Die Wiederbringung aller Dinge

Aus Bibelwissen
Version vom 15. März 2016, 20:07 Uhr von MI (Diskussion | Beiträge) (b) Der Buchstabe als Hülle)

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nach dem gleichnamigen Buch von Andrew Jukes:
Der zweite Tod und die Wiederbringung aller Dinge

in Bearbeitung


Die Wiederbringung aller Dinge

Brief an einen Freund

Mein lieber E....!

Was Du mir von den Schwierigkeiten schreibst, über die Du nicht hinwegkommen kannst, und wie einige Deiner Freunde versucht haben, Dir zu helfen, das erinnert mich, wenn ich solchen Vergleich ziehen darf, an eine Begebenheit, die vor einigen Monaten in einer Sonntagsschule vorkam. Die Knaben einer Klasse lasen das Kapitel, welches davon erzählt, wie David auf dem Dache seines Hauses wandelnd die Bathseba sah. Da fragte einer der Knaben, indem er durch das Fenster des Schulzimmers auf die steilen Dächer der gegenüberliegenden Häuserreihe blickte: "Aber wie konnte denn David auf dem Dach seines Hauses wandeln?" Der Lehrer, der in diesem Punkt ebenso unwissend war wie sein Schüler, brach alles Fragen mit dem barschen Worten ab: "Zweifle nicht an der Bibel, Junge!" Der Lehrer der Nachbarklasse, der die Unterhaltung mit angehört hatte, beugte sich zu seinem Kollegen und flüsterte ihm zu: Die Antwort auf diee schwierige Frage ist: "Bei den Menschen ist's unmöglich; aber bei Gott sind alle Dinge möglich" (Mt 19:26). Das war also die Lösung der Schwierigkeit, und wie ich fürchte, ein treues Beispiel dafür, wie man auf der einen Seite ehrlichen Zweifeln oft begegnet als ob alles Fragen nach dem, was in der Schrift schwer verständlich ist, ein Verbrechen wäre, und wie auf der anderen Seite getrost die reinsten Absurditäten als rechte Auslegungen von Gottes Wort und Absicht dargeboten werden.

Diese Schwierigkeit liegt darin, wie wir als bibelgläubige Christen die prophetischen Aussagen betreffs der endlichen Wiederbringung aller Dinge mit anderen Schriftstellen vereinbaren könne, die so oft als Beweise für die weige Strafe angeführt werden. Die Schrift, sagst Du, versichert, dass Gott, unser Vater, ein Erlöser ist, voller Erbarmen für die Verlorenen, die Er selig machen will. Seine Liebe ist so groß, dass Er den Menschen Seinen eingeborenen Sohn gegeben hat, in dem und durch welchen der Fluch überwunden und alle Geschlechter auf Erden gesegnet werden sollen. Und dennoch sollen etliche dahingehen in nie endende Strafe, "da ihr Wurm nicht stirbt und ihr Feuer nicht erlischt". Wie ist es möglich, fragst Du, dies miteinander zu vereinigen? Sind nicht die einzelnen Aussagen geradezu einander widersprechend? Und wenn das so ist, müssen dann nicht die Erklärungen der Bibel, wie auch bei anderen Büchern durch das Licht der Vernunft und des Gewissens, welches die Natur oder Gott einem jeden von uns gegeben hat, berichtigt werden?

Nun gebe ich sofort zu, dass hier eine Schwierigkeit vorliegt, und ferner, dass die Frage, wie sie zu lösen ist, unsere aufmerksamste Beachtung verdient. Auch stimme ich Dir durchaus zu, wenn Du sagst: "Gleichgültigkeit oder fromme Ängstlichkeit, die sich selbst Ergebung nennt, mag solchen Fragen als unpraktisch oder selbst gefährlich ausweichen, Trägheit unter dem Schein von Demut mag jede Berührung mit ihnen zu vermeiden suchen und geistige Selbstsucht, eingehüllt in den Mantel ihrer eigenen eingebildeten Sicherheit, mag solche Forschungen als vermessen verbieten - so können doch Christus-gleiche Seelen ebensowenig teilnahmslos bleiben bei der Frage, was Gottes Vorsatz ist mit der großen Masse der Menschheit, als sie gleichgültig dabei stehen können, wenn der Verlassene vor Hunger umkommt oder der Sterbende in seinem Schmerz mit dem Tode ringt." Das scheint mir alles selbst verständlich.

Aber wenn ich auch mit Dir hierin übereinstimme, so kann ich doch nicht zugeben, dass es für die Schwierigkeit, die Du vorbringst, keine Lösung gäbe, oder dass Du, selbst wenn dies der Fall wäre, Recht tätest, aus solchem Grund die Schrift zu verwerfen. Hat Gott irgendeine Offenbarung gegeben, die frei von Schwierigkeiten wäre? Gibt es nicht selbst bei den Tasachen des gegenwärtigen Lebens ganz unlösbare Schwierigkeiten? Ist es nicht eine Tatsache, dass der Mensch als gefallene Kreatur in diese Welt kommt? Und doch ist Gott, der den Menschen schuf, gerecht, heilig und barmherzig? Du meinst, dass der Mensch nicht deshalb allein ein Sünder ist, weil er Übles tut. Vielmehr glaubst Du, dass er Übles tut, weil er ein Sünder ist, und dass, wenn er auch noch so gut bewacht und erzogen wird, dennoch Übles von ihm ausgehen muss, weil es bereits in ihm ist; das der Beste selbst unfähig ist, das Gute, das er will, zu tun; dass ein jeder Eigenwillen und Eigenliebe hat, die bedeutungsvolle Wurzel jeder Art von Sünde. Und doch sagst Du: "Gott ist gut". Zugegeben, dass das Böse durch Adams Ungehorsam gekommen ist: ist es aber darum gerecht, dass wir für eine Übertretung leiden müssen, die Tausende von Jahren vor unserer Geburt begangen wurde?

Dass hier eine Schwierigkeit vorliegt, sieht man schon an den vielen Versuchen, welche gemacht worden sind, um sie zu lösen. Dennoch glaubst Du und ich an beide Seiten des Geheimnisses. Wir glauben, dass der Mensch von Natur verdorben ist, und sein Herz böse von Mutterleib an, ein sterbendes, sündiges Geschöpf, das sich selbst weder ändern noch erretten kann, ganz ohne Hoffnung, wenn nicht Gottes erbarmende Gnade wäre.

Aber wir glauben auch, dass Gott gut ist, und dass Er uns nicht unrecht tut, wenn er erklärt, dass nicht Er, sondern wir daran schuld sind. Wenn Du nun siehst, dass das Leben ein Geheimnis ist dass Widersprüche birgt, die unvereinbar scheinen und auf deren rechte Lösung wir oft warten müssen, meinst Du dann, dass die eine Schwierigkeit, welche Dich beunruhigt, Dir das Recht gäbe, schnell dieselbe Schrift zu verwerfen, von der Du oft erfahren hast, dass sie ein Licht ist an einem dunklen Ort? Sieh sie Dir lieber immer und immer wieder mit größerer Sorgfalt an. Dann wirst Du sehen, wie ich es zu sehen glaube, wie diese Schrift, wenn recht verstanden, dem Menschen viel erhabenere und herrlichere Erwartung erschließt, als seine eigene hilflose Einbildung, als sein Verstand jemals zu ahnen gewagt oder auch nur auszudenken fähig gewesen wäre.

I. Die Natur der Schrift

1. Das fleischgewordene Wort

Bevor ich aber zu dem Zeugnis der Schrift komme, möchte ich meinen WEg durch einige Worte über ihre Natur und ihre Inspiration klären. Ich bin davon überzeugt, dass das Geheimnis des fleischgewordenen Wortes der Schlüssel, und zwar der einzige, wirklich genügende Schlüssel zu dem gechriebenen Wort ist: der Buchstabe, das ist die äußere und menschliche Gestalt, entspricht dem Fleisch Christi und ist nur ein Teil des Geheimnisses von der Fleischwerdung des ewigen Wortes. Die Fleischwerdung ist keineswegs, wie mache gesagt haben, im Prnzip von den anderen Offenbarungen verschieden, welche Gott uns gegeben hat, sondern steht vielmehr genau in Übereinstimmung mit ihnen allen und ist der Schlüssel zu ihnen; denn in jeder einzelnen hat sich der ungesehen und unsichtbarer Gott in und durch Seine Kreaturen oder in irgendeiner kreatürlichen Form offenbart. Und dies geschah deshalb, weil Gott Kreaturen, wie wir es sind, nur auf solche Weise offenbart werden konnte. In der Natur, in der Schrift, in Christi Fleisch ist das Gesetz dasselbe. Das Göttliche wird enhüllt unter einer Hülle, und diese Hülle trägt kreatürliche Gestalt.

a) Offenbarung im Fleisch

Ich will über diesen Gegenstand sagen, was ich vermag, obwohl heutzutage das, was ich zu sagen habe, den Vorwurf des Mystizismus auf sich zieht. Wir bekennen als Christen die selige Tatsache, dass das Wort Gottes Fleisch wurde - in menschlicher Gestalt aus menschlicher Natur hervorkam. Jesus von Nazareth ist Gottes Sohn, nicht zum Teil Mensch und zum Teil Gott, sondern wahrer Mensch vom Weibe geboren und doch wohnte in Ihm die ganze Fülle der Gottheit leibhaftig. Genauso ist die Heilige Schrift das Wort Gottes, nicht halb menschlich und halb göttlich, sondern durch und durch menschlich und ebenso durch und durch göttlich; alle Schätze der Weisheit udn Erkenntnis sind in ihr offenbart und doch verborgen. Und gerade wie Er, das fleischgewordene Wort, vom Weibe geboren, außerhalb der Weise der Natur, ohne Zutun des Mannes, durch die Kraft des Geistes Gottes - erschien, ebenso ist das geschriebene Wort aus dem menschlichen Herzen entstanden, nicht durch die Tätigkeit des menschlichen Verstandes, nicht durch den Willen des Mannes, sondern durch die Kraft des Geistes Gottes, und Seine unmittelbare Einwirkung auf das Herz, das ist der weibliche Teil unserer gegenwärtigen, gefallenen un geteilten menschlichen Natur.

Es ist gewiss leicht zu sagen, dies sei reine Mystik. Gott geoffenbart im Fleisch ist ein großes Geheinmis. Und die Offenbarung der Wahrheit Gottes aus dem Herzen eines Menschen heraus in menschlicher Gestalt, ist allerdings dasselbe und nicht weniger ein Geheinmis. Und derjenige, welcher nicht sieht, wie unsre Natur ebenso wie unser Geschlecht beides, männlich und weiblich ist, mag hier eine Schwierigkeit finden. Darum bleibt die Tatsache trotzdem bestehen, dass unsere Natur zweifach ist, männlich und weiblich. Kopf und Herz, Verstand und Neigung. Und aus dieser letzeren, dem Herzen, ist der Buchstabe der Schrift hervorgegangen, die menschliche Gestalt des göttlichen Wortes, gerade wie Christus empfangen und geboren wurde von der Jungfrau Maria, durch die Kraft des Heiligen Geistes ohne einen irdischen Vater.

Auf keine andere Weise konnte Gottes Wort in menschliche Gestalt kommen. Aber für uns hat es sich selbst erniedrigt, also zu kommen, aus dem Herzen der Apostel und Propheten in seiner menschlichen Gestalt gleich Christi Fleisch alle den Schwachheiten und Beschränkungen unterworfen, denen Christi Fleisch, weil Er eben ganz und gar menschlich war, unterworfen war und doch im Geiste gleich Ihm ganz und gar göttlich und voll der unergrünlichen Tiefen von Gottes allmächtiger Liebe uns Weisheit.

Wie nun die Tatsache, dass Jesus Mensch war und als solcher zunahm an Weisheit und Alter, und unser Leben gelebt hat, welches doch nur ein Prozess des Vergehens ist, unseren Leib der Schande trug und für uns zur Sünde gemacht wurde, durchaus nicht beweist, dass Er nicht auch Gottes Sohn war, sondern nur ein Zeugnis von der Liebe ist, die Ihn trieb, menschliche Gestalt anzunehmen - so beweist auch die Tatsache, dass die Heilige Schrift menschlich ist, nichts gegen ihre Göttlichkeit, gerade wie bei Christus. Ich wünschte wohl, dass diejenigen, welche jetzt die Schrift mit der Seziermesser ihrer Kritik zerschneiden und dabei finden, wie es ja nicht anders möglich ist, dass sie durch und durch und in Wahrheit menschlich ist, nur einen Augenblick stillhalten und sich fragen möchten, was sie wohl in dem Fleische Christi würden gefunden hätten, wenn sie es ebenso zerschnitten hätten, wie jetzt den Buchstaben der Schrift. Wäre es ihnen möglich gewesen, Seinen Leib zu zerschneiden - ich muss diesen Ausdruch gebrauchen, wenn ich sehe, was sie jetzt tun - würden sie dann irgend etwas finden können, was nicht ganz menschlich gewesen wäre? Die Geißel, die Nägel, der Speer, der bittere Schmerzenruf und zuletzt der Tod beweisen, dass jene verwundete Gestalt in der Tat ganz menschlich war.

Ein hoher geistlicher Würdenträger hat den Buchstaben der Schrift solange zerschnitten, bis er für ihn nichts anderes mehr war, als der Leichnam Christi einem Anatom gewesen sein würde. Er ist ihm nichts Lebendiges, von dem er lernen kann, sondern ein totes Ding zum Zerschneiden und Kritisieren. Er hat den Beweis gefunden, dass der Buchstabe wirksam ist, dass er zugenommen hat, dass der Tod in ihm wirksam ist oder wenigstens Macht über ihn hat; er hat seine Scham gesehen; er möchte niemanden dazu verleiten, die wahren Lehren, welche diese menschliche Gestalt gibt, zu verachten, denn sie ist, wie er sagt; für ihn der Kanal gewesen, durch welchen ihm viel Segen zugeflossen ist; er will nur, dass die Menschen sehen möchten, dass er wirklich menschlich ist, denn er entstand aus dem Herzen des Menschen. Aber bewusst oder unbewusst führt er die Menschen nicht etwa vom Buchstaben zum Geist, sondern allein dahin, dass sie den Buchstaben verwerfen und richten, weil sie nicht sehen, dass dieser Buchstabe gleich dem Fleische Christi nicht zu verderben ist, sondern verherrlicht werden wird. Zwar muss auch dies vielleicht geschehen, denn Christus musste leiden und getötet werden; wehe aber denjenigen, welche die menschliche Gestalt verwerfen und niederschlagen, in der für uns die Wahrheit Gottes offenbart worden ist. Doch ist selbst hierfür Gnade vorhanden, denn sie tun es unwissentlich und im Unglauben.

Die Bibel ist anderen Büchern ähnlich und doch von ihnen verschieden, ebenso wie das Fleisch anderer Menschen ähnlich ist und doch von ihm verschieden. Alle Äußerungen guter und wahrer Menschen lassen uns auf ihre Weise einen Blick tun in das Geheimnis der Fleischwerdung; denn sie sind Teiloffenbarungen in menschlicher Form von Gottes Wahrheit und Weisheit, wie auch jeder gute und wahre Mensch in seinem Maß ein Teil desselben Geheimnisses ist; denn Gott hat gesagt: "Ich will unter ihnen wohnen und unter ihnen wandeln" (2Kor 6:16), uns 'o sind menschliche Gestalt und menschliches Fleisch durch Gnade Wohnungen Gottes. Aber die Fleischwerdung und Offenbarung des göttlichen Wortes in der Person unseres Herrn Jesus Christus war unendlich erhaben über der Einwohnung des Wortes in anderen guten Menschen, wenn auch Christus unser Fleisch und unsere Schwachheit annahm und andererseits wir mit allerlei Gottesfülle erfüllt werden können (Eph 3:19).

Gleicherweise ist die Fleischwerdung und Offenbarung des Wortes Gottes im Buchstaben der Schrift unendlich erhaben und unterscheidet sich von anderen Büchern genauso, wie sich das Fleisch Christi von dem Fleisch anderer Menschen unterscheidet. Darum glaube ich nicht, dass die Schrift, weil sie menschlich ist und zugenommen hat mit den Menschen, und die Kennzeichen unserer Schwachheit, Schande und Tod an sich trägt, verderben und untergehen muss. Ich glaube vielmehr, dass sie weder verderben noch untergehen kann. Ich glaube auch, dass sie in ihrer Zusammensetzung genau soviel Vergänglichkeit hat wie Christi Fleisch hatte, als Er hier mit Seinen Aposteln wandelte. Aber sie ist gleich dem Leibe Christi die besondere Wohnung von Gottes Wahrheit. Und solche, die Tag und Nacht mit ihr wandeln, wissen dies, denn sie haben sie verklärt gesehen, wie sie einst alle Augen sehen werden.

b) Offenbarung in Gottes Wort

Weiter möchte ich zeigen, dass vergleichbar dem Fleisch Christis und auch gleich jeder anderen Offenbarung, welche Gott von sich gemacht hat, der Buchstabe der Schrift in gleicher Weise eine Hülle wie eine Enthüllung ist, indem er verbirgt, während er aufdeckt. Dem Auge stellt er etwas ganz anderes dar, als was in ihn steckt, wie auch der Vorhang der Stiftshütte mit seinen eingewebten Cherubim die Herrlichkeit hinter dem Vorhang, von der er doch Zeugnis ablegte, verbarg; und deshalb muss er, mit dem Verstand gesehen, offenbar unbeständig und widerspruchsvoll erscheinen. Diese beiden Punkte sind wichtig. Wenn nämlich Gottes Offenbarungen sich selber zugleich verschleiern und entschleiern, und wenn sie sich deshalb den Vorwurf der Unbeständigkeit und des sich Widersprechens gefallen lassen müssen, so hilft uns diese Tatsache nicht nur zu verstehen, warum die Schrift das ist, was sie ist, sondern auch wie ihre verschiedenen Wahrheiten und Lehren auszulegen sind.

Und damit wir sehen, wie alle Offenbarungen Gottes gleicher Art sind, wollen wir einen Augenblick bei zwei anderen Offenbarungen Gottes verweilen, die Er uns gegeben hat, den Büchern der Natur und der Vorsehung. Sind sie nicht beide sowohl Hüllen wie Enthüllungen, auf deren ersten Eindruck wir uns nie verlassen können?

Zunächst die Natur, die man das gestaltgewordene Wort Gottes genannt hat und die ohne alle Frage eine Offenbarung Gottes ist. Wie offenbart sie Ihn denn? Ist sie nicht auch ein Vorhang, der eben soviel von Ihm verbirgt wie aufdeckt? Ist es nicht eine Tatsache, dass unsere Sinneswahrnehmungen selbst von der e i n f a c h s t e n, klarsten physikalischen Erscheinung, wie zB. Aufgehen und Untergehen der Sonne, der Wahrheit entgegen sind und durch eine höhere Fähigkeit verbessert werden müssen? Ist es nicht ferner eine Tatsache, das die Natur fast mehr von Gott, unserem Erlöser verbirgt, als sie von Ihm offenbart? Scheint es nicht, als stelle sie Ihn falsch dar? Scheint es nicht, als ob sie sich selber widerspräche, indem sie Kraft gegen Kraft, Hitze gegen Kälte, Dunkelheit gegen Licht, Tod gegen Leben setzt und sich ihre Elemente überall in unaufhörlichem Streit befinden? Auf der einen Seite zeigt sie einen Erhalter, auf der andren einen Zerstörer; hier unbegrenzte Vorsorge für die Erhaltung des Lebens, dort das Herrschen des Todes. Wir wissen, dass einige Menschen diesen Widerspruch so stark empfunden haben, dass sie daraufhin in Abrede stellten, die Welt könne das Werk eines höheren Geistes sein. Ja, sie folgerten daraus, dass sie entweder durch Zufall oder durch ewig sich widerstrebende Kräfte entstanden sei. Sind das nicht genau dieselben Widersprüche und dieselben Schwierigkeiten, welche wir in der Schrift finden? Deshalb müssen wir entweder sagen; die Natur ist ein unbeständiges und lügenhaftes Buch, und wir trauen weder dem, was ihre unfruchtbaren Felsen, noch dem, was ihre lachenden Felder verkünden, oder wir müssen bekennen: "Hier ist ein Schleier oder ein Rätsel". Es ist genau das gleiche Rätsel, welches wir in jeder anderen Offenbarung finden.

Das Buch der Vorsehung, welches ich das gewirkte Wort Gottes nennen möchte, hat genau die gleiche Eigentümlichkeit. Die Vorsehung ist sicherlich eine Offenbarung Gottes, und ist für sie nicht dennoch, gleich der Natur, ebenso eine Hülle wie eine Enthüllung? Seht nicht nur auf das, wovon David spricht, dass die Knechte Gottes leiden müssen, während die Gottlosen in großem Glück leben und nicht geplagt werden gleich anderen; seht auf diejenigen, welche von Geburt an körperlich oder geistig behindert sind, auf die Tauben, Stummen, und Blinden, die nach unserer Erkenntnis nicht um ihrer Sünde willen leiden können; seht auf die Tatsache, dass in dem einen Fall ein Verbrechen hier bestraft wird, in dem andern aber nicht. Ist das kein Widerspruch? Wo ist das, nach unserem Verstand beurteilt, Liebe, welche Seelen in die Welt setzt, deren ganzes Leben nur eine Kette von Leiden bildet? Sicher ist dies ein Text in dem Buch der Vorsehung Gottes, welcher uns Seine Regierung offenbart (die nach meinem Dafürhalten den Büchern der Könige oder der Herrschaft in der Schrift widerspricht), der ebenso schwer zu verstehen ist, wie manche Texte in den Büchern der Könige, die der eine oder andere wohl aus der Schrift herausreißen möchte, als ob sie Gott in falschem und unwürdigem Licht zeigten. Aber kann ein Kritiker auch den gleichen Text aus dem Buch der Vorsehung von Gottes Regierung vertilgen? Da steht er gerade so wie in dem Buch der Natur. Sollen wir nun deshalb sagen, die Offenbarung Gottes in der Vorsehung widerspreche sich? Nein - es ist Tatsache, das sie sowohl verhüllt als enthüllt, und alle ihre scheinbaren Ungerechtigkeiten und Widersprüche können gelöst werden, nicht durch Verstand, sondern durch den Glauben, im Lichte des Heiligtums Gottes (Ps 73:3-17).

Ebenso ist es mit den beiden anderen Offenbarungen, welche trotz allen Widerspruchs die Kirche empfangen hat und an die sie glaubt, ich meine das Fleisch Christi und die Heilige Schrift. Das Fleisch Christi, das fleischgewordene Wort, ist zweifellos ein Schleier (Vorhang Hebr 10:20). Wieviel verbarg es gerade während es einigen Gott offenbarte! Wie wenige erkannten, was Er war, wie viel verstanden Ihn nicht! Wie schien diese schwache Gestalt der Wahrheit zu widersprechen, dass Gott sie zu Seiner Wohnung erwählt hatte! Wie offenbar dieser Widerspruch war, kann auch aus der Tatsache entnommen werden, dass diejenigen, zu denen Er kam, sich daran stießen. und von damals bis heute hat Seine menschliche Gestalt, Seine Geburt von einem Weibe, Sein Zunehmen an Weisheit und Alter, haben Seine Tränen, Sein Schweiß, Seine Erniedrigung, Sein Schmerzensschrei, die Glieder der Scham, das sterbende Leben einzeln oder insgesamt dem Auge des Verstandes so wenig mit der Göttlichkeit zu vereinbaren geschienen, dass Tausende leugneten, jene Gestalt sei oder könne eine Offenbarung Gottes sein, obwohl sie zugeben, sie habe mehr getan, als je ein anderer Mensch. Es ist eben Tatsache, dass es sowohl eine Hülle als eine Enthüllung war und sein sollte, und deshalb war in die Augen fallender Widerspruch unvermeidlbar.

Das gleiche ist ebenso wahr von der Schrift, dem geschriebenen Wort, welches gleich der Natur durch sechs Tage der Veränderung gegangen ist und gleich Christi Fleisch zugenommen hat an Alter und Weisheit. Es ist sowohl ein Vorhang als eine Offenbarung und deshalb muss es gleich der Natur der Vorsehung und dem Fleische Christi den gleichen Vorwurf auf sich laden, dass es unbeständig sei und Gott in unwürdiger, ja selbst unwahrer Beleuchtung zeige. Die Schrift ist in der Tat ein Schleier und zeichnet, wenn buchstäblich angenommen, das heißt so, wie sie unserm Verstand erscheint, Gott ebenso verstellt von dem, wie Er wirklich ist, wie Natur und Vorsehung Ihm zu zeigen scheinen. Und doch offenbart sie Ihn immerdar so herrlich, wie nichts anderes Ihn jemals geoffenbart hat. Denn obwohl in Christi Fleisch die Offenbarung trotz des Schleiers vollkommen ist, lässt gerade dessen Vollkommenheit und Geschlossenheit nicht zu, dass wir die einzelnen Teile sehen, welche in der Heiligen Schrift stückweise manchmal und mancherlei Weise (nach Luther wörtlich in vielen T e i l e n) und auf mancherlei Weise (Hebr 1:1) vorgesetzt werden und in einer Weise, wie Ihn uns weder Natur noch Vorsehung zeigt. Denn Gesetz und Propheten sagen uns mehr von Gott und seinem Ratschluss bezüglich der Wiederbringung aller Dinge und der verheißenen Zeiten der Ruhe und des Sabbats, als die Natur unserm jetzigen Erkennen zugänglich macht, obwohl die Natur uns weit mehr sagen könnte und wahrscheinlich auch sagt, als ein natürliches Auge oder Ohr je begriffen hat.

Wenn die Natur und Vorsehung, Christi Fleisch und Heilige Schrift alle diese charakteristische Eigentümlichkeit haben, sowohl zu verhüllen als zu enthüllen und darum den Vorwurf sich zu widersprechen auf sich laden, wenn sie mit dem Verstand gesehen werden, weil sie etwas zu erklären scheinen, was der Wirklichkeit widerspricht, dürfen wir dann nicht den Schluss ziehen, dass sie alle aus derselben Hand gekommen sind, zumal wenn es sich zeigt, dass die offen liegenden Widersprüche, die sich bis jeder dieser Offenbarungen finden, gleich dem Vorhang in der Stiftshütte jedes Mal eine tiefere Wahrheit verbergen, die sich für gefallene Menschen gar nicht anders zum Ausdruck bringen lässt.

c) Fleisch und Geist