Der über den Wassern brütende Geist

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Abschrift des Buches: Vom Geheimnis Gottes und Christi
Pfarrer Theodor Böhmerle (1870 - 1927)

Sonderabdruck aus dem Monatsblatt für biblische Vertiefung „Die Gemeine“ 1925/26
Philadelphia Buchhandlung August Fuhr, Reutlingen

weitere Abschriften siehe:

Inhaltsverzeichnis des Buches
Kapitel davor:
8. Auferstehung

9. Der über den Wassern brütende Geist

1Mo 1:2

Der Geist Gottes brütete über den Wassern.

Hier begegnet uns zum ersten mal in der Heilige Geist. „Der Geist Elohims“ heißt es. Das ist der Geist des Mehrzahlgottes, denn Elohim ist nicht Einzahl, sondern Mehrzahl. Das ist nicht nur eine Mehrzahl der Majestät, wie wenn es früher hieß: „Wir, von Gottes Gnaden“. Nein - wir kennen diese Mehrzahl: es ist der Vater und der Sohn, deren Heiligen Geist wir hier vor uns haben. Dieser Geist Gottes, so heißt es in unserem Wort, b r ü t e t e über den Wassern. Diese Worte geben uns mancherlei Einblicke in Gott, in den Geist, in Sein Wesen und Wirken.

Zunächst haben wir, wenn der Geist Gottes hier mit ausgebreiteten Flügeln brütet, etwas entschieden Weibliches vor uns. Brüten ist vorwiegend das Geschäft der weiblichen Vögel - und wenn selbst Männchen in der Natur je und je brüten, so üben sie damit ein weibliches Geschäft aus. Brüten ist etwas Mütterliches. Wir erinnern uns, dass Gott einmal sagt: „Kann auch ein Weib ihres Kindleins vergessen...., und ob sie desselbigen vergäße, so will doch Ich dich nicht vergessen.“ Wir erinnern uns, dass der Herr einmal sagt: Wie oft habe Ich dich versammeln wollen, wie eine Henne ihre Küchlein versammelt unter ihre Flügel.“ Das alles ist weiblich-mütterlich. Im Gottwesen liebt neben der Männlichkeit, die Ihm überall zugeschrieben ist, auch ein weiblich-mütterlicher Zug. Die beiden großen Grundprinzipien der Männlichkeit und der Weiblichkeit sind in Ihm eins. Es ist in Gott alles eins, was in der Kreatur vielfältig, strahlenmäßig ist. Es ist in Gott alles eins, was in der s ü n d i g e n Kreatur gegensätzlich ist.

Die Männlich-Weiblichkeit ist ein Grundzug des Wesens Gottes. Daher sind in Gott auch Zeugungen und Geburten. Und alles, was eigentlich göttlichen Charakter hat, das hat auch diesen Grundzug. Darum schuf Gott auch den Urmenschen mit der Kindschaftsanlage männlich-weiblich, wie die Schrift sagt. Und die wiedergeborenen Gotteskinder tragen wieder diesen Zug, darum heißt es: Hier ist nicht Mann noch Weib, sondern allzumal E i n e r in Christo. - Es ist ein hochbedeutsamer Blick, den wir in die Gottheit tun, wenn es heißt, der Heilige Geist brütete über den Wassern. - Das ist gewiss nicht nur Gleichheitswort. Die Bibel hat nie bloße Vergleiche. Ihre Gleichnisse schatten alle Tatsachen ab - sie sind gefüllt. Gott hat Mutterwesen, das geht aus der ganzen Offenbarung hervor, wiewohl Er Vater ist.

Das Wesen des Heiligen Geistes

Dann ist es hochbedeutsam, und gibt einen Einblick in das Wesen des Heiligen Geistes und der Tinität, dass das Wort „Geist" nach seinem Ursinn heißt: "Luft, Hauch". Das zeigt uns an, dass der Heilige Geist nicht Person ist, sondern eben vom Vater und vom Sohn ausgehender Hauch. Daher kommt es sicherlich, weil das Sein Wesen ist, das Er in der Heiligen Schrift nie angerufen und nie angebetet wird. Sie sollen alle den Sohn ehren, wie sie den Vater ehren, nie steht etwas Ähnliches vom Heiligen Geiste. In unsere hergebrachten Bekenntnis ist etwas viel Zeitphilosophie geraten, und diese hat das Leben oft in Ketten geschlagen. Der Heilige Geist ist der Lebensgeist des Vaters und des Sohnes. Und weil Vater und Sohn nie etwas ohne einander tun, ist es der Gemeinschaftsgeist des Vaters und des Sohnes. Und gleichwie die Eins und die Zwei in der Drei eins sind, so sind ständig Vater und Sohn im Geiste eins.

Wenn auf den höheren Offenbarungsstufen des Geistes der Heilige Geist w i l l , w i r k t , s c h a f f t , so ist solches von Ihm gesagt, weil je länger je mehr der ganze Gott und der ganze Sohn mit Ihrer ganzen Willenspersönlichkeit in Ihm und durch Ihn wirken. Eben, weil Er Geist, weil Er gott-durchdrungener Hauch ist, kann Er überall eingehen; deshalb können Vater und Sohn in Ihm Wohnung machen. Der Vater und der Sohn sind nur allgegenwärtig im Geiste. Darum geht eben auch das mütterlich-brütende Wesen, welches wir in unserem Worte am Geiste sehen, auf den Vater und auf den Sohn zurück. Das Vater- und das Sohnes-Wesen füllet den Geist also. - Deshalb ist der Heilige Geist doch Gott aus Gott, denn Er ist nichts anderes, als das ausströmende, und Sich offenbarende Gottwesen. Wo eine Persönlichkeit ist, da ist auch der von ihr ausgehende Geist Persönlichkeit, wiewohl er nur der die Persönlichkeit durchwaltende Geist ist. Aber die Persönlichkeit offenbart sich eben in ihrem Geiste.

Darum ist der Heilige Geist der sich auswirkende Gott, der im Sohne sich auswirkende Gott. Der ganze Gottesplan wird durch den Geist verwirklicht. Der Vater ist der Ungrund oder der Ohne-Grund; der Sohn ist der, in dem alles Grund wird, und durch den alles geoffenbart wird; der Heilige Geist ist der Herausstellende und Hinstellende, der zu Stand und Wesen Bringende. Und diese Drei sind stets eins. Man kann Sie in nichts und nirgends ohne einander finden. Weil der Vater nichts ohne den Sohn will, weil der Sohn nichts ohne den Vater will, so strömt Ihr Geist immer zusammen, geht immer in eins und geht wesenseinheitlich aus, bei aller Verschiedenheit des Auswirkens. Es sind mancherlei Gaben, Zeichen und Kräfte, aber es ist e i n Geist. -

Das Wirken des Geistes

Im Geiste wirkt sich alles aus. Der Geist brütet - nicht der Vater und nicht der Sohn - das wäre völlig ungeziemend zu sagen, der Vater oder der Sohn brüte. In Ihnen beiden ist der Mutterboden des Brütens - aber brüten selbst tut der Geist. Auf reiferen Stufen des Geisteslebens lernt man immer mehr unterscheiden, was dem Vater, dem Sohne und dem Geiste zugehört. Unmündige schreiben oft noch dem Heiland zu, was des Vaters oder des Geistes ist. Der reifere, in der Ökonomie Gottes bewanderte Glaube hat die Unterscheidungen klarer und deutlicher. Wer geistliches Verständnis hat, weist dem Geiste immer die Auswirkungen zu. Aus dem Vater geht alles, durch den Sohn mittelt alles, im Geiste wird alles. Darum brütete schon in jenen Anfängen der Geist Gottes über den Wassern. Gewiss ist es Gott, gewiss ist es der Sohn, die dort Ihre Heilsgedanken über den Wassern haben, aber der Brütende, der in die Wasser Sich-Hineinwirkende ist der Heilige Geist. - Wir Gläubige in Christo, wir sind ganze und volle Geistesleute. Wir haben alles unsichtbar und haben alles nur geistlich. Es geht auch, wo der Herr sichtbar ist, nur durch den Geist - aber, wo Er unsichtbar ist - da ist es doch noch viel geistlicher. So haben wir dann als Kinder Gottes auch nur geistliche Waffen - und als schneidendste Waffe die geistgewirkte Passion.

Auswirkungen in der Schöpfung

So sind also alle Schöpfungen Geistesauswirkungen. Sind sie durchs Wort des Herrn gemacht, so hat sie eben der Geist zu Stand und Wesen gebracht. Wort ist immer Geistesträger. Und so wird auch die Rettung und Verherrlichung der ganzen Kreatur durch den Heiligen Geist zuwege gebracht. Und wenn endlich Gott ist alles in allem, so ist Er es eben im Heiligen Geiste auf verschiedenen Stufungen.

Wenn wir nun den Heiligen Geist über den Wassern brüten sehen in unserem Moseswort, so sehen wir auch, wie der Heilige Geist wächst, wie Er gefüllter und gefüllter wird in den weiterschreitenden Haushaltungen Gottes. Wenn Er über Wassern brütet, so ist Sein Auswirken noch mehr rein auf dem Boden der Natur - wie das auch die folgenden Tagewerke der Neuschöpfung zeigen. Das ist doch etwas ganz anderes, wenn der durch Gethsemane und Golgatha, wenn der durch Tod und Auferstehung Christi mitgenommene Heilige Geist, der jetzt die verklärten Sohneskräfte mitteilt, einen Menschen neu gebiert. Beides zusammengehalten: das Brüten über Wasser und das Neuschaffen von Gotteskindern, sehen wir als das ungeheure Wachstum des Geistes. Beides ist, wie wir noch näher sehen werden, ein Neuschaffen, aber auf wie verschiedenen Stufen! Bei den Wasser von 1Mo 1 heißt es b r ü t e n - da ist der Gegenstand des Geistwirkens etwas n i c h t S e l b s t b e w u s s t e s; bei der Neugeburt ist es ein bewusstes Schaffen, denn es handelt sich um selbstbewusste Menschen.

Das Wachstum des Geistes

Ja, der Geist wächst und wird immer voller. Er wächst im Himmlischen, und wirkt Sich dann im Irdischen reicher aus. Er wächst mit dem Sohne. In Gott ist Leben. Ja, G o t t ist L e b e n - das ist das Höchste und Tiefste, was wir von Ihm sagen können. Leben aber ist Wachstum. Wir glauben, wie wir die Schrift verstehen, auch an ein Wachstum innerhalb der Gottheit. Dem Sohn ist schon vor Grundlegung d e r W e l t e n immer g e g e b e n. Die ganze Offenbarung Gottes ist ein Lebens-Auswachstum Gottes. Was Gott i n S i c h hat - der Vater in Sich selbst, das hat Er mit zunehmender Offenbarung außer Sich und um Sich in vielfach vermehrter Herrlichkeit. Und da sind Sohn und Geist die Hinausträger - darum werden die beiden immer reicher und immer größer. Der Gott-Vater hat dem Sohne nicht die ganzen Tiefen der Gottheit auf einen Schlag eröffnet, sondern Er hat Ihm immer wieder gegeben. So hat Er Ihm auch die Enthüllungen der Johannes-Offebanrung nach der Himmelfahrt gegeben (Offb 1:1). Und der Sohn hat das Ihm Gegebene wieder in der Weisheit und in erzieherischer Stufenfolge hinausgegeben. Was nun der Vater dem Sohn gab, und was der Sohn im heiligen Ja-Gehorsam übernahm, das hatte gewissermaßen auch der Heilige Geist und konnte es nach des Vaters und des Sohnes Willen auswirken.

Darum tritt der Heilige Geist immer voller hervor. In unserem Vers bewegt sich das Brüten noch auf dem Naturgebiet. Bei der Schöpfung des Menschen, und nach der Schöpfung des Menschen, hatte Er schon größere Aufgaben, nämlich: den Menschen in seine Aufgaben immer tiefer einzuführen, wenn er sich von Ihm führen ließ; und die Sohnesgemeinschaft zu vermitteln, kraft welcher der Mensch zum Kinde Gottes geworden wäre. Mit dem Fall des Menschen wuchsen die Offenbarungen des Geistes. Die ersten Verheißungen werden ans Licht geboren. Die Gottlosen mussten gestraft, die Gläubigen im Glauben erhalten und bewahrt werden. Unter Gesetz und Prophetie wurden die Geistesauswirkungen immer stärker und reicher. Als der Heiland kam, hatte auch der Heilige Geist Neues zu dulden und zu wirken. Im Sohne, führt Er die Glaubenskämpfe und die Glaubensüberwindugnen aus. Im Sohne litt Er, im Sohne ging Er in Kreuz und Tod mit; im Sohne wirkte Er Auferstehung und Himmelfahrt aus. Durch den Erdenlauf sind dem Heiligen Geiste neue Füllen zugewachsen. Zunächst konnte an Pfingsten durch Ihn die erlangte Herrschaftsfülle Christi offenbart werden. Der über Israel waltende Königsgeist des vollendeten Messias wirkte Sich aus. Der Anbruch der Königsherrschaft und des Königreiches kam. Joels Verheißung fing an, Wahrheit zu werden. Es blieb beim Anbruch. Aber ist der Anbruch heilig, so ist auch der ganze Teig heilig. Der Königreichs-Geist wird zu Seiner Zeit die Herrschaft Christi über Israel und die Nationen schaffen.

Die höchste Entfaltung des Heiligen Geistes

Nach der Erhöhung des Herrn durfte aber der Heilige Geist auch das Höchste wirken und offenbaren, Er durfte als Erstlingsgeist und Geburtsgeist Gottes Kinder zur neuen Geburt und zum Wachstum in derselben bringen. Das ist die höchste Stufe des Heiligen Geistes. Höheres wird Er nie auswirken. In der Gotteskindschafts-Auswirkung hat Er Sein Kronenwirken. Nach Vollendung des Gliederleibes, in welchem Er in der Fülle wohnen wird, wird Er dann die Herrschaft Christi offenbaren, und durchführen von Stufe zu Stufe. In steigendem Maße wird Er auch die Natur, und endlich die ganze Kreatur, unter die Herrschaft Christi bringen. Da wird sich dann das Brüten über den Wassern im Vollsinn, Leben und Herrlichkeit schaffend, ausgestalten. Wenn in den Gotteskindern das höchste Geisteswerk vollendet ist, geht es in die Weite und Breite, in die Länge und Höhe, und schafft sich in den verschiedensten Formen überall durch, bis dass Gott, eben im Heiligen Geiste, alles in allem ist.

In dieses stufenförmige Wachsen des Heiligen Geistes sehen wir schon 1Mo 1:1 hinein. Wir sehen aber noch mehr. Wir erkennen, wenn wir das Wort „b r ü t e n“ recht fassen, dass dieser erste Stufenanfang in 1Mo schon voll und ganz den Charakter der ganzen weiteren Offenbarung trägt. Das kann ja auch garnicht anders sein. Ein Same trägt immer den Charakter der Frucht. Ja, der Same ist fruchtgleich, nur dass die Frucht vielfältiger Same ist. So trägt die erste Offenbarung des Heiligen Geistes schon den Passionscharakter und die Neuschöpfungscharakter. Die Bibel ist völlig einheitlich. Sie ist von der ersten bis zu der letzten Seite das Erlösungsbuch. Sie erzählt uns von den ersten Anfängen bis zur endlichen Durchführung den Gang der Befreiung von der Sünde - den Siegesgang des Lebens Gottes über allen Tod - den Siegesgang der Liebe Gottes über alles Gericht.

Brüten ist ein Opfergeschäft

"B r ü t e n“ ist ein O p f e r g e s c h ä f t. Ein brütendes Tier opfert sich ganz auf. Es verzichtet auf alle seine natürliche Lebensweise, ja, man kann sagen, es verzichtet auf das eigene Leben, um in seinem Brutgeschäft neues Leben zu erwecken. Ein brütendes Tier geht einen Todesweg. Es frisst und säuft nicht mehr wie zuvor. Nur in großen Pausen nimmt es etwas, und dann muss man es fast zwingen, oft wirklich zwingen. Keine Bewegung gönnt es sich und keine Freiheit. Es gibt sich völlig gefangen. Tag und Nacht sitzt es in einer finsteren Ecke und gibt sich selbst auf für denselben. Brüten ist Selbstverleugnung und Selbstentäußerung, ist Gehorsam bis zum Tode im wahren Sinne. Und B r ü t e n ist ein l i e b e d u r c h s t r ö m e n d e s Feuer. Brüten ist Krankheit, Brüten ist Fieber, in welches sich das Tier begibt, um Leben zu schaffen. Während der Brutzeit ist ein brütendes Tier in einem Feuerzustand. Dieser Feuerzustand ist aber diktiert von der heißesten Liebe, von dem seligsten Liebestriebe, Leben zu schaffen. Im Brüten ist Gericht und Gnade, Feuer und Licht. So öffnet uns das Wort „Brüten“ in 1Mo 1 ein tiefes Geheimnis. Wir sehen in ein Erlösungs- und Neuschöpfungs-Geheimnis. Daher ist auch Brüten eine ausgesprochene Geduldssache. Man kann die Geduld Christi nicht köstlicher abmalen, als unter dem Bild des Brütens.

Ein Erlösungs- und Neuschaffungsdienst

Der Heilige Geist steht von Seinem ersten biblischen Auftreten an im E r l ö s u n g s - und N e u s c h a f f u n g s - D i e n s t e. Was Er bei der Urschöpfung gewirkt, welche Er natürlich auch ausgestaltet hat, erzählt uns die Bibel nicht. Die Bibel führt uns nach dem ganz kurzen Eingangsspruch: „Am Anfang schuf Gott die Himmel und auch die Erde“ - sofort hinein in die gefallene Welt. Dass Brüten ein Passionsgeschäft ist, dass Brüten Gericht und Gnade in Jesu sich auswirkten, das wird nun noch bestätigt durch den ganzen Zusammenhang. Finsternis lagerte über den Wassern. Eine grausige Wüste, eine entsetzliche Leere waren sie. Ein schauerliches „TeHOM", wie der hebräische Urtext sagt, ein gerichtlicher Tiefenabgrund war da. Und wenn nachher im ersten Schöpfungswerk das Licht aus dieser Tiefe herausgerufen und sonderlich gestellt wird - so muss das Licht in diesen Wasser-Massen gewesen sein.

Das zeigt uns auch Paulus in 2Kor 4:6 Da sagt er: „Gott ist es, der da sprach, Licht soll aus der Finsternis hervorleuchten, und welcher es auch aufleuchten ließ in unseren Herzen zur Erleuchtung der Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes im Angesichte Christi.“ - Hier vergleicht der Apostel die neue Geburt mit jener Lichtherausrufung in 1Mo 1:3. So, wie bei der neuen Geburt der Heilige Geist im Worte das innere Schöpfungslicht, das wir in uns tragen, herausruft aus der Finsternis, in welcher es gefangen liegt, so hat Gott, das ist die Anschauung des Apostels, dort in 1Mo 1:3 das Licht aus der Wasserfinsternis herausgerufen. Also nicht Schöpfung des Lichtes haben wir in 1Mo 1:3, sondern Herausrufung eines gefesselten und gebundenen Lichtes. So sehen wir in 1Mo 1:2 den brütenden Heiligen Geist schon geschäftig im Erlösungswerk. Auf dem Gebiet der Natur übt Er hier aus, was Er später in allerhöchster und ähnlicher Weise auch bei den Kindern Gottes tut. Den Erlösungsrat Gottes, welchen Er im Sohn durch den Heiligen Geist ausführt, den sehen wir hier in 1Mo 1:2 wirksam. Der Heilige Geists vollbringt ein Passions-Geschäft - ein Seufzer-Geschäft, wie die Henne gluckt, wenn sie brütig ist. So seufzt der Geist ja auch in uns und tut in unserer Leibeshülle des Todes ein Seufzergeschäft, bis endlich auch der Leib vollerlöst ist (Röm 8).

Was bedeutet „brüten"

Gerade das Wort „Brüten“ gibt uns hier noch wunderbaren Aufschluss. Gebrütet mit Aussicht auf Erfolg kann nur da werden, wo in einer Hülle unsichtbare Lebenskeime liegen, welche von ihnen selber nicht zur Entfaltung kämen. So müssen also in jenen finsternisbedeckten Feuerwassern alle Lebenskeime der kommenden Neuschöpfung gelegen haben, sonst hätte Brüten keinen Zweck. Beim Brüten liegt das neue Leben nicht im Brütenden, sondern im Bebrüteten. Zwar ist das bebrütete Ei auch von der Henne - und so stammen die Lebenskeime letzten Endes von Hahn und Henne. Beim Bebrüten aber liegen sie außerhalb der Henne und im Ei. Das Bebrüten ist ein zweiter Akt. So ist auch das Bebrüten der Wassermassen durch den Geist ein zweiter Akt. Gott hat alle die Lebenskeime geschaffen - von Ihm allein gehen sie aus. Aber diese Lebenskeime sind in eine Auflösung und in eine Verwirrung geraten - wüst und leer - in feurigen Wassermassen sind sie verborgen und von Finsternis bedeckt. Und nun senden Vater und Sohn den Geist, die Lebenskeime zur Entfaltung zu bringen und neue Gestaltungen herauszubrüten.

Das ist nun fortlaufend in steigendem Maße des Geistes Geschäft. Brütet Er nicht auch über den Wassermassen der Völkerwelt mit großer Geduld, um endlich die tiefverhafteten Lebenskeime Gottes herauszubringen aus der Finsternis, und sie mit göttlichem Leben neu zu gestalten? Brütet Er nicht auch immer noch über den Wassermassen der Erde, denn die Erde ist ja eigentlich eine große Wassermasse. Denken wir nur an die Meere und daran, dass auch im Festen das meiste Wasser ist. Über diesen Wassermassen brütet Er, nachdem der Sohn die Versöhnung in seinem Blute vollbracht hat - und Er wird von Stufe zu Stufe eine andere neue Erde herausbrüten. Schon im Königreich Christi wird viel Fluch der Finsternis gehoben sein - nach dem Königreich wird sich die Neuschöpfung vollends vollziehen.

Aus Wasser und Geist

Und brütet nicht auch bei den Kindern Gottes der Geist über Wassern? Ist unser Wesen nicht eine Geburt aus Wasser und Geist? Unsere Naturgeburt steht im Wasser - sie ist eine Wassergeburt. Und sie steht unter den Fluchwassern der Sünde und des Todes. Darüber brütet der Heilige Geist. Das Wort des Evangeliums trägt Er heran und lässt es hineinleuchten. Und wie lange muss Er oft brüten, bis endlich das Licht hervorbricht aus der Finsternis, und bis in des Geistes Lebengeben ein neuer Mensch erwächst? Aus Wasser und Geist ist jeder Neugeborene hervorgegangen.

Dass aber über jenen Fluchwassern der gefallenen Urschöpfung der Geist brütete - das zeigt uns auch das Allumfassende des Rates Gottes. Wenn selbst auf der neuen Erde in ihren tiefsten Gründen noch Finsternisorte sein werden, so wird der Geist eben weiter brüten, der Geist, welcher dort schon in der vollendeten Gemeine, wie in dem vollendeten Weibe, in den Knechten, ja in den Seligen verschiedenstufige Gestalt gewonnen hat. Und Er wird weiter brüten, bis der letzte Feind - der Tod aufgehoben ist. „Es kann nicht Ruhe werden, bis Jesu Liebe siegt“ Diese Liebe ist stärker als der Tod, auch wenn er in seiner furchtbarsten Gestalt auftritt. Wenn 1Mo 1:2 der Geist brütet über die satan-gefallene Feuer-Wasser-Welt, und wenn Er brütet in neuschöpfendem Triebe - wenn Er durch Brüten Leben schaffen will, über allem brüten will, warum sollte Er nicht zu Zweck und Ziel kommen?

Wir bleiben bei unseren Versöhnungs- und Erlösungsgedanken immer bei der Menschenwelt stehen und lassen die nicht einmal gerettet werden. Sehen wir doch in 1Mo 1 hinein, der Rettungsplan Gottes hat von Anfang an Satan umfasst - und der Mensch ist zu einem Werke an Satan geschaffen. Jetzt freilich, nach des Menschen Fall, muss das Rettungswesen zuerst durch die Menschheit gehen, aber es hat den ersten Zweck nicht aus dem Auge verloren. Deutlich sagt der Epheserbrief, dass nach ewigem Rate Gottes d a s A l l in Christo zusammengefasst werde, als unter einem Kopfe, das in den Himmeln und das auf Erden (Eph 1:10). Davon erzählt uns auch 1Mo 1:2 eine Pfingstgeschichte, wenn es heißt: „Der Geist Gottes brütete über den Wassern."

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10. Pfingsten