen ergreifenden Blick in die irdische Lebensaufgabe des Sohnes Gottes und in ihre Durchführung hinein.

Jeder erfasst und erlebt Gethsemane in seiner Art, wie wir ja auch das ganze Heil, ein jeglicher in seiner Art, erleben, wiewohl es e i n Geist ist, der alles erklärt und verklärt.

In Gethsemane haben wir zunächst eine Stunde der Offenbarung der Finsternis. Als Judas aus dem Abendmahls-Saal hinausging, da heißt es: der Satan fuhr in ihn, und es ward Nacht. Der Heiland selbst nennt Gethsemane eine Stunde der Finsternis. Satans Reich hat genau so seine Offenbarungszeiten, wie das Reich des Lichtes. Satan muss immer mehr zur Offenbarung und zum Auswuchs getrieben werden; nur so kann er überwunden werden. Die Menschwerdung des Sohnes Gottes und gar erst die Hingabe des Sohnes Gottes, um zu sterben für die Sünden der Welt, trieb Satan machtvoll heraus.

Die Schrift sagt überall, dass in Gethsemane der Tod den Heiland angefallen habe. Deswegen sagt der Heiland gleich am Anfang: „Meine Seele ist betrübt bis an den Tod.“ Und Lukas sagt, nach der Übersetzung Luthers: „Und es kam, dass Er mit dem Tode rang und betete heftiger“. Diese Stelle heißt wörtlich: „Und da Er in der A g o g n i e war“. Die Agonie ist der eigentliche, letzte Todeskampf. Die Agonie ist bei jedem Sterbenden die Stunde, in welcher alle Todesanzeichen eintreten. In dieser Agonie hat der Heiland Blut geschwitzt. Der innere Tod: Er fing an, zu zittern und zu zagen, und der äußere Tod: Sein Schweiß fiel wie Blutstropfen zur Erde - alles durchbebte Ihn. Und wo der Tod in solcher Furchtbarkeit auftritt, da ist Satan. Im Tode liegt die Gewalt Satans. Ins Todeswesen hat er den Menschen und die ganze Kreatur verstrickt. Diese Macht musste ihm genommen werden. Weil aber der Tod der Sünde Sold ist, konnte nur ein Sündloser ihm diese Macht entreißen. Das war der Sohn Gottes. Um aber dem Tode die Macht nehmen zu können, musste der Herr diese Macht erfahren in ihrer ganzen Größe und Entsetzlichkeit. Das geschah in Gethsemane.

Satan hatte offenbar den Plan, den Herrn schon in Gethsemane in den Tod hineinzureißen. Hier in dieser weltverlorenen Ecke, da wollte er Ihn, wie wir so sagen, abtun. Es war nicht Satans Wille, dass der Sohn Gottes in aller Öffentlichkeit sterben sollte, gewissermaßen vor Kaiser und Reich. Nicht an einem Kreuze und in Offenbarung Seiner Sohnesherrlichkeit im Leiden und Sterben - so wollte er es nicht. Kein erhöhtes Kreuz, der Erde und den Himmeln ein Zeichen. Hier im Verborgenen und in der Nacht Ihn zerdrücken, das wäre seine Lust gewesen. Hier hatte er Ihn nun in der Hand. Der Herr wollte ja sterben: nun solle Er auch sterben. All seine Macht und Wut offenbarte der Satan. Da heulte die Hölle vor Zorn und Wut; da jauchzten die satangebundenen Engelgeister in Erwartung des Sieges über den Gottessohn. Gethsemane war gefüllt von Dämonen, an ihrer Spitze ihr Herr, Satan. Und was sie atmeten, das war Tod; und was sie wollten, das war Tod. Den Heiligen Gottes nach Geist, Seele und Leib lostrennen vom Vater und von der Heimat im Licht - und Ihn versetzen in die äußerste Finsternis-Pein. So fiel der Tod den Sohn an!

Der Sohn Im Todesbereich

Und dies persönliche Hineinkommen in den Todesbereich war für den Sohn etwas ganz überaus Entsetzliches. Mit dem Tode war Er so noch nie in persönliche Berührung geraten. Wohl hatte Er Sich schon in den Ewigkeiten zum Tode entschlossen. „Ja, Vater“, hatte Er zum Kreuzesplan gesagt. Aber da war Er noch in den Herrlichkeiten, wo Freude die Fülle vor Ihm war. Wohl hatte Er in schwerer Weise des Todes Macht erlebt. Er sah Adam hineinfallen. Ihm wurde Sein Abel erschlagen. Die meisten Seiner Heiligen erlagen gewaltsamem Tod. Und die ganze Erde war ein Todestal. Aber an Ihn selbst persönlich war der Tod in alle dem noch nicht herangetreten. In Seiner Menschheitszeit hatte Er den Tod schon schmerzlicher erlebt. Den inneren und äußeren an Johannes dem Täufer, in dessen Versuchung und Enthauptung. Am nächsten ging es Ihm, als Lazarus starb. Da ergrimmte Er, und es gingen Ihm die Augen über. Aber immer hatte Er den Tod noch nicht persönlich an Sich selbst erfahren. Im Gegenteil, Er hatte in der Kraft des Heiligen Geistes alle und jede Sünde überwunden und in Seinem Fleisch hatte Er die Sünde unwirksam gemacht. Sein Leib war verklärungsreif. Hier hatte der Tod keine Macht.

Aber gerade in dieser Sündlosigkeit wollte Er Sich nun hingeben. In wunderbarer Weise hatte Er mit den Jüngern noch darüber geredet in den Abschiedsreden. In wahrhaft göttlicher Weise hatte Er noch gebetet im hohenpriesterlichen Gebet, und nun schritt Er hin, in den Tod frei hinein zu gehen. Da kam der Tod und warf sich auf Ihn. Das war Ihm etwas ganz Fremdes; hier musste Er Gehorsam lernen. Wir Menschen haben gar keine Ahnung, was das war, als der Tod sich auf Jesus warf. Wir Menschenkinder sind den Tod, wenn man so sagen darf, gewöhnt. Wir tragen ihn von Geburt an schon an uns. Wir sind fast verhärtet ihm gegenüber. Erst der gerettete und geheiligte Mensch kriegt mehr und mehr einen Begriff vom Tode. Der natürliche Mensch ist so blind über die Furchtbarkeit des Todes, dass er oft leichtsinnig ist ihm gegenüber; ja dass er ihn oft und viel herbeiwünscht, ja ihn sich selber antut. Ein geistlicher Mensch kann solches nicht. Er hat einen gewissen Begriff von der Furchtbarkeit des Todeswesens. Für den Sündlosen war der Tod ganz entsetzlich.

H i e r stieß der T o d auf das L e b e n. Ihn machte der Tod innerlichst erbeben; Er fing an, zu zittern und zu zagen. Dabei müssen wir ermessen, dass Ihn der Tod in konzentrierter Weise traf. M i c h trifft mein T e i l T o d. Je gereifter in Christo ich bin, umso mehr Todeswesen erfahre ich. Den Herrn des Lebens, welcher auch im Fleische H e r r des L e b e n s blieb, traf d e r T o d. Gleichwie man in einem Brennglas die Strahlen der Sonne zusammenfassen, und sie auf e i n e n Punkt mit zusammengefasster Hitze wirken lassen kann, so wirkten alle Todeskräfte einheitlich auf den Herrn ein. Hier liegt für uns etwas Unbegreifliches. Aber ahnen können wir es, und je geistlicher in Christo Jesu wir sind, umso mehr wächst unser Verständnis hierfür. Die Worte der Schrift und des Heilands eigene Worte geben uns noch einen Einblick: „Er fing an, zu zittern und zu zagen“, „überbetrübt ist Meine Seele bis in den Tod“; „Könnt ihr nicht eine Stunde mit Mir wachen?“ „Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach“; „Vater, ist’s nicht möglich?“ Wenn wir in all das uns hineinversenken, packt uns heute noch ein Entsetzen. Welche Schreie mögen die Nacht durchgellt haben aus dem todeswunden Herzen des am Boden Liegenden!

Wo Er hinsah - Tod

Und wo Er hinsah, da war Tod. Er wusste gewiss, dass Judas Ihn verraten hatte, und dass er mit der Schar auf dem Wege war. Er kannte den Sinn der Hohenpriester, Pharisäer und Schriftgelehrten. Tod - war ihr Denken. Er kannte Herodes; Er kannte Pilatus und Rom - Tod war gegen das Unbequeme ihr Mittel. Er kannte den Wankelsinn des Volkes. Er hörte schon das „Kreuzige Ihn!“ Und Seine Jünger! Wie arm waren die - die waren auch tot, weil der Meister immer vom Tode sprach. Acht derselben musste Er zurücklassen. Da fehlte jedes Verständnis. Die drei - Petrus, Jakobus und Johannes - nahm Er mit. Sie hatten ja das Innerste mit Ihm erlebt, erst jüngst den Verklärungsberg. Vielleicht hatten sie ein klein wenig Verstand. Aber Satan warf tiefen, todesähnlichen Schlaf auf sie. Überall sollte der Sohn Gottes auf Tod stoßen. Der Schlaf der drei Jünger war gewiss kein natürlicher. Wenn der Heiland so bittet, sie möchten doch wachen, so hätten sie das sicher getan, auch nach aufregenden Tagen und nach einer durchwachten Nacht.

Aber Satan legte des Todes Bruder auf sie. Das war ein Schlaf wie Adams Schlaf, als das Weib aus ihm genommen wurde. Das war ein Schlaf wie Abrahams Schlaf, als er die 400 Jahre in Ägypten schlafend durchlitt; das war ein Schlaf, wie Jonas Schlaf, ein Todesschlaf. Aufschrie der Herr als Er sie schlafend fand. „Könnt ihr nicht eine Stunde mit Mir wachen?!“ Und von den Toten ging Er erneut in den Todeskampf. Allein - diesmal wirklich und wahrhaftig ganz allein - das ist der Tod. Im eigentlichen Totenreich des andern Todes, und den erlitt hier der Herr, ist keine Gemeinschaft - weder mit Gott noch mit Menschen - da ist alles widereinander.

Die Versuchung des Herrn

In dieser Todestiefe packte den Herrn die Versuchung. Das gehört auch zum Tode. In dieser Todestiefe suchte Er einen anderen Weg, die Erlösung durchzuführen. Willig war Er ja und blieb Er ja. Des Vaters Versöhnungs- und Erlösungs-Plan wollte Er ausführen. Der Geist war willig. „Nicht, wie Ich will, sondern wie Du willst“, das war und blieb Sein Schibboleth. Aber gab es denn wirklich keinen andern Weg und keine andere Möglichkeit? Musste es da hindurchgehen durch dieses unsagbar furchtbare Todestal? Da hieß es: „Daher ich dreimal den Herrn anrief. Er aber sprach zu mir: Lass dir an Meiner Gnade genügen!“ Zuerst sah die geängstigte Seele nach einer Möglichkeit, anders zu gehen: „Ist’s möglich, dass der Kelch vorübergehe?“ Dann trat die Unmöglichkeit hervor, und zweimal ertönt der Schrei: „Ist’s nicht möglich -- Ich trinke ihn denn, so geschehe Dein Wille.“ Es war ja kein anderer Weg möglich. Wer Sünder retten will, muss in die Gemeinschaft der Sünder hinein - muss Sünden-Fleisch annehmen; wer Todverfallene retten will, muss in den Tod hinein. Und gerade in diesem Hineingehen in die Gottferne und in den Gottfluch wollte Gott Seine Liebe erzeigen den Fernen und Verfluchten. Liebe: wahre, volle, ganze göttliche Liebe sollte geoffenbart werden in der völligen Selbstaufgabe und Selbsthingabe.

Das doppelte Opfer

Und siehe, der Sohn tat’s, und der Engel Gottes stärkte Ihn. Der Sohn legte Seinen Willen ganz hin im Selbstopfer. „Nicht, wie Ich will, sondern wie Du willst.“ Und das ist der eigentliche tiefste Sinn von Gethsemane. Am großen Versöhnungstag musste der Hohepriester immer zweimal opfern, z u e r s t für s i c h selbst, d a n n für das V o l k. Das ist ein Schattenbild. Der Heiland ist die Fülle. Zwar konnte der Heiland nicht für Sich selbst opfern; denn Er hatte keine Sünde; aber Er konnte und musste S i c h s e l b s t erst opfern - dann konnte Er erst Sich für uns opfern. Und diese Selbstaufopferung Seines ganzen Willens und Wesens, die geschah in Gethsemane. Zwar hat Sich der Sohn schon von Ewigkeiten her selbst geopfert, aber diese Selbstaufopferung und volle Willenshingabe ist eine stufenweise. In Gethsemane war die letzte und tiefste und schwerste Stufe dieser Vollhingabe. In den Tod, in das voll und ganze Gegensatzwesen zum göttlichen Wesen hineingehen, das kostet den letzten Rest - und den leistete der Heiland in Gethsemane. Das Selbstopfer war nun völlig vollzogen; jetzt konnte das Hinlegen auf den Altar in völliger Freiheit geschehen. „Stehet auf, lasst uns gehen; er ist da, der Mich verrät“, das ist der Schluss von Gethsemane. Nun gab’s keine Hemmung mehr. In völliger, königlicher Liebesfreiheit gab der Sohn Sich dar. Die Welt sah nur die Darlegung; das Schwerere, die Selbstdarlegung geschah im Verborgenen. Sie vollzog sich zwischen Sohn und Vater allein.

Golgatha

Bei allem Liebhaben - und Liebhaben ist immer Opfer - ist es bei uns geradeso. Erst muss der Wille völlig hineingelegt sein, das Selbstopfer vollzogen sein, dann kann erst die Opferung für andere geschehen. Und das Eingehen, die Willenshingabe, ist immer das schwerere Opfer. Gehtsemane war schwerer als Golgatha, Golgatha - auch vorher die Nacht beim Hohenpriester und der Morgen bei Pilatus sind wie kampfesfrei. In verklärter Ruhe und verklärtem Frieden wird da gelitten. Da ist keine Schwachheit und kein Wanken mehr. So sterben wir allem zweimal: erst dem Willen, dann in der Wirklichkeit. Kennst du Gethsemane, wo der Wille in den Tod geht? Nur, wo Gethsemane vorausgegangen, da kann es ein Ganzopfer geben. So, wie Er uns geliebt, so wollen wir Ihn lieben lernen von Stufe zu Stufe. Aber merke - wahre Liebe gibt’s nicht ohne Gethsemane und Golgatha. Wahre Liebe ist gekreuzigt und auferstanden. Was keinen Tod wert ist und keinen Tod gekostet hat, das hat auch keine Voll-Liebe. Verstehst du jetzt, was es heißt: Wir lieben, denn Er hat uns zuerst geliebt.

Lies weiter:
20. Verworfen Mt 26:57-68