Das erste Gesicht "auf Erden"

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Abschrift des Buches: Die Apokalypse oder der Tag des Herrn
Verfasser: E. W. Bullinger (1902)

In Bearbeitung

Inhaltsverzeichnis
Kapitel davor: Das erste Gesicht "im Himmel" (Offb 4 und 5)

Das erste Gesicht "auf Erden"

E1 - Offb 6:1-7:8

Die sechs Siegel und das Versiegeln

Aus der ganzen ersten Vision "im Himmel" (H1 - Offb 4 u. 5) geht hervor, dass nun "auf Erden" in E1 - Offb 6:1-7:8 die Macht entfaltet werden wird zur völligen Erlösung des erworbenen Erbes. Das Lösegeld ist durch das vergossene teure Blut des Lammes bezahlt worden, und nun wird das Erbe aus der Hand des Feindes gerissen,indem der gegenwärtige Machthaber vertrieben und durch Gewalt von der Erde Besitz ergriffen wird. Diese Macht tut sich in den Siegeln, in den Posaunen und in den Zornschalen kund, welche die Gerichte Gottes erfüllen undmit dem Kommen des Herrn selbst abschließen (Offb 19).

Dieser große Gegenstand ist durch die voraufgehende Vision "im Himmel" dargestellt worden; nun werden wir das "auf ERden" folgende Ereignis sehen.

Johannes sieht natürlich alles "im Himmel"; aber was er "im Himmel" sah, (Offb 6:1-7:8 wird "auf Erden "stattfinden, wie das in Offb 4 und 5 "im Himmel" Geschaute, dort vor sich gehen wird.

Dies ist das erste Gesicht jener gewaltigen Vorgänge, die sich am "Tage des Herrn" auf Erden zutragen werden. Es behandelt

Die Eröffnung der sechs Siegel

Die sechs ersten Siegel sind von dem siebten in bemerkenswerter Weise getrennt, als sollte uns dadurch gezeigt werden, dass das siebte nicht so unmittelbar auf das sechst folgt, wie die anderen Siegel aufeinander.

Das sechste Siegel führ uns augenscheinlich zur letzten Zeit, denn es redet von den Zeichen an Sonne, Mond und Sternen (Offb 6:12.13), die der Herr mit seinem persönlichen Erscheinen in Verbindung bringt (Mt 24:20; siehe Joe 3:1.4; wo diese Zeit "der große und schreckliche Tag des Herrn" genannt wird, als wäre sie der Gipfelpunkt der ganzen Periode, die als "Tag des Herrn" bezeichnet wird). Im sechsten Siegel wird diese Zeit "der große Tag des Zorns" genannt (Offb 6:17), und die Zeichen am Himmel bilden die große Endszene (Offb 5:14), wie sie in 2Petr 3:10 beschrieben ist.

Wenn dem so ist, dann sind die ersten sechs Siegel vom siebten deutlich getrennt, und die Stille im Himmel bei der Eröffnung des siebten Siegels bezeichnet eine Pause.

Die sechs Siegel stellen uns eine einleitende Übersicht der Gerichte dar, welche die ganze Periode ausfüllen; das sechst führt bis zu dem Kommen Christi, oder doch bis zu den Ereignissen am Ende von Offb 18.

Es ist Grund vorhanden zu glauben, dass der Tag des Herrn eine längere Periode sein wird. Man muss ihn nicht, wie das so oft geschieht, auf "sieben Jahre" beschränken. Die Zeit die zwischen dem Hervortreten des Herrn in der Luft zur Aufnahme der Gemeinde und seinem Kommen zur Erde und Seinem Kommen mit der Gemeinde in großer Macht und Herrlichkeit liegt, mag den dreiunddreißig Jahren entsprechen zwischen seinem Kommen in Bethlehem (Mi 5:1) und seinem Kommen nach Jerusalem (Sach 9:9). Alle Ereignisse, die zwischen den beiden Zeitpunkten liegen, bezeichnen wir als das erste Kommen Christi. Ebenso bilden alle in diesem Buch geschilderten Ereignisse, welche zwischen Seinem Kommen für die Gemeinde und Seinem Kommen mit der Gemeinde liegen, "seine zweite Zukunft" oder "den Tag des Herrn" (Siehe Original S. 41).

Diese Ereignisse mögen wieder eine Periode von dreiunddreißig Jahren umfassen; wenn wir dazu die sieben Jahre der letzten Woche Daniels hinzufügen, so haben wir eine Zeit von vierzig Jahren.

Wir wissen, dass der Herr Mt 24:4-6 in Seiner Antwort auf die Frage der Jünger: "Wann wird das geschehen?, d. h. wann wird der Tempel zerstört werden? hinzufügt: "Aber es ist noch nicht das Ende (telos) da."

Dann beantwortet Er die zweite Frage: "Welches wird das Zeichen Deiner Ankunft und des Endes (synteleia) der Welt (Mt 24:3) sein? Er beschreibt nun vier der Siegel (Mt 24:7) und fügt hinzu: "Da wird sich zu allererst die Not anheben."

Diese Stelle kennzeichnet die ersten Siegel als der Beginn der synteleia des "Tages des Herrn". Dieses Anheben mag sich auf einige Jahre erstrecken, ehe die eigentliche große Trübsal kommt.

Dadurch sind die sechs ersten Siegel wieder von siebten getrennt.

Wir geben nun das erste Gesicht E1 (Origina S. 93) Offb 6:1-7:8, welches die Ereignisse auf Erden als Ganzes zeigt.

Man wird sehen, dass zwei Gegenstände hervortreten. Die Verfolger und die Verfolgten; die, welche auf der Seite des Antichrists stehen (B1 und B2) und jene, welche leiden (A2) oder von Leiden befreit sind (A1), weil sie sich weigern, ihn anzubeten.

Man wird auch bemerken, wie vollständig Mt 24 mit dieser ersten Szene auf der Erde, dem ganzen Inbegriff der synteleia und des telos übereinstimmt. (Siehe Original S. 68 und 69).

E1 - A1 - Offb 6:1.2 = Der falsche Christus zieht aus zum Kampf gegen die Heiligen (1. Siegel) = Mt 24:4.5.
B1 - Offb 6:3-8 = Gerichte über ihn und seine Anhänger (2., 3. u. 4. Siegel) = Mt 24:6-7
A2 - Offb 6:9-11 = Die Wirkungen des Kampfes mit den Heiligen, ihr Martyrium = Mt 24:8-28
B2 - Offb 6:12-17 = Gerichte über ihn und seine Anhänger (6. Siegel) = Mt 24:29.30. Und die Frage "Wer kann bestehen?"
A3 - Offb 7:1-3 = Beantwortung der Frage durch die Versiegelung der 144 000, wodurch sie befähigt werden, im Gericht zu bestehen = Mt 24:31.

Wir möchten, dass unsere Leser unsere Ansicht über die Siegel deutlich erfassen. Wir trennen sie von den Posaunen und die Zornschalen, welche, nachdem sie begonnen haben, nicht unterbrochen werden. Das ist, wie wir unten sehen werden, aus der Tatsache zu erkennen, dass die beiden letzten Posaunen und die erste Schale miteinander durch die "drei Wehe" verbunden sind. Dadurch werden sie als aufeinander folgend gekennzeichnet.

Die Siegel indessen müssen wir, wegen der Ereignisse unter dem sechsten Siegel, als eine Zusammenfassung aller göttlichen Gerichte betrachten, die den Tag des Herrn einleiten werden: Sie umschließen die ganze synteleia, die Zeit der Trübsal, und führen zu dem telos oder Ende hin, zu den letzten sieben Jahren und dem "großen Tag seines Zornes". So zeichnen sie in weiten Umrissen die ganze Periode. Nach dem letzten Siegel ist durch die "Stille im Himmel" eine Unterbrechung gekennzeichnet, und wir werden abgewandt, um weitere Einzelheiten über die Gerichte zu sehen, die dann von neuem mit den Posaunen beginnen. Nach der letzten Posaune ist keine solche Unterbrechung, keine "Stille im Himmel" oder auf Erden, sondern die letzte Posaune enthält und leitet die sieben Zornschalen, welche das Mysterium oder den geheimen Vorsatz Gottes vollenden, ein. Denn Offb 10:7 lesen wir: "In den Tagen der Stimme des siebten Engels, wenn er posaunen wird, so soll vollendet werden das Geheimnis Gottes, wie er hat verkündigt seinen Knechten, den Propheten." Die siebte Posaune führt zu den sieben Zornschalen, und diese enden mit der schließlichen Zerstörung Babylons, welche die irdischen Gerichtsszenen abschließt.

Wir wollen nun eine Übersicht der vier ersten Siegel geben, A1 und B1 (Original S. 187) - Offb 6:1-8 Dier ersten vier Siegel:

A1 + B1 - a - Offb 6:1.2 = Das erste Siegel. Ein weißes Pferd. Der Reiter mit dem Bogen in der Hand

b - Offb 6:3.4 = Das zweite Siegel: Ein rotes Pferd, Krieg (Mt 24:6.7)
a - Offb 6:5.6 = Das dritte Siegel. Ein schwarzes Pferd. Hungersnot. Der Reiter mit der Waage in der Hand (Mt 24:7)
b - Offb 6:7 = Das vierte Siegel. Ein fahles Pferd. Der Reiter, der Tod und der Hades. Ein Viertel der Erde getötet mit Schwert, Hunger und durch wilde Tiere. (Mt 24:7)

Das erste Siegel

Offb 6:1.2
Und ich sah, da das Lamm eines der sieben Siegel auftat, und ich hörte eines der vier Lebewesen sagen wie mit einer Donnerstimme: Geh!
Und ich sah, und siehe, ein weißes Pferd, und der darauf saß, hatte einen Bogen, und es ward ihm gegeben eine Krone (stephanos, eine Siegeskrone), und er zog aus sieghaft, und dass er siegte. Legen wir die Siegel nach den Worte Christi Mt 24. aus, wo er als Antwort auf die Fragen Seiner Jünger gerade diese Zeit schildert, so kann über ihre Bedeutung und Wirklichkeit kein Zweifel herrschen. Schon seine ersten Worte (Mt 24:24) reden davon, dass falsche Christi aufstehen werden. Sie würden das Zeichen der Zeit sein, "wo das geschehen" sollte (d. h. wo der Tempel zerstört werden sollte)- Und so geschah es; aber sie waren nur ein Vorspiel vom "Kommen der Not". Die Not sollte nicht mit vielen falschen, den Christusnamen führenden Propheten beginnen, sondern mit einem, der von sich sagen würde:

"Ich bin Christus,
und wird viele verführen". (Mt 24:5).

Das erste Siegel muss also das Hervortreten des "falschen Christus" darstellen. Es ist die geheime Bedeutung seines Auftretens. Weiter Einzelheiten darüber folgen in Offb 13., wo ausdrücklich hervorgehoben wird: Und ihm wurde gegeben, zu streiten mit den Heiligen, und sie zu überwinden; und ihm wurde gegeben Macht über alle Geschlechter und Völker und Sprachen und Nationen. Und alle, die auf Erden wohnen, beten das Tier an, deren Namen nicht geschrieben sind (in dem Lebensbuch des Lammes, das erwürget ist) von Anbeginn der Welt." (Offb 13:7.8) Getrennt von dem Reiter auf dem weißen Pferd in Offb 6. kann diese Stelle nicht verstanden werden. Lesen wir doch von ihm gleicherweise: "Ihm wurde gegeben" eine Krone, und er zog aus sieghaft und dass er siegte. Inwiefern das Lamm, welches das Siegel auftut, der Öffnende selbst und zu gleicher Zeit der Reiter auf dem weißen Pferd sein könne, das ist uns unverständlich. Sehen wir dagegen in diesem Reiter eine Nachahmung des "treuen und wahrhaftigen" Christus, welcher gemäß der Beschreibung in Offb 19:11 auszieht, um tatsächlich zu siegen, wie natürlich ist es doch da für den falschen und trügerischen Messias, in einer Weise auszuziehen, die darauf ausgelegt ist, "viele zu verführen". Es ist eine der Ungereimtheiten der Auslegung, dass sie die vier Lebewesen zunächst für die Kirche hält und dann den Reiter des ersten Siegels für Christus ausgibt; ein Glied der Kirche würde demnach Christus den Befehl erteilen, mit Richtermacht auszuziehen! Viel einfacher ist es da, Christi Worte in Mt 24 zum Schlüssen zu nehmen; wir lassen dann die Lebewesen beiseite und betrachten sie als geistige oder himmlische Wesen, die an den über die Erde kommenden Gerichten besonderes Interesse haben, und die dem falschen Christus Vollmacht erteilen, dass er ausziehe und zu seiner Zeit offenbart werde, so wie Christus zu Judas sagte: "Was du tun willst, das tue bald." (Joh 13:27). Die andern Pferde sind Rosse des Gerichts; warum soll diese Gleichheit widersinnig unterbrochen, und einer der Reiter für göttlich, die andern aber für menschlich gehalten werden? Warum soll man von dem einen voraussetzen, er käme in Gnade, und von den andern, sie kämen zum Gericht?

Die Schilderung der Laufbahn des Antichrists in anderen Schriftstellen deckt sich vollständig mit dieser. Unerkannt von den Bewohnern der Erde tritt er auf. Sei Anfang ist "Friede" aber sein Ziel ist die Weltherrschaft, die er schließlich erlangt. Bei seinem Fall wird das Urteil der Zuschauer sein: "Ist das der Mann, der die Welt zittern und die Königreiche beben machte? Der den Erdboden zur Wüste machte und die Städte darin zerbrach?" (Jes 14:16.17) Im Buch Daniel heißt es: er "wird mächtig sein" und "gräulich verwüsten" (Dan 8:24) und "seine Hand ausstrecken nach den Ländern" (Dan 11:36.42).

Dass der Befehl sogleich befolgt wird: "und er zog aus", zeigt uns, dass das Verb erchomai, kommen oder gehen, in der zweiten Bedeutung aufgefasst werden muss. "Geh!" Sonst müsste das Verb auch das zweite Mal wiedergegeben werden. "und er kam heraus." Der ihm erteilte Auftrag bezog sich auf den Krieg, wie im zweiten Siegel erklärt wird. Pferde stehen in besonderer Weise in Verbindung mit dem Krieg (siehe Hi39:19.25; Spr 21:31: "Rosse werden zumStreittag bereitet." Ebenso Ps 76:7; Sach 9:10; Sach 10:3; Jer 6:23; Jes 43:17). Dass aber in Offb 10. der auf dem weißen Pferd erscheinende Reiter Christus ist, ist noch lange kein Grund dafür, dass der Reiter auf weißem Pferd hier in Offb 6 auch Christus sein sollte, besonders da er in demselben Vers schon als das Lamm dargestellt wird, welches das Siegel öffnet, damit das weiße Pferd ausziehen möge.

Wir brauchen uns nicht die Mühe zu geben, nachzuweisen, dass das weiße Pferd nicht das römische Kaiserreich bedeutet, was einige annehmen, noch Rom selbst, wie Elliot glaubt. Auch können wir nicht die Meinung vertreten, dass der "Bogen" in des Reiters Hand die Insel Kreta versinnbildliche. Man braucht keine Kenntnis der Klassiker oder der Geschichte zu besitzen, um das buch der Apokalypse zu verstehen, wohl aber Schriftkenntnis und vor allem gesunden Menschenverstand.

Das zweite Siegel

Offb 6:3.4.
Und da es das zweite Siegel auftat, hörte ich das zweite Lebewesen sagen: Geh!
4. Und es ging heraus ein anders Pferd, feuerfarben; und dem der darauf saß, wurde Macht gegeben, den Frieden von der Erde zu nehmen, und dass sie sich untereinander erwürgten und ihm wurde ein großes Schwert gegeben.
Dass sich diese Stelle auf die ganze Erde und nicht nur auf das hl. Land bezieht, scheint durch den Hinweis unseres Herrn auf den Inhalt des zweiten Siegels Mt 24:6.7 entschieden zu werden: "Ihr werdet hören Kriege und Geschrei von Kriegen... es wird sich empören ein Volk über das andere und ein Königreich über das andere." Diese Worte verbunden mit dem zweiten Siegel weisen hin auf eine allgemeine Auflösung der Nationen bei ihrer Verschmelzung zum Weltreich des Antichrists. Hes 38:31 steht geschrieben: "Ich will aber über ihn rufen das Schwert auf allen meinen Bergen, spricht der Herr, Herr, dass eines jeglichen Schwert soll wieder den andern sein." Jer 25 spricht von dem zweiten Siegel, wo der Herr rechtet mit den Nationen. Man lese Jer 25:15-33 und beachte Jer 25:29: "Ich rufe das Schwert über alle, die auf Erden wohnen, spricht der Herr Zebaoth.... Der Herr hat zu rechten mit den Nationen, die Gottlosen wird er dem Schwert übergeben, spricht der Herr" (Jer 25:31). Gegen Israel richtet sich das Wort: "Ich will ein Racheschwert über euch bringen, das meinen Bund rächen soll" (3Mo 26:25-33). Das "Schwert" ist eine der "vier bösen Strafen", die über die Erde geschickt werden (Hes 14:13-21).