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:[http://www.bibelwissen.ch/wiki/Durch_Leiden_zur_Herrlichkeit<big> '''II. Durch Leiden zur Herrlichkeit  - Kapitel 2'''</big>]
 
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Paulus ist ein Läufer zum höchsten Ziel. Er will uns ermuntern, nach dem gleichen höchsten Menschheitsziel uns auszustrecken. Wenige Menschen haben hohe Ziele, noch viel weniger das allerhöchste Ziel. Ziellos werden Millionen hin und her gefegt vom Treiben der Erde. Niedrige, irdische Ziele hat die Masse. Und weil irdische Ziele immer wieder verschwinden und zusammensinken, so wird sie von Ziel zu Ziel getrieben. Nur wenige der niedrigen Ziele werden erreicht, und wenn sie erreicht sind, befriedigen sie nicht. Edle, weit gesteckte oder gar ewige Lebensziele, klar erfasst und verfolgt, sind selten. Das allerhöchste Ziel kennen nur von Gott Auserwählte. Nur ein kleiner Teil der Menschheit weiß, wozu der Mensch eigentlich bestimmt ist; und von denen, die es wissen, jagen nur wenige dieser Bestimmung nach.
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Weißt du, was der eigentliche,  ursprüngliche,  hohe Zweck und das einzigartige Ziel des Menschen war? „Gott schuf den Menschen Ihm zum Bilde, zum Bilde Gottes schuf Er ihn“. Dieses Urwart gibt die eine Ahnung. Seitdem der Sohn Gottes, diese Bild Gottes, Mensch geworden, gestorben und erstanden ist, seitdem Er verklärt  zur Rechten des Vaters sitzt, hat dies Ziel greifbare klare  Gestalt gewonnen. Der Apostel Paulus nennt es Kleinod. An anderen Stellen heißt es Krone der Gerechtigkeit oder Krone des Lebens. Kurz vor unserer Stelle, im elften Vers, heißt es: Ausauferstehung. Kindschaft, Erbschaft und Miterbschaft des Sohnes Gottes heißt das höchste Ziel in Röm 8. Du kannst es auch Herrlichkeit, du kannst es Mitherrschen und Mitregieren nennen.
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Vollendetes König-Priestertum, Eigentumsvolk sind weitere Kennzeichnungen. Die Gleiche mit dem Sohne Gottes für einen jeglichen in seiner Art und an seinem Teil hat der ewige Gott nach ewigem Rat für den Menschen bestimmt. Nach eingetretenem Sündenfall und nach der laufenden Sündenauswirkung im menschlichen Geschlecht kommt nur eine Auswahl zur Lebenserkenntnis und  zu lebendiger Ergreifung dieses Zieles. Den vollen, eigentlichen Menschenberuf hat nur der Mensch ergriffen, welcher in Christo zum Kinde Gottes geworden, mit ganzem Ernst der Vollendung in der Herrlichkeit des Sohnes entgegeneilt. Das höchste Menschheitsziel ist ein Herrscherziel in könig-priesterlicher Ausprägung. Bei Jesu Christo, dem verklärten Haupt, als verklärtes Glied stehen und an Seiner seligen Untertanmachung aller Kreatur in Ihm Mitteilnehmen, das ist das Höchste, was ein Mensch erlangen  und erreichen kann. Es ist für arme, todverfallene Sünder ein unbegreiflich hoher und wunderbar herrlicher Beruf, zu welchem sie berufen sind. Kann es etwas Herrlicheres geben, als einst der ganzen Kreatur in Christo Jesu und im Verein mit den anderen verklärten Kindern Gottes das Heil vermitteln zu dürfen? Deswegen harret ja die ganze Kreatur auf die herrliche Freiheit der Kinder Gottes.
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Der Mensch, in diesen Beruf von Anfang an hineingestellt, hat ihn durch die Sünde verloren. Nur wenige der fleischgeborenen Massen ergreifen ihn in Christo wieder. Die Massen dringen nur zu einem seligen Untertanenverhältnis zum Herrn durch, und dazu nur durch die schwersten und tiefsten Gerichte hindurch. Der hohe, einzigartige Kindschafts- und Erbschaftsberuf, der Ausauferstehungsweg, ist aber angeboten im Heiland, um alle zum Glauben Durchgedrungenen dürfen ihn in Gnaden ergreifen. Es gibt eine in Gott vollendete Schar, welche vor den letzten Gerichtszeiten dieses gegenwärtigen Zeitalters, vom erscheinenden Herrn bei sich versammelt, den Anbruch und das Allerheiligste der Menschheit bildet und welche der Gesamtkreatur gegenüber Gott und Christus darstellt, weil in ihr selbst die Fülle dessen wohnt, der alles in allem erfüllt. Welche nun diesen Beruf eines Kindes Gottes erfassen, welche in ihrer Erdenzeit in diesem Beruf wachsen und reif werden wollen und der Erbschaft in der Herrlichkeit zustreben - die haben das höchste Ziel ergriffen. Das sind die eigentlichen Menschen.
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Natürlich kann dieses Ziel nicht irdisch-menschlich erfasst werden. Kein im Sünden- und Ich-Dienst gefangenes Wesen könnte je darauf kommen, dass es einen solchen Menschenberuf gibt. Ja, die natürliche Menschheit hält es für unsinnig, einen solchen Beruf zu ergreifen und ihm nachzujagen. Sie spottet und höhnt die Kinder Gottes, die zur Herrlichkeit eilen - ja sie tötet sie. Paulus nennt diesen himmlischen stand das „Kleinod der oberen Berufung in Christo Jesu“. In Christo Jesu ist die ganze Welt versöhnt und erlöst. Er ist nicht nur gestorben für die Sünden der jetzt Gläubigen, sondern auch für die Sünden der ganzen Welt (1Jo). aber Er hat eine auserwählte Schar um sich, unter welcher Er der erstgeborene Bruder ist, und die Er zu Seiner vollkommenen Gleichheit verherrlicht. Diese Schar wird jetzt in  unseren Zeiten herausgerufen durch das Wort der Wahrheit. Alle Briefe der Gemeine weisen auf diesen Beruf und dieses Ziel hin.
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Die Auserwählten, Heiligen und Geliebten sind der Gegenstand des rufenden Wortes. Wo nun in einem armen Sünderherzen der Heilige Geist den Heiland verklären darf, da stellt derselbe Geist auch den großen Erstlingsberuf vor Herz und Sinne. Es geht durch Versöhnung und Erlösung, durch Buß- und Glaubenswege hindurch; es geht durch Erweckungen und Erleuchtungen, durch Bekehrungsstände hindurch, bis es in die innere Geburtslinie geht. Dann öffnet sich der Blick für die wunderbare Herrlichkeit des Kindes und Erben, und dann kommt der Zug, dahin durchzukommen. Es ist ein himmlisches Licht, welches einem Herzen durch Wort und Geist aufgeht, wenn es in das Geheimnis des höchsten Zieles schaut. Wer es sieht und nimmt, ist von oben berufen. Das obere Ziel offenbar sich von oben her. Und der Heiland, der Erlöser -  Er wird zum Ziel. Er ist’s, denn wir,  und Er ist's, dessen Wesen wir erstreben; darum heißt es „obere Berufung in Christo Jesu“. Wer sich das Kleinod zum Lebensziel stellen will, muss, wie es Paulus in  unserem Text ausdrückt, „von Christo Jesu ergriffen sein“ (Phil 3:12). In Wort  und Geist greift der Heiland uns an und greift uns ins Herz. Wer sich ergreifen lässt, ist ergriffen. Ergreift Er mich und macht mich  zum verlorenen Sünder, und ich sage ja - so bin ich ergriffen. Ergreift Er mich und sagt mir: Wer Mich aufnimmt, der wird Gottes Kind und Erbe, und ich sage „Ja", so bin ich ergriffen. Und die Ergriffenen ergreifen dann wieder. So kann man die höchste Berufung nur durch Wort und Geist, die sie uns verklären, ergreifen. Wir können diese Berufung verkündigen - es haben sie aber nur die Gläubigen. Bist du schon von dem Gekreuzigten und Erstandenen, dem wunderbar liebenden Gottessohn ergriffen und hast du ihn Ihm die Kindschaft ergriffen? Sieh, dann steht du im höchsten Menschenziele! Selig, wer darin steht!
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Von diesem Ziel sagt nun der Apostel mehrmals, er habe es noch nicht ergriffen. Gewiss haben viele gedacht, welche Paulus hörten oder sahen oder ihn sich als Gefangenen im Herrn vor Augen stellten: der hat’s erreicht! Demgegenüber erklärt Paulus: „Liebe Brüder, ich schätze mich selbst noch nicht, es ergriffen zu haben.“ Wie ist das zu verstehen, das Paulus doch so siegesgewiss dem in Christo Jesu klar und hell vorgehaltenen Ziele entgegenstrebt? Zunächst ist es wohl ganz natürlich zu verstehen: solange Paulus noch auf Erden im Fleische ringt und kämpft, hat er es noch nicht.  Wir tragen den Schatz, solange wir hier leben, in irdenen Gefäßen. Wir sehnen uns, solange wir noch im Laufe sind, nach unseres Leibes Erlösung. Wir sind Gottes Kinder, aber es ist noch nicht erschienen, was wir sein werden. Wir wissen aber bestimmt, dass wir Ihn sehen werden und Ihm gleich sein werden, wie Er ist. Was Luther übersetzt; „nicht, dass ich es schon er griffen habe oder gar vollkommen sei“, übersetzen wir wohl besser: „oder gar zum Ziel gekommen sei.“ In diesem Sinne haben wir es alle noch  nicht ergriffen. Dann aber liegt in allen Gotteskindern und in allen klar Zielbewussten und nach dem Kleinod Gehenden eine stets sich vermehrende Sündenerkenntnis. 
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Alle echten Kinder Gottes haben tief im Innern etwas Blödes und Erschrockenes, Sie maßen sich nichts an; sie haben alles aus Gnaden. Darum greifen sie nicht vor. Solange sie noch im Kampfe stehen, maßen sie sich kein Urteil an. „Ich richte mich selbst nicht“, sagt Paulus im ersten Korintherbrief.  Der Tag des Herrn wird’s offenbaren. Der Herr setzt den Vollendeten die Krone auf. Darum hat Paulus und haben wir es noch nicht ergriffen, ehe der Tag des Herrn kommt. Weiter aber gibt es in der Herrlichkeit verschiedene Stufen. Eine andere Herrlichkeit hat die Sonne, eine andere der Mond, eine andere haben die Sterne. Und ein Stern übertrifft den anderen an Klarheit. Wenn  nun einer wie Paulus nach der allerhöchsten Herrlichkeit verlangt, wenn er so nah wie möglich beim Heiland sein möchte, so hat er es eben noch nicht er griffen und ist noch nicht am Ziel. Noch stehen ihm Proben bevor. Der Apostel steht im Philipper-Brief vor dem Märtyrer-Tod. Darin muss er sich auch noch bewähren. Bei den Gläubigen in Christo wird der Weg umso steiler, je näher es dem Ziel zugeht. Da gilt es die letzten großen Bewährungen. Da haat man noch nicht ergriffen, solange man noch kämpft.
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Man kann aber auch um eine Herrlichkeitskrone kommen und bei allem Zielfassen doch eine niedrigere Stufe erreichen. Darum heißt e: „Halte, was du hast, dass niemand deine Krone nehmen“. Darum sagt auch Paulus, er betäube seinen Leib und zähme ihn, dass er nicht anderen predige und selbst verwerflich werde. Das heißt soviel wie: er möchte bei der Preis- und Herrlichkeitsverteilung nicht zurückstehen müssen. Wer nicht bis zum letzten Kampfe treu ist, erleidet Einbuße, und der Treue kommt ihm zuvor. Sei drum getreu bis in den Tod hinein, so will Ich dir die Krone des Lebens geben. So stehen die Läufer zum wahren Menschheitsziel immer in der Demut und Niedrigkeit: nicht dass ich es schon ergriffen hätte oder schon am Ziele sei.
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Das Ziel selbst aber, welches die obere Berufung hinstellt, ist ihnen ganz gewiss. Darum jagen sie ihm auch nach, ob sie es wohl ergreifen möchten. Nicht eine Unsicherheit oder Unklarheit soll ausgesprochen sein in den Worten: ich schätze mich selbst noch nicht, ,dass ich es ergriffen  habe; vielmehr sind es nur der in sich niedrige, demütige Sinn und der sich klar bewusste Geist, die wissen, dass es  zu kämpfen gilt bis zum Schluss. Bei den Ringkämpfern der Menschen kann im letzten Augenblick, wenn ich vielleicht nachlasse, mir noch einer zuvor kommen. So ist’s auch im Göttlichen. Aber das ist gewiss, wer das Kleinod will, den trägt der Heiland auch hin. Der Heiland hält uns nichts vor, was Er nicht auch gibt. Gläubige Menschen kämpfen in ihrem ewigen Beruf mit einer inneren Sicherheit und Klarheit.Bei aller Niedrigkeit in sich selbst stehen sie getrost und fest in Christo. Darum jagen sie dem Kleinod nach, ob sie es ergreifen möchten, nachdem sie von Christo Jesu ergriffen sind.

Version vom 16. Februar 2021, 16:11 Uhr

Abschrift des Buches: Der Brief von der Freude (Philipperbrief)
Pfarrer Theodor Böhmerle (1870 - 1927)

Aus dem letzten Bibelkurs im Oktober 1926
(nach den Notizen mehrerer Teilnehmer)

weitere interessante Abschriften:

Inhaltsverzeichnis
Kapitel davor:

I. Eine Auslegung des Philipperbriefes - Kapitel 1
II. Durch Leiden zur Herrlichkeit - Kapitel 2
III. Freuet euch im Herrn - Kapitel 3
IV. Stehet fest in dem Herrn! - Kapitel 4


in Bearbeitung

V. Zum höchsten Ziel

Phil 3:12-14

Paulus ist ein Läufer zum höchsten Ziel. Er will uns ermuntern, nach dem gleichen höchsten Menschheitsziel uns auszustrecken. Wenige Menschen haben hohe Ziele, noch viel weniger das allerhöchste Ziel. Ziellos werden Millionen hin und her gefegt vom Treiben der Erde. Niedrige, irdische Ziele hat die Masse. Und weil irdische Ziele immer wieder verschwinden und zusammensinken, so wird sie von Ziel zu Ziel getrieben. Nur wenige der niedrigen Ziele werden erreicht, und wenn sie erreicht sind, befriedigen sie nicht. Edle, weit gesteckte oder gar ewige Lebensziele, klar erfasst und verfolgt, sind selten. Das allerhöchste Ziel kennen nur von Gott Auserwählte. Nur ein kleiner Teil der Menschheit weiß, wozu der Mensch eigentlich bestimmt ist; und von denen, die es wissen, jagen nur wenige dieser Bestimmung nach.

Weißt du, was der eigentliche, ursprüngliche, hohe Zweck und das einzigartige Ziel des Menschen war? „Gott schuf den Menschen Ihm zum Bilde, zum Bilde Gottes schuf Er ihn“. Dieses Urwart gibt die eine Ahnung. Seitdem der Sohn Gottes, diese Bild Gottes, Mensch geworden, gestorben und erstanden ist, seitdem Er verklärt zur Rechten des Vaters sitzt, hat dies Ziel greifbare klare Gestalt gewonnen. Der Apostel Paulus nennt es Kleinod. An anderen Stellen heißt es Krone der Gerechtigkeit oder Krone des Lebens. Kurz vor unserer Stelle, im elften Vers, heißt es: Ausauferstehung. Kindschaft, Erbschaft und Miterbschaft des Sohnes Gottes heißt das höchste Ziel in Röm 8. Du kannst es auch Herrlichkeit, du kannst es Mitherrschen und Mitregieren nennen.

Vollendetes König-Priestertum, Eigentumsvolk sind weitere Kennzeichnungen. Die Gleiche mit dem Sohne Gottes für einen jeglichen in seiner Art und an seinem Teil hat der ewige Gott nach ewigem Rat für den Menschen bestimmt. Nach eingetretenem Sündenfall und nach der laufenden Sündenauswirkung im menschlichen Geschlecht kommt nur eine Auswahl zur Lebenserkenntnis und zu lebendiger Ergreifung dieses Zieles. Den vollen, eigentlichen Menschenberuf hat nur der Mensch ergriffen, welcher in Christo zum Kinde Gottes geworden, mit ganzem Ernst der Vollendung in der Herrlichkeit des Sohnes entgegeneilt. Das höchste Menschheitsziel ist ein Herrscherziel in könig-priesterlicher Ausprägung. Bei Jesu Christo, dem verklärten Haupt, als verklärtes Glied stehen und an Seiner seligen Untertanmachung aller Kreatur in Ihm Mitteilnehmen, das ist das Höchste, was ein Mensch erlangen und erreichen kann. Es ist für arme, todverfallene Sünder ein unbegreiflich hoher und wunderbar herrlicher Beruf, zu welchem sie berufen sind. Kann es etwas Herrlicheres geben, als einst der ganzen Kreatur in Christo Jesu und im Verein mit den anderen verklärten Kindern Gottes das Heil vermitteln zu dürfen? Deswegen harret ja die ganze Kreatur auf die herrliche Freiheit der Kinder Gottes.

Der Mensch, in diesen Beruf von Anfang an hineingestellt, hat ihn durch die Sünde verloren. Nur wenige der fleischgeborenen Massen ergreifen ihn in Christo wieder. Die Massen dringen nur zu einem seligen Untertanenverhältnis zum Herrn durch, und dazu nur durch die schwersten und tiefsten Gerichte hindurch. Der hohe, einzigartige Kindschafts- und Erbschaftsberuf, der Ausauferstehungsweg, ist aber angeboten im Heiland, um alle zum Glauben Durchgedrungenen dürfen ihn in Gnaden ergreifen. Es gibt eine in Gott vollendete Schar, welche vor den letzten Gerichtszeiten dieses gegenwärtigen Zeitalters, vom erscheinenden Herrn bei sich versammelt, den Anbruch und das Allerheiligste der Menschheit bildet und welche der Gesamtkreatur gegenüber Gott und Christus darstellt, weil in ihr selbst die Fülle dessen wohnt, der alles in allem erfüllt. Welche nun diesen Beruf eines Kindes Gottes erfassen, welche in ihrer Erdenzeit in diesem Beruf wachsen und reif werden wollen und der Erbschaft in der Herrlichkeit zustreben - die haben das höchste Ziel ergriffen. Das sind die eigentlichen Menschen.

Natürlich kann dieses Ziel nicht irdisch-menschlich erfasst werden. Kein im Sünden- und Ich-Dienst gefangenes Wesen könnte je darauf kommen, dass es einen solchen Menschenberuf gibt. Ja, die natürliche Menschheit hält es für unsinnig, einen solchen Beruf zu ergreifen und ihm nachzujagen. Sie spottet und höhnt die Kinder Gottes, die zur Herrlichkeit eilen - ja sie tötet sie. Paulus nennt diesen himmlischen stand das „Kleinod der oberen Berufung in Christo Jesu“. In Christo Jesu ist die ganze Welt versöhnt und erlöst. Er ist nicht nur gestorben für die Sünden der jetzt Gläubigen, sondern auch für die Sünden der ganzen Welt (1Jo). aber Er hat eine auserwählte Schar um sich, unter welcher Er der erstgeborene Bruder ist, und die Er zu Seiner vollkommenen Gleichheit verherrlicht. Diese Schar wird jetzt in unseren Zeiten herausgerufen durch das Wort der Wahrheit. Alle Briefe der Gemeine weisen auf diesen Beruf und dieses Ziel hin.

Die Auserwählten, Heiligen und Geliebten sind der Gegenstand des rufenden Wortes. Wo nun in einem armen Sünderherzen der Heilige Geist den Heiland verklären darf, da stellt derselbe Geist auch den großen Erstlingsberuf vor Herz und Sinne. Es geht durch Versöhnung und Erlösung, durch Buß- und Glaubenswege hindurch; es geht durch Erweckungen und Erleuchtungen, durch Bekehrungsstände hindurch, bis es in die innere Geburtslinie geht. Dann öffnet sich der Blick für die wunderbare Herrlichkeit des Kindes und Erben, und dann kommt der Zug, dahin durchzukommen. Es ist ein himmlisches Licht, welches einem Herzen durch Wort und Geist aufgeht, wenn es in das Geheimnis des höchsten Zieles schaut. Wer es sieht und nimmt, ist von oben berufen. Das obere Ziel offenbar sich von oben her. Und der Heiland, der Erlöser - Er wird zum Ziel. Er ist’s, denn wir, und Er ist's, dessen Wesen wir erstreben; darum heißt es „obere Berufung in Christo Jesu“. Wer sich das Kleinod zum Lebensziel stellen will, muss, wie es Paulus in unserem Text ausdrückt, „von Christo Jesu ergriffen sein“ (Phil 3:12). In Wort und Geist greift der Heiland uns an und greift uns ins Herz. Wer sich ergreifen lässt, ist ergriffen. Ergreift Er mich und macht mich zum verlorenen Sünder, und ich sage ja - so bin ich ergriffen. Ergreift Er mich und sagt mir: Wer Mich aufnimmt, der wird Gottes Kind und Erbe, und ich sage „Ja", so bin ich ergriffen. Und die Ergriffenen ergreifen dann wieder. So kann man die höchste Berufung nur durch Wort und Geist, die sie uns verklären, ergreifen. Wir können diese Berufung verkündigen - es haben sie aber nur die Gläubigen. Bist du schon von dem Gekreuzigten und Erstandenen, dem wunderbar liebenden Gottessohn ergriffen und hast du ihn Ihm die Kindschaft ergriffen? Sieh, dann steht du im höchsten Menschenziele! Selig, wer darin steht!

Von diesem Ziel sagt nun der Apostel mehrmals, er habe es noch nicht ergriffen. Gewiss haben viele gedacht, welche Paulus hörten oder sahen oder ihn sich als Gefangenen im Herrn vor Augen stellten: der hat’s erreicht! Demgegenüber erklärt Paulus: „Liebe Brüder, ich schätze mich selbst noch nicht, es ergriffen zu haben.“ Wie ist das zu verstehen, das Paulus doch so siegesgewiss dem in Christo Jesu klar und hell vorgehaltenen Ziele entgegenstrebt? Zunächst ist es wohl ganz natürlich zu verstehen: solange Paulus noch auf Erden im Fleische ringt und kämpft, hat er es noch nicht. Wir tragen den Schatz, solange wir hier leben, in irdenen Gefäßen. Wir sehnen uns, solange wir noch im Laufe sind, nach unseres Leibes Erlösung. Wir sind Gottes Kinder, aber es ist noch nicht erschienen, was wir sein werden. Wir wissen aber bestimmt, dass wir Ihn sehen werden und Ihm gleich sein werden, wie Er ist. Was Luther übersetzt; „nicht, dass ich es schon er griffen habe oder gar vollkommen sei“, übersetzen wir wohl besser: „oder gar zum Ziel gekommen sei.“ In diesem Sinne haben wir es alle noch nicht ergriffen. Dann aber liegt in allen Gotteskindern und in allen klar Zielbewussten und nach dem Kleinod Gehenden eine stets sich vermehrende Sündenerkenntnis.

Alle echten Kinder Gottes haben tief im Innern etwas Blödes und Erschrockenes, Sie maßen sich nichts an; sie haben alles aus Gnaden. Darum greifen sie nicht vor. Solange sie noch im Kampfe stehen, maßen sie sich kein Urteil an. „Ich richte mich selbst nicht“, sagt Paulus im ersten Korintherbrief. Der Tag des Herrn wird’s offenbaren. Der Herr setzt den Vollendeten die Krone auf. Darum hat Paulus und haben wir es noch nicht ergriffen, ehe der Tag des Herrn kommt. Weiter aber gibt es in der Herrlichkeit verschiedene Stufen. Eine andere Herrlichkeit hat die Sonne, eine andere der Mond, eine andere haben die Sterne. Und ein Stern übertrifft den anderen an Klarheit. Wenn nun einer wie Paulus nach der allerhöchsten Herrlichkeit verlangt, wenn er so nah wie möglich beim Heiland sein möchte, so hat er es eben noch nicht er griffen und ist noch nicht am Ziel. Noch stehen ihm Proben bevor. Der Apostel steht im Philipper-Brief vor dem Märtyrer-Tod. Darin muss er sich auch noch bewähren. Bei den Gläubigen in Christo wird der Weg umso steiler, je näher es dem Ziel zugeht. Da gilt es die letzten großen Bewährungen. Da haat man noch nicht ergriffen, solange man noch kämpft.

Man kann aber auch um eine Herrlichkeitskrone kommen und bei allem Zielfassen doch eine niedrigere Stufe erreichen. Darum heißt e: „Halte, was du hast, dass niemand deine Krone nehmen“. Darum sagt auch Paulus, er betäube seinen Leib und zähme ihn, dass er nicht anderen predige und selbst verwerflich werde. Das heißt soviel wie: er möchte bei der Preis- und Herrlichkeitsverteilung nicht zurückstehen müssen. Wer nicht bis zum letzten Kampfe treu ist, erleidet Einbuße, und der Treue kommt ihm zuvor. Sei drum getreu bis in den Tod hinein, so will Ich dir die Krone des Lebens geben. So stehen die Läufer zum wahren Menschheitsziel immer in der Demut und Niedrigkeit: nicht dass ich es schon ergriffen hätte oder schon am Ziele sei.

Das Ziel selbst aber, welches die obere Berufung hinstellt, ist ihnen ganz gewiss. Darum jagen sie ihm auch nach, ob sie es wohl ergreifen möchten. Nicht eine Unsicherheit oder Unklarheit soll ausgesprochen sein in den Worten: ich schätze mich selbst noch nicht, ,dass ich es ergriffen habe; vielmehr sind es nur der in sich niedrige, demütige Sinn und der sich klar bewusste Geist, die wissen, dass es zu kämpfen gilt bis zum Schluss. Bei den Ringkämpfern der Menschen kann im letzten Augenblick, wenn ich vielleicht nachlasse, mir noch einer zuvor kommen. So ist’s auch im Göttlichen. Aber das ist gewiss, wer das Kleinod will, den trägt der Heiland auch hin. Der Heiland hält uns nichts vor, was Er nicht auch gibt. Gläubige Menschen kämpfen in ihrem ewigen Beruf mit einer inneren Sicherheit und Klarheit.Bei aller Niedrigkeit in sich selbst stehen sie getrost und fest in Christo. Darum jagen sie dem Kleinod nach, ob sie es ergreifen möchten, nachdem sie von Christo Jesu ergriffen sind.