Der Beginn der neuen Menschheit: Unterschied zwischen den Versionen

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===<big>'''Der Auferstandene'''</big>===
 
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Jerusalem ist nicht nur die Stadt des Kreuzes Christi, sondern auch die seiner Auferstehung und Himmelfahrt. Und dann wurde es die Stadt, wo die Christenheit ihren Anfang nahm. Auch die Christenheit aus der Völkerwelt darf nicht vergessen, dass ihre Heimatstadt Jerusalem ist. In Jerusalem entsprang der Lebensstrom aus dem oberen Heiligtum; da wurde den Harrenden der Heilige Geist geschenkt an jenem Pfingsten bald nach Christi Himmelfahrt als die große Gabe des Erhöhten für den gegenwärtigen Zeitlauf. Es ist eine anfängliche Erfüllung von Hes 47. Seitdem ist der Heilige Geist nicht mehr aus der Welt hinausgegangen. Er hat eine schwere Arbeit; denn allgemein durchdringen kann er noch nicht. Aber wirkungsmäßig ist der doch. Durch ihn ist es gekommen, dass es durch all die Jahrhunderte eine Gemeinde Jesu in der Welt gegeben hat und dass keine Gewalt noch List sie zu beseitigen vermag. - Es soll zu Christi Auferstehung und Himmelfahrt und über Jesu Gemeinde noch einiges gesagt werden.<br/><br/>
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====<big>Jesus bei den Toten</big>====
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Es ist gut, das Wort von der Auferstehung Jesu Christi in seinem vollen Sinn zu nehmen. "Auferstanden von den Toten", z. B. Apg 10:41. Sein Geist war bei den Toten zwischen seinem Sterben und seinem Auferstehen. Der Gang zu den Toten, zu den Abgeschiedenen, in der Totenwelt, in der Unterwelt (Hades, "Hölle" bei Luther), wurde ihm nicht erspart. Er befahl sterbend seinen Geist in des Vaters Hände. Aber den Heimweg trat sein Geist noch nicht an. Er musste zu den Toten; denn der Himmel war noch nicht offen - der öffnete sich erst bei der Himmelfahrt. Aber der Vater, dessen Hand überallhin reicht, auch in die Totenwelt, hielt des Sohnes Geist fest, als er dorthin ging. Der Gang in die Totenwelt gehört noch zum Sterben Jesu. Das Sterben ist ja damit noch nicht erledigt, dass Geist und Leib sich trennen. Das Sterben erfasst nicht nur den Leib, sondern auch der Geist muss den Ernst des Sterbens schmecken. In allen Dingen musste er seinen Brüdern gleich werden, auch in dem Stück, dass er der ganzen, bis dahin im Totenreich zusammengescharten, bis dahin dem Tod verfallenen Menschheit zugesellt wurde.
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Das Wort an den Schächer (Lk 23:43) scheint dem Gang Jesu in die Totenwelt zu widersprechen. Jesus verhieß dem MItgekreuzigten, der sich mit bußfertiger und glaubender Bitte an ihn wandte, das Zusammensein mit ihm im Paradies noch am Todestag. Als jetziger Ort des Paradieses, das infolge der menschlichen Sünde von der Erde verschwunden ist, die seitdem niemals und nirgends mehr ein Paradies aufzuweisen hat, ist nach 2Kor 12:4 und Offb 2:7 die obere Welt zu denken. Darum könnte man meinen, Jesu Geist sei gleich nach dem Sterben zum Vater gekommen. Aber nicht bloß das Glaubensbekenntnis, sondern auch 1Petr 3:19 schließt an das Ende des irdischen Laufes Jesu den Gang in die Unterwelt an. Und erst durch seine Himmelfahrt hat Jesus die Wohnungen im Vaterhaus (wieder) bereitgestellt. Seine eigene Rückkehr dorthin erfolgte auch erst damals. Was Jesus dem sterbenden Schächer noch für seinen Todestag zusagte, war nicht der Himmel, sondern die Friedensstätte in der Totenwelt, die in Lk 16:23 Abrahams Schoß genannt wird.  Den Gang in die Totenwelt konnte Jesus dem Schächer nicht ersparen; und doch war es eine große Gnade Jesu, das er ihn im Totenreich vor der Pein rettete, die der reiche Mann ertragen musste.
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Es war von den großen Spannungen die Rede, die Jesu Geist durchzogen. Sie sind auch an dem Punkt seines Amts vorhanden, der ihn zu den Toten führte. Sie sind auch an dem Punkt seines Amtes vorhanden, der ihn zu den Toten führte. Die Toten gehörten (und gehören) ebenfalls zu denen, die von Jesu Christusamt umfasst sind. Was in der Schrift darüber gesagt und was als Niederschlag des apostolischen Wortes darüber im Glaubensbekenntnis ausgesprochen ist, wird manchmal als Fessel empfunden; in Wirklichkeit aber ist es eine Hilfe für den Glauben. Denn daran zeigt sich, dass Jesu Beziehung zur Menschheit vollständig ist, dass sein Amt den Dienst an der Gesamtmenschheit umfasst. Nehmen wir die Menschheit als Gesamtheit aller, die jemals auf der Erde lebten und leben und noch leben werden, so bildet der jeweils lebende Teil der Menschheit nur einen kleinen Ausschnitt aus derselben. Machen wir  weiter Ernst mit der Heiligkeit Gottes, die zwischen sich und der sündigen Welt trotz aller Liebe eine Trennung stiften musste, dann wird der gewöhnliche Gedanke unmöglich, als führte das Sterben den menschlichen Geist unmittelbar zu Gott. <br/><br/>
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====<big>Evangelisation bei den Toten</big>====
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Nur der Gemeinde Jesu ist verheißen, dass die Unterwelt an sie die Hand nicht legen dürfe (Mt 16:18). Diese Verheißung, die den Gliedern dieser Gemeinde bei ihrem Sterben die Wohnungen des Vaterhauses öffnet (Joh 14:2.3), ist nichts Selbstverständliches, sondern eine Gabe von überragender Größe. So ist dem Teil der Menschheit, den Jesus seiner Gemeinde nicht oder noch nicht einfügen konnte, nach dem Sterben die obere Welt verschlossen und die unter Welt angewiesen. Da ist nun die Wahrnehmung, das Jesu Christusamt auch die Toten in der Unterwelt umfasst und umfasst hat, eine Entlastung für die Beschwernis des Liebens, Glaubens und Hoffens, die aus der Erkenntnis entsteht, dass viele Abgeschiedene, ja wohl die meisten, nicht im Himmel zu suchen sind, sondern in der Unterwelt. Wie drückend wäre diese Erkenntnis für die Freudigkeit des Glaubens und für das Bedürfnis der Liebe, die mit dem Sterben geliebter Menschen nicht zu Ende geht, wenn wir nicht zur Ruhe kommen dürften in der Gewissheit, dass Jesu Christusamt nicht nur die Lebenden umfasst, sondern auch die Toten. Seine Beziehung zu den Toten begann gleich nach seinem Sterben. Er weilte bei ihnen, in ihrer Mitte, zwischen seinem Tod und seiner Auferstehung, und zwar nicht nur im friedlichen Teil der Totenwelt, der Abrahams Schoß und Paradies genannt wurde, sondern auch bei den Geistern im Gefängnis, in Haft (1Petr 3:19; 1Petr 4:6). An der erstgenannten Stelle ist hingewiesen auf das größte Sterben, das bis jetzt in der Welt vor sich gegangen ist, und das die ganze erste Menschheit mit wenigen Ausnahmen erfasste, das Sterben bei der Sündflut. Es war ein trotziges, Gott abgewandtes Geschlecht; aber auch dieses Geschlecht aus einer längst verschollenen Zeit der menschlichen Geschichte war von Jesu Christusamt umfasst.
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Aber es sind in diesem Zusammenhang noch einige Gedankengänge zum Ende zu führen. Die Spannung, in die der Sohn Gottes durch seinen Eintritt in die Menschheit eingetreten ist, und die darin besteht, dass er seitdem Gottes- und Menschensohn in einem ist, und dass er als Menschensohn Gottes Werk an der Menschheit ausführt, wirkt sich auch bei seinem Gang zu den Toten aus: bei den Toten war er leidend und tätig zugleich. Dieser Gang vollendete seine Erniedrigung: er trug als Glied und Vertreter der Menschheit nicht nur die menschliche Sünde und das Sterben, sondern hatte auch das Todeslos auszukosten. Er wurde versammelt zu seinem Volk, wie im Alten Testament der Ausdruck lautet, z.B. 1Mo 25:8, um das stets neue Hinzutreten bisher Lebender zu den Toten zu bezeichnen. Er wurde versammelt zu seinem Volk, das heißt: zu dem im besonderen Sinn ihm zugehörigen Volk, dessen im Frieden Gottes auf die Erlösung harrende Glieder im Paradies um Abraham geschart waren; und zu seinem Volk im weiteren Sinn, nämlich zur Menschheit, die wohl größtenteils dieses Friedens noch nicht teilhaftig war.  Nun gehörte ER auch zu den Toten.! Offb 1:18 sagt der Erhöhte von sich selber: "Ich wurde ein Toter" - ich trat einst in die Reihe der Abgeschiedenen ein. - Aber er kam zugleich als der Christus, als der Wirker aller Werke Gottes. Bei den Toten, als sein Herniederfahren zum Schlusspunkt gekommen war, begann sein Herrscheramt und zwar als Heilandsamt mit der frohen Botschaft (1Petr 3:19; 1Petr 4:6). Evangelium auch bei den Toten! Das ist, ohne dem Ernst die Spitze abzubrechen, ein Wunder der Gnade.
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So köstlich dieser Gedanke ist, so könnte doch die Erwägung ängstigen: war das nicht bloß damals? Hat das Bedeutung auch noch für die Gegenwart, für unsere jetzigen Toten? Schon eine Erwägung allgemeiner Art könnte stillende wirken. Die Beziehung zur Erde, auf der Jesus gelebt hat in der gleichen Weise wie wir, hat ja mit seinem Gang zum Vater nicht aufgehört: "Siehe ich bin bei euch!" (Mt 28:20).
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:::Verhüllt den Erdkreis düstre Nacht,
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:::Ich weiß, dass dort ein Auge wacht,
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:::Das einst um uns geweinet,
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:::Das einst für uns im Tode brach:
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:::Es ist dein Aug; es bleibet wach,
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:::Bis neu die Sonne scheinet.
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:::O wer nunmehr
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:::Nimmer klagte, nimmer zagte,
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:::Seit du wachest
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:::Und aus Nächten Tage machest!
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::::::::::Albert Knapp
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::::::::Württemb. Gesangbuch 229,3
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Die Beziehung zur Erde ist so fest geknüpft, dass eine jetziges Fortsein nur einen Zwischenzeit (Apg 3:21) und nur dem Verreistsein gleicht, wenn es längere Zeit währt (Mt 25:19). Auf das Verreistsein folgt die Rückkehr. Weil es nun schon lange währt, will der Christenheit seine Wiederkehr fast verwunderlich erscheinen; und es ist doch nur das Natürliche, dass die Wiederkehr die zeitweilige Abwesenheit abschließt. Daher heißt auch das im Neuen Testament für sein Wiederkommen gebrauchtes Wort eigentlich "Anwesenheit", weil der von der Reise Heimkehrende wieder anwesend, wieder da ist. Und wenn er wiederkommt, macht er seinen Beziehung zur Erde erst recht fest. Wenden wir nun die Treue Jesu, der seine Beziehung zur Erde festgemacht hat, nachdem er einmal in das irdische Leben eingetreten ist, auf seine Beziehung zu der Totenwelt an: sollte anzunehmen sein, dass er, nachdem er zwischen Tod und Auferstehung die Toten besucht hat, sich nun nicht mehr um sie kümmere? Er wird sich umso mehr um sie kümmern, weil sie seiner besonderen Maße bedürfen.
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Was nun die überlegende Erwägung der Beständigkeit Jesu nahelegt, das wird durch das apostolische Wort bestätigt. Paulus spricht in Eph 4:8-10 wie Petrus von der Hadesfahrt Jesu. Die Christenheit freut sich der Auffahrt Jesu. Sie kann aber von seiner Auffahrt nicht sprechen, ohne zugleich seiner Niederfahrt zu gedenken, zuerst vom Himmel zur Erde, dann noch tiefer in die Unterwelt. So ist das ganze Gebiet der Schöpfung in beiden Richtungen von ihm durchmessen worden, von oben nach unten  und von unten nach oben. Wozu das alles? "Zu dem  Zweck, damit er das alles erfülle" (Eph 4:10), damit er überall gegenwärtig sei mit seiner ihm seit seiner Himmelfahrt unbeschränkt zur Verfügung stehenden Christusmacht. Hat er gleich zur Zeit, um es menschlich auszudrücken, seinen Standort noch im Himmel, auf dem Thron Gottes, so ist er doch all den Gebieten nicht ferne,  zu denen er in den Tagen seines Fleisches in Beziehung getreten ist. Die damals geknüpften Beziehungen gehen weiter.<br/><br/>
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====<big>Gefangene befreit</big>====
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Noch einer Ergänzung bedürfen die vorstehenden Ausführungen. An der angegebenen Stelle (Eph 4:8-10) hat Paulus mit einem alttestamentlichen Wort beschrieben, was Jesus bei seiner Auffahrt tat: "Er hat das Gefängnis gefangen geführt." Wir haben nicht zu untersuchen, welchen Sinn das angeführte Psalmwort im Zusammenhang des Psalmes hat; jedenfalls hat Pauls in jenem Psalmwort einen treffenden Ausdruck dafür gefunden, was Jesus bei seiner Auffahrt vollbrachte. Paulus sah ihn bei seiner Himmelfahrt nicht bloß empfangend, sofern ihm da von des Vaters Hand die Herrschermacht überreicht wurde. Er sah ihn auch handelnd, indem er an dem "Gefängnis", an "Gefangenen" etwas tat. Wir versuchen im Anschluss an die bisherigen Gedankengänge diese dunklen Worte zu verstehen. Die Unterwelt ist ein Gefängnis, schlimm genug, wenn auch nicht so schlimm wie die Hölle selbst oder der Abgrund. Wer dorthin musste und muss, kam und kommt hinter verschlossene Türen (s. den Ausdruck Mt 16:18). Ein Gefängnis ist sie nicht nur für die mit ungeordneten Trieben dorthin Gekommenen, die ihres Herzens Lust nicht mehr nachgehen können und außerdem in die Pein des bösen Gewissens eingeschlossen sind; ein Gefängnis war sie auch für die Frommen Israels - denn sie mussten auf ihre Erlösung erst harren.
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Was hat nun Jesus getan? Er hat dieses Gefängnis selber zum Gefangenen gemacht; und wie der Sieger die von ihm Gefangenen mit sich führt, so hat er bei seinem Siegeszug in den Himmel einen sonderlichen Gefangenen mitgebracht: das Gefängnis. Noch nicht das ganze Gefängnis. Erst den Teil des Gefängnisses, der eigentlich halb widerrechtlich Gefangene gefangen gehalten hatte, nämlich diejenigen Frommen Israels, die er nur bis zum Tag Christi sollte behalten dürfen, wie es Jesus von Abraham bezeugt (Joh 8:56). Der Teil der Totenwelt, der Abrahams Schoß genannt wird (Lk 16:22), hört bei Christi Himmelfahrt auf; dieses Gefängnis nahm Jesus gefangen und führte die darin bisher gefangen Gehaltenen mit vor Gottes Thron. Seitdem gibt es auch im Himmel ein Israel, dem sich dann die von der Erde abscheidenden Glieder der Gemeinde Jesu aus Israel und der Völkerwelt anschließen. Der andere Teil der Totenwelt ist geblieben. Er mag verschiedene Abteilungen haben nach dem Grad und der Verkettung mit der Sünde. Aber auch von dort will Christus noch Gefangene erlösen und zu seinen Gefangenen machen, nämlich dann, wenn ihnen die Bande, die Er anlegt, nicht mehr lästig sind. Wir achten, dass zumal im 1000-jährigen Reich dort viele Bande fallen werden.<br/><br/>
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===<big>'''Auswirkung der Auferstehung'''</big>===
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Es war davon die Rede, dass Christi Auferstehung die Rückkehr aus der Mitte der Toten
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Version vom 20. April 2020, 17:09 Uhr

Abschrift des Buches: Rom - Babel - Jerusalem
Der Weg der Menschheit im Licht der Schrift bis zur Vollendung des Gottesreiches

Verfasser: G. Thaidigsmann (Pfarrer in Waldbach) (1928)
Verlag: Gebrüder Schneider, Karlsruhe i. B.

Inhaltsverzeichnis
Kapitel davor: 2. Das Gottesreich in seiner Niedrigkeitsgestalt

in Bearbeitung

1. Teil
Bis zum Ausgang des apostolischen Zeitalters

3. Der Beginn der neuen Menschheit

Der Auferstandene

Jerusalem ist nicht nur die Stadt des Kreuzes Christi, sondern auch die seiner Auferstehung und Himmelfahrt. Und dann wurde es die Stadt, wo die Christenheit ihren Anfang nahm. Auch die Christenheit aus der Völkerwelt darf nicht vergessen, dass ihre Heimatstadt Jerusalem ist. In Jerusalem entsprang der Lebensstrom aus dem oberen Heiligtum; da wurde den Harrenden der Heilige Geist geschenkt an jenem Pfingsten bald nach Christi Himmelfahrt als die große Gabe des Erhöhten für den gegenwärtigen Zeitlauf. Es ist eine anfängliche Erfüllung von Hes 47. Seitdem ist der Heilige Geist nicht mehr aus der Welt hinausgegangen. Er hat eine schwere Arbeit; denn allgemein durchdringen kann er noch nicht. Aber wirkungsmäßig ist der doch. Durch ihn ist es gekommen, dass es durch all die Jahrhunderte eine Gemeinde Jesu in der Welt gegeben hat und dass keine Gewalt noch List sie zu beseitigen vermag. - Es soll zu Christi Auferstehung und Himmelfahrt und über Jesu Gemeinde noch einiges gesagt werden.

Jesus bei den Toten

Es ist gut, das Wort von der Auferstehung Jesu Christi in seinem vollen Sinn zu nehmen. "Auferstanden von den Toten", z. B. Apg 10:41. Sein Geist war bei den Toten zwischen seinem Sterben und seinem Auferstehen. Der Gang zu den Toten, zu den Abgeschiedenen, in der Totenwelt, in der Unterwelt (Hades, "Hölle" bei Luther), wurde ihm nicht erspart. Er befahl sterbend seinen Geist in des Vaters Hände. Aber den Heimweg trat sein Geist noch nicht an. Er musste zu den Toten; denn der Himmel war noch nicht offen - der öffnete sich erst bei der Himmelfahrt. Aber der Vater, dessen Hand überallhin reicht, auch in die Totenwelt, hielt des Sohnes Geist fest, als er dorthin ging. Der Gang in die Totenwelt gehört noch zum Sterben Jesu. Das Sterben ist ja damit noch nicht erledigt, dass Geist und Leib sich trennen. Das Sterben erfasst nicht nur den Leib, sondern auch der Geist muss den Ernst des Sterbens schmecken. In allen Dingen musste er seinen Brüdern gleich werden, auch in dem Stück, dass er der ganzen, bis dahin im Totenreich zusammengescharten, bis dahin dem Tod verfallenen Menschheit zugesellt wurde.

Das Wort an den Schächer (Lk 23:43) scheint dem Gang Jesu in die Totenwelt zu widersprechen. Jesus verhieß dem MItgekreuzigten, der sich mit bußfertiger und glaubender Bitte an ihn wandte, das Zusammensein mit ihm im Paradies noch am Todestag. Als jetziger Ort des Paradieses, das infolge der menschlichen Sünde von der Erde verschwunden ist, die seitdem niemals und nirgends mehr ein Paradies aufzuweisen hat, ist nach 2Kor 12:4 und Offb 2:7 die obere Welt zu denken. Darum könnte man meinen, Jesu Geist sei gleich nach dem Sterben zum Vater gekommen. Aber nicht bloß das Glaubensbekenntnis, sondern auch 1Petr 3:19 schließt an das Ende des irdischen Laufes Jesu den Gang in die Unterwelt an. Und erst durch seine Himmelfahrt hat Jesus die Wohnungen im Vaterhaus (wieder) bereitgestellt. Seine eigene Rückkehr dorthin erfolgte auch erst damals. Was Jesus dem sterbenden Schächer noch für seinen Todestag zusagte, war nicht der Himmel, sondern die Friedensstätte in der Totenwelt, die in Lk 16:23 Abrahams Schoß genannt wird. Den Gang in die Totenwelt konnte Jesus dem Schächer nicht ersparen; und doch war es eine große Gnade Jesu, das er ihn im Totenreich vor der Pein rettete, die der reiche Mann ertragen musste.

Es war von den großen Spannungen die Rede, die Jesu Geist durchzogen. Sie sind auch an dem Punkt seines Amts vorhanden, der ihn zu den Toten führte. Sie sind auch an dem Punkt seines Amtes vorhanden, der ihn zu den Toten führte. Die Toten gehörten (und gehören) ebenfalls zu denen, die von Jesu Christusamt umfasst sind. Was in der Schrift darüber gesagt und was als Niederschlag des apostolischen Wortes darüber im Glaubensbekenntnis ausgesprochen ist, wird manchmal als Fessel empfunden; in Wirklichkeit aber ist es eine Hilfe für den Glauben. Denn daran zeigt sich, dass Jesu Beziehung zur Menschheit vollständig ist, dass sein Amt den Dienst an der Gesamtmenschheit umfasst. Nehmen wir die Menschheit als Gesamtheit aller, die jemals auf der Erde lebten und leben und noch leben werden, so bildet der jeweils lebende Teil der Menschheit nur einen kleinen Ausschnitt aus derselben. Machen wir weiter Ernst mit der Heiligkeit Gottes, die zwischen sich und der sündigen Welt trotz aller Liebe eine Trennung stiften musste, dann wird der gewöhnliche Gedanke unmöglich, als führte das Sterben den menschlichen Geist unmittelbar zu Gott.

Evangelisation bei den Toten

Nur der Gemeinde Jesu ist verheißen, dass die Unterwelt an sie die Hand nicht legen dürfe (Mt 16:18). Diese Verheißung, die den Gliedern dieser Gemeinde bei ihrem Sterben die Wohnungen des Vaterhauses öffnet (Joh 14:2.3), ist nichts Selbstverständliches, sondern eine Gabe von überragender Größe. So ist dem Teil der Menschheit, den Jesus seiner Gemeinde nicht oder noch nicht einfügen konnte, nach dem Sterben die obere Welt verschlossen und die unter Welt angewiesen. Da ist nun die Wahrnehmung, das Jesu Christusamt auch die Toten in der Unterwelt umfasst und umfasst hat, eine Entlastung für die Beschwernis des Liebens, Glaubens und Hoffens, die aus der Erkenntnis entsteht, dass viele Abgeschiedene, ja wohl die meisten, nicht im Himmel zu suchen sind, sondern in der Unterwelt. Wie drückend wäre diese Erkenntnis für die Freudigkeit des Glaubens und für das Bedürfnis der Liebe, die mit dem Sterben geliebter Menschen nicht zu Ende geht, wenn wir nicht zur Ruhe kommen dürften in der Gewissheit, dass Jesu Christusamt nicht nur die Lebenden umfasst, sondern auch die Toten. Seine Beziehung zu den Toten begann gleich nach seinem Sterben. Er weilte bei ihnen, in ihrer Mitte, zwischen seinem Tod und seiner Auferstehung, und zwar nicht nur im friedlichen Teil der Totenwelt, der Abrahams Schoß und Paradies genannt wurde, sondern auch bei den Geistern im Gefängnis, in Haft (1Petr 3:19; 1Petr 4:6). An der erstgenannten Stelle ist hingewiesen auf das größte Sterben, das bis jetzt in der Welt vor sich gegangen ist, und das die ganze erste Menschheit mit wenigen Ausnahmen erfasste, das Sterben bei der Sündflut. Es war ein trotziges, Gott abgewandtes Geschlecht; aber auch dieses Geschlecht aus einer längst verschollenen Zeit der menschlichen Geschichte war von Jesu Christusamt umfasst.

Aber es sind in diesem Zusammenhang noch einige Gedankengänge zum Ende zu führen. Die Spannung, in die der Sohn Gottes durch seinen Eintritt in die Menschheit eingetreten ist, und die darin besteht, dass er seitdem Gottes- und Menschensohn in einem ist, und dass er als Menschensohn Gottes Werk an der Menschheit ausführt, wirkt sich auch bei seinem Gang zu den Toten aus: bei den Toten war er leidend und tätig zugleich. Dieser Gang vollendete seine Erniedrigung: er trug als Glied und Vertreter der Menschheit nicht nur die menschliche Sünde und das Sterben, sondern hatte auch das Todeslos auszukosten. Er wurde versammelt zu seinem Volk, wie im Alten Testament der Ausdruck lautet, z.B. 1Mo 25:8, um das stets neue Hinzutreten bisher Lebender zu den Toten zu bezeichnen. Er wurde versammelt zu seinem Volk, das heißt: zu dem im besonderen Sinn ihm zugehörigen Volk, dessen im Frieden Gottes auf die Erlösung harrende Glieder im Paradies um Abraham geschart waren; und zu seinem Volk im weiteren Sinn, nämlich zur Menschheit, die wohl größtenteils dieses Friedens noch nicht teilhaftig war. Nun gehörte ER auch zu den Toten.! Offb 1:18 sagt der Erhöhte von sich selber: "Ich wurde ein Toter" - ich trat einst in die Reihe der Abgeschiedenen ein. - Aber er kam zugleich als der Christus, als der Wirker aller Werke Gottes. Bei den Toten, als sein Herniederfahren zum Schlusspunkt gekommen war, begann sein Herrscheramt und zwar als Heilandsamt mit der frohen Botschaft (1Petr 3:19; 1Petr 4:6). Evangelium auch bei den Toten! Das ist, ohne dem Ernst die Spitze abzubrechen, ein Wunder der Gnade.

So köstlich dieser Gedanke ist, so könnte doch die Erwägung ängstigen: war das nicht bloß damals? Hat das Bedeutung auch noch für die Gegenwart, für unsere jetzigen Toten? Schon eine Erwägung allgemeiner Art könnte stillende wirken. Die Beziehung zur Erde, auf der Jesus gelebt hat in der gleichen Weise wie wir, hat ja mit seinem Gang zum Vater nicht aufgehört: "Siehe ich bin bei euch!" (Mt 28:20).

Verhüllt den Erdkreis düstre Nacht,
Ich weiß, dass dort ein Auge wacht,
Das einst um uns geweinet,
Das einst für uns im Tode brach:
Es ist dein Aug; es bleibet wach,
Bis neu die Sonne scheinet.
O wer nunmehr
Nimmer klagte, nimmer zagte,
Seit du wachest
Und aus Nächten Tage machest!
Albert Knapp
Württemb. Gesangbuch 229,3

Die Beziehung zur Erde ist so fest geknüpft, dass eine jetziges Fortsein nur einen Zwischenzeit (Apg 3:21) und nur dem Verreistsein gleicht, wenn es längere Zeit währt (Mt 25:19). Auf das Verreistsein folgt die Rückkehr. Weil es nun schon lange währt, will der Christenheit seine Wiederkehr fast verwunderlich erscheinen; und es ist doch nur das Natürliche, dass die Wiederkehr die zeitweilige Abwesenheit abschließt. Daher heißt auch das im Neuen Testament für sein Wiederkommen gebrauchtes Wort eigentlich "Anwesenheit", weil der von der Reise Heimkehrende wieder anwesend, wieder da ist. Und wenn er wiederkommt, macht er seinen Beziehung zur Erde erst recht fest. Wenden wir nun die Treue Jesu, der seine Beziehung zur Erde festgemacht hat, nachdem er einmal in das irdische Leben eingetreten ist, auf seine Beziehung zu der Totenwelt an: sollte anzunehmen sein, dass er, nachdem er zwischen Tod und Auferstehung die Toten besucht hat, sich nun nicht mehr um sie kümmere? Er wird sich umso mehr um sie kümmern, weil sie seiner besonderen Maße bedürfen.

Was nun die überlegende Erwägung der Beständigkeit Jesu nahelegt, das wird durch das apostolische Wort bestätigt. Paulus spricht in Eph 4:8-10 wie Petrus von der Hadesfahrt Jesu. Die Christenheit freut sich der Auffahrt Jesu. Sie kann aber von seiner Auffahrt nicht sprechen, ohne zugleich seiner Niederfahrt zu gedenken, zuerst vom Himmel zur Erde, dann noch tiefer in die Unterwelt. So ist das ganze Gebiet der Schöpfung in beiden Richtungen von ihm durchmessen worden, von oben nach unten und von unten nach oben. Wozu das alles? "Zu dem Zweck, damit er das alles erfülle" (Eph 4:10), damit er überall gegenwärtig sei mit seiner ihm seit seiner Himmelfahrt unbeschränkt zur Verfügung stehenden Christusmacht. Hat er gleich zur Zeit, um es menschlich auszudrücken, seinen Standort noch im Himmel, auf dem Thron Gottes, so ist er doch all den Gebieten nicht ferne, zu denen er in den Tagen seines Fleisches in Beziehung getreten ist. Die damals geknüpften Beziehungen gehen weiter.

Gefangene befreit

Noch einer Ergänzung bedürfen die vorstehenden Ausführungen. An der angegebenen Stelle (Eph 4:8-10) hat Paulus mit einem alttestamentlichen Wort beschrieben, was Jesus bei seiner Auffahrt tat: "Er hat das Gefängnis gefangen geführt." Wir haben nicht zu untersuchen, welchen Sinn das angeführte Psalmwort im Zusammenhang des Psalmes hat; jedenfalls hat Pauls in jenem Psalmwort einen treffenden Ausdruck dafür gefunden, was Jesus bei seiner Auffahrt vollbrachte. Paulus sah ihn bei seiner Himmelfahrt nicht bloß empfangend, sofern ihm da von des Vaters Hand die Herrschermacht überreicht wurde. Er sah ihn auch handelnd, indem er an dem "Gefängnis", an "Gefangenen" etwas tat. Wir versuchen im Anschluss an die bisherigen Gedankengänge diese dunklen Worte zu verstehen. Die Unterwelt ist ein Gefängnis, schlimm genug, wenn auch nicht so schlimm wie die Hölle selbst oder der Abgrund. Wer dorthin musste und muss, kam und kommt hinter verschlossene Türen (s. den Ausdruck Mt 16:18). Ein Gefängnis ist sie nicht nur für die mit ungeordneten Trieben dorthin Gekommenen, die ihres Herzens Lust nicht mehr nachgehen können und außerdem in die Pein des bösen Gewissens eingeschlossen sind; ein Gefängnis war sie auch für die Frommen Israels - denn sie mussten auf ihre Erlösung erst harren.

Was hat nun Jesus getan? Er hat dieses Gefängnis selber zum Gefangenen gemacht; und wie der Sieger die von ihm Gefangenen mit sich führt, so hat er bei seinem Siegeszug in den Himmel einen sonderlichen Gefangenen mitgebracht: das Gefängnis. Noch nicht das ganze Gefängnis. Erst den Teil des Gefängnisses, der eigentlich halb widerrechtlich Gefangene gefangen gehalten hatte, nämlich diejenigen Frommen Israels, die er nur bis zum Tag Christi sollte behalten dürfen, wie es Jesus von Abraham bezeugt (Joh 8:56). Der Teil der Totenwelt, der Abrahams Schoß genannt wird (Lk 16:22), hört bei Christi Himmelfahrt auf; dieses Gefängnis nahm Jesus gefangen und führte die darin bisher gefangen Gehaltenen mit vor Gottes Thron. Seitdem gibt es auch im Himmel ein Israel, dem sich dann die von der Erde abscheidenden Glieder der Gemeinde Jesu aus Israel und der Völkerwelt anschließen. Der andere Teil der Totenwelt ist geblieben. Er mag verschiedene Abteilungen haben nach dem Grad und der Verkettung mit der Sünde. Aber auch von dort will Christus noch Gefangene erlösen und zu seinen Gefangenen machen, nämlich dann, wenn ihnen die Bande, die Er anlegt, nicht mehr lästig sind. Wir achten, dass zumal im 1000-jährigen Reich dort viele Bande fallen werden.

Auswirkung der Auferstehung

Es war davon die Rede, dass Christi Auferstehung die Rückkehr aus der Mitte der Toten