Ungeheuchelte Bruderliebe

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Ungefärbte Bruderliebe nach 1Petr 1:22-25

Auszug aus einem Andachtsbuch von Otto Stockmayer (1838 – 1917) erhältlich bei Rolf Wolters


  • 1Petr 1:22 Machet keusch eure Seelen im Gehorsam der Wahrheit durch den Geist zu ungefärbter Bruderliebe und habt euch untereinander inbrünstig lieb aus reinem Herzen!

Der Abschnitt im 1. Petrusbrief (1Petr 1:13-21), den wir neulich betrachtet haben, hat mit Glauben und Hoffnung geschlossen. Gott hat Jesus Christus von den Toten auferweckt, und er lebt nun und vertritt uns zur Rechten des Vaters, und Gott hat ihm Herrlichkeit gegeben, auf daß unser Glaube und unsere Hoffnung auf Gott seien. Das ist Ausstrahlung von oben, Herrlichkeit, ausgestrahlte Herrlichkeit, deren Strahlen uns in der dunklen Nacht unserer Eitelkeit und unseres Selbstlebens erreicht haben, in unserem eitlen Glauben an eine bessere Zukunft, in unserem eitlen Glauben an das, was wir selbst zustande bringen. Dahinein hat die Herrlichkeit des Lammes gestrahlt, das uns durch sein kostbares Blut losgekauft hat von dem eitlen Wandel, von unserer eitlen Art, von unserem eigenen bösen Blut, von der Unart, uns immer um uns selbst zu drehen, von der Gebundenheit an das Sichtbare, von der Abhängigkeit von den Kreaturen, in die wir durch den Fall geraten waren.

Da hat uns das Blut Christi losgekauft, damit unser Glaube und unsere Hoffnung auf Gott seien, nicht mehr auf andere Menschen und auf uns selbst. Dazu hat Gott seinem Sohn Herrlichkeit gegeben, damit er uns dieses Leben mitteilen könne.

Losgekauft durch das Blut Christi, damit...

Mit Glauben und Hoffnung aber ist ganz organisch das Gebiet der Liebe verbunden. Wo Glaube und Hoffnung sind, müssen sie sich in Liebe betätigen. Unsere Liebe darf nicht an das gebunden sein, was wir von Menschen erwarten; wir haben Glauben an Gott, und darum lieben wir. Unsere Liebe hängt nicht davon ab, ob wir von anderen verstanden werden oder nicht, sondern sie ist ein Ausfluß unseres Glaubens an Gott. Liebe, die nicht von einer auf Gott stehenden Hoffnung getragen wird, ist eine Karikatur von Liebe, ist Selbstpflege, wo einer sich im anderen liebt und sein Selbstleben stärkt. Es gibt keine Geduld und keine Liebe ohne Glauben und Hoffnung zu Gott, daß er auch in den verworrensten Beziehungen zu unseren Mitmenschen noch Mittel und Wege hat, alles in Ordnung zu bringen.

Es liegt Kraft im Warten

Es gibt Verhältnisse, wo man warten muß, daß Gott alles auseinanderwirre, sonst verwickeln sich die Sachen immer mehr. Oft hat man nicht einmal einen ungetrübten Blick für die eigene Schuld; setzen wir aber dann unsere Hoffnung auf Gott, wo wir alles verworren und verspielt und trotz der besten Absicht alles durcheinandergebracht haben, so wirrt er die Fäden auseinander, wie die Mutter die Maschen und Fäden im Strickstrumpf ihres Kindes auseinanderwirrt, wenn die Kleine ihr den Strumpf in die Hand gibt. Wir haben einen Vater im Himmel, der die Maschen, die wir fallen ließen, aufhebt, und das tut er mit klarer, sicherer Hand; nur müssen wir ihm Zeit dazu lassen. Auch auf dem Gebiet der Liebe muß Geduld und Glaube der Heiligen sein.



Was ist Wahrheit? fragt Pilatus. Wahrheit ist, was schon der Prediger sagt: „Eitelkeit der Eitelkeit, alles ist eitel, und alles ist unwahr, und alle Menschen sind Lügner." Auf Menschen ist kein Verlaß, darum reinigen wir unsere Seelen, die wir uns auf Menschen gestützt und uns innerlich mit Menschen herumgeschlagen hatten, weil sie uns das tägliche Brot der Rücksicht und Liebe nicht gegeben. Eitelkeit! Ihr seid losgekauft von der Eitelkeit des Wandelns, Denkens und Liebens nach väterlicher Weise durch das Lamm, das Gott erhöht und dem er Herrlichkeit gegeben hat, damit nun sein Liebeswille ausstrahle. Der Geist führt uns in eine neue Welt der Liebe ein, wo man nicht mehr mit dem Bruder rechnet, wo man geben kann, ohne Vergütung zu erwarten. Gebt denen, die euch nichts zurückzahlen können, sät auf Hoffnung; sie werden dereinst schon sehen, wie ihr es gemeint habt. Legt euer Geld auf Zinsen, euer Lieben auf Hoffnung an! Das ist Herrlichkeitsleben im Gegensatz zum Leben der Eitelkeit, wo man immer gleich alles zurückbezahlt haben will.

Wahrhaftige Quelle, wahrhaftige Liebe

Er hat seinem Sohn Herrlichkeit gegeben, auf daß euer Glaube und eure Hoffnung auch in bezug auf die Liebe zu Gott und nicht zu Menschen stehen. Dann führt uns alle wahre Liebe, die wir seitens der Menschen genießen, näher zu Gott, anstatt uns an die Kreatur zu ketten. Und wo uns eine Kreatur die Liebe nicht bezahlt, die sie uns schuldig wäre oder die wir beanspruchen zu dürfen meinen, da hadern wir nicht mit der Kreatur, sondern wissen, daß uns Gott den Lohn, die Bezahlung, aufbewahrt. Wir bekommen dann die Bezahlung direkt von oben, einen reinen, heiligen Lohn. Er tröstet die, mit denen ihre Mitmenschen rücksichtslos umgegangen sind, und die darum geneigt sind, zu denken, sie hätten ihre Liebe verschwendet. Säe auf Hoffnung, ohne immer gleich ernten zu wollen! Werde ein Ewigkeitsmensch und lasse dich durch alle schmerzlichen Erfahrungen mit dem göttlichen Anker tiefer einsenken in das Reich der untrüglichen Hoffnung!

„Im Gehorsam der Wahrheit", der absoluten Wahrheit unserer Erlösung. Wir hadern mit niemand mehr, sondern leben im Glauben und in der Hoffnung auf Gott Liebe aus und werden bestärkt durch alles, was uns unsere Mitmenschen geben oder verweigern. Was sie uns geben, schadet uns nicht, und was sie uns verweigern, bringt uns nicht in Verzweiflung.

Wir haben unsere Herzen gereinigt durch Glauben und Gehorsam gegen die geoffenbarte Erlösung und werden durch diesen Glauben immer fester gegründet, um ungeheuchelt lieben zu können. Wenn man dem griechischen Wort „Heuchelei" näher auf die Spur kommt, so liegt der Gedanke darin: „ein Untergrund von richtenden Hintergedanken." Ungefälschte Bruderliebe ohne einen Untergrund von richtenden Hintergedanken sollst du haben. „Wer bist du denn, daß du deinen Bruder richtest?" Das ist keine Herrlichkeit. „Gott hat ihm Herrlichkeit gegeben, auf daß unser Glaube und unsere Hoffnung auf Gott stehen und nicht auf Menschen."

Herrlichkeit statt Eitelkeit

Oh, wie haben gerade die, welche auf uns drücken, so nötig, einmal jemand zu finden, durch den sie auf ihren Gott zurückgeworfen werden und der auch den Unlauteren unerschütterliche Liebe entgegenbringt, bis schließlich die Unlauteren, kreatürlich Gesinnten, die sich an uns stoßen, auf einen göttlichen Grund in unserem Lieben kommen, der sie dazu bringt, nachzudenken und sich über die Ansprüche, die sie an uns machen, klarzuwerden! Gott wird sie schon zu finden wissen. Wir lieben sie ohne Untergrund richtender Hintergedanken, ohne uns durch des anderen Art uns gegenüber entmutigen zu lassen, ohne unsere Liebe erkalten zu lassen. Wir stehen unter dem Strahlenglanz göttlicher Herrlichkeit, damit unser Glaube und unsere Hoffnung zu Gott sei und unsere Liebe göttlich sei und unser Lieben sei wie das Lieben Jesu, der sich zu Tod liebte, der auch nicht aufhörte, einen Judas zu lieben. Wie er seine Jünger liebte, obwohl sie ihn so wenig verstanden, wie er sie alle trug bis ans Ende — selbst den Judas, der ihm alle anderen zu verderben drohte —, so wollen auch wir nicht aufhören, zu lieben. Jesus ist durch alles hindurch seinen Jüngern treu geblieben, hat sie nicht gerichtet, aber sich ihnen gegenüber so benommen, daß in seinem tiefsten, verborgensten Geistesleben seine Sendung seitens des Vaters gerechtfertigt wurde. Kein richtender Hintergedanke und keine verborgene Spekulation, wieder geliebt zu werden, sofort Liebe zu ernten.

Lerne warten, lerne heiligen Liebessamen auf Hoffnung in anderer Herzen und Leben niederlegen! — Säe einen so reinen Liebessamen, daß auch die anderen merken, daß wir nicht auf Gegenliebe oder sonstigen Lohn gewartet haben und unsere Liebe heute noch ebenso rein ist, wie sie gestern und vorgestern war, ehe wir eine so betrübende Erfahrung gemacht haben, daß man uns mißverstand und falsch beurteilte! Wir sind unüberwindlich, weil wir auf Herrlichkeitsboden stehen, und unsere Liebe wird auf diese Weise eine Offenbarung der Herrlichkeit Gottes, weil wir von der Eitelkeit losgekauft sind. Wir sind so je länger je mehr wandelnde Zeugen der Herrlichkeit Christi, in denen unsere Mitmenschen Liebe, Ewigkeit, Reinheit finden.



  • 1Petr 1:22 Liebet einander mit Inbrunst aus reinem Herzen!

Mit Inbrunst lieben heißt: lieben mit einer allumfassenden Liebe, die sich auf alle Glieder des Leibes Christi erstreckt, auf alle Kinder Gottes ohne Ausnahme. Die Bedeutung von „inbrünstig" ist auch „intensiv". Je umfassender diese Liebe wird, um so mehr gewinnt sie an Tiefe, an göttlicher Intensität (Kraft). Wurzelnd auf dem Grund eines unverweslichen Samens, gezeugt durch das Wort Gottes, durchbricht sie jede Schranke. Ich unwürdiges Wesen habe Macht, alle die Söhne Gottes, jedes Glied des Leibes Christi mit ungeheuchelter und ungefärbter Liebe zu umfassen durch die Kraft des unvergänglichen Wortes Gottes, das mich wiedergeboren hat: das ist Unverweslichkeit, das kann vom Tod nicht angetastet werden. Zu lange haben wir Verwesliches in uns geduldet. Von dem Augenblick an, da wir auf dem unverweslichen Grund des Wortes Gottes stehen und in die Welt des Unverweslichen versetzt sind, können wir in Kraft des unvergänglichen Lebens gegen alles stehen, was uns in anderen noch an Verweslichem entgegentreten mag — sei es Vorurteil, Kälte, Richtgeist, Mißverständnis, kurz alles, was noch in die verwesliche Fleischeswelt gehört. Wir können die Proben aus unseres Gottes Hand annehmen, und wir werden, was noch Ungöttliches in unseren Brüdern ist, überwinden und tragen in dem Maß, als unser Leben auf dem unbeweglichen Grund unseres Glaubens und unserer Hoffnung gründet.

Überwundene können überwinden

Brüder, wollen wir überwinden, so müssen wir anfangen, die Macht der Liebe kennen und besitzen zu lernen, die jede Kälte und jedes Vorurteil überwindet. Die Welt liebt, was nach außen lieblich und schön scheint; aber alle Fleischesanmut ist wie das Gras, das bald verdorrt (1Petr 1:24 und Jes 40:7). Solche Liebe hält nicht Stich. Soweit solche fleischliche Liebe noch in uns ist, muß sie erkalten, wenn wir in anderen engherzigen Christen etwas entdecken, was nicht mit ihrem Bekenntnis übereinstimmt, wenn wir Enttäuschungen erleben. Mag das Gras welken und die Blume abfallen, das Wort unseres Gottes bleibt in Ewigkeit (1Petr 1:24.25), und die aus dem unvergänglichen Samen des Wortes Gottes gezeugte Liebe, mit der Gott den Sünder, den Verbrecher, die ganze Welt liebt, ist ausgegossen in unsere Herzen und wirkt dort die Freude im Heiligen Geist, verherrlichte Freude, unbegrenzte Liebe.

Möge jeder neugestärkt an sein Tagewerk gehen mit der Gewißheit: Ich bin von der Eitelkeit losgekauft; ich habe nichts mehr mit mir selbst zu tun, nichts mit den Schwierigkeiten in meiner Umgebung; die Liebe Gottes überwindet alles! Aber wohin ihr auch zu gehen und mit wem ihr auch zu verkehren haben mögt, verliert doch nie euren Beruf aus den Augen in dieser armen Welt, die nicht weiß, was göttliche Liebe ist, bis wir, die aus dem Samen des Wortes Gottes gezeugten Kinder, sie ihr darstellen! Der Herr muß solche haben, die durch ihr Leben den Kindern dieser Welt etwas offenbaren können von der Liebe Gottes, die durch nichts überwunden oder ausgelöscht werden kann, von der Liebe, die aus dem Herzen Jesu stammt und durch unser Bleiben in ihm stets in uns erneuert wird. Anstatt wie früher durch unsere kreatürliche Liebe in anderen das eigene Leben zu nähren, werden wir dann zu Werkzeugen, durch die sich Christus anderen offenbaren kann in seiner eigenen Weise und zu seiner Verherrlichung.



  • 1Petr 1:23 Liebet einander mit Inbrunst aus reinem Herzen, als die da wieder-geboren sind!

Aus reinem Herzen! Man mag sich einbilden, man sei weitherzig, in der Praxis aber geht die natürliche Liebe nicht ins Unendliche, sondern sie hat, wie gesagt, ihre Grenzen und oft recht enge Grenzen. Das Herz ist nicht rein; man sucht noch das Seine. Wenn dann die Liebe nicht erwidert wird, oder man stößt auf allerhand Charakterschwierigkeiten, so lockern sich die Bande, und die Liebe erkaltet, weil sie nicht aus reinem Herzen kommt. Nur wer aus Gott gezeugt ist, kann reines Herzens suchen, was des anderen ist. Der Mensch ist seit dem Fall mit Fluch belastet, und das Wesen des Falles besteht im Suchen des Eigenen und damit des Verderbens, anstatt der Ehre Gottes.

Unverweslicher Same

„Aus reinem Herzen." Wie kann das zugehen? „Als die da wieder-geboren sind", heißt es. Es bedarf dazu einer neuen Geburt, nicht einer im Zaum gehaltenen Natur. Mit der Bildung wird ja vieles in Schach gehalten, aber die verborgenen Tendenzen unserer Natur vermag die Bildung nicht zu verändern. Nur durch Neugeburt wird man einer zweiten, nämlich der göttlichen Natur teilhaftig. Gott ist Liebe, fleckenlose, sich selbst hingebende Liebe, die vor keinem Opfer zurückschreckt - nicht einmal vor dem Opfer des eingeborenen Sohnes. Das ist göttliche Liebe, die in uns gezeugt wird aus dem Wort, aus Christus, aus dem Vater. Darin ist nichts Verwesliches, aber fortwährendes Zunehmen - sie wird immer extensiver und immer intensiver, je mehr das Göttliche in uns den Sieg über das Adamitische davonträgt. Jeder sucht insoweit das Seine, als seine Natur nicht umgestaltet ist. „Nicht aus verweslichem, sondern aus unverweslichem Samen, aus dem lebendigen Wort, das da bleibt." Kein Wechsel, keine Veränderung in der Liebe.

„Die Liebe hört nimmer auf" und wird, anstatt zu erkalten, immer intensiver, je größer der Widerstand ist. „Laß dich nicht überwinden vom Bösen, sondern überwinde das Böse mit Gutem" (Röm 12:21) — mit der Liebe, die in dein Herz ausgegossen ist durch den Heiligen Geist!

Und wenn deine Liebe nicht ausreicht, so vervollständige deine Wiedergeburt! Wo noch etwas vom Alten zurückgeblieben ist, wo du versucht bist, andere für deinen eigenen Vorteil auszunützen, da lerne zuerst in dir überwinden; ziehe neue Gotteskräfte an, wenn deine Liebe nicht ausreicht, und anstatt zu murren, danke deinem Gott, daß du durch den Charakter des anderen auf das in deinem eigenen Charakter Mangelnde geführt wirst!



  • 1Petr 1:24.25 Als die da wiedergeboren sind, nicht aus vergänglichem, sondern aus unvergänglichem Samen, nämlich aus dem lebendigen Wort Gottes, das da ewiglich bleibt. Denn alles Fleisch ist wie Gras und alle Herrlichkeit der Menschen wie des Grases Blume. Das Gras ist verdorrt und die Blume abgefallen; aber des Herrn Wort bleibt in Ewigkeit. Das ist aber das Wort, welches unter euch verkündigt ist.

Was ist Wiedergeburt, wiedergeboren, wiedergezeugt, von oben gezeugt, nach Johannes 3 „von neuem geboren"? Das ist die Frage, die schon den Schriftgelehrten Nikodemus beschäftigt hat, und über die er im Alten Testament hätte Aufschluß finden können; denn der Herr Jesus sagt zu ihm: „Du bist ein Lehrer in Israel und weißt das nicht?" Und doch können sich heute noch Kinder Gottes fragen: „Was ist eigentlich Wiedergeburt?" „Die ihr", sagt der Apostel, „nicht wiedergeboren seid aus verweslichem Samen, sondern durch das lebendige und bleibende Wort Gottes" — durch dasselbe und aus demselben. Alles, was aus verweslichem Samen gezeugt ist, ist Fleisch, und „das Fleisch ist wie Gras, und alle Herrlichkeit des Menschen ist wie des Grases Blume. Das Gras ist verdorrt, und die Blume ist abgefallen, aber des Herrn Wort bleibt in Ewigkeit", und alles, was aus dem Wort Gottes gezeugt, durch das lebendige und bleibende Wort Gottes wiedergeboren ist, das ist unverweslicher Same. Haben wir nun als Gottgezeugte — haben wir wirklich nichts Verwesliches mehr in uns? Und wenn auch unser Leib noch der Verwesung anheimfallen sollte, ist nichts Verwesliches mehr in unserem inneren Menschen, in unserem Wesen? Und wie weit können wir das Verwesliche zu überwinden hoffen?

Der herrliche Duft wahren Evangeliums

Soviel ist gewiß: sowohl der Apostel in diesem Wort wie der Herr Jesus im Gespräch mit Nikodemus reden von großen, wunderbaren Dingen, die wir viel zu viel entwertet und heruntergesetzt haben, als ob es nur aus der Natur. herausgegriffene. Bilder wären, vergessend, daß alle Bilder aus dem Reich der Natur Vorbilder sind von dem, was wesenhaft in der Welt des Geistes vor sich geht. Die Realität der Geisterwelt darf nicht hinter den Bildern zurückbleiben. Von allem Verweslichen geht Verwesungsgeruch aus; das Unverwesliche ist Herrlichkeit, das Verwesliche aber Gemeinheit und verbreitet einen üblen Geruch. Überall, wo wirklich eine neue Geburt ist, wird sich der Süßgeruch des Evangeliums verbreiten. Ist jemand von oben her geboren und von oben her gezeugt, so hat er neue Triebe, einen neuen Lebensmittelpunkt bekommen, er steht auf einem neuen Boden, wird in seinem Tun und Lassen, Reden und Schweigen nicht mehr von der Natur, sondern vom Heiligen Geist bestimmt; und wir haben alle Ursache, uns darüber zu beugen, daß der Ewigkeitssame noch nicht in alle Gebiete durchgedrungen oder wenigstens nicht allmählich in alle Gebiete unseres Wollens, Wirkens und Schaffens hineingeleuchtet hat. Eine neue Geburt ist eine Wiedergeburt aus dem Geist, und sie muß alles Alte beherrschen, bis alles neu geworden ist, wie im Weltall alles, was im Himmel und unter der Erde ist, die Knie beugen muß, bis Gott alles in allem sei (1Kor 15:28).



  • 1Petr 1:23 Als die da wiedergeboren sind, nicht aus vergänglichem, sondern aus unvergänglichem Samen, nämlich aus dem lebendigen Wort Gottes, das da ewiglich bleibt.

Wie kommt es doch, daß man oft kaum unterscheiden kann zwischen einem Wiedergeborenen und einem von Natur edel angelegten Menschen, deren es, Gott sei Dank, noch welche gibt? Es bleiben viele Kinder Gottes in ihrer Entwicklung hinter noch nicht Wiedergeborenen zurück, die aus verhältnismäßig edlem Samen gezeugt, von ihren Eltern eine gute Erziehung genossen und sich nicht mit allen möglichen Lastern befleckt haben. Es gibt edle und gemeine, schmutzige Naturen. Bei letzteren dringt der Same des Wortes Gottes natürlich schwerer durch, und wenn ihnen nicht der göttliche Same in seiner ganzen Reinheit geboten wird. so bleiben sie leicht in ihrer Entwicklung und Umbildung stecken. Wiedergeboren sind sie ja, aber es ist eine Art Mißgeburt, es bleibt irgend etwas auf dem Gebiet des Denkens, Handelns und Liebens, das nicht vom göttlichen Samen durchdrungen ist; man stößt immer wieder auf Dinge, die nicht gerichtet worden sind. Solche Mißgeburten laufen zu Tausenden und aber Tausenden in der Welt herum, und es lohnt sich wohl der Mühe, einen Augenblick bei solchen Fragen stillzustehen.

Je durchgerichteter, desto durchgelichteter

Wenn ein Weib ein wenig Sauerteig in den Teig mischt, so wird der ganze Teig durchsäuert. Und meint ihr, Gott ruhe, solange irgendein Gebiet unseres Lebens noch nicht von diesem unverweslichen Samen des Wortes Gottes beherrscht ist? Da redet man leichthin von Bekehrung und Wiedergeburt und bleibt unterwegs stecken, bringt es nur zu einer teilweisen Entwicklung, anstatt sich gründlich umbilden zu lassen und zum Mannesalter in Christus heranzuwachsen. Und wenn man einmal in ernster Stunde einem anderen das Herz ausschüttet und ihn um Rat und Hilfe bittet, bekommt man in den meisten Fällen die Antwort: „Ja, lieber Freund, mir geht es auch nicht anders; ich bin auch nicht weiter."

Es müssen bei einem Wiedergeborenen alle Bewegungen des inneren und äußeren Lebens in Haus, Familie, Ausgang und Eingang, in Blicken und Gebärden, Eindrücken und Stimmungen auf Geistesboden unter die Herrschaft des Geistes kommen — heraus aus dem Bereich des Verweslichen, des Fleisches, der Sinnlichkeit, der Selbstbespiegelung, Selbstgefälligkeit und Eitelkeit —, sonst bleibt die neue Geburt etwas Schattenhaftes, Unreelles, und die Welt findet sich in uns nicht zurecht.

Wir sind durch und durch Kinder der Verweslichkeit und des Verderbens gewesen, gänzlich durchfressen von der Eitelkeit, die wir von unseren Vätern ererbt und mit in die Welt gebracht haben; aber wir sind mit einem unverweslichen Preis losgekauft worden, mit dem Herrn Jesus selbst, der ins innere Heiligtum eingegangen ist und als unsterblicher Hoherpriester dort einsteht füg' uns, die wir durch eine unverwesliche Macht, den unverweslichen Samen des Wortes Gottes, wiedergeboren sind. Weil aus dem unvergänglichen Samen des Wortes Gottes gezeugt, haben wir nun unvergängliches Leben in uns, ein ganz neues Leben, das uns zu dem Unverweslichen führt. Durch das lebendige Wort Gottes hängen wir eng mit Christus zusammen, der selbst das Wort ist.

Amen.