Eine schwere und doch selige Stunde

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Abschrift des Buches: Der da war, und der da ist und der da kommt!
Pfarrer Theodor Böhmerle (1870 - 1927)

Aus dem Gemeinschaftsblatt für innere Mission Augsb. Bek.: "Reich-Gottes-Bote“ (1918-26)
Selbstverlag des Bibelheims „Bethanien", Langensteinbach

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Inhaltsverzeichnis:
Kapitel davor:
82. Jesus sichtet Lk 14:25-35 (1924)

83. Eine schwere und doch selige Stunde

  • Lk 17:11-19 (ELB) (11) Und es geschah, als er nach Jerusalem reiste, daß er mitten durch Samaria und Galiläa ging. (12) Und als er in ein Dorf einzog, begegneten ihm zehn aussätzige Männer, die von fern standen. (13) Und sie erhoben ihre Stimme und sprachen: Jesus, Meister, erbarme dich unser! (14) Und als er [sie] sah, sprach er zu ihnen: Geht hin und zeigt euch den Priestern! Und es geschah, während sie hingingen, wurden sie gereinigt. (15) Einer aber von ihnen kehrte zurück, als er sah, daß er geheilt war, und verherrlichte Gott mit lauter Stimme; (16) und er fiel aufs Angesicht zu seinen Füßen und dankte ihm; und das war ein Samariter. (17) Jesus aber antwortete und sprach: Sind nicht die Zehn gereinigt worden? Wo sind die Neun? (18) Haben sich sonst keine gefunden, die zurückkehrten, um Gott Ehre zu geben, außer diesem Fremdling? (19) Und er sprach zu ihm: Steh auf und geh hin! Dein Glaube hat dich gerettet.

Es begab sich aber

Alle Begegnungen des Heilandes sind Begebnisse. Es begab sich aber, heißt es da immer. Beim Herrn ist alles genaueste Zusammenwirkung von Himmel und Erde. Da wirkt stets der Vater von oben, der Sohn vom Diesseits aus. Er tut nichts, was Er nicht sieht den Vater tun. Darum sind Seine Taten Zeichen. Sie sind göttlich-prophetisch. Wir dürfen nie nur beim Äußeren stehenbleiben. Wir müssen den göttlichen Kern und den göttlichen Gedanken im Geiste suchen.

Schon der Weg, auf welchem wir in unserer Geschichte den Herrn sehen, ist Vater-Führung. Er zog durch Samaria und Galiläa mitten durch Jerusalem. Das ist nicht der gewöhnliche Weg. Samaria wurde von den Jerusalem Pilgern meist umgangen. Der Herr zieht mitten durch. Er durchmisst der Länge nach das ganze Heilige Land, auch die getrennten Gebiete. Er ist der Wiederhersteller des Landes in seinen göttlichen Grenzen. Wenn in Ihm der Gottesplan zur Durchführung kommt, hat das Heilige Land seine eigentlichen, gottgegebenen und gottgewollten Grenzen. Der Durchmarsch des Herrn durchs ganze Land ist ein Zeichen des aufs Ganze gehenden Rettungswillens. Er sucht Sein ganzes Volk, das Er in Abraham berufen und erwählt hat. Heilige Liebesgedanken, große Hoffnungsgedanken, aber auch tiefe Leidensgedanken über den Gegenwartszustand mögen Sein Herz erfüllt haben.

So zieht Er mitten durch das ganze Land. Da b e s t ä t i g t der Vater dem Sohne Seine inneren Herzensbewegungen durch ein Ereignis, in das Er Ihn hineinführt. Er zeigt Ihm Israel nach seinem wahren Wesen; Er gibt Ihm Gelegenheit, in prophetischer Weise dem ganzen Volk die Heilandsliebe zu erweisen. Der Vater zeigt dem Sohne auch, dass diese Heilandsliebe jetzt noch nicht durchdringen werde. Er zeigt Ihm aber auch die Erstlingsgemeine, welche zunächst herausbrechen werde. Das war dem Herrn eine sehr schwere und doch auch wieder eine selige Stunde.

Zehn Aussätzige

Der Herr kam in ein Dorf hinein. Da beim Hineingehen begegneten Ihm zehn aussätzige Männer, die standen von ferne und erhoben ihre Stimme zu Ihm. Mit dem armen, so unbußfertigen und gottfernen Volke hatte Sich der Herr eben im Geiste beschäftigt und hatte über ihm gelitten im Geiste. - Da stand es nun vor Ihm. Der Vater stellte es Ihm vor. „Zehn Aussätzige“ - das war das Volk. Zehn ist die Ganzzahl, die äußere Vollzahl. Zehn ist der Abschluss der Zahlenreihe. Bei der Zehn ist Gott am Ziel. Zehn besteht aus 3+4+3. Da ist Gott - die 3 - hinten und vorne; und die Welt - die 4 ist in der Mitte. Das ist das Ganze, das ä u ß e r l i c h Vollkommene. Das i n n e r l i c h Vollkommene ist die 12 - das ist 3 mal 4. Und wenn die innere Vollkommenheit auch zum äußeren Ziel gekommen ist, dann heißt es: 3x4 x 3x4 x 10x10x10 = 144 000.

So sind die zehn Männer ein ä u ß e r l i c h Ganzes, ein Vollkommenes. Ihre Zehnzahl ist gewiss nichts Zufälliges; sie ist etwas Gottgewolltes. In den zehn Männern wollte der Vater dem Sohn das äußerliche Gesamtvolk vor Augen führen. Da konnte es nicht heißen: 12 Männer - 12 Aussätzige passen nicht zusammen. Das ist der tiefste Gegensatz. Als Er die Zehn sah, da stand vor dem Herrn Sein Eigentumsvolk; dass es aber zehn A u s s ä t z i g e waren, das zeigte den inneren Gesamtzustand des Volkes an. Obwohl es das erwählte Volk war und blieb, zur Zeit da der Herr unter ihm stand, war es aussätzig durch und durch. Der Aussatz ist eine Fluchkrankheit. Der Aussatz schied den davon Befallenen nicht nur aus dem natürlichen Gemeinschaftsleben, sondern, was das Schwerste war, aus dem geistlichen Gemeinschaftsleben. Der Aussatz schied von Gott. Keinen Tempel, keinen Gottesdienst durfte ein Aussätziger mehr besuchen. Von allem Heiligtum und seinem Wesen war er ausgeschlossen. Er war in die Gottferne gestoßen; denn unter dem Gesetz gehören zur Gottnähe auch die äußeren Gottesdienste.

Aussätzige waren gott- und menschenverlassen. Ja, trotz seines Erwähltseins stand dies Volk um seines Aussatzes, um seiner Unbußfertigkeit und Selbstgerechtigkeit willen in der Gottferne. Und es stand deshalb auch in der Heilandsferne. Das fühlte und merkte der Herr wohl, und das hatte Ihn offenbar auf dem Wege leidendlich beschäftigt. Dies von Ihm erwählte Volk hatte keine innere Beziehung z u Ihm. So arm und elend, so unter die Weltmacht Rom verhaftet es war, es brauchte keinen i n n e r l i c h e n Heiland. Das Bußfertige nur zieht Jesus an. Die Buße fehlte - so war kein Zug da. Dies Volk ehrte Gott mit seinen Werken und mit seinen Lippen, aber das Herz war ferne von Ihm: das zerschlagene Herz und das zerbrochene Gemüt fehlten. So stand es der Wahrheit nach in der Gottferne. Den Stolzen kennt der Herr von ferne.

Ein Bild des jüdischen Volkes

Die zehn Aussätzigen sind das erschreckende Bild des jüdischen Gesamtvolkes zur Zeit Jesu. So stand es vor Ihm und war es auf Ihn geworfen. Die zehn Aussätzigen schrieen zu Jesus: „Jesus, Meister, erbarme Dich über uns!“ Ein einziger Notschrei drang zu des Heilandes Herz aus dem Volke. Drum jammerte Ihn desselben. Sie waren vor Ihm wie Schafe, die keinen Hirten haben. Wer war denn der Hirte? Er, nur Er; und eben Ihn kannten sie nicht. Und doch gehörte dieses Volk Ihm, Er hatte es erwählt, Er hatte es bisher geführt und geleitet in Gericht und Gnade. Unzerreißbar war Er mit ihm verbunden. Was die Gnade erwählt hat, lässt sie nimmer los. Gott kann Sich nicht ändern. Die zehn Aussätzigen - sie waren Sein von Ihm je und je, und auch jetzt Sein geliebtes Israel. Und Er war und blieb sein Retter und Helfer. Er sah im Kommen und Schreien der Zehn die Aufforderung des Vaters, Sich zu diesem, eben zu diesem Volk zu bekennen. Er war ja auf dem Weg nach Jerusalem. Er war auf dem Weg Sein Leben für das Volk zu geben; hier forderte Ihn der Vater auf, Seine Liebeswilligkeit und Seine Hilfsbereitschaft für dieses aussätzige Volk zu offenbaren. Und Er tut es. Seine tiefe Liebe zum erwählten Volk bricht durch. Er macht mit e i n e m Wort alle zehn gesund: „Als Er sie sah, sprach Er zu ihnen.“ Das war ein tiefer Passionsblick. Das war eine schwere Stunde, als Er sie sah und so sah, wie Sein prophetischer Gottgeist sie sah, als Gesamtvertretung des Volkes. War das die Summe Seiner Arbeit von Jahrtausenden an diesem Volke? Zehn Aussätzige! O Gott der Gnade und der Geduld, angebetet seist Du!

Und der Herr bekennt Sich zu den zehn Aussätzigen. Sünde und Jammer stoßen Ihn nicht ab - Sünde und Jammer ziehen Ihn an. In die Welt herein, um zu sterben, hat Ihn die Sünde gezogen. Er folgte dem Wink des Vaters. Er lässt Seine Liebeskraft hervorbrechen. Seine Heilungs-, Neuschöpfungs- und Wiederbringungskräfte werden offenbar. „Gehet hin und zeigt euch dem Priester“, ruft Er ihnen zu. Das Wort ist Fleisch, das „Wort“, das im Anfang bei Gott war. Und alle Dinge sind durch dasselbe geschaffen. Und alle Dinge werden durch dasselbe neugeschaffen. E i n Wort und die Heilungstinktur dringt ein in die zerfressenen und verstümmelten Leiber. Er spricht sie nicht gesund, Er weist sie zum Priester. Er prüft ihren Glauben. Ihr Heilungswünsch ist so tief, das Lebensverlangen so heftig - sie gehen alle. Und während sie gehen, werden sie gesund. Zum Priester gehen sie: so verlangt es das Gesetz. Niemand durfte, wenn er aussätzig gewesen war, hinaus ins Leben, ohne vom Priester gesundgesprochen worden zu sein.

Rettung des jüdischen Volkes

Die Rettung des jüdischen Volkes vollzieht sich auf gesetzlicher Grundlage. Das jüdische Volk wird einst vor seinen gekreuzigten Hohenpriester gestellt werden, der wird es, wenn es bußfertig-gläubig vor Ihm zerbricht, vom Aussatz freisprechen. Als ein befreites Volk kann es dann unter die Nationen.

Davon gibt uns unsere Geschichte ein schattengesetzliches Abbild. Wäre es mit den Zehn innerlich in Richtigkeit gewesen, dann hätten sie alle, wie der Eine, wieder umkehren und zu Jesus kommen müssen. Sie hätten ja ruhig zu den Priestern gehen und ihre schattengesetzliche Verpflichtung erfüllen können; aber dann, wenigstens dann hätte es heißen müssen: zu Jesus, nirgends hin als zu Jesus. Aber diese Neun waren ohne inneren Zerbruch vor Gott bei der äußeren Krankheit und ihrer Not stehengeblieben. Von ihr wollten sie errettet sein. Waren sie hier frei, so hatten sie genug. Ein inneres Heilserlebnis war ihnen die leibliche Heilung nicht. Sie taten, was Jesus befohlen hatte - war das nicht genug? Sie sahen nicht den großen, herrlichen Heilskönig, von welchem schon die Propheten schreiben: Die Aussätzigen werden rein. Sie sahen ihren gesunden Leib, das war ihnen genug. Der Glaubensblick in des Heilands Gottesohnschaft war und blieb ihnen verborgen; darum blieben sie auch von Ihm weg.

Wo sind aber die Neun?

In ihrem Verhalten versinnbildlichen sie das jüdische Volk. Neun Zehntel erkennen den Herrn nicht. Er ist für alle gestorben, hat aller Aussatz getragen, hat in Seinem Blut alle rein gemacht. Die übergroße Masse des Volkes geht aber an diesem Reinigungsbrunnen vorüber. Das ist erschreckend! Der Heiland schreit auf und ruft: „Wo sind die Neun?“ Noch gilt der Ruf, noch sind sie in der Irre. Und der Ruf, er gilt auch den Nationen. Solange ZIon nicht geheilt ist, bleiben auch die neun Zehntel der Nationen in der Finsternis. Trotz jahrhundertelanger Predigt muss es heute noch gelten: „Wo sind die Neuen?“ Das Nationenlos ist und bleibt ins Judenlos hineingebunden. Der Aussatz der Nationen fällt erst weg, wenn der jüdische Aussatz im Vollsinn geheilt ist. V o l l b r a c h t i s t' s; es kann sich aber noch nicht auswirken, weil die Bußzerbrochenheit noch nicht da ist.

So sieht der Heiland in dem Wegbleiben der Neun die Verstockung des jüdischen Volkes und den dadurch kommenden Aufenthalt der Nationen. Der Heiland sieht die jahrtausendelange Gerichtszeit; Er sieht den kommenden Äon des Fluchs. Der Heiland sieht d e n Gang, an dessen Ende wir jetzt stehen. Das war eine schwere Stunde. „Wo sind aber die Neun?“ - Das ist der Schrei des Gerichts, aber auch die durch alles hindurchdringende Liebe, welche die Jahrtausende bis zum Beginn des Königreichs durchtönt. Das ist der Ruf, der den Massen unserer Tage gilt und ihren Fehlgang erschütternd zeichnet, wie es auch der Retterruf ist, der zurückruft zum Hirten und Retter.

Das war eine Passionsstunde ersten Ranges, als die Neun nicht mehr kamen. Da senkte sich vor den Augen und vor dem Herzen Jesu die Nacht herab, in deren dickster Finsternis wir zur Zeit leben.

Nur einer kommt zurück

Aber der Vater hat Seinen Sohn nicht nur Finsternis sehen lassen. Dieselbe Stunde, welche auf der einen Seite eine tiefe Nachtstunde ist, ist auf er anderen Seite auch eine Lichtstunde. E i n e r kommt zurück und betet zu Jesu Füßen an. Dieser eine, er ist ein Angeld für die einstige Umkehr Israels. In ihm ist Israel v e r z e h n t e t. Er ist aber auch ein Vorläufer der Gemeine, welche in der langen Zeit der Nacht herausgeboren wird. Die Nachtzeit zwischen erster und zweiter Ankunft Jesu ist ja auch die herrlichste Lichtzeit: da werden Kinder geboren, die Ihm gleich sein werden - die Brudergemeine, die alles mit Ihm erbt. Und diese sieht der Heiland zu Seiner tiefsten Erquickung in dem einen, der zurückkommt. Man merkt an den Worten, welche der Herr zu diesem Einen redet, wie das Herz, bei allem Beschwertsein über die anderen, Ihm doch in dem Einen erquickt ist. Dieser Eine trägt auch durch und durch Gotteskindschaftszüge an sich, obwohl ja die eigentliche Neugeburt erst später nach der Erhöhung des Herrn geschehen konnte.

Er war zunächst ein S a m a r i t e r. Aus dem verachteten und ausgeschlossenen Volksteil des jüdischen Volkes stammt er her. Samariter und Sünder waren dem gesetzlosen Juden eins. Er ist einer von den Geniedrigten. Er mag unter der Zehnerschar der Aussätzigen schon der Verachtetste gewesen sein. So holt der Herr heute noch Seine Heiligen aus dem, das nichts ist vor der Welt, und aus dem was, wenn es je etwas war, doch in sich selbst zunichte geworden ist. Die gläubige Gemeine trägt in der Welt ausgesprochenen Niedrigkeitscharakter. Nicht viele Weise und Große, sondern was nichts ist, das hat Gott erwählt.

Gericht und Gnade

Und dieser aussätzige Samariter hat unter diesem äußeren Niedrigkeitsdruck auch die innere Verlorenheit so recht erfahren. Ihm war der Aussatz fürwahr ein Gottesfluch, ihm, der schon als ein Samariter ein Verfluchter war, wie die anderen sagten. Er war unter dem Gericht der Gottverlassenheit und der Gottausgestoßenheit zusammengebrochen. Er hatte von Jesus gehört, dass Er Zöllner, Sünder und Samariter zu Gott zurückführe. Und das erwartete er vor allem in der Wegnahme des Aussatzes, dass er auch Zugang zu Gott bekomme. Sein „Jesus, erbarme Dich unser!“ kam aus tiefem, zerbrochenem, heilsverlangendem Herzen. Gerade auch um dieses Einen willen hat der Herr wohl die Zehn geheilt. Der Herr bewegt immer viele und vieles, um einige zu retten. Den Vielen ist’s dann Gericht, und dem Einen ist es Gnade. Dabei muss aber beachtet werden, dass auch der Gerichtsweg der Vielen zur Gnade hinausläuft. So war der Samariter der rechte arme Sünder unter den Zehn, der wahrhaft innerlich Zerbrochene. Das ist Gotteskindschafts-Merkmal. Kinder Gottes sind immer die Zerbrochenen. Sie sind in sich selbst unter allen Sündern stets die sündigsten. Sie nennen sich in Wahrheit die Vornehmsten unter den Sündern Sie bleiben auch nie beim Äußeren stehen - ihnen schlägt alles nach innen. Krankheit, Elend, Sorge, Not macht sie innerlich kleiner, demütiger, heilsbedürftiger. Unter allem Kreuz kreuzigen sie sich.

Durch all das war der Samariter ein Einzelner unter den Zehn. Sein Innenleben in Buße sonderte ihn aus und sonderte ihn ab. Schon lange vor dem Durchbruch zur Neugeburt sind alle berufenen Kinder Gottes abgesondert. Die spätere Absonderung des Samariters von den Neun war schon lange zuvor innerlich grundgelegt. Als er gesund wurde, sprangen nur die Bande vollends.

Ihm war also der Schrei zu Jesus ein Schrei um einen gnädigen Gott. Ihm war der Schrei um Heilung des Aussatzes zugleich und hauptsächlich der Schrei um Aufhebung der Sündenlast, um Gottgemeinschaft. Als er nun hinging und die Eiterbeulen schwanden und reine Haut erschien, und angefressene oder abgefallene Glieder sich erneuerten, da fiel auch der Aussatz der Gottverworfenheit von ihm. Er sah sich in Gnaden. Da ging aber dem bußfertigen Herzen auf einmal auch das Jesus-Bild, das Jesus-Wesen auf. Wer war der, welcher verlorenen Sündern einen gnädigen Gott geben konnte? Der Sohn Gottes verklärte Sich ihm. Er sah Jesu Herrlichkeit, eine Herrlichkeit als des eingeborenen Sohnes vom Vater, voller Gnade und Wahrheit. Was brauchte er zu den Priestern? Hier war der Hohepriester. Was brauchte er in den Tempel? Hier war der Herr des Tempels. In Jesu sah er den Vater im Sohne; er kehrte um, pries Gott mit lauter Stimme, fiel vor Jesus nieder und betete an. Die Sohnesverklärung ist ein Hauptgrundzug der Kinder Gottes. Sie kennen den Vater und den Sohn, den Vater im Sohne. Die ganze, volle Sohnes- und Vater-Klarheit ist ihr ewiges Leben, in welchem sie stehen.

Frei vom Gesetz

Und dieses Schauen des Heilandes, dieses Stehen in Ihm machte den Samariter frei vom Gesetz. Was nützen ihm Priester, Tempel, gesetzliche Reinigung? Hier war alles in Jesu, zu Ihm eilte er. Wozu Schatten? Hier war die Fülle. Christus war ihm des Gesetzes Ende; an Ihn glaubte er, so war er gerecht oder zurechtgebracht. So sind die Gläubigen gesetzesfrei. Jesus und Sein Heiliger Geist sind ihr lebendiges Gesetz. Jesus ist Gesetz in allerhöchster Fülle. Wer Ihn hat, geht nicht daneben. Seligste Freiheit und tiefste Gebundenheit - und seligste Freiheit, w e i l tiefste Gebundenheit: so ist’s in Jesus.

Vor Ihm fiel der Samariter nieder und betete Ihn an. Er war ganz jesusbezogen. Sein Leben war nicht draußen, wo die Neun es wieder suchten; sein Leben war in Jesus. Das ist ein rechter Kindschaftszug: so in Ihm sein. Kindern Gottes ist Jesus durch den Heiligen Geist ihr neues Ich. Ihr altes ist in Jesum versenkt. Hiervon hatte der Samariter den samentlichen Anfang. Er wird wohl nach der Erhöhung Christi durch den Geist auch das Wesen bekommen haben. - Und er betet Jesus an. In Ihm war ihm Gott gegeben. Die Gläubigen beten im Geist und in der Wahrheit. Geist ist Christus, Wahrheit ist Christus - in Ihm beten sie an.

Und diesem Samariter schenkt nun Jesus in vorlaufender Weise, also schon vor Karfreitag und Ostern, das Heil. „Gehe hin, dein Glaube hat dich gerettet.“ Nicht mehr zu den Priestern. Hinein ins Leben. Jesus hat ihn freigesprochen; das ist mehr als aller Priester Freispruch. Und gerettet ist er; Sünde, Tod und Gericht sind von ihm genommen. Über ein kleines wird er noch mehr davon erfahren. - Wir wissen, was Rettung in Christo ist: Versetzt von der Obrigkeit der Finsternis ins Reich des geliebten Sohnes; wandeln dürfen im ewigen Leben z u m ewigen Leben.

Das war eine selige Stunde für den Herrn, so selig machen zu dürfen. Darf Er auch dich erretten? Sein Schrei geht auch nach den Neun. Möchten sich die Zeiten rasch vollends füllen, welche auch den Neun auf neuer Stufe die Erfüllung bringen. Einstweilen erquicken den Herrn die Söhne des Glaubens.

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84. Wann kommt das Königreich Gottes? Lk 17:20-37