Gleichnisse Jesu in prophetischer Sicht

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Version vom 10. Oktober 2020, 16:02 Uhr von MI (Diskussion | Beiträge) (Inhaltsverzeichnis)

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Die Gleichnisse Jesu - Eine Auslegung in prophetischer Sicht

Pfarrer Theodor Böhmerle (1870- 1927)

Quelle: eine private Abschrift, Verlag unbekannt

Inhaltsverzeichnis


Er redete zu ihnen durch Gleichnisse - Mt 13:3
- siehe unten
Evangelium Lukas - Lk 15
Vom Weinberg - Mt 21:33-46; Mk 12:11-12; Lk 20:9-19
Die königliche Hochzeit - Mt 22:1-14; Lk 14:16-24
Von den anvertrauten Pfunden - Mt 25:14-30
Vom jüngsten Gericht - Mt 25:31-46
Verwerfung und Wieder-Annahme des jüdischen Volkes - Lk 18:11-18
Der ungerechte Haushalter - Lk 16:1-13
Gleichnisse in Matthäus - Mt 13
Das Gleichnis von den Jungfrauen - Mt 25
Der reiche Mann und Lazarus - Lk 16:19-31


Einleitung

Und er redete vieles zu ihnen durch Gleichnisse

Mt 13:3

Das war eine große und entscheidende Stunde, als der Heiland anfing, zu ihnen durch Gleichnisse zu reden. Mit den Gleichnissen fängt eigentlich das Gericht über die Juden und Jerusalem an. Mit ihnen leitet sich die gewaltige Schwenkung ein, die im Gericht über das jüdische Volk besteht und mit welcher die große Lücke in der Heraufführung des Königreichs Christi ihren Anfang nimmt. Wer die Gleichnisse des Heilsands im eigentlichen Sinn richtig verstehen will, der muss die ganze Arbeit des Heilands richtig verstehen. In dieser Hinsicht ist im Laufe der Jahrhunderte unter dem Einfluss der Massenkirchen eine ganz verkehrte und verdrehte Auffassung entstanden. Diese kommt in kurzen Worten dadurch zum Ausdruck, dass man jetzt von Christen und Heiden redet und unter den letzteren auch noch die Juden marschieren lässt und dass man den Christen die sogenannte Aufgabe gibt, die Heiden und Juden zu missionieren. Das ist ein völlig unbiblischer Standpunkt.

Juden und Nationen

Die Bibel kennt nur Juden und Nationen. Die Nationen sind in der Schrift stets eine kompakte und zusammengeschlossene Masse, und dieser stehen die Juden gegenüber. Aus diesen Juden und Nationen wird jetzt eine Gemeinde des Geistes und des Glaubens herausgeholt, welche zwar schon lange einen vorläufigen Gang hatte, nun aber nach der Erhöhung des Herrn und nach der Verwerfung der Juden und nach der Dahingabe der Nationen in den erneuerten Gerichtslauf zu ihrer Fülle heraus- und durchgebildet wird. Dass eine Anzahl der Nationen das Christentum zur Volksreligion bekommen hat, dient nicht so sehr zu ihrer Christlichmachung als vielmehr zu ihrer Ausreifung für das Antichristentum unter Führung des Judentums. Auf diesem Boden außerhalb der Gemeine bleiben immer Juden und Nationen. Dies ist im Gerichtslauf so und wird im Gnadenlauf so sein.

Die Gemeine der Gläubigen ist während ihres Laufes eine Sache für sich. Hier holt sich Gott seine vorerwählten Söhne aus Juden und Nationen und füllt in sie die Herrlichkeit des Eingeborenen. Das ist das Leibesgeheimnis, das sich jetzt ausgestaltet. Dieser Leib Christi ist eine Auswahl. Das Heil aller Nationen hängt und bleibt nach der ganzen Prophetie hängen an den Juden. Durch sie als Heilsträger wird das Königreich Christi aufgerichtet. Dieses hat seine Zentrale in Zion - und wird erscheinen nach der antichristlichen Zeit und nach der Erscheinung Christi mit seinen Heiligen. Wir müssen also scharf unterscheiden: die Gemeine, in welche die ganze Sohnesfülle eingeht und sich in ihr offenbart als im Leibe des Sohnes - und das Königreich, in welchem zuerst die Juden, dann die Nationen untertan gemacht werden, dem erschienenen Herrn und seinen verherrlichten Gliedern. Die verklärte Söhnegemeine ist die Herrschergemeine. Juden und Nationen sind zu dieser Zeit in bekehrten Untertanen unter Führung des bekehrten Israel von Zion aus.

Der Heiland ist nun Mensch geworden, diesen Plan Gottes auszuführen. Die Hauptsache dabei war, dass Er die Sünde im Fleisch überwand, dass er sich frei in Leiden und Tod hingab, dass er Tod und Hölle durchbrach und auferstand und als verklärter Herr zur Rechten des Vaters die Quelle allen Heils wurde. Er ist gekommen, wie er selber sagt, sein Leben zu geben für die Vielen als Lösegeld. Der Heiland ist zum Sterben auf die Welt gekommen. Das ist das Einzigartige an ihm. Sonst kommt alles auf die Welt, um zu leben, obwohl es sterben muss. Er kam, um zu sterben, obwohl er das Leben hätte behalten können Nebenbei gesagt sind seine gläubigen Erstlinge, sobald sie ihren Stand erkannt haben, auch in der Welt, um sich frei in Leiden und Sterben zu geben. War das die große Hauptsache des Kommens des Herr, die Versöhnung und Erlösung durchzuführen und kommt dieses Versöhnungswerk allen zugute, den Erstlingen in der Gemeine, wie den Juden und Nationen im Königreich, so war der Heiland doch gekommen, das erwählte jüdische Volk zu seiner großen Aufgabe unter den Nationen aufzurufen. In diesem Stück war die große irdische Lebensaufgabe des Heilands eine ganz sonderlich jüdische. Darum ist er auch im jüdischen Land geboren, darum trägt er Davids Fleisch und Blut an sich, darum ist er auch in seinem ganzen Leben und Wirken nicht über das kleine jüdische Land hinausgekommen. Er sagt ausdrücklich: „Ich bin nicht gesandt, denn allein zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel.“

Der verheißene Messias Israels

Die prophetischen, dem jüdischen Volk gegebenen Verheißungen zu erfüllen und sie als an ihm erfüllt aufzuzeigen, das war seines Erdenlebens Inhalt. Darum läuft auch sein reden und Tun im innersten Grunde darauf hinaus, darzutun, dass er der verheißene Messias Israels sei. Das war die Frage, um welche es sich immer offener drehte: „Bist du, der da kommen soll oder nicht?“ Unter diesem Gesichtspunkt spielten die Nationen zunächst gar keine Rolle. Sie sollten ja erst drankommen, wenn Israel erlöst war und seinen Messias angenommen hatte. Darum geht des Heilands Wirken, ganz im Unterschied des Apostels Paulus in der Gemeine, nicht auf eine Auswahl, sondern auf das ganze Volk. Der Retter hat es immer mit den Massen zu tun, sonderlich am Anfang. Darum gehen auch des Heilands Wunder und Zeichen auf die Masse. Alle, ohne Unterschied und Ausnahme, macht er gesund, und zu allen schickt er die Zwölft und die Siebzig. Das Volk soll aufwachen und merken, dass sein Jahrhunderte zuvor verheißener König und Herr da sei. Es soll Buße tun und ihn ergreifen. Von diesem Messias-Offenbarungswirken erzählen uns die drei ersten Evangelien. Und die Hauptsache in diesem Wirken ist immer, dass die Schrift erfüllt ist, dass die dem jüdischen Volk gegebenen Verheißungen erfüllt sind.

DerJuden König

Darum endet diese ganze Tätigkeit mit dem Königseinzug in Jerusalem, mit der Verhandlung vor dem Hohen Rat und ihrer Feststellung, dass er es ist, und endlich mit der Pilatus-Inschrift am Kreuz: „Der Juden König“ Deswegen dreht es sich auch in dieser ganzen Tätigkeit des Herrn immer um das Königreich. Und sonderlich die Gleichnisse gehören voll und ganz noch da hinein. Ihre charakteristische Überschrift ist meist: „Das Königreich der Himmel ist gleich....“ Auserwählte Gläubige kommen natürlich auch heraus unter der Tätigkeit des Herrn, wenn auch noch vorlaufend, weil ja das wahrhaftige Auferstehungsleben noch nicht frei war. Aber die Hauptsache war und blieb die Auferweckung des Volkes für seinen verheißenen und in Jesus gekommenen Herrn. Diese Auferweckung ist ja dann nach der Auferstehung und Erhöhung des Herrn mit Kraft und Macht noch einmal fortgesetzt worden. Es gab einen gar erhebenden und schönen Anfang des Königreiches Christi von Jerusalem aus an Pfingsten und einige Zeit danach. Aber beim Anfang blieb es. Unter Führung seiner Oberen verwarf das jüdische Volk den Gekreuzigten und Erstandenen - und nun war das Königreich unmöglich.

Beginn der Gerichtszeit

Die Gerichtszeit trat ein. Auch die Nationen wurden von neuem hingegeben - hatten sie doch in ihrem Vertreter Pilatus das Urteil mitgesprochen