Das Zukunftsbild des Propheten Micha: Unterschied zwischen den Versionen

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=='''Das Zukunftsbild des Propheten Micha'''==
 
=='''Das Zukunftsbild des Propheten Micha'''==
 
Von W. Israel, Berlin<br/>
 
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==='''Zeitgeschichte Michas'''===
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Micha - der schöne Sinn seines Namens ist: „Wer ist wie Gott?“, darf nicht verwechselt werden mit dem Propheten gleichen Namens, von dem 1Kö 22 die Rede ist, der uns nichts Schriftliches hinterlassen hat. Der Verfasser der Schrift, dem wir jetzt unsere Aufmerksamkeit zuwenden, lebte, ein Zeitgenosse des Jesaja, in der zweiten Hälfte des achten Jahrhundert vor Christi Geburt, er war ein Judäer und entwirft uns ein überaus ernstes und trauriges Bild von den religiösen und sittlichen Zuständen seiner Zeit. Es stand zu seiner Zeit viel viel schlimmer als in den Tagen Joels. Durch furchtbare Entartung zeichnen sich besonders die beiden Hauptstädte Samaria und Jerusalem aus. Mit schamloser Ungerechtigkeit reißen die Großen und Mächtigen Äcker und Häuser an sich. Die Gewalttat Ahabs und der Isebel, mit der sie Naboths Weinberg an sich brachten, hatte Schule gemacht. Weiber und Kinder werden freventlich ihres Besitzes beraubt. Die Häupter und Fürsten fressen, wie der Prophet sich ausdrückt, das Fleisch des Volkes, ziehen ihm die Haut ab und zerbrechen ihm die Gebeine. Zion wird mit Blut gebaut und Jerusalem mit Unrecht. Bestechlichkeit herrscht bei den Richtern, die Priester ehren um Lohn, die Propheten wahrsagen um Geld. Sie reden den Leuten nach dem Mund, zu fürchten braucht ihr nichts, versichern sie ihnen, Gottes Verheißungen verkündigen sie, die Bedingungen Gottes, von denen die Erfüllung der Verheißung abhängig ist, verschweigen sie.
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Die frommen Leute sind aus dem Lande fort. Es herrscht eine Verkehrung aller sittlichen Begriffe, die Menschen meinen, sie tun wohl, wenn sie Böses tun. „Der Beste ist wie ein Dorn und der Redlichste wie eine Hecke“. Treu und Glauben sind weg. „Niemand glaube seinem Nächsten, niemand verlasse sich auf seinen Freund, bewahre die Tür deines Mundes vor der, die in deinen Armen schläft. Der Sohn verachtet den Vater, die Tochter setzt sich wider die Mutter, die Schwiegertochter ist wider die Schwiegermutter, und des Menschen Feinde sind sein eigenes Hausgesinde.“ Das Volk ist allenfalls geneigt, mit einer Scheinfrömmigkeit Gott zu versöhnen, Oper lässt es sich vielleicht noch kosten an Widdern und Öl, unter Umständen würde man sogar mit dem heidnischen Gräuel von Menschenopfern Gottes Zorn zu stillen versuchen, aber die elementarsten Äußerungen wirklicher Frömmigkeit und Gottesfurcht fehlen: „Gottes Wort halten, Liebe üben und demütig sein vor Gott“. Gott fragt das Volk, was er ihm getan habe, womit er es beleidigt hätte, er erinnert es an die alten Hilfen und Errettungen. Es kann sich nicht verantworten. In der Tat heillose Zustände. <br/><br/>
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====<big> Gottes Geircht sind unausbleiblich</big>====
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Da sind Gottes Gerichte unausbleiblich. So schaut Micha, dass Samaria zum Steinhaufen wird, alle Götzen werden zerbrochen, und ihre Bilder verwüstet. Aber die Plage kommt auch bis gen Juda und Jerusalem. Was werden die Philister sagen, wie groß wird ihre Schadenfreude sein, wenn’s ihnen bekannt wird, Mit dem Volk ist es aus, sein Land wird eines fremden Herrn. Man wird in der Not um Hilfe schreien, aber Erhörung bleibt aus, der Herr verbirgt sein Angesicht vor dem Volk. Die Gesichte der Wahrsager werden zuschanden und ein Spott, es wird offenbar, dass sie kein Gotteswort geredet haben. Auch Zion wird um der Missetaten, in Sonderheit der Häupter, der Priester, der falschen Propheten willen, wie ein  Acker gepflügt werden und Jerusalem zum Steinhaufen, der Tempelberg  zu einer wilden Höhe Micha hat die babylonische Gefangenschaft geweissagt, ebenso wie die assyrische. Aber sein Blick scheint noch über die zunächst drohenden Katastrophen hinauszuschauen.
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Nachdem er von der Errettung aus Babel geredet hat, fährt er fort: „Nun aber werden sich viele Heiden wider dich rotten und und sprechen: Sie soll entweiht werden, wir wollen unsere Lust an Zion sehen.“ Aber sie wissen des Herrn Gedanken nicht und merken seinen Ratschlag nicht, dass er sie zuhauf gebracht hat wie Garben auf der Tenne. Israel soll sie dreschen, denn Gott wird ihm eisern Hörner und eherne Klauen machen, der Heiden Gut soll dem Herrn verbannt werden. und ihre Habe dem Herrscher der ganzen Welt. Aber ehe es soweit ist, weissagt Micha eine neue Belagerung, und dass der Richter Israels auf den Backen geschlagen wird.
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Es ist ungemein schwer, vielleicht unmöglich zu sagen, auf welche einzelnen Ereignisse diese Weissagungen gehen. Gehen sie auf die Makkabäerzeiten? Gehen sie auf die römische Katastrophe? Gehen sie vielleicht auf die Endzeit, die heute noch zukünftig ist? Ich bin nicht abgeneigt, das letztere anzunehmen. Die Schilderung geht so in’s Große und ist so universal gehalten, dass mir scheint, nur die Endentwicklung sei ein passender Rahmen dafür. Die Ereignisse gehen ja alle Völker an (Mi 1:2; Mi 4:11).
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Wir kennen das neutestamentliche Wort: „Wo die Sünde mächtig geworden ist, da ist die Gnade noch viel mächtiger geworden.“ Dieses göttliche Gesetz bringt auch Micha zum Ausdruck. Es kommt die Zeit, da wird Israel Vergebung empfangen, wenigstens der Rest, die Übrigen. Gottes Zorn währt nicht ewiglich, denn Gott ist barmherzig. Ja, er erbarmt sich wieder seines Volkes, dämpft seine Missetaten und wirft alle seine Sünden in die tiefen des Meeres, so wie er Pharao einst mit Ross und Reisigen in rote Meer versenkte. Der Herr hält Jakob die Treue und Abraham die Gnadenverheißung in ihren Nachkommen. Jakob wird gesammelt und die Übrigen in Israel zuhauf gebracht. Der Herr bringt sie wie Schafe in einen festen stall. Er erweckt ihnen einen Durchbrecher, einen Vorkämpfer, einen siegreichen Helden, einen König, in dessen Nachfolge sie auch durchbrechen können. Über diesen Durchbrecher ist dem Propheten weitere Offenbarung zuteil geworden. Er weiß zu reden von der Stätte seiner Geburt. „Du Bethlehem Ephrata, die du klein bist unter den Städten in Juda, aus dir soll mir der kommen, der in Israel Herr sei, welchen Ausgang von Anfang und von Ewigkeit her gewesen ist.“ <br/><br/>
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==='''Der Messias kommt'''===
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Der Messias wird kommen, er, dessen Erscheinen nicht nur von den Urzeiten her verheißen ist, sondern der auch in seiner Person in der Ewigkeit wurzelt, der, als er erschienen war, sagen durfte: „Ehe denn Abraham ward, bin ich.“ Dieser Durchbrecher, Herrscher, König, wird weiden als der große Hirte in der Kraft des Herrn und im Siege des Namens des Herrn. Nicht nur in Israel, sondern soweit die Welt ist, wird er herrlich werden. Er ist Israels Friede, ein starker Schutz gegen alle seine Feinde. Israel, soweit es begnadigt wurde, wird dann unter vielen Völkern sein wie ein Tau vom Herrn und wie die Tröpflein auf dem Gras. Ein Segen geht aus in die Welt von dem zu Gnaden angenommenen Volk, das stark ist wie ein Löwe. Israel ist dann einwirkliches Gottesvolk geworden, dessen Stsärke allein der Herr ist. Alles Vertrauen auf fleischliche Mächte hat aufgehört. Die Rosse sind abgetan, die Wagen zunichte geworden, die Festungen sind zerbrochen. Israel ist ein heiligen Volk geworden. Bilder und Götzen sind ausgerottet, Zauberer und Zeichendeuter sind nicht mehr zu finden. Der Berg, drauf des Herrn Haus ist, wird in den letzten tagen feststehen, höher als alle Berge und über alle Hügel erhaben sein, und die Völker werden herzulaufen, und viele Nationen werden gehen und sagen: „Kommt , lasst uns hinaufgehen zum Berge des Herrn und zum Hause Gottes Jakobs, dass er uns lehre seine Wege, und wir auf seiner Straße wandeln.“ Denn aus Zion wird das Gesetz ausgehen und des Herrn Wort aus Jerusalem.
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Bekanntlich findet sich bei dem Propheten Jesaja in Jes 2 dieselbe Weissagung. Hat sie Jesaja Micha entnommen, oder Micha dem Jesaja, oder haben etwa beide Propheten zurückgegriffen auf eine ältere Weissagung? Es lässt sich in dieser Hinsicht nichts feststellen. Es wird sich auch nichts gewisses ausmachen lassen bezüglich der Frage ob der Berg Zion in geographischem Sinn höher sein werden als alle Berge, oder ob das Wort sinnbildlich zu verstehen sei.  Dass die Endzeit auch physische Veränderungen mit sich bringt, wird wohl nicht bezweifelt werden könne; wenn „der Herr herabfährt aus seinem Ort und tritt auf die Höhen im Lande, dass die Berge unter ihm schmelzen und die Täler reißen werden, gleichwie Wachs vor dem Feuer zerschmilzt“ (Mi 1:3ff), so wird das schwerlich rein vergeistigt werden dürfen, die Zerrüttungen des Völkerlebens spiegeln sich wieder ins schreckhaften Naturereignissen, man denke nur an die Tatsache, dass der politische, religiöse und sittliche Jammer der Gegenwart begleitet ist von immer erneut auftretenden Erschütterungen der Erdrinde. <br/><br/>
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====<big> Segnungen der Messiasherrschaft</big>====
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Wir können es dahingestellt sein lassen, wie die Weissagung sich dereinst erfüllt, ob buchstäblich oder geistig, es macht auch nichts aus, ob das Herzuströmen der Nationen zum Berge des Herrn dem Wortlaut oder dem Sinne nach sich einst vollziehen wird, die Hauptsache ist dies, dass eine große Völkerbekehrung hier verheißen ist, eine Völkerbekehrung von der die bisherige  Christanisierung der Völker nur ein schwaches Abbild ist. Man hat ja oft Stellen wie Jes 2 und Mi 4 als Text für Missionsstunden und Missionsfeste genommen, ob man da oft nicht viel zu weit gegangen ist in der Auslegung? bisher stand es doch so, und auch heute steht es noch nicht anderes, dass die Sendboten der Kirche hingehen mussten zu den Heiden und nur zu oft unter großer Geduld zu warten hatten auf eine sehr bescheidene Ernte, hinzugeströmt zum Evangelium, wie es Micha und Jesaja geschaut haben, sind sie noch  nicht. Oder sollen wir etwa die Ereignisse der Völkerwanderung hier geweissagt finden? Gewiss war es dem göttlichen Ratschluss gemäß, dass die germanischen Stämme ihre Wohnsitze verließen und nach dem Süden, Südosten und Südwesten Europas sich wendeten, ja über die Grenze Europas noch vordrangen um in Berührung zu kommen mit dem Evangelium, aber der Naturdrang, der die Völkerwanderung veranlasst hat, ist etwas ganz anderes gewesen als jenes klare Heilsverlangen der Völker in den letzten Tagen, auch stehen jene Ereignisse der Zukunft in viel zu enger Verbindung mit der Bekehrung Israels, als dass wir in jener Weissagung Geschehnisse der Vergangenheit oder der Gegenwart angedeutet könnten sehen.
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Wer zwischen den Zeilen zu lesen und die Zeichen der Zeit  zu deuten versteht, erkennt, dass jenem Verlangen der Völkerwelt nach einem göttlichen Gesetz und nach göttlichen Ordnungen in Israel unter dem Regiment seines Priesterkönigs, des Messias, noch herrlicher sein als zuvor.

Version vom 15. September 2021, 16:23 Uhr

Aus dem Zweimonatsheft für gläubige Schriftforscher:
"Das prophetische Wort"
Begründet von Professor E. F. Ströter


Herausgegeben von Heinrich Schaedel
Maranatha-Verlag, Klosterlausnitz i. Thür.
XIX. Jahrgang 1928

Siehe weitere Abschriften
Weitere Referate: Die 12 kleinen Propheten

In Bearbeitung

Das Zukunftsbild des Propheten Micha

Von W. Israel, Berlin

Zeitgeschichte Michas

Micha - der schöne Sinn seines Namens ist: „Wer ist wie Gott?“, darf nicht verwechselt werden mit dem Propheten gleichen Namens, von dem 1Kö 22 die Rede ist, der uns nichts Schriftliches hinterlassen hat. Der Verfasser der Schrift, dem wir jetzt unsere Aufmerksamkeit zuwenden, lebte, ein Zeitgenosse des Jesaja, in der zweiten Hälfte des achten Jahrhundert vor Christi Geburt, er war ein Judäer und entwirft uns ein überaus ernstes und trauriges Bild von den religiösen und sittlichen Zuständen seiner Zeit. Es stand zu seiner Zeit viel viel schlimmer als in den Tagen Joels. Durch furchtbare Entartung zeichnen sich besonders die beiden Hauptstädte Samaria und Jerusalem aus. Mit schamloser Ungerechtigkeit reißen die Großen und Mächtigen Äcker und Häuser an sich. Die Gewalttat Ahabs und der Isebel, mit der sie Naboths Weinberg an sich brachten, hatte Schule gemacht. Weiber und Kinder werden freventlich ihres Besitzes beraubt. Die Häupter und Fürsten fressen, wie der Prophet sich ausdrückt, das Fleisch des Volkes, ziehen ihm die Haut ab und zerbrechen ihm die Gebeine. Zion wird mit Blut gebaut und Jerusalem mit Unrecht. Bestechlichkeit herrscht bei den Richtern, die Priester ehren um Lohn, die Propheten wahrsagen um Geld. Sie reden den Leuten nach dem Mund, zu fürchten braucht ihr nichts, versichern sie ihnen, Gottes Verheißungen verkündigen sie, die Bedingungen Gottes, von denen die Erfüllung der Verheißung abhängig ist, verschweigen sie.

Die frommen Leute sind aus dem Lande fort. Es herrscht eine Verkehrung aller sittlichen Begriffe, die Menschen meinen, sie tun wohl, wenn sie Böses tun. „Der Beste ist wie ein Dorn und der Redlichste wie eine Hecke“. Treu und Glauben sind weg. „Niemand glaube seinem Nächsten, niemand verlasse sich auf seinen Freund, bewahre die Tür deines Mundes vor der, die in deinen Armen schläft. Der Sohn verachtet den Vater, die Tochter setzt sich wider die Mutter, die Schwiegertochter ist wider die Schwiegermutter, und des Menschen Feinde sind sein eigenes Hausgesinde.“ Das Volk ist allenfalls geneigt, mit einer Scheinfrömmigkeit Gott zu versöhnen, Oper lässt es sich vielleicht noch kosten an Widdern und Öl, unter Umständen würde man sogar mit dem heidnischen Gräuel von Menschenopfern Gottes Zorn zu stillen versuchen, aber die elementarsten Äußerungen wirklicher Frömmigkeit und Gottesfurcht fehlen: „Gottes Wort halten, Liebe üben und demütig sein vor Gott“. Gott fragt das Volk, was er ihm getan habe, womit er es beleidigt hätte, er erinnert es an die alten Hilfen und Errettungen. Es kann sich nicht verantworten. In der Tat heillose Zustände.

Gottes Geircht sind unausbleiblich

Da sind Gottes Gerichte unausbleiblich. So schaut Micha, dass Samaria zum Steinhaufen wird, alle Götzen werden zerbrochen, und ihre Bilder verwüstet. Aber die Plage kommt auch bis gen Juda und Jerusalem. Was werden die Philister sagen, wie groß wird ihre Schadenfreude sein, wenn’s ihnen bekannt wird, Mit dem Volk ist es aus, sein Land wird eines fremden Herrn. Man wird in der Not um Hilfe schreien, aber Erhörung bleibt aus, der Herr verbirgt sein Angesicht vor dem Volk. Die Gesichte der Wahrsager werden zuschanden und ein Spott, es wird offenbar, dass sie kein Gotteswort geredet haben. Auch Zion wird um der Missetaten, in Sonderheit der Häupter, der Priester, der falschen Propheten willen, wie ein Acker gepflügt werden und Jerusalem zum Steinhaufen, der Tempelberg zu einer wilden Höhe Micha hat die babylonische Gefangenschaft geweissagt, ebenso wie die assyrische. Aber sein Blick scheint noch über die zunächst drohenden Katastrophen hinauszuschauen.

Nachdem er von der Errettung aus Babel geredet hat, fährt er fort: „Nun aber werden sich viele Heiden wider dich rotten und und sprechen: Sie soll entweiht werden, wir wollen unsere Lust an Zion sehen.“ Aber sie wissen des Herrn Gedanken nicht und merken seinen Ratschlag nicht, dass er sie zuhauf gebracht hat wie Garben auf der Tenne. Israel soll sie dreschen, denn Gott wird ihm eisern Hörner und eherne Klauen machen, der Heiden Gut soll dem Herrn verbannt werden. und ihre Habe dem Herrscher der ganzen Welt. Aber ehe es soweit ist, weissagt Micha eine neue Belagerung, und dass der Richter Israels auf den Backen geschlagen wird.

Es ist ungemein schwer, vielleicht unmöglich zu sagen, auf welche einzelnen Ereignisse diese Weissagungen gehen. Gehen sie auf die Makkabäerzeiten? Gehen sie auf die römische Katastrophe? Gehen sie vielleicht auf die Endzeit, die heute noch zukünftig ist? Ich bin nicht abgeneigt, das letztere anzunehmen. Die Schilderung geht so in’s Große und ist so universal gehalten, dass mir scheint, nur die Endentwicklung sei ein passender Rahmen dafür. Die Ereignisse gehen ja alle Völker an (Mi 1:2; Mi 4:11).

Wir kennen das neutestamentliche Wort: „Wo die Sünde mächtig geworden ist, da ist die Gnade noch viel mächtiger geworden.“ Dieses göttliche Gesetz bringt auch Micha zum Ausdruck. Es kommt die Zeit, da wird Israel Vergebung empfangen, wenigstens der Rest, die Übrigen. Gottes Zorn währt nicht ewiglich, denn Gott ist barmherzig. Ja, er erbarmt sich wieder seines Volkes, dämpft seine Missetaten und wirft alle seine Sünden in die tiefen des Meeres, so wie er Pharao einst mit Ross und Reisigen in rote Meer versenkte. Der Herr hält Jakob die Treue und Abraham die Gnadenverheißung in ihren Nachkommen. Jakob wird gesammelt und die Übrigen in Israel zuhauf gebracht. Der Herr bringt sie wie Schafe in einen festen stall. Er erweckt ihnen einen Durchbrecher, einen Vorkämpfer, einen siegreichen Helden, einen König, in dessen Nachfolge sie auch durchbrechen können. Über diesen Durchbrecher ist dem Propheten weitere Offenbarung zuteil geworden. Er weiß zu reden von der Stätte seiner Geburt. „Du Bethlehem Ephrata, die du klein bist unter den Städten in Juda, aus dir soll mir der kommen, der in Israel Herr sei, welchen Ausgang von Anfang und von Ewigkeit her gewesen ist.“

Der Messias kommt

Der Messias wird kommen, er, dessen Erscheinen nicht nur von den Urzeiten her verheißen ist, sondern der auch in seiner Person in der Ewigkeit wurzelt, der, als er erschienen war, sagen durfte: „Ehe denn Abraham ward, bin ich.“ Dieser Durchbrecher, Herrscher, König, wird weiden als der große Hirte in der Kraft des Herrn und im Siege des Namens des Herrn. Nicht nur in Israel, sondern soweit die Welt ist, wird er herrlich werden. Er ist Israels Friede, ein starker Schutz gegen alle seine Feinde. Israel, soweit es begnadigt wurde, wird dann unter vielen Völkern sein wie ein Tau vom Herrn und wie die Tröpflein auf dem Gras. Ein Segen geht aus in die Welt von dem zu Gnaden angenommenen Volk, das stark ist wie ein Löwe. Israel ist dann einwirkliches Gottesvolk geworden, dessen Stsärke allein der Herr ist. Alles Vertrauen auf fleischliche Mächte hat aufgehört. Die Rosse sind abgetan, die Wagen zunichte geworden, die Festungen sind zerbrochen. Israel ist ein heiligen Volk geworden. Bilder und Götzen sind ausgerottet, Zauberer und Zeichendeuter sind nicht mehr zu finden. Der Berg, drauf des Herrn Haus ist, wird in den letzten tagen feststehen, höher als alle Berge und über alle Hügel erhaben sein, und die Völker werden herzulaufen, und viele Nationen werden gehen und sagen: „Kommt , lasst uns hinaufgehen zum Berge des Herrn und zum Hause Gottes Jakobs, dass er uns lehre seine Wege, und wir auf seiner Straße wandeln.“ Denn aus Zion wird das Gesetz ausgehen und des Herrn Wort aus Jerusalem.

Bekanntlich findet sich bei dem Propheten Jesaja in Jes 2 dieselbe Weissagung. Hat sie Jesaja Micha entnommen, oder Micha dem Jesaja, oder haben etwa beide Propheten zurückgegriffen auf eine ältere Weissagung? Es lässt sich in dieser Hinsicht nichts feststellen. Es wird sich auch nichts gewisses ausmachen lassen bezüglich der Frage ob der Berg Zion in geographischem Sinn höher sein werden als alle Berge, oder ob das Wort sinnbildlich zu verstehen sei. Dass die Endzeit auch physische Veränderungen mit sich bringt, wird wohl nicht bezweifelt werden könne; wenn „der Herr herabfährt aus seinem Ort und tritt auf die Höhen im Lande, dass die Berge unter ihm schmelzen und die Täler reißen werden, gleichwie Wachs vor dem Feuer zerschmilzt“ (Mi 1:3ff), so wird das schwerlich rein vergeistigt werden dürfen, die Zerrüttungen des Völkerlebens spiegeln sich wieder ins schreckhaften Naturereignissen, man denke nur an die Tatsache, dass der politische, religiöse und sittliche Jammer der Gegenwart begleitet ist von immer erneut auftretenden Erschütterungen der Erdrinde.

Segnungen der Messiasherrschaft

Wir können es dahingestellt sein lassen, wie die Weissagung sich dereinst erfüllt, ob buchstäblich oder geistig, es macht auch nichts aus, ob das Herzuströmen der Nationen zum Berge des Herrn dem Wortlaut oder dem Sinne nach sich einst vollziehen wird, die Hauptsache ist dies, dass eine große Völkerbekehrung hier verheißen ist, eine Völkerbekehrung von der die bisherige Christanisierung der Völker nur ein schwaches Abbild ist. Man hat ja oft Stellen wie Jes 2 und Mi 4 als Text für Missionsstunden und Missionsfeste genommen, ob man da oft nicht viel zu weit gegangen ist in der Auslegung? bisher stand es doch so, und auch heute steht es noch nicht anderes, dass die Sendboten der Kirche hingehen mussten zu den Heiden und nur zu oft unter großer Geduld zu warten hatten auf eine sehr bescheidene Ernte, hinzugeströmt zum Evangelium, wie es Micha und Jesaja geschaut haben, sind sie noch nicht. Oder sollen wir etwa die Ereignisse der Völkerwanderung hier geweissagt finden? Gewiss war es dem göttlichen Ratschluss gemäß, dass die germanischen Stämme ihre Wohnsitze verließen und nach dem Süden, Südosten und Südwesten Europas sich wendeten, ja über die Grenze Europas noch vordrangen um in Berührung zu kommen mit dem Evangelium, aber der Naturdrang, der die Völkerwanderung veranlasst hat, ist etwas ganz anderes gewesen als jenes klare Heilsverlangen der Völker in den letzten Tagen, auch stehen jene Ereignisse der Zukunft in viel zu enger Verbindung mit der Bekehrung Israels, als dass wir in jener Weissagung Geschehnisse der Vergangenheit oder der Gegenwart angedeutet könnten sehen.

Wer zwischen den Zeilen zu lesen und die Zeichen der Zeit zu deuten versteht, erkennt, dass jenem Verlangen der Völkerwelt nach einem göttlichen Gesetz und nach göttlichen Ordnungen in Israel unter dem Regiment seines Priesterkönigs, des Messias, noch herrlicher sein als zuvor.