Die praktische Anwendung der bildlichen Ausauferstehung

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Aus der Reihe: Christi unausspürbarer Reichtum
Von der Ausauferstehung in Phil 3:11
oder der Weg zur höchsten Vollkommenheit

von Mathias Jaegle (Lebensbild)

Abschrift mit freundlicher Genehmigung von Gerhard Groß, Balingen
Dort als Schrift noch erhältlich.

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Inhaltsverzeichnis

In Bearbeitung

Von der Ausauferstehung in Phil 3:11

4. Die praktische Anwendung der bildlichen Ausauferstehung

Die Erreichung des Ziels, eine Gabe Gottes

Bis zu diesem Punkt hat Paulus seine Glaubensziele in lehrhafter Form mitgeteilt. Nun geht er zu ihrer praktischen Anwendung über. Mit dem, was er darüber sagt, scheint er einen Doppelzweck zu verfolgen und im Auge zu haben. Mit sorgsam gewählten Ausdrücken zeigt er noch einmal die Unhaltbarkeit einer buchstäblichen Auferstehung. Und denen, die ihm auf dem rechten Weg folgen, will er für diese Glaubensbestätigung praktische Anleitung geben.

Gleich in seiner ersten Äußerung ist beides enthalten: „Nicht dass ich es schon erhielt oder schon vollendet sei“ (Phil 3:12). Wie könnte Paulus auch nur so reden, angesichts einer buchstäblichen Auferstehung, die ihn einmal den Toten erheben wird! Hier noch an einer solchen festhalten, hieße, ihn von seiner Höhe herunterzerren und seine Worte zu einem kindlichen, ja sogar kindischen Ausspruch erniedrigen. Wie könnte er sich auch nur so unlogisch ausdrücken - während er bis jetzt nur in sprachvollendetster Form gesprochen - „er habe die Auferstehung noch nicht erhalten“, bevor er eigentlich gestorben wäre. Dies Unmöglichkeit sieht doch jedes Kind! Da hätte er doch wenigstens sagen müssen,dass er die Gewissheit noch nicht habe, an einer ganz frühen teilzuhaben.Das würde Pauli innerer Reife und damit Gottes Wort selbst, da er ja durch den Geist Gottes spricht, schwere Einbuße tun.

Wie befreiend und erlösend wirkt doch hier die Erkenntnis von einer bildlichen Auferstehung des Paulus! Jede Auslegungsschwierigkeit schwindet, und alles bleibt im Gleichgewicht und behält seinen ungestörten und ungetrübten Wohlklang. Dazu werden neue, edle Züge und Tugenden im Leben des Apostels offenbart.

Mit dem „erhielt“ (erhalten) möchte er des weiteren auch so verstanden werden, dass er letztlich die Erreichung dieses Zieles, obwohl er seine ganze Kraft dafür einsetzt, als eine Gabe Gottes ansieht und den Ruhm dafür Seiner Gnade überlässt. Im Folgenden wird die eigene Mitwirkung, zusammen mit der Gnade, noch z u einer ausführlichen Besprechung kommen.

Die Frucht des Sterbens

Obwohl der Apostel in der ihm eigenen Wahrhaftigkeit sich nicht scheut, zu bekennen, dass er das sich gesteckte Ziel noch nicht erreicht habe, kommt das trotzdem nicht einem Fehlschlag gleich. Er legt vielmehr damit den Gedanken nahe, dass dasselbe mit den sterblichen Körpern gar nicht völlig erreicht werden kann. Darum sehen wir ihn nicht entmutigt in diesem Streben innehalten, sondern seine weiteren Worte zeigen ihn uns, sich unentwegt danach ausstreckend. Er weiß eben, dass jede dafür angewandte Mühe für den Herrn selbst die köstlichsten früchte zeitigt, eben weil ein solches Trachten die beste Gewähr für einen sieghaften Wandel und treuen dienst für Christus bedeutet.

Und so fährt er fort: „Ich jage ihm aber n ach, ob ich auch das ergreifen möge, auf welches hin ich auch ergriffen ward von Christo Jesu. Brüder, ich schätze mich selber noch nicht, ,es ergriffen zu haben. Eins aber tue ich, das was dahinten ist zwar vergessend, nach dem aber was vorne ist ausgestreckt, jage ich nach dem Ziele, hin zu dem Kampfpreis der Berufung Gottes, nach oben in Christo Jesu (Phil 3:12-14).

Kann man einer Auferstehung nachjagen? Sie ergreifen? Sich nach vorne zu ihr ausstrecken? Der leiblichen Auferstehung geht aber ein Abscheiden aus diesem Leben voraus. Sie könnte demnach nur von Entschlummerten, aber nicht von noch Lebenden erfasst werden. Und wiederum können die aus dem Leben Geschiedenen nichts dazu tun, wie nur tatenlos und bewusstlos warten, bis ihnen Christus neues Leben schenkt, kraft dessen sie dann aufstehen können. Jagt aber ein noch Lebender, wie Paulus, einer Ausauferstehung aus den Toten nach, um sie zu ergreifen, so kann es sich unmöglich um eine buchstäblich zu nehmende handeln. Wieder liegt die Lösung darin, dass Paulus gar keine solche meint, sondern mit der Auferstehungskraft Christ den Vollkommenheitszustand der zukünftigen Auferstehung erwirken, erreichen und ergreifen möchte, um Christi eigener Auferstehung gleichgestaltet zu werden.

Wieder lässt er etwas von seinem Ziel erkennen wenn er sagt, dass er das ergreifen möchte, auf welches hin er von Christus ergriffen ward.

Er war von Christus ergriffen zu einem besonderen Auftrag, als Apostel und Lehrer der Nationen, ihnen den unausspürbaren Reichtum des Christus zu verkündigen und alle über die Verwaltung des Geheimnisses zu erleuchten (Eph 3:8-9), sowie alle anderen damit zusammenhängenden Geheimnisse kundzutun. Dieser Dienst brachte ihm vorwiegend ein volles Maß von Leiden und Drangsalen ein (Apg 9:16). Das konnte unmöglich alles sein, was Christus für ihn vorgesehen hatte; sein weit größeres Teil lag noch in der Zukunft und droben im zukünftigen Beruf und Dienst in Herrlichkeit und Würde. Oh, dieser treue Sklave Christi, der sich im Dienst für seinen Herrn aufopferte; wie muss ihn doch so oft nach der Kraft, in der er droben wirken wird, verlangt haben, um hier unten seinen Auftrag noch vollkommener ausführen zu können!

Obwohl sich Paulus an ein übermenschliches Ziel gewagt, entsprang trotzdem dieser Entschluss nicht seiner Impulsivität oder gar mangelnder Nüchternheit; auch hatte sein Jagen danach nicht im entferntesten etwas gemein mit einem ungesunden Drängen und Treiben, das so oft seine Wurzel in der Unkenntnis über Gottes Heilsplan, besonders für unsere heutige Verwaltung.., hat und bei dem sehr leicht die innere ruhe und klare Überlegung eingebüßt werden, sondern es war von ihm reiflich überdacht und sorgfältig abgewogen, und unterlag fortwährend seiner ehrlichen und rechten Kritik. Dies wird so recht offenbar durch sein nochmaliges Bekenntnis, dass er sich nicht als solchen einschätzt, der dieses Ziel schon ergriffen habe. Aber er vergisst, was dahinten ist. Nichts aus der Vergangenheit vermag ihn aufzuhalten. Weder konnte sein Leben als einstiger Verfolger der Gemeinde einschüchternd und lähmend auf ihn einwirken, noch bleibt er durch Überhebung an den herrlichen Offenbarung hängen, die er von Christus, seinem Herrn, erhalten hatte. IM Lichte dieser Enthüllungen über die hohe Stellung der Gemeinde verblassten seine einstigen Vorrechte, die er als Sohn Israels besaß, so dass er auch diese vergessen konnte. Unaufhaltsam und rastlos strebte er dem ihm klar bewussten Ziele zu.

Er beschließt diesen so wertollen Einblick in sein Glaubensleben nicht, ohne noch zum Schluss eine Frucht seines Strebens mit klaren Worten zu nennen. Ein Kampfpreis winkt ihm droben und lässt ihn unermüdlich danach jagen. Bis jetzt bewegte er sich mit seinen Ausführungen beharrlich innerhalb der Grenzen seines irdischen Lebens. Aber nun hat er dieselben doch noch überschritten und tritt im geist in das zukünftige Leben ein.

Wie stimmt doch des Apostels Glaubensleben lückenlos mit der göttlichen Ordnung überein! Nicht eine Auferstehung will er mit seinem Jagen erlangen, etwas das ihm ohnedies ja sicher ist, aber einen Lohn für seine angewandte Mühe, einen preis für einen recht geführten Kampf.

Nun mag sich aber doch noch die Frage erheben, ob dieser Kampfpreis nicht in einer Auferstehung bestehen könnten? Darauf muss erwidert werden, dass die Kampfpreise er nach der Auferstehung, wenn jedes Glied Christi im Besitz des Körpers der Herrlichkeit ist, droben vor der Preisrichterbühne des Christus ausgeteilt werden aber nicht früher. Deshalb jagt Paulus nach oben, während ja die Auferstehung vorher und unten stattfinden wird.

Des Apostels Aufruf zur Mitbeteiligung

In anschaulicher und lebendiger Weise hat Paulus seinen Höhenlauf der Gemeinde vorgeführt. Obwohl ihn nichts und niemand in diesem rastlosen Hineilen zu dem großen Ziel aufzuhalten vermochte, so war er doch fern von einem einseitigen Vorwärtsstürmen, das alle anderen mit zunehmendem Zwischenabstand dahinten gelassen hätte. Er verliert die Gläubigen nicht aus dem Auge und will so viele als möglich mit auf diesen Höhenweg hinaufnehmen. Nun hält er inne und lässt eine Aufforderung zur Mitbeteiligung ergehen: „So viele als wir nun vollkommen sind, mögen wir auf dieses sinnen, und wenn ihr in etwas anderweitig gesonnen seid, so wird Gott auch dies euch enthüllen“ (Phil 3:15).

Der Apostel weiß wohl, dass Gläubige im Kindheitsstadium, die noch fest an den Dingen der Unmündigkeit hängen, weder fähig noch willig wären, ihm zu folgen. Auch fleischlich Gesinnte, die es mit dem Wandel nicht so genau nehmen und eigene Bequemlichkeit irgendeinem Dienst für Christus vorziehen,werden sich nicht von des Apostels Appell angezogen fühlen. Daher geht seine Aufforderung an solche, die in einem bedingten Sinn schon vollkommen sind. Dort, wo sich Paulus auf seiner erreichten hohen Stufe zeigt, kann man sich ihm nicht so ohne weiteres anschließen, das verlangt einen fortgeschrittenen Grad im Glaubensleben.

Den Weg zu dieser Vollkommenheit hat Paulus selbst gelegt und sich schon längst bemüht, die ihm folgenden Gläubigen auf denselben zu führen. In 1Kor 12 setzt er sich noch einmal gründlich mit jener Zeit der Unmündigkeit der Gemeinde auseinander, welche nur für jene Übergangszeit gültig war. N 1Kor 12:31 zeigt er darauf einen neuen, besseren Weg, der mit dem Überragenden übereinstimmt.

Dieses „Überragende“ sind die letzten und tiefsten Gedanken Gottes mit der Gemeinde, ist die Offenbarung des Geheimnisses, welches die Gläubigen aus den Nationen zur Gleichberechtigung mit den Körpergliedern aus Israel in die höchsten Plätze des Weltalls erhob. Es ist die völlig enthüllte Wahrheit von der Aussöhnung des gesamten Alls, durch welche auch jedes Geschöpf, sowohl die irdischen wie die himmlischen, zur willigen Huldigung Christi und Gottes des Vaters gebracht werden.

Nach Eph 4:11ff. hat Christus Seiner Gemeinde Lehrer gegeben, welche die durch Paulus enthüllten Wahrheiten weiter lehren sollen, und sie sind vorwiegend das Mittel, durch welches die Gläubigen „zum vollkommenen Manne, zum Maße des Vollwuchses der Vervollständigung des Christus“ gebracht werden.

An diese „Vollkommenen“ wendet sich Paulus mit der Aufforderung, sich ihm anzuschließen. Könnte es noch besser und deutlicher gezeigt werden, wie wichtig und notwendig die An- und Aufnahme dieser so herrlichen Wahrheiten für jeden Glaubenden ist! Paulus weiß gut, wie sie in hohem Grade dazu angetan sind, die Glieder des Körpers Christi zu einem vorbildlichen Wandel zu befähigen. Und wer wollte dem Apostel nicht folgen, wenn er auffordert, sein Mitnachahmer zu werden (Phil 3:17)! Und mit ihm „auf dieses sinnen“, bedeutet eben, sein ganzes Sinnen und Trachten auf all die reiche Gnade, die wir in Christus haben, zu richten, so wie sie von Paulus von Phil 3:8 ab als herrliche und begehrenswerte Glaubensziele vor das innere Auge gestellt werden mit dem hohen Zielpunkt: „um irgendwie zu gelangen zu der Ausauferstehung, zu der aus den Toten.“

Auffallend ist nun, dass Paulus ein „in-etwas-anderweitig-gesonnen-sein“ duldet. Wir können sicher sein, dass, wenn er hier eine neue Auferstehung enthüllen würde, er von dieser Lehre nicht die geringste Abweichung geduldet hätte, denn alle seine Lehren hatte er durch den geist Gottes genau nach göttlichem Muster und Schnitt in Wort und Schrift niedergelegt. Wehe denen, die ihm auch das Geringste daran ändern wollten, da konnte er schonungslos vorgehen, „au dass die Wahrheit des Evangeliums fortbestehe bei euch“ (Gal 2:5). In einigen Fällen jedoch, wo er eine persönliche Erfahrung, Führung oder Einstellung weitergibt, vermeidet er jede starre Form. Siehe dazu 1Ko 7. Das trifft nun auch hier zu. Nicht eine klar begrenzte Auferstehung ist sein Ziel, sondern möglichst völlige Makel- und Fehlerlosigkeit in Wandel und Dienst, so wie es einst gesegnete Tatsache sein wird in der zukünftigen Herrlichkeit. soviel auch Paulus schon darüber geoffenbart hatte, so ist diese Erkenntnis doch nur samenkornartig und ansatzmäßig und lässt sich durch gesunde Auslegungen noch weiter entwickeln und ausführen. Nach Kol 3:1-2 sollen wir ja das suchen und auf das sinnen, was droben ist, und es besteht somit noch ein großer Raum, um weiter darüber nachzudenken. Natürlich soll hier nicht die Tür zu überspannten und auf falscher Erkenntnis beruhenden Spekulationen geöffnet sein. Der demütige Apostel erlaubt eben nur solchen, die in der Erkenntnis ganz mit ihm übereinstimmen und sich die Vollkommenheit derselben erworben haben, diese Selbstständigkeit und nicht Schwachen und Unmündigen im Glauben (Röm 14:1). Er weiß, dass solche im Glauben gesund sind, innerliche, geebnete Wege haben und die tieferen Gottesgedanken nur geistesgemäß weiter entwickeln werden. Kommt es in dieser Erkenntnis zu einer geringfügigen (größere dürfen es schon nicht sein) Abweichung, so ist der Apostel gewiss, dass Gott jedem das Rechte erfüllen wird. Jedoch nicht in Enthüllung grundlegender Art, wie sie Paulus zur Ausführung seines Sonderauftrages empfing (Apg 22:15; Gal 1:11-12), sondern nur durch Auslegung und schöpfend aus einem vorhandenen Gottesausspruch. Wenn nun bei diesem Lau schon andere überholt werden, so mahnt Paulus, dass in einem solchen Fall doch die Gesinnung bewahrt werden soll, die nicht gegen die festgelegte Richtschnur und die bestehenden Grundregeln verstößt.

Hier im Philipperbrief hat der Apostel nur Vollkommene im Auge, aber vergisst dabei nicht die, die sich noch weiter hinten befinden und noch nicht zu diesem Höhenlauf fähig sind. Auch für diese hat er ein aufweckendes und ermunterndes Wort, um ja nicht dahinten zu bleiben. Denen ruft er aus dem Epheserbrief zu: „Erwache, der du schläfst und stehe auf aus den Toten, und aufleuchten wird dir der Christus“ (Eph 5:14). Dieser Ausspruch stellt eine der stärksten Stützen dar für eine bildliche Auferstehung in Phil 3:11, denn er selbst ist einen Aufforderung an lebende Gläubige zu einer Ausauferstehung aus den Toten. Damit ist grundsätzlich niedergelegt und sehr anschaulich gezeigt, dass es eine bildliche Auferstehung für Gläubige gibt, die in Wirklichkeit schon eine Auferstehung erlebt haben bei ihrem Gläubigwerden. Wie diese hier gemeint ist, ergibt sich aus dem Zusammenhang. Diesem Vers geht eine Aufzählung der verwerflichsten Sünden voraus. Wird ein Gläubiger wieder in irgendeine solche verstrickt, so ist er wieder in einen bildlichen Tod geraten. Paulus scheint mit seinem Aufruf solche im Auge zu haben. Wird nun eine solche Sünde in der Auferstehungskraft Christi überwunden, so hat eine Ausauferstehung aus den Toten stattgefunden, und Christus leuchtet einem solchen auf zu einem Wandel im Licht.

Wir können in Gottes Wort deutlich eine Entwicklung in der bildlichen Sprache über Auferstehung feststellen. In Röm 13:11 redet der Apostel von einem (bildlichen) Auferwecktwerden aus dem Schlafe. Eph 5:14 ist auf diesem Wege schon ein Schritt weiter. Das sind Auferstehungen auf niederster Stufe, während die, welche Paulus im Philipperbrief auf sich bezieht, in vollendetster Form über allen erhaben und in großem Abstand allen voraus ist. Wer nun über diese vielen einzelnen nach der einen, wie der Apostel strebt, hat vor allem die von ihm gezeigte Richtschnur und Grundregeln zu befolgen. Das ist ungefähr dasselbe wie die rechte Kampfführung in 2Tim 2:5: „So jemand aber auch wettkämpft, wird er doch nicht bekränzt, so er nicht gesetzmäßig wettkämpft.“

Wenn ein Lauer keinen Siegeskranz erhalten wird, so ist das verständlich; aber welche Tragik liegt im zitierten Schriftwort, dass man trotz Aufwand von Kraft beim großen Preisgericht leer ausgehen kann, nur aus Unkenntnis der Kampfesregeln, die Gott Seiner Gemeinde gegeben. In diesem Licht erhält das Forschen nach Seinem Willen die aller praktischste Bedeutung. „Mein Volk wird vertilgt aus Mangel an Erkenntnis“, so klagt der Prophet Hosea im Namen Jehovas (Hos 4:6); und aus Mangen an Erkenntnis kann man als Glied des Körpers Christi eines Siegeskranzes verlustig gehen! Dieser ernste Umstand gebietet es dringend, die bei diesem Lauf maßgebenden Grundregeln zu erforschen, damit jeder, der Paulus folgen möchte, eine unanstößige Haltung einzunehmen vermag.

Die eigene Mitwirkung (Phil 2:12-16)

Wie schon betont, handelt es sich vorwiegend um die Erkenntnis von zwei solchen Grundregeln, „bildliche Sprache“ und „eigenes Mitwirken“. Durch die Betrachtung der erstgenannten wurde der Blick von einer buchstäblichen Auferstehung weg in die rechte Richtung der bildlichen Auferstehung gelenkt. Die zweite Regel nun ist nicht weniger wichtig, und die ihr geschenkte Aufmerksamkeit wird mit einem ebenso wertvollen Ergebnis belohnt.

Diese Regel führt in das Gebiet ein, auf dem eigene Kraft und eigener Wille volle Bestätigung finden, so wie es uns praktisch vorlebte (1Kor 9:26-27). Hier wird uns die rechte Belehrung über Platz und Zeit der Werke im Leben des Gläubigen zuteil (Phil 3:17). Die Notwendigkeit dieser Erkenntnis kann gar nicht genügend unterstrichen werden; denn Unklarheiten darüber können zu schwerwiegenden Hemmungen im Glaubensleben führen.

Die Werke nehmen im Leben der Glaubenden eine relative Stellung ein. Während die eine Seite des Heiles in Christus sie gänzlich verwirft, werden sie von der anderen als gut anerkannt und willkommen geheißen, ja sogar gefordert. Zum Aufzeigen dieser Unterschiede wird uns die bildliche Rede wieder einen vorzüglichen Dienst leisten, und zwar, wie im Vorhergehenden, in Form von Auferstehungen.

Zur Genüge wurde schon darauf hingewiesen, dass das Glaubensleben auf zwei Arten von bildlichen Auferstehungen fußt. Die eine, die grundlegende, findet statt am Anfang des Glaubenslebens. Dieser schließen sich dann die fortlaufenden an, sowohl durch das fortgesetzte Sich-Erheben aus dem uns noch innewohnenden und von außen uns umgebenden Todeswesen der Sünde, als auch durch den Einsatz der sterblichen Körperglieder im Dienst für Christus (Eph 5:14-21; Kol 3:1).

Obwohl beide miteinander viele Berührungspunkte haben, so sind sie doch, was die Mitwirkung der Betreffenden anbelangt, grundverschieden. Bei der ersten kann der zu Rettende nichts tun, während bei den folgenden ein großer Teil von dem Geretteten selber abhängt (Röm 9:16; Röm 3:27; Röm 4:5; eph 2:8-9; 1Tin 4:15; 2Kor 6:1; 2Kor 7:1).

Bei der ersten, der grundlegenden Auferstehung aus dem Tode des Unglaubens, kann von dem Toten auch gar nichts erwartet werden. Er gleicht den im Grabe liegenden Entschlummerten. Wir können diese lange herzurufen. Bevor Er sie nicht ruft und ihnen geistliches Leben gibt, vermögen sie nicht einmal zu hören, geschweige denn gar aufzustehen und sich zu bewegen. In Bezug auf diesen einen Punkt herrscht zwischen bildlichem und buchstäblichem Tode kein Unterschied. Aus diesem Grunde kann beim Gläubigwerden zuerst nur ein Werk in Betracht kommen: das des lebendig machenden Geistes, der den Geist des bildlich Toten berührt und ihm damit Christi Auferstehungskraft schenkt. Jetzt erst vermag der Betreffende auf Gottes Ruf durch das Evangelium reagieren und ihm Folge zu leisten. Wenn schon in der Fortpflanzung des Menschengeschlechtes Gott wiederholt deutlich zeigt, dass das Empfang des Samen zur Befruchtung allein von Ihm abhängt (1Mo 20:18; 1Mo 2521; 1Mo 30:2.22; Lk 1:7.13), um wieviel mehr kann das innere Aufnehmen von dem unvergänglichen Samen des Wortes Gottes zur Befruchtung und Erschaffung einer neuen Schöpfung nur allein von Ihm durch Seinen Geist bewirkt werden. Nur nach der Auferweckung aus dem Todeszustand können und dürfen Fragen über die Willensmitbetätigung erörtert werden. (Röm 8:10-14).

Die innere Bejahung des Angebots der Versöhnung, gleichsam das Ausstrecken der leeren Glaubenshand zur Besitzergreifung dieser Gabe Gottes, ist die erste Tat unseres Geistes nach und infolge seiner Belebung durch den Geist Christi. Nun ist unser Geist mit einer solchen Fülle göttlichen Auferstehungslebens durchdrungen, dass er selbstständig uns zu bezeugen vermag, dass wir Kinder Gottes sind (Röm 8:16). Diese kostbare Wahrheit haben wir, wie so viele andere, der wortgetreuen Übersetzung des Urtextes zu verdanken. Die übliche Wiedergabe dieser Stelle, so wie sie sich eingebürgert hat, sagt nur, dass Sein Geist Zeugnis gibt unserem Geiste.... Nach dieser Übersetzung wäre aber nur Gottes Geist der Sprechende und unser Geist gleichsam der lediglich Hörende, sozusagen das Empfangsgerät für die göttliche Sendung. Wörtlich heißt es aber: „Er selbst, der Geist bezeugt mit unserm Geiste, dass wir Kinder Gottes sind.“ Durch dies uns wirklich freudig erhebende Offenbarung sehen wir, zu was unser Geist befähigt wird. Der Satzbau des zitierten Verses ist so gehalten, dass unser Geist nicht mehr als nur der auf einen Empfang Wartende gesehen wird, sondern vielmehr die große Wirksamkeit des göttlichen Lebens offenbaren soll (Gal 5:24-26).

Wir müssen hier noch einen Schritt weitergehen und ausdrücklich hervorheben, dass wir auf Gemeindeboden stehen. Das erste Werk bei der Herausrufung der Glieder des Körpers Christi muss schon deshalb von Gott sein, weil es aufgrund der Auserwählung vorgenommen wird (Röm 8:29; Eph 1:3; 2Tim 1:9). Nur Er allein kennt die Auserwählten. Folglich können und dürfen gar keine, die nicht als Gemeindeglied vorherbestimmt sind, zu dem Glauben der Auserwählten kommen.

Evangelistische Wortverkündigung

Diese Einschränkung ist natürlich in keiner Weise auf die evangelistische Wortverkündigung anzuwenden. Das Angebot der Versöhnung hat, wo und wie es nur angeht, an alle zu ergehen. Der Drang, da Wort vom Kreuz allen Völkern zu bringen, steht ganz im Einklang mit der paulinischen Verkündigung. Der Zweck derselben ist jedoch nicht, die Welt zu christianisieren oder alle Völker zu Jüngern zu machen, wie das im Millennium der Fall sein wird (Mt 28:19-20), sondern die Herausrufung und Sammlung der zuvor bestimmten Glieder des Körpers des Christus. Das einzige Mittel dazu ist das Wort vom Kreuz, das frei sein soll von jeder menschlichen Nachhilfe. Bemühungen über die gezogenen göttlichen Grenzen hinaus und Anwendung vom menschlichen Mitteln im evangelistischen Rettungswerk entspringen meistens nur dem Mangel an Vertrauen zu der rettenden Kraft des Wortes vom Kreuz (Röm 1:15; 1Kor 1:18.24) und weiter der Unkenntnis darüber, dass Gott heute in der jetzigen Verwaltung, nicht die Massen, sondern die einzelnen ruft.

Neben dieser weitreichenden Verbreitung des Evangeliums sollte von jedem Gläubigen auch das persönliche Zeugnis von Christus und Seiner Erlösung an seine Mit- und Nebenmenschen im Alltag gepflegt werden. Das ist ein Dienst für Christus, der wohl wie kein anderer außergewöhnliche Kraft benötigt, weil in den meisten Fällen Selbstverleugnung damit verbunden ist. Wir sollten uns dieser so schönen Aufgabe, Christus den Menschen nahezubringen stets bewusst und zu jeder Zeit bereit dazu sein: den versäumte Gelegenheiten werden mitunter zu schweren inneren Anklagen. Ein Haupthindernis ist sehr oft die Scham. Siehe Röm 1:16; 2Tim 1:8.12. Aber auch unsere Feinde, die Mächte der Bosheit inmitten der Himmlischen, widerstehen denen, die sich anschicken, Christus zu bekennen, und nicht ohne Ursache fühlen solche sehr oft, dass ein unheimlicher Widerstand zu durchbrechen ist. Lassen wir uns durch einen solchen einschüchtern und zum Schweigen bringen, so sind wir keine edlen Krieger (2Tim 2:3; 2Tim 4:5), und diese Mächte haben Erfolg gehabt. Wird jedoch Christus und Seine Erlösung mutig bezeugt, so ist mit der Auferstehungskraft Christi ein gewaltiger Sieg errungen, auch wenn die Menschen gleichgültig oder gar ablehnend bleiben.

Wenn schon Gott sagt, Er wolle, dass alle Menschen gerettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit kommen (1Tim 24), so dürfen wir diese allumfassende göttliche Rettungsabsicht, die Er in und durch Christus auch tatsächlich durchführen wird, nicht in unsere heutige Gemeindeverwaltung zwängen, sonst bringen wir ihn in den unvernünftigen Widerspruch, dass Er gleichzeitig alle haben will und doch nur Auserwählte ruft. Sieht man aber klar Seinen im Wort niedergelegten Rettungsplan, dass zuerst der Körper des Christus vollendet sein muss, bevor die anderen an die Reihe kommen können, so schwindet jede Schwierigkeit.

Wenn es aber in der Möglichkeit eines jeden läge, heute schon diesem lebendigen Glauben an Christus zu kommen, so wäre ja zu befürchten, dass auch Nichtauserwählte sich zu der Gemeinde hinzutun könnten. Das entspräche ungefähr dem unausdenkbaren Zustand, dass bei der Ausauferstehung der Toten in Christo bei Seinem Kommen auch noch andere Tote die Gelegenheit wahrnehmen und sich erheben könnten, um mit hinauf zu eilen. Aber Gott wird nie in solche Verlegenheit kommen; denn Sein R at und Sein Plan werden nach Seinem Vorsatz zur Ausführung gelangen. Für die heutige Verwaltung geht es nach Röm 9:16: „Demnach ist es nun nicht von dem, der da will, noch von dem, der da rennt, sondern von Gott, der sich erbarmt“, und nach Auswahl der Gnade (Röm 11:5). Sehr ernstlich legt Eph 2:8 allen nahe, dass der Glaubensanfang nie in Verbindung mit eigenen Werken gesehen werden darf.: „Denn in der Gnade seid ihr Gerettete, durch Glauben, und dies nicht aus euch, Gottes ist die Nahegabe, nicht aus Werken, auf dass nicht jemand sich rühme! Könnten wir dabei mitwirken, so hätten wir ja eigenen Ruhm; aber dem wird auch aller Boden entzogen, indem die Auserwählung nur allein der Gnade zugeschrieben ist. Es bleibt dabei, die Grundlage unseres Glaubens ist einzig Gottes Werk, und die Rechtfertigung die erste Gabe Seiner Erlösung. Sie wird durch Glauben, umsonst, ohne Werke erlangt (Röm 3:23). „Dem aber, der nicht wirkt, ...glaubt aber an den, der da rechtfertigt den Ruchlosen, wird sein Glaube angerechnet zur Gerechtigkeit“ (Röm 4:5).

Glaube ist der genaue Gegensatz zu Werken. Was durch Glauben empfangen wird, dar nicht mit Werken vermengt werden. Das Tätigkeitswort „wirken“ kommt von „Werken“ und kann auch als Verb mit „werken“ wiedergegeben werden. (Vergl. in der Stichwortkonkordanz, „Werk“ S 635 mit „wirken“ S. 638).

Die Rechtfertigung aus Glauben, ohne Werke, ist einer von jenen Vorzügen, welcher die Gemeinde über die Stellung Israels hinauf erhebt. Ein lebenswichtiger Unterschied besteht gerade in diesem Punkt zwischen diesen beiden göttlichen Körperschaften.

Sinnet um - tut Buße!

Zu den Werken die von der göttlichen Heilsordnung für heute zum Gerettetwerden abgelehnt werden, gehört auch die Umsinnung (Buße), die dem Eintritt in das irdische Königreich vorangehen muss. „Sinnet um“, ist die Aufforderung zu einer Tätigkeit, zu einem Werk, so wie es Luther mit seinem "Tut Buße“ deutlich hervorhebt. Dazu kam dann noch die mit Händen vollzogene Wassertaufe, und erst über diesen Werkboden kam der Geist zu denen, die also wirkten, und darauf erhielten sie die Erlassung ihrer Sünden. Hier auf Königreichsboden musste sich die Gnade noch eine Beifügung vom Gesetz gefallen lassen, und durch diesen Einschlag wird darum von dem zu Rettenden zuvor ein Werk verlangt, dem Gesetz gemäß.

Im Gegensatz dazu lautet das Rettungsprinzip für die Glieder der Körpergemeinde: „Deshalb ist es aus Glauben, dass es der Gnade gemäß sei“ (Röm 4:16). Und die Gemeinde ist ein ausgeprägtes und unvermischtes Werk Seiner Gnade (2Tim 1:9). Daher schafft sich Gottes Gnade mit und durch die Gemeinde einen Ruhm, wie es ihr mit Israel nicht möglich ist. Durch Umsinnung wird hier Erlassung der Sünden verlangt, während dort Rechtfertigung durch Glauben außerhalb jeglichen Werkes eine viel größere Heilsgabe ist; denn sie ist Gottes eigene Gerechtigkeit, die Er dem Sünder mitteilt.

In Übereinstimmung mit diesem freien und souveränen Wirken des Geistes Gottes hat nun auch die Evangeliumsverkündigung an eine ungläubige Welt zu geschehen. Sie soll frei sein von jeglichem Drang, Zwang und gesetzlichem Einschlag. Nach Gottes Anordnung soll sie in Form einer Bitte erschallen: „Wir flehen für Christum: Werdet versöhnt mit Gott“! (2Kor 5:20). Nicht „Tut“, wie beim Angebot des Königreiches, sondern vielmehr: „Lasst etwas mit euch tun.“

Nun muss noch einigen Bedenken begegnet werden, welche diese Wahrheit von dem Fehlen der Umsinnung zur Rettung in der Gemeinde hervorrufen kann. Scheinbar tritt in diese Lücke eine gewisse Leichtfertigkeit, die den Ernst über die begangenen Sünden in einem höchst verwerflichen und gefährlichen Sinne abschwächen muss. Jedoch. „Buße tun“ in Form von Leid tragen über begangene Sünden bleibt auch weiterhin bestehen. Kein aufrichtiges Gotteskind könnte ohne das auskommen. Nur geht jetzt die Umsinnung nicht mehr der Rettung voraus als eigene Mitwirkung, sondern folgt ihr als ein reines Gnadenwerk. Deshalb vermissen wir das Wort „Umsinnung“ auch in den paulinischen Briefen nicht; doch immer erscheint es gemäß dem Rettungsprinzip für die Gemeinde.

Bei dem bekannten Ausspruch in Röm 2:4: „Oder verachtest du den Reichtum Seiner Güte und Geduld, nicht erkennend, dass die Güte Gottes dich zur Umsinnung führt?“ ist zu bemerken, dass Paulus in diesem Kapitel noch den Juden als solchen anredet, Röm 2:17: „Siehe! Einen Juden benennst du dich....“ Und zudem geht auch dieser genannten Umsinnung eine göttliche Wirksamkeit voraus: Seine Güte, welche zu dieser Herzensumstellung führt. Drei andere, von der Umsinnung redende Stellen (2Kor 7:9-10; 2Kor 12:21; 2Tim 2:25) handeln dann von der Umsinnung Gläubiger über begangene Sünden während ihres Glaubenslebens. Diese Umsinnung innerhalb der Gemeinde geht übrigens viel tiefer als diejenige, die zum Eintritt in das Königreich nur als eigene Umstellung des Denksinns verlangt wird. Durch die Lebendigmachung des menschlichen Geistes wird dagegen die Gesinnung des in die Gemeinde Christi Aufgenommenen an der Wurzel erfasst und ihre Einstellung von Grund auf umgeändert. Der Denksinn erfährt hier eine Erneuerung (Röm 12:2), die zu seiner Verjüngung führt (Eph 4:23).

Was wir aber vergeblich in den paulinischen Briefen suchen, das ist eine Aufforderung zur Umsinnung als Vorläuferin und Grundlage für unseres Rettung, so wie es für den Eintritt in das Königreiche unumgänglich geboten wird (Mt 3:2; Mt 4:17; Apg 2:38).

So entschieden sich nun Gottes Wort gegen Werke hinsichtlich des Glaubensananfangs verwahrt, ,so ist diesem bei der Rettung in Anwendung kommenden Grundsatz eigentlich doch eine ganz kurze Geltungsdauer gesetzt. Kaum hat die Gnade den in Sünde und Kränkungen Toten auferweckt und ihn als Glied der Gemeinde zugeführt, so findet ein solcher schon die Ermahungen, zu wirken und Werke zu vollbringen. Dieser bildlich aus den Toten Auferstandene hat ja nun ein neues Leben, ein Auferstehungsleben, empfangen, und jetzt wird von ihm erwartet, dass er sich sofort mit demselben auch für seinen Herrn einsetzt und betätigt.

„Nicht wirken“ und „keine Werke vollbringen“, tönt laut und vernehmlich denen entgegen, die Begriff sind, das neue Leben in Christus zu empfangen, um gerettet zu werden. Nachdem aber an ihnen dieses Gnadenwerk geschehen und sie innere Gewissheit darüber erlangt haben, ruft ihnen nun Paulus zu: „...wirket aus mit Furcht und Zittern eure Rettung“ (Phil 2:13). Auf diesem Gebiet will der Apostel zur Ausauferstehung aus den Toten gelangen. Das will heißen, das vom Herrn unternommene Werk nun auszugestalten und aufzubauen. Furcht und Zittern darf uns nie erfassen im Hinblick auf die Glaubensgrundlage, die der Herr durch Seinen Geist selbst legte, wohl aber im Blick auf die uns in die Hand gelegte Möglichkeit, weiter darauf zu bauen. Es besteht die Gefahr, dass wir in irgendeiner Sünde verharren könnten und unser Wandel mit fleischlicher Gesinnung durchsetzt würde.

Oder im Dienst für Christus könnte etwas übersehen oder mangelhaft ausgeführt werden. Wie leicht kann daher durch Lauheit die geschenkte Auferstehungskraft Christi brach liegenbleiben. Diese geistliche Tätigkeit kann zu feineren oder gröberen Bindungen führen, von den harmlosesten, zeitraubendsten Liebhabereien bis zum Nachgeben sinnlicher Begierden. Es ist ein Zustand, vor dem jedem bangen sollte, und wahrlich, Paulus redet nicht umsonst von Furcht und Zittern; denn für Christus steht dabei die Ehre und für uns ein Siegeskranz auf dem Spiel.

Diese ernste Wahrheit lässt sich mit unserm physischen Leben treffend illustrieren. Auch dieses ist eine Gabe Gottes, die wir einfach geschenkweise vom Schöpfer erhalten, ohne dass wir etwas mitwirken oder dazu tun konnten und vermochten. Ganz anders steht es nun mit dem Gebrauch dieses Lebens. Dasselbe ist uns in die Hand gelegt, und von uns hängt es nun ab, ihm eine gute oderungünstige Entwicklung zu geben. Durch verkehrte, vor allem eine sündhafte Lebensweise können wir das geschenkte Leben verkümmern lassen oder gar schwer schädigen. Jedoch bei Beachtung gesunder Lebensregeln wird es in rechter Weise gedeihen. Ein Jüngling, der es zu etwas in seinem Leben bringen will, wartet nicht tatenlos das Mannesalter ab, sondern wir sich durch regen Fleiß und Mühe zu vervollständigen suchen und eilt so der Mannesreife entgegen, so dass er schon als Mündiger und mannhaft Gewordener in seine Volljährigkeit eintreten kann.

Stillstand und Rückgang

Volljährig kann niemand vor der gebührenden Zeit werden; aber eine Vorreife kann man durch vielseitige Anwendung der geschenkten Lebenskraft erlangen. Ebenso verhält es sich mit Gaben, die der Schöpfer in das Leben legt. Diese entfalten sich und reifen auch nicht von selbst aus. Oft müssen sie zuerst geweckt und darauf durch viel Mühe entfaltet und zur Vollkommenheit entwickelt werden. So ermahnt Paulus seinen geistlichen Sohn Timotheus: „Vernachlässige nicht die Gnadengabe in dir...“ (1Tim 4:14). Und gar in 2Tim 1:8: „...wieder anzufachen die Gnadengabe Gottes in dir...“.

Wieviel Gnadengaben mögen doch in der Gemeinde unterentwickelt und brach liegenbleiben! Das beste Mittel, sie zu entdecken und anzufachen, ist ein reichliches Lesen und gläubiges aufnehmen des lebendigen und Leben spendenden Gotteswortes. Mit seinem Leben vermag es die im Herzen liegenden Ansätze zu befruchten und zur rechten Entfaltung zu bringen.

Diese Züge unseres physischen Lebens finden sich auf einer höheren Stufe auch im Glaubensleben. Nachdem dieses neue Leben in Christus umsonst und ohne Werde empfangen wurde, wird für seine weitere Entwicklung die eigene Mitbetätigung verlangt. Wenn es irgendwo zutrifft, dann in diesem Fall, dass Stillstand Rückgang ist.

Nachdem die Rettung geschehen, stehen Wandel und Dienst im Vordergrund. Obwohl wir Glaubensgerechtigkeit und Heilsgewissheit besitzen, so kommen Wandel und Dienst nur soweit zur Entfaltung, als wir mit unserem Willen und Wollen dabei mit tätig sind, das heißt, insofern wir die uns zur Verfügung stehende Auferstehungskraft auch in Anspruch nehmen.

Wir leben bildlich gesprochen in einer Welt voller Toter. Die geistliche Atmosphäre ist mit giftigen Todesdünsten geschwängert, die uns fortgesetzt in irgendeinen Tod ziehen und darin halten wollen. Wo wir das mit uns geschehen lassen, geschieht immer das Gegenteil von Pauli Streben: „...ob ich irgendwie gelangte zu der Ausauferstehung, zu der aus den Toten“, als Entfernung von dem Vollkommenheitszustand. Das unrühmliche Beispiel davon geben jene Gläubigen, über die Paulus jammert, ,weil der Bauch ihr Gott war und welche die ihnen zur Verfügung gestellte Auferstehungskraft, durch die sie den alten Menschen mit seinen Lüsten und Begierden stets und täglich an das Kreuz verweisen konnten, brach und unbenutzt liegen ließen (Phil 3:18). Und das sind ausgesprochene Feinde des Kreuzes Christi, obwohl sie an Sein von aller Sünder reinigendes Blut glauben. Der Übergang aus dem Tode ins Leben hat wohl stattgefunden; und die Rechtfertigung aufgrund der Tat Christi am Kreuz, ,welche die Teilhaberschaft an der Ausauferstehung aus den Toten bei Christi Kommen verbürgt, wurde im Glauben angenommen; die empfangene Auferstehungskraft aber, dank welcher wir dem Zustand der Ausauferstehung irgendwie so nahe wie möglich kommen sollen, wird nicht angewendet, und solche stehen in Gefahr, fleischliche Heilige zu bleiben.

Sie gleichen Kindern, die körperlich und geistig immer in demselben Stadium stehenbleiben und daher den Anforderungen des Lebens nie gewachsen sind. Irgend etwas hemmt ihre weitere Entwicklung, zum Schmerz und zur Besorgnis ihrer Eltern.

Um den Glaubenskampf nach jeder Seite hin recht führen zu können, müssen wir unbedingt auch darüber Klarheit haben, was im Falle einer Versündigung in uns in Mitleidenschaft gezogen wird. Aufgrund der darüber gegebenen Offenbarung darf gesagt werden, dass nicht die grundlegende Tat Gottes, die Er bei unserer Rettung allein wirkte, erschüttert oder gar aufgehoben wird. Auch keine Sünde vermag dieselbe bei den Gliedern des Körpers Christi ungültig zu machen. Aufgrund dieser Heilstatsache verkündigt Röm 8:1 so frei weg: „Nichts demnach ist nun zur Verurteilung denen, die in Christo Jesu sind.“ Diese Wahrheit ist so recht dazu angetan, unsere hohe Gnadenstellung hinsichtlich Israels hervorzuheben. Dort, in jener tieferen Sphäre, können Sünde und Untreue bei den Gliedern der Brautgemeinde noch bewirken, d,ass deren Name aus der Rolle des Lebens ausgewischt wird (Offb 3:5).

Die Grundelemente unserer Erlösung

Die Grundelemente unserer Erlösung und unseres vollen Heils sind Gottes Geist, der durch Christi Geist in uns wohnt, und unser lebendig gemachter Geist. Sündigen wir, so wird Gottes Geist betrübt (Eph 4:30) und dadurch in seinen vollen Auswirkungen gehemmt. Was er dann tut, ist das Überführen von der begangenen Verfehlung. Aber er bleibt und wird nicht von uns genommen, wie einst David befürchten musste (Ps 5111), und behält auch einem Gott verunehrenden Lebensabschnitt, als Angeld unseres Losteils, seine volle Gültigkeit (Eph 1:14).

Unser Geist wird durch die Sünde besudelt - auch das Fleisch, je nach der Art der Sünde - (wKor 7:1), aber nicht in den früheren Tod zurückgeführt. Durch Beugung und Bekenntnis, durch tiefes, aufrichtiges Leidtragen und Umsinnung, durch rücksichtlosen, willigen Vollzug eines schonungslosen, schmerzlichen Selbstgerichts weicht die Betrübnis von Gottes Geist, und durch Reinigung unseres besudelten Geistes im Wasserbad des Worte vermag er wieder mit Gottes Geist zusammen fröhlich zu zeugen von unserer Gotteskindschaft.

Diese Wahrheit ist ein unermesslicher Zuspruch für solche, die beim geringsten Danebenfall an zu großer innerer Betrübnis leiden und gar leicht in unnötige, dunkle Anfechtungen fallen. Diese kostbare Offenbarung ist daher vorwiegend für solche Ernstgesinnten, die es mit der Sünde in jeder Form sehr genau nehmen. Daneben bleibt aber noch gerade genug übrig, um Laue und fleischlich Gesinnte, welche dies Wahrheit als Ruhekissen nehmen, heilsam zu schrecken; denn was an eigener Kreuzigung der alten Menschheit und an Selbstgericht vernachlässigt wurde, das wird dann das Feuer vor der Preisrichterbühne des Christus zur Beschämung und zum Verlust des Betreffenden nachholen - und gründlich!

Die zahlreichen ernstlichen Ermahnungen an Gläubige sind ein deutlicher Beweis dafür, dass solche Rückfälle Geretteter in einen geistlichen Todeszustand wieder vorkommen können. Die mahnenden Worte sind nichts anderes als eine Aufforderung zur Ausgestaltung des Auferstehungslebens. Sie befolgen, ist ein weiteres Aufbauen auf die erste grundlegende Auferstehung beim Glaubensanfang. Jede Seite unseres Heils in Christus kann durch uns entfaltet, entwickelt und vervollkommnet werden.

Nun ist so manche Hemmung bei der Entfaltung des Glaubenslebens zuerst auf die Verkennung des Zusammenhangs und danach auf die Vermengung der vom Gläubigen zu vollbringenden Werke mit der grundlegenden Gottesrettertat zurückzuführen. So verschieden die Hindernisse auch sind, die diese Unklarheit hervorzurufen vermögen, sie verschwinden, sobald die vorangegangene, von Gott bewirkte Tat, aus welcher er das Vermögen und die Kraft zum Vollbringen darreicht, erkannt wird. Es ist folglich von großer Wichtigkeit, auch zu jeder Ermahnung den Anschluss an diese vorhergelegte Grundlage zu finden, um schließlich nur noch mit dieser herrlichen, Sieg verheißenden Tatsache zu rechnen. Ist diese Verbindung hergestellt, so werden wir mit zuversichtlicher Freude, mutvoll und siegesbewusst, den göttlichen Anforderungen zum Mitwirken nachkommen können. Einige nun folgende Beispiele sollen in dieses Glaubensgebiet einführen.

  • Kol 1:13 vernehmen wir von Gottes großer Befreiungstat: „... der uns birgt aus der Obrigkeit der Finsternis....“, jedoch Eph 4:27 warnt Paulus ernstlich die Heiligen, dem Widerwirker keine Stätte zugeben. Allein der Gedanke an diese erschreckende Möglichkeit kann zur höchsten Wachsamkeit anspornen.
  • Trotz der Siegesproklamation über Satan und sein Gefolge (Hebr 2:14; Kol 2:15), fordert uns Gottes Wort auf, die ganze Waffenrüstung anzuziehen, damit wir Widerstand leisten können gegen die Angriffe des Widersachers (Eph 6:10ff.)
  • Den Korinthern hält Paulus die herrliche Heilstatsache entgegen: „...jedoch ihr seid abgebadet (gereinigt), jedoch ihr seid geheiligt“ (1Kor 6:11), aber 2Kor 7.1 fordert er dazu auf, die Heiligkeit zu vollenden in der Furcht Gottes.
  • Nach Phil 3:21 wird Christus unsere Körper umgestalten; aber Röm 12:2 wird von uns verlangt, dass wir uns umgestalten durch Erneuerung unseres Denksinns.
  • Das uns Anvertraute wird von Christus, der mächtig ist, bewahrt (2Tim 1:12). Zudem sollen aber auch wir das uns köstlich Anvertraute selbst bewahren durch heiligen Geist, der uns innerwohnt (2Tim 1:14).
  • Das äonische Leben ist, von der einen Seite gesehen, wohl eine Verheißung (2Tim 1:1) eine Gabe die noch erwartet wird (Tit 1:2). Nach der Anweisung des Apostels an Timotheus aber sollen wir dasselbe schon heute im Glauben ergreifen (1Tim 6:12).
  • Der Aufforderung zum Jagen nach der Liebe (Kol 3:13) vermögen wir nur nachzukommen, weil zuvor die Liebe Gottes durch den heiligen Geist in unsere Herzen ausgegossen worden ist (Röm 5:5)
  • Christus ist des Gesetzes Ende - ohne unser Hinzutun - zur Gerechtigkeit jedem, der da glaubt (Röm 10:4). Die praktische Vollendung des Gesetzes sollte jedoch von uns vollbracht werden, durch Werke der Liebe, indem wir unsern Nächsten lieben wie uns selbst (Röm 13:9-10; Gal 5:6).
  • Neben diesen Gegenüberstellungen, die zum Vollbringen von Taten auffordern, gibt es auch noch solche, die uns als Ansporn zur Wachsamkeit dienen, damit wir uns nicht einer falschen und gefährlichen Sorglosigkeit hingeben.
  • Neben der herrlichen Tatsache des Versetztseins in das Königreich ddes Sohnes Seiner Liebe (Kol 1:13) sollen wir nicht vergessen, dass wir in einem Äon leben, dessen Gott der Widerwirker ist (2Kor 4:4).
  • Nach Gal 1:4 nimmt uns Christus aus dem gegenwärtigen bösen Äon; Tit 2:12 macht uns jedoch sehr eindrücklich, dass wir noch in ihm leben.
  • Freuen sollen wir uns über den heutigen Tag des Heils (2Kor 6:2); aber zu gleicher Zeit haben wir Obacht zu geben, dass wir genau wandeln, weil die Tage böse sind (Eph 5:15-16)

Den zwei folgenden Gegenüberstellung sei noch eine umfangreichere Ausführung gewidmet, weil darin Christus selbst als Vorbild erscheint.

  • Die erste betrifft unsere Gesinnung. Röm 15:3 zitiert Paulus in folgendem Zusammenhang ein Psalmwort: „Denn auch Christus gefällt nicht Sich selber, sondern, wie es ist geschrieben: „Die Schmähungen derer, die Dich schmähen, fallen auf Mich“ (Ps 69:9). Hier schauen wir, wie die Schmach rücksichtslos, ohne dass er Sich dazu äußern kann, über Christus kommt. An diese Schau des erniedrigten Gottessohnes knüpft Paulus folgende Bitte für die Heiligen an: „Der Gott aber des Ausharrens und des Zuspruchs gebe euch, untereinander gleichgesinnt zu sein, nach der Weise Christi“ (Röm 15:5). Die Demutsgesinnung Christi ersteht hier vor uns als eine Gabe Gottes, die in Seinem Geist, den wir erhielten, beschlossen liegt. Aber der Philipperbrief, als der gewaltigste Appell an unseren Willen, fordert uns in einer vornehmen Art auf, selbst an der Bildung dieser Gesinnung mitzuwirken, indem er Christus als Vorbild hinstellt. Die Offenbarung des Philipperbriefes zeigt nun Christus nicht mehr als den Passiv-Einnehmenden Seiner Schmähungen und Demütigungen, sondern als den Mitwirkenden an Seiner Erniedrigung. Er entäußerte Sich selber und Er erniedrigt Sich selber (Phil 2:7-8). Die Herrlichkeit, die Er droben beim Vater besaß, brauchte Ihm nicht ausgezogen zu werden, Er entäußerte Sich ihrer selber. Nie hätten Ihn die Menschen so tief demütigen können, wenn Er nicht zuvor darin eingewilligt hätte. Er ging nicht gezwungen den Pfad des Leidens und Sterbens, sondern als einer, dem die Wahl zwischen zwei Wegen offenstand und die Ihm vom Vater ganz frei überlassen wurde. Er spricht das offen aus, wenn Er Joh 10:17-18 sagt: „Deshalb liebt Mich der Vater, da Ich Meine Seele hinlege, auf dass Ich sie wieder nehme. Niemand nimmt sie von Mir, sondern Ich lege sie hin von Mir selber. Er hatte Seinem Vater Sein freiwilliges „Ja“ zu diesem Weg gegeben, und dieser Sohnesgehorsam wird dem Vater vor der ganzen Schöpfung noch große Ehren einbringen.

Dieses hehre Vorbild Christi wird nun als eine Ermahnung für uns benützt, um unsere Gesinnung nach demselben zu bilden. Von der Gabe wird nun zu der eigenen Mitwirkung übergegangen. Es ist etwas Großes, wenn Gläubige unvermeindliche Demütigungen und Erniedrigungen mannhaft und mutvoll ertragen. Aber der Philipperbrief zeit uns noch eine höhere Stufe. Vor der Wahl zwischen zwei Wegen sehend, einem äußerlich angenehmen und einem Leidensweg um Christi willen, sollen wir wie Er aus eigenem Willensantrieb und Willensentschluss, um Seinetwillen den Weg der Erniedrigung und der Demütigung vorziehen (vergl. Mt 4:9-10; Joh 6:15). Aus Liebe und Gehorsam zu Ihm Schweres auf sich zu nehmen, heißt, die Gesinnung Christi in uns zur höchsten Stufe erheben. Ohne aktivste Willensbetätigung ist es jedoch unmöglich, solche Wege zu wählen und zu gehen. Selbst-Entsagung und Selbst-Erniedrigung unsererseits sind bewusst vollbrachte Kreuzigungen der nach Höhe und Selbstruhm strebenden alten Menschheit bis in ihre feinsten Verwurzelungen, aus denen die gewaltigsten Ausauferstehungen aus den Toten hervorgehen.

  • Eine andere Gegenüberstellung, die ebenfalls eine längere Ausführung verdient, findet sich im Kolosserbrief. Dort wird die Kreuzigung der alten Menschheit unter einem anderen, äußerst lehrhaften Bilde dargestellt, und zwar durch ihr Abstreifen (Kol 2:11): „...in welchem (Christus) ihr auch beschnitten wurdet mit einer Beschneidung, nicht mit Händen gemacht, durch das Abstreifen des Körpers des (sündigen) Fleisches in der Beschneidung des Christus, ...“ Die Mitkreuzigung des Römerbriefes wandelt der Kolosserbrief in Mitbeschneidung um; sie ist aber im Grunde dieselbe Wahrheit; denn Mitbeschneidung ist dasselbe wie Mitkreuzigung. Hier haben wir in wenigen Worten die ausführlichste Lehre über Beschneidung: ein vollständiges Abgeschnittenwerden des sündigen Fleisches. Und das ist mit uns in der Beschneidung des Christus grundsätzlich geschehen. (Sein Fleisch wurde sündig durch unsere Sünde, zu der Er gemacht wurde und die Sein Abgeschnitten-werden zu einer Notwendigkeit machte.)

Nun ist ein neuer Ausdruck hinzugefügt: Das Abstreifen des Körpers des (sündigen) Fleisches. Gerade wie Mitkreuzigung, so ist Mitbeschneidung Lösung vom alten Menschen. Und das ist am Kreuz mit uns geschehen: Ihr wurdet beschnitten! Aber nun kommt wieder die andere Seite hinzu, indem wir aufgefordert werden, die sündigen Gewohnheiten durch das Abstreifen der alten Menschheit abzulegen (Kol 3:8-9). Was Gott mit uns in der Beschneidung des Christus getan, das sollen wir nun in eigener Mitwirkung praktizieren.

Durch die wörtliche Übersetzung von „Abstreifen“ erhalten wir noch tieferen Einblick in diesen Vorgang. Wie aus der Stichw. Konk. S. 363 zu ersehen ist, steht im Urtext: aus-schlüpfen! Das heißt: aus etwas heraus-, hervorkommen oder -schlüpfen, das uns fest umgibt. Der Ausdruck wird ja am häufigsten für die ausschlüpfenden Küchlein gebraucht, die eine harte Schale zu durchbrechen haben. Oder auch für die Insekten, die im Frühjahr die Erdkruste durchstoßen und aus der Erde ausschlüpfen. Und welch anschauliches Bild der Auferstehung, wenn der Schmetterling die harte Puppenhaut sprengt, dieselbe abstreift und sich schwebend in die Lüfte erhebt! Und in der Tat, diese Vorgänge in der Tierwelt entsprechen genau der Wirklichkeit; denn jedesmal, wenn wir uns aus unserem alten Wesen erheben oder losmachen, ist es, wie wenn wir etwas zu durchstoßen oder zu durchbrechen haben, und das geschieht nie ohne dass wir mit eigener Kraftanstrengung zusammen mit der Gnade die Rettung auswirken.

Weil nun dieses zur Betrachtung vorliegende Wort nur noch einmal vorkommt, so lohnt es sich, auch dieses Vorkommnis in den Kreis der Betrachtung zu ziehen. Es stellt wieder Christus für unseren Kampf als Vorbild hin und wird verwendet, um eine wichtige Seite des Sieges Christi kundzumachen. Auch dieser Auspruch findet sich im Kolosserbrief: „Und abstreifend die Fürstlichkeiten und Obrigkeiten, stellte Er sie öffentlich zur Schau, sie im Triumph einherführend“. (Kol 2:15). Hier wird nun dieser Ausdruck zu einer tiefen Offenbarung des unsichtbaren Kampfes, den Christus am Kreuz ausgefochten. Ein grausiges Vorspiel war der Abstreifung dieser boshaften Fürstlichkeiten und Obrigkeiten vorangegangen. Diese waren bei der Kreuzigung nicht nur zugegen, sondern aktiv daran beteiligt. Nach diesem Wort zu schließen, wurde Christus von ihnen ganz dicht umringt, gleichsam umklammert, und sie halfen mit, Ihn zu Tode zu bringen. Somit war der tote Christus für diese Mächte ein Triumph. Aber durch die Auferstehung, mit welcher Gott Seine Versöhnungstat am Kreuz für rechtskräftig erklärte, streifte Er diese feindlichen Wesen ab und schlüpfte aus ihrer Umklammerung, sie in ihm im Triumph einherführend. (Siehe in Stichw. Konk. S 594 die Erklärung zu diesem Wort.)

Man beachte wohl, nicht Gott selbst hat diese Befreiungstat gewirkt, sondern nur die Vorbereitung für diesen Sieg geschaffen, indem Er Seinen Sohn durch die Auferstehung mit Seiner überschwänglichen und allmächtigen Kraft erfüllte, mit welcher Christus dann selbst den Sieg über diese Mächte errang (Kol 2:15).

Unser Sieg in Christus

So wie nun Christus diesen Sieg erfochten, erlangen auf wir ihn über unsere alte Menschheit. Auch diese umklammert uns und will uns in ihrem Wesen festhalten, und diese Bande gilt es immer wieder zu durchbrechen und ihrer Macht durch Abstreifen zu entschlüpfen. Wie nun Christus in der Auferstehungskraft Gottes diese Mächte mit ihren böswilligen Handlungen an Ihm abstreifte, so streifen auch wir, durch Anwendung dieser uns geschenkten Auferstehungskraft, die alte Menschheit samt ihren Handlungen ab.

Aber nicht nur gegen uns selbst, sondern gegen diese feindlichen Mächte der Bosheit, die auch unsere Feinde sind, dürfen und sollen wir diese so bewährte Kampfesmethode anwenden.Die Kriegslisten des Widerwirkers, gegen die wir zu stehen haben (Eph 6:11), bestehen eben auch in Umgarnung, Umstrickung und Umklammerung. Aber in diesem Kampfe sollte es gar nicht so weit kommen, sofern wir aus dem „Schlafe“ aufwachen, aus den „Toten“ aufstehen und Gottes Waffenrüstung anziehen, in der wir dann in der Lage sind, uns von dieser heimtückischen Umklammerung freizuhalten. (Eph 5:14-17).

Nun gibt es leider solch traurige Fälle, wo Gläubige infolge einer verkehrten inneren Einstellung unter die Macht dieser geistlichen Mächte der Bosheit geraten sind. Aber selbst aus solcher Versklavung gibt es Befreiung durch einen schriftgemäß geführten Kampf, der unter Umständen aber lang und hart werden kann. Buchstäblich findet dann in einem solchen Fall, ähnlich wie bei Christus ein Abstreifen dieser Mächte und ein Ausschlüpfen aus ihrer Gefangenschaft statt.

Zusammenfassend können wir sagen, dass die große Erlösungstatsache von der Mitkreuzigung unserer alten Menschheit (Röm 6:6; Gal 2:20) ihre Übung im Glauben mittels eigener Willensbestätigung bewirkt. Obwohl mitgekreuzigt, so kreuzigen, die des Christus sind, das Fleisch mit den Leidenschaften und Begierden fortlaufend weiter (Gal 5:24). Grundsätzlich und vor Gott sterben wir mit Christus am Kreuz mit unserer alten Menschheit nur einmal, aber praktisch in unserem Wandel jeden Tag. Und so wie wir ebenfalls einmal bildlich aus den Toten auferstanden sind, so können wir nun, durch Anwendung dieser Gotteskraft, täglich fortlaufende bildliche Auferstehungen erlangen. Jedes gehorsame Befolgen irgendeiner dieser Ermahnungen erfordert den ganzen Einsatz des Willens und ist ein sieghaftes Sich-Erheben aus einem Hinab-gezogen-werden in einen Todeszustand, und das ist „aus den Toten auferstehen“. Wir vermögen, was unsere wirkliche, zukünftige Auferstehung betrifft, ihr nicht in beschleunigtem Tempo entgegenzueilen, viel weniger n och eine frühere zu erwirken, aber einen Teil des Zustandes, in den sie einführt, können wir durch einen geistlichen Wandel und treuen Deinst für Christus in unserem Leben empfangen und zur Darstellung bringen. Denen nun, die in dieser gesegneten Übung stehen und darin schon eine gewisse Reife erlangt haben, ruft der Apostel auch heute n och zu, mit ihm das Ganze ins Auge zuf assen und nach dem denkbar höchsten Ziele zu streben: „Die Ausauferstehung aus den Toten“.

Ja, die rechte Erkenntnis unsers vielseitigen Gnadenstandes nimmt dabei eine Hauptbedeutung ein und befreit diesen Lauf von so mancher Hemmung. Es ist besonders eine falsch verstanden Heiligungslehre, die gerade diese so wichtige Glaubensbetätigung unterbindet. Wenn es in Gal 2:20 heißt: „Mit Christus bin ich gekreuzigt, ich lebe aber, doch nicht mehr ich, in mir lebt aber Christus“, so legt die erwähnte irrige Lehre diese Stelle so aus, als ob nun die eigene Persönlichkeit mitsamt dem Willen ausgeschaltet wäre. Mit dem „ich“ ist aber hier der alte, verderbte Mensch gemeint, der am Kreuz abgetan wurde, und Wille und Persönlichkeit sind nun sehr notwendig, um ihn weiterhin im Tode zu halten. Durch die Erkenntnis Seines Wortes vermag sich nun unser Wille in Übereinstimmung mit dem göttlichen Willen durch die Auferstehungskraft Christi zu betätigen. Das ist keine Schmälerung des Erlösungswerkes Christi und keine Hinderung des Wirkens des Geistes in uns, sondern im Gegenteil, dadurch wird nur offenbart, wie tief beides in unser Leben hineinreicht und unsere körperlichen und intellektuellen Glieder wieder zu Seinem Dienst befähigt.

Wenn auf diese Weise der Glaubensanfang und das weitere neue Auferstehungsleben auseinandergehalten werden, wird manche Wahrheit auch leichter verständlich. So auch diese von dem vergeblichen Empfangen der Gnade: „Als Mitarbeitende aber sprechen wir euch zu, die Gnade Gottes nicht vergeblich zu empfangen.“ (2Kor 6:1). Wenn die Gnade rettet, will sie keine Mithilfe, und tiefes Empfangen ist nie vergeblich. Jener tief gefallene Gläubige in der korinthischen Gemeinde wird von Paulus einem strengen Gericht übergeben. Dennoch spricht er seinem Geist die Rettung zu am Tage des Herrn Jesu (1Kor 5:1-5). Aber in der Ausgestaltung unseres Glaubenslebens, in Wandel und Dienst, erzieht uns die Gnade und bedient sich unserer Mitwirkung. Wenn ihr solche versagt bleibt, so ist sie dafür vergeblich empfangen worden. Also an „Mitarbeitende“ lässt Paulus diese Ermahnung ergehen. So ähnlich ist auch das „von-Ihm-Verleugnet-Werden“ (2Tim 2:12) zu verstehen. dieses Wort zeigt, was auf das „vergebliche Empfangen der Gnade“ zum Dienen, folgen wird. Nach diesem Ausspruch kommt die Nachlässigkeit im Glaubensleben einer Verleugnung Christi gleich. Wenn nun Christus einen solchen auch verleugnen wird, so ist die Zugehörigkeit als Glied Seines Körper nicht ungültig dadurch. Jedoch vor Seiner Preisrichterbühne wird es einst offenbar, dass ein solcher Glaubenspfad nicht durch einen Lohn oder Siegeskranz ausgezeichnet wird (2Tim 2;5; 1Kor 3:14-15; 2Kor 5:10). Wer hier unten eine fleischliche Gesinnung pflegt, träge und lau der Gemeinschaft Seiner leiden aus dem Wege geht und sich an Seiner empfangenen, rechtfertigenden Gnade egozentrisch genügen lässt, ohne sich mit derselben für Christus zu betätigen, der bleibt auf diesem Gebiet für Christus ein Fremder. an der Front des großen Kampes um und für die Wahrheit hat der Herr einen solchen nicht gesehen, folglich wird er bei der Siegeskranzverteilung auch leer ausgehen. Dementsprechend wird auch der zukünftige Dienst und das Losteil ausfallen.

Um nun dieses Gebiet unseres Glaubenslebens nicht einseitig zu sehen, muss unbedingt daran festgehalten werden, dass dieses Wirken für den Herrn kein ausgesprochen selbstständiges ist, sondern nur in Verbindung mit der Gnade geschieht (Tit 2:11-14). Wiederholt weist Paulus auf dieses Zusammenarbeiten mit der Gnade hin. So, wenn er 1Kor 15:10 sagt: „... überaus mehr als sie alle mühe ich mich, nicht aber ich, sondern die Gnade Gottes mit mir.“ Ähnlich sagt er auch aus von seinem Mahn- und Lehrdienst: „... wozu ich mich mühe und ringe überein mit Seiner Wirksamkeit, die in mir wirket in Kraft“ (Kol 1:29). Auch im Philipperbrief finden wir diese zwei Seiten harmonisch miteinander vereinigt. Nachdem der Apostel zum Auswirken mit Furcht und Zittern der Rettung aufforderte, setzt er jedoch sogleich hinzu: „Denn Gott ist es, d,er da bewirket in euch das Wollen und auch das Wirken, für Seine Lust“ (Kol 2:13).

Hier nun auf diesem Gebiet der Arbeit und des Dienstes für Christus bedeutet unser Wirken keine Verkleinerung der Gnade. Im Gegenteil, dass die von ihr lebendig Gemachten nun befähigt werden, mit der Gnade zusammen mit dem eigenen Willen, durch die Erkenntnis des göttlichen Willens, in der Auferstehungskraft Christi zu dem herrlichsten Ziel hin zu wirken, gereicht ihr zu einem besonderen Ruhm.

Wofür erhalten wir Lohn und Lob?

In Verbindung mit dem eigenen Mitwirken weist Paulus auf die hin, die im Stadion laufen (1Kor 9:24ff.). Er stellt sie als vorbildlich hin, weil sie sich in allem einer Enthaltsamkeit befleißigten, um ihre Körperkraft zur höchsten Entfaltung zubringen. Auf diese Weise wirkten sie mit der ihnen geschenkten Körperkraft. Nur dass diese Sportsmenschen um einen verwelklichen Siegeskranz liefen, währen Paulus in seinem Lauf und alle ihm Nachfolgenden dies um einen unverwelklichen tun. Das führt wieder hin zu der Preisrichterbühne des Christus, wo jeder so empfangen wird, wie er sein neues Leben in der Kraft Gottes ausgenützt hat. Es ist schon über alle Maßen groß, das Geschenk des unvergänglichen Lebens, das wir bei dem Kommen Christi erhalten werden. Das führt wieder hin zu der Preisrichterbühne des Christus, wo jeder so empfangen wird, wie er sein neues Leben in der Kraft Gottes ausgenützt hat. Es ist schon über alle Maßen groß, das Geschenk des unvergänglichen Lebens, das wir bei dem Kommen Christi erhalten werden. Aber das genügt Ihm in Seiner Liebe zu uns noch nicht. Er hält n och Lohn und Siegeskränze für die bereit, die Ihn hier unten in Wandel und Dienst verehrten.

Es ist eine siegesnotwendige Wahrheit zu erkennen, wofür Christus Lohn und Lob austeilen wird. Niemand wird etwas dafür erhalten, dass es sich, wie man sagt, „bekehrt hat“, denn für die Glieder des Körpers Christi trifft das nicht zu, weil das nur Gottes Werk ist. Es wird auch niemand Lob empfangen, weil er einmal aus den Toten auferstanden sein wird und dem Herrn in die Luft entgegengehen konnte. Das sind alles alleinige Werke Seiner Gnade, für welche ihr der Ruhm ungetrennt verbleiben wird. Wer aber wie Timotheus mit Paulus Übles leidet und um Christi Willen und für Ihn wie ein echter Krieger im Kampfe steht (2Tim 2:3) und wer wie Paulus den köstlichen Ringkampf ringt, den Lauf vollendet, den Glauben bewahrt und dabei unentwegt auf Christus wartet und Seine Erscheinung liebhat, der wird vor Seiner Preisrichterbühne ganz gewiss nicht leer ausgehen, sondern Lob und einen Siegeskranz der Gerechtigkeit aus seiner Hand empfangen dürfen.

Das Jagen nach diesem Ziel des Vollkommenheitszustandes, der Ausauferstehung aus den Toten, um dieses himmlischen, herrlichen Lohnes willen, könnte wohl als das Höchste erscheinen. Dem Apostel stand dabei doch noch Größeres vor Augen, und das war nicht sein eigener, sondern der Vorteil seines Herrn. Er war bemüht und setzte alles daran zu erreichen, dass Christus bei Seinem Kommen möglichst viele entgegeneilen, die zum vollkommenen Manne herangereift sind. Je mehr sich von diesen unter denen befinden werden, die Er einst hinaufrufen wird, desto größer die Ehre Christi. Denn wer hier unten alles daran gesetzt haben wird, um zu dieser Veollkommenheit zu gelangen, der hat eine äußerst wertvollen Vorbildung erhalten, um droben das Erwartungsgut nach dem Willen des Herrn zu verwalten, und wird mit kundiger Einsicht an die Arbeit seines zukünftigen Berufes für Christus gehen können.

So wie beim Anbruch des Königreiches unten auf der Erde Christus die Treuen aus Israel mit Vollmacht über fünf und zehn Städte belohnen wird, so wird Er auch droben an die Glieder Seines Körpers, die während ihres Gaubenslebens für Ihn im Kampfe standen, je nach der Treue, kleinere oder größere Losteile zum Genuss und zur Verwaltung übergeben. Damit wird ein dienst verbunden sein, wie er schöner und herrlicher nicht erdacht werden könnte. Was nach Ps 149:6-9 Israel an den Nationen ausführen wird, das werden wir droben an den in den Abfall geratenen himmlischen Mächten tun. Und wie unten dieser mit Gericht verbundene Dienst zur Erfüllung von Jes 2 und Sach 8:20-21 führen wird, ,so wird unser soviel höherer Dienst, bei dem ebenfalls Gericht auszuüben ist (1Kkor 6:3), diese himmlischen Mächte zur Huldigung und zur willigen und freudigen Anbetung Christi führen (Phil 2:11; Kol 1:20).

Diese alles überragenden Verheißungen sollten in der Gemeinde noch vielmehr bedacht und betrachtet werden. Es gibt ein unrühmliches Hängen- und Stehenbleiben an der eigenen Rettung und Seligkeit, das zu einem Hindernis für die Erkenntnis des allumfassenden göttlichen Liebesheilsratschlusses werden kann. Gewiss, wer nicht mehr verlangt, als nur selbst gerettet und bei der Hinwegnahme der Gläubigen dabei zu sein - sei es durch Verwandlung als dann noch Lebender oder durch die Ausauferstehung -, der braucht nicht mehr als die R echtfertigung, die er durch einen einzigen Glaubensakt, durch die Annahme der Erlösung in Seinem Blut, besitzt. Aber eine andere Frage ist und bleibt immer die: Was für Frucht und Verherrlichung bringt ein solche eng beschnittenes Glaubensleben für Christus?

Was will auch ein reich begüterter Vater mit einem in der Unmündigkeit stehendem Sohn anfangen, der nichts mehr begehrt als das tägliche auskömmliche Brot und sich nicht die geringste Mühe gibt, um einst die Güter seines Vaters zu dessen Vorteil und Freude zu verwalten.

Darum sollten wir doch ernstlich darauf bedacht sein, aus aller Unmündigkeit des Glaubens herauszukommen, um zu erwachsenen und Christus ähnlichen heranzuwachsen, mit dem Bestreben, wie Christus in den Dingen Seines Vaters zu sein (Lk 2:49).

Auf diesem Gebiet ist es uns in die Hand gelegt, an der Ehre und Verherrlichung Christi viel oder weniger beizutragen, und je nach dem Maß dieser Betätigung können wir vieles gewinnen oder verlieren. Und im Blick auf diese ernsten Wahrheiten ist es, dass Paulus allen Ernstes auffordert, mit ihm nach der Ausauferstehung aus den Toten zu trachten. Wie herrlich und groß und so unendlich vielsagend wird doch dieselbe, wenn wir erkennen, dass sie den Weg zu der höchsten Vollkommenheit im Glaubensleben kennzeichnet, und wie erweist sich doch diese Erkenntnis in der praktischen Erfahrung des Alltags als das geeignete Mittel, die Auferstehungskraft Christi zur höchsten Entfaltung im Leben zu bringen.

Durch das Wort Gottes und auch aus schmerzlichen Erfahrungen wissen die Glaubenden, dass gerade in unseren Tagen der Widerwirker mit vermehrter Anstrengung und unter äußerster List mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln die nahestehende Vollendung der Gemeinde in jeder Weise stören und zu hintertreiben versucht. Die Erkenntnis dieser Tatsache kann zur höchsten Wachsamkeit anspornen. Aber neben dem dürfen wir versichert sein, dass Christus, als das über alle himmlischen Mächte hoch erhöhte Haupt Seiner Gemeinde, ebenfalls mit verstärkter Wirksamkeit auf dem Plane steht, um mit Seiner alles überragenden Gnade den Seinen eine völlige Zubereitung auf Seinen Tag angedeihen lässt. Wir können das daran erkennen, dass der Geist Gottes wieder den Apostel Paulus mit seiner Botschaft in den Vordergrund stellt und die einzigartige, hohe Stellung des Körpers Christi und den allumfassenden Sieg Gottes und Seines Christus wieder in hellem Glanze aufstrahlen lässt. Es sind zum Großen Teil diese Wahrheiten, welche dazu beitragen, den Glaubenden aus der Unmündigkeit zur Vollkommenheit hinanzuführen und die göttliche Auferstehungskraft in überschwänglicher Fülle zu einem geheiligten Wandel darzureichen.

Schmerzlich und betrübend wirkt die Tatsache, dass nun gerade die Gott und Christus so verherrlichenden und die Gläubigen so fördernden Wahrheiten in der Gemeinde selbst, zu einem Teil, leider immer noch Ablehnung und Bekämpfung erfahren. Aber man sehe ja nicht in diesen offenen und aktiven Gegners die eigentlichen Schädlinge dieser tieferen Lehren. Nein, sondern diejenigen, welche diese tiefen Gotteserkenntnisse aufnehmen und für sie einstehen, aber daneben einen unwürdigen Wandel führen, bringen sie in Verruf und erschweren anderen deren An- und Aufnahme. Wer z.B. nicht bis zum Äußersten lieben, tragen und langmütig sein kann, soll das Zeugnis von der Allaussöhnung lieber bleiben lassen, denn das verpflichtet zu einer Darstellung im Kleien des großen Endzieles Gottes, wo sämtliche Übel durch die Macht der Liebe Gottes in Christus auch restlos überwunden wird.

Von dieser Seite gesehen, dass Gottes Geliebte in allem Seine Nachahmer werden sollen, muss Ablehnung und Bekämpfung da sein, auf dass dieser alles überwindenden Liebe Gottes, neben ihrer lehrhaften Offenbarung, auch Gelegenheit gegeben werde, praktisch ihre Unbesiegbarkeit durch ihre Träger zur Schau zu stellen.

Zur höchsten Vollkommenheit

Aus diesem verständlichen Grund ist Paulus nicht nur einseitig auf die Einführung der von ihm geoffenbarten Geheimnisse bedacht, sondern auch darauf, in Sonderheit die Heiligen, die ihm hinein in die überschwängliche Erkenntnis Christi Jesu folgen, anzuspornen, ihren Wandel und Dienst für Christus auf die Stufe der höchsten Vollkommenheit zu bringen, „auf dass die Lehre, die unseres Retters, Gottes, schmücken mögen in allem“ (Tit 2:10).

Die Kundgebung des Apostels von seinem Jagen nach der Ausauferstehung und seine Aufforderung zur Mitnachahmung waren eben für die gedacht und bestimmt, welche ihm schon in seinen lehrhaften Darlegungen zu folgen vermochten. Ihm genügte aber bei diesen Nachahmern die Erkenntnis dieser Gottesoffenbarungen keineswegs, ihr Wandel sollte nun auch diesen Enthüllungen ebenbürtig sein.

Heute nun, wo der Herr wieder so vielen der Seinen die Herzen für die Sein Wort vervollständigenden Wahrheit öffnet, erlangt die bildliche Ausauferstehung, als Streben nach der höchsten Vollkommenheit, ebenfalls wie ihre volle, frühere Bedeutung. Aus diesem Grund hat der Geist Gottes ihr eigentliches Wesen und ihre wahre Bedeutung wieder als hellleuchtende Fackel in die Gemeinde gestellt. So wie Paulus damals sein Streben nach ihr als flammenden Protest gegen jeden fleischlichen Wandel seiner Nachfolger ergehen ließ, so hallt sie auch heute in der Eigenschaft wieder durch die Reihen der Gläubigen. Vor allem soll sie an das innere Ohr derer gelangen, welche die der Gemeinde wieder neu geschenkten Wahrheiten, wie die Allaussöhnung, angenommen, dabei aber einen Wandel der Weltförmigkeit und der Lauheit führen. Paulus „glühte“ (2Kor 11:29), wenn er ein Zwitterleben der Halbheit ansehen musste, und brachte damit nur zu getreu zum Ausdruck , was des himmlischen Vaters Herz selbst bewegt, wenn Er sehen muss, wie Seine tiefsten Erkenntnisse, die Sein liebendes Herz preisgab, in ein unterlauteres Leben auf- und hineingenommen werden, ohne dass ihre Kraft angewandt wird, um zu einem Wandel im Geist zu gelangen.

Die ganze Schar, die sich heute an diesen reichsten Schätzen Seines Wortes erquickt, sollte darum als geistliche Parole und in hell-leuchtenden Worten auf ihr wehendes Banner schreiben: „Hineingelangen zu der Ausauferstehung, zu der aus den Toten!“ Diese lange verloren gewesene Wahrheit verdient es, in ihrer wahren Bedeutung unter den aller bekanntesten Erkenntnissen in der Gemeinde zu stehen, und in jeder an uns ergehenden Ermahnung Seines Wortes sollten wir sie sozusagen als sichtbares Wasserzeichen entdecken. Ja, sie sollte uns als segensvoller Ansporn zu einem Gott wohlgefälligen Wandel so tief in die Herzen eingegraben sein, dass auch jede sie anders darstellende Auslegung sofort abgestoßen und abgewiesen wird.

Ein Umstand unserer Tage erhöht ihre hohe Aufgabe noch um ein Bedeutendes. Weil nämlich die Gemeindezucht und das gegenseitige Ermahnen, die beide mannhaften und unerschrockenen Mut erfordern, im allgemeinen im Laufe der Zeit z u einem vernachlässigten Gebiet geworden sind, und den hierfür „trübe gewordenen Augen“ so manches entgeht, was nicht ungemahnt bleiben sollte, so will uns die zur Nachahmung empfohlene Ausauferstehung veranlassen und nötigen, unsere eigenen Augen mehr zu gebrachen und auf uns gerichtet zu halten, um dadurch selbst auf uns achtzugeben.

Das war ja zeitlebens des Apostels tiefstes Anliegen geblieben, dass die Erkenntnis von der der Gemeinde geschenkten überschwänglichen Gnade ja nicht verdunkelt, abgeschwächt und verunehrt werde durch einen Wandel im Fleisch. Schmerz und Jammer erfasst sein herz, wenn ihm solches von Gliedern der Gemeinde bekannt war (Phil 3:18). Mit aller Macht wirkt er dieses der Gemeinde stets drohenden Übelständen entgegen. Herzeindringlich warnt er fortgesetzt vor dieser Gefahr des Zurückfallens in einen Zustand des Todes, und reichlich bat er im Auftrag Christi lebensmitteilende Ermahnung für einen Wandel im Geist gegeben. Und nun setzt er sich mit seiner eigenen Person dafür ein, als sicherer Führer aus allem noch vorhandenen Todeswesen herauszubringen. Dazu wird er vom geist angeregt, sein eigenes Heiligungsleben als nachahmenswertes Beispiel hinzustellen. Anschließend macht er auch das Ziel kund, welches ihm dabei vor Augen steht: Die Ausauferstehung aus dem Toten, als Gleichgestaltung der Auferstehung Christi und als teilweise Vor-Verwirklichung unserer zukünftigen Auferstehung schon im Leben. wie eine große Werbung und Ermunterung zur Teilnahme an diesem Glaubenslauf stellt Paulus dieses erhabene Ziel vor die Augen der Gläubigen. Es strahlt heute wieder als helles Sicht in der Gemeinde, den Weg zur höchsten Vollkommenheit weisend.

Für sich selbst hatte Paulus die Gewissheit einer siegreichen Vollendung seines Laufes (2Tim 4:7-8). Aber in seiner brünstigen Liebe zu Christus und den Seinen könnte ihm das weder genügen noch ihn restlos befriedigen. Es war ihm ein heißes Herzensanliegen, dass stets, auch nach seinem Tode, solche da sein möchten, die ihm auf dem alles überragenden Höhenweg folgen, auf dass er nicht vergeblich gelaufen noch sich vergeblich gemüht habe (Phil 2:16). Mit denen, die seine Nachahmer geworden (1Thes 1:6) und Vorbilder der Gläubigen waren (1Thes 1:7) und die sich schon frühe mit ihm rege und lebendig in der Ausgestaltung ihres Auferstehungslebens befanden, hatte er begonnen, einen Ruhmeskranz zu winden (1Thes 2:19). Wir kennen unseren Apostel zu gut, als dass er mit demselben nur auf seine Freude und seinen Ruhm bedacht gewesen sei. Nein, mit diesem Kranz wird er an jenem Tage die Freude und den Ruhm und die Verherrlichung seines Heilandes vermehren und erhöhen. Und wer wollte darum nicht hineingewoben werden in diesen Ruhmeskranz?

Die Welt bietet heute dem erleuchteten Auge das ergreifende Schauspiel des haltlosen Sinkens und Versinkens in den Tod, wie ihn die Vollentwicklung des von Gott gelösten Ichlebens mit sich bringt. In der Gemeinde aber, die in einer solchen Welt lebt, ist die Gnade, die da herrscht zum äonischen Leben (Röm 5:21), am Werk und bereit, mit der überschwänglichen Macht der Auferstehungskraft Christi jedes ihr hingegebene Glied des Körpers Christi immer tiefer in die Gleichgestaltung der Auferstehung zu führen.

Angesichts des besonders heute, durch die erhöhte Wirksamkeit der verheerenden Kräfte der Sünde und des Todes, zunehmenden Sterbens in der Welt sollten nun auch in verstärktem Maße in der Gemeinde täglich fortlaufende Ausauferstehungen, zusammen mit der Gnade, durch fortgesetztes Siegen über die Sünde und in geheiligtem, hingegebenen Dienst für Christus gewirkt werden, um diesen scheinbaren Sieg des Bösen ein ihn überragendes, Leben ausstrahlendes und nicht zu übersehendes Zeichen des allumfassenden Sieges Christi am Kreuz und in Seiner Auferstehung entgegenzustellen.

Das Herabsteigen Christ zur Wegraffung Seiner Gemeinde steht nahe bevor. Wieviel Zeit mögen wir noch haben? Zu unseren Tagen des allgemeinen Niedergangs ruft uns Gott in Seinem Wort durch unsern Apostel kräftiglich zu: „die Gnade Gottes nicht vergeblich zu empfangen“ (2Kor 6:1) und die großen Gelegenheiten, die sie uns heute bietet, doch recht auszukaufen! Und eine ihrer herrlichsten Gelegenheiten ist doch die, mit Paulus nach der höchsten Vollkommenheit zu streben: um irgendwie - in der rechten Erkenntnis - hinein zu gelangen:

Zu der Ausauferstehung,
zu der aus den Toten!