Die Trübsal in Christus

Aus Bibelwissen
Version vom 19. Februar 2021, 15:30 Uhr von MI (Diskussion | Beiträge) (Der Apostel sich ihrer rühmen musste)

Wechseln zu: Navigation, Suche

Abschrift des Buches: Der zweite Thessalonicher Brief
Pfarrer Theodor Böhmerle (1870 - 1927)

Neu durchgesehene Auflage
St.-Johannis-Druckerei, Lahr-Dinglingen (Baden) 1957

weitere Abschriften:

Inhaltsverzeichnis des Buches

In Bearbeitung:

Die Trübsal des Christus

I. Im Lichte des Tages des Herrn

Kapitel 1

Ehe der eigentliche Brief beginnt, haben wir, wie in fast allen Briefen, den Eingangsgruß:

2Thes 1:1
Paulus und Silvanus und Timotheus der Gemeine der Thessalonicher
Wir haben die drei Schreiber schon kennengelernt, dieses Lebenskleeblatt. So muss jeder wahrhaft Gläubige in einer Lebensverbindung mit Gläubigen stehen. Wer aus Gott geboren ist, liebt die Brüder. In Christus Jesus steht Paulus dem Silvanus und Timotheus völlig gleich, und sie beide stehen wieder dem Paulus gleich. Sie sind vom gleichen Heiland erfasst und laufen zum gleichen Ziele im gleichen Dienste. In Christus hält einer den anderen höher als sich selbst. Das sind drei Brüder in Christus nebeneinander. Paulus war stets und immer Bruder unter Brüdern. Aber obwohl der Heilige Geist also gleichstellt, dass nicht Jude noch Grieche, nicht Knecht noch Freier, nicht Mann noch Weib ist, so hält Er doch alle Ordnungen scharf und streng ein. Glaube und Liebe sind nicht ordnungslos. Es könnte nicht heißen: Timotheus, Silas, Paulus; es muss nach dem Geiste heißen: Paulus, Silas und Timotheus. Paulus ist der Apostel, der durch besondere Offenbarung zu diesem Dienst Berufene. Silas ist der Lehrer und Prophet. Er hat eine wichtige Aufgabe an seinem Platze. Aber nur an seinem Platz kann er richtig dienen. Wer nicht an seinem Platze dient, der dient nicht evangelisch. Jedes Pflänzlein gedeiht an seinem Örtlein und erfreut auch da. Wo Geisteszucht ist, kommt nun ein jeder an seinen Platz; wo keine ist, sitzt jeder am falschen Fleck, oder es ist Neid und Streit.

Timotheus war der jüngste und der Gehilfe, er kommt zuletzt. Er ist aber doch ein wichtiges Glied gewesen, und gerade in Thessalonich hat er, wie wir schon oben sahen, große und auch selbstständige Dienste geleistet. Er hat sie immer an seinem Platz geleistet und hatte immer eher müssen ermuntert als in Schranken gewiesen werden. Das ist überall so, wo wahrhaftiges Geistesleben ist. Da halten die jungen Brüder sich in ihren Schranken; da halten die Frauen sich in den ihrigen; da hält sich jeder Bruder in den seinen. Da ist kein Niederdrücken und Zurückdrängen, aber auch kein über die Schranken springendes Vordrängen. In die Gemeinen unserer Tage wie der Revolutionsgeist eindringen: Jung und Alt, Mann und Weib will nimmer in der Ordnung bleiben. Wisse, nur an deinem Platze, und wenn er, wie bei Timotheus, der dritte ist, bist du ein Segen. Also Paulus, Silvanus und Timotheus, so sei und bleibe es in der Gemeine: eine geordnete vielgegliederte Einheit. Wenn nur alle Gemeinen solche drei hätten. Alter, mittel, jung! Wie fehlt’s da oft - da heißt’s ringen, dass der Geist des Herrn uns auch die nötigen Leute gebe, Viele Gemeinschaften könnten keinen Brief mit einer entsprechenden Überschrift schreiben.

Der G e m e i n e der T h e s s a l o n i c h e r gilt der Brief. Das Wort „Gemeine“ ist im Griechischen ein wunderbares Wort und heißt: die H e r a u s g e r u f e n e oder Z u s a m m e n g e r u f e n e. Beides liegt darin: heraus und zusammen. Je klarer die Glieder aus der Ich-Welt, der inneren und äußeren, herausgerufen sind, umso besser passen sie auch zusammen. Das Einigende in der Gemeine ist nur Christus. Je mehr drum in Christus, umso mehr zusammen. Man merkt es ganz deutlich, dass, wo keine inneren Herausgerufenen ins Leben in Christo stattgefunden haben, die Leute auch nicht zusammengehören. Eine religiöse Versammlung oder eine Bibelstunde ist noch keine Gemeine. In der Gemeine weiß man um einen gemeinsamen Wiedergeburtsakt. In der Gemeine weiß man sich wirklich brüderlich zusammengehörig. Man ist herausgezogen mit seinem Innenmenschen aus der Ich-Welt und versetzt in die Jesus- und Gott-Welt. Man nimmt auch nach außen in allen Stücken eine sonderliche Stellung ein und braucht darum einander. In welcher Brudergemeine bist du Glied - ich meine jetzt, in welcher äußeren Form lebst du dein Glaubens- und Bruderleben? Wir haben wenige Gemeinen, wir haben sie aber doch hin und her, und der Herr segne sie.

Es ist etwas Wunderbares und überaus Großes um eine Gemeine. Da erhebt sich in diesem Thessalonich auf einmal eine Schar von Männern und Frauen, und die erklären, sie gehörten jetzt miteinander Christus an und warteten auf Ihn vom Himmel her. Die alten Götter sind weg; das alte Leben hört auf - alte Beziehungen werden gelöst; Menschen die sich zuvor nie kannten, sind Brüder. Ihr Gemeinschaftsleben ist Beten und Wort Gottes - o wunderbare Gottpflanze. Ein Gottbild ist die Gemeine. Ein Beweis der Wahrhaftigkeit Gottes und Christi ist ihre Existenz. Was muss da geschehen sein an all den Seelen, bis sie eine Gemeine der Thessalonicher bildeten. Da ist viel, sehr viel geschehen, schon ehe Paulus kam. Viele, die früher Heiden waren, hatten sich a schon der Synagoge angeschlossen und sahen jetzt in Christus ihr Hoffen erfüllt. Welche Entschlüsse, welche Wandlungen, welche inneren und äußeren Zerbrüche und Brüche mögen da vor sich gegangen sein, bis es eine Gemeine der Thessalonicher gab. Und doch ging das verhältnismäßig rasch. Wir müssen eben bedenken, es war eine besondere Reifezeit damals; und es wurde auch vom Apostel und seinen Gehilfen zielklar auf die Glaubensgemeine hingearbeitet. Eine religiöse Bewegung haben wir auch jetzt, aber sie ist vielfach nicht auf die Gemeine eingestellt. Es ist, wie schon Oetinger sagte, heute alles ein G e s p e r r. Es ist viel schwerer predigen und zeugen auf die Gemeine hin in unseren Tagen als zu den Zeiten des Paulus. Und doch haben wir sie; doch wirkt der Geist; doch werden Kinder geboren, und hin und her sind Gemeinen.

Der Brief geht a n die G e m e i n e der T h e s s a l o n i c h e r. Das war eine ganz eigenartige Ortsgemeine, ein eigenartiges Teilchen der Gesamtgemeine - diese Gemeine zu Thessalonich. Neben ihrer wunderbaren Einheit in Christus ist die Vielgestaltigkeit der Gemeine etwas von ihrem Schönsten. An jedem Ort und in jeder Person nimmst sie bei gleicher Grundgestallt eine eigenartige Ausgestaltung an. Die Philipper sind wieder ganz anders gestaltet als die Thessalonicher, die Thessalonicher ganz anders als die Beröer oder die Korinther. Heutzutage sind in einer Stadt, ja in einem Dorf die verschiedensten Ausgestaltungen. Und doch, was in Christus ist, das ist i n n e r l i c h e i n s. Was wird’s doch noch brauchen, bis in der Herrlichkeit des Herrn die Gemeine bei all ihrer mannigfaltigen Strahlenverschiedenheit e i n e ist in Ihm. Je mehr du jetzt schon, obwohl einer äußere Gemeine-Formation zugehörig, an Ihm hängst, umso reifer bist und wirst du für die Einfügung in die große Einheitsgemeine. Lass dich jetzt die Mannigfaltigkeit nicht verdrießen, da werden die eigentlich Gottgeborenen zu ihrer v e r s c h i e d e n t l i c h e n E i n h e i t zugebildet. Was wirklich gläubig ist, hat bei all dem und in all dem nur e i n e n G r u n d, und zwar denselben wie vor alters.

Die heutigen Orts- und Teilgemeinen sind nicht anders gegründet als Thessalonich, nämlich: in unserem Vatergott und dem Herrn Jesus Christus (2Thes 1:1). Was Luther übersetzt mit „in Gott, unserem Vater“ geben wir gerne wieder mit „in unserem Vatergott“. Das ist Gott, und das weiß die Gemeine am besten und am tiefsten: er i s t V a t e r g o t t. Vater sein und einen eingeborenen Sohn haben - das ist Gottes innerste Wesensgeheimnis. Und auf die Söhneschar, welche dem eingeborenen Sohn gleich ist, geht Sein innerster Rat. Er ist der rechte Vater über alle Vaterschaften im Himmel und auf Erden. Seine Söhne erzieht Er zu Vätern. Der eingeborene Sohn ist zu gleicher Zeit auch der Ewig-Vater. Von Ihm sind durch den Heiligen Geist alle Kinder gezeugt; und alle Söhne Gottes werden in Christus zu Vätern, welche ihre ihnen einst anvertrauten Vaterschaften regieren dürfen. In dieses ganze Vatergeheimnis Gottes sehen die Kinder Gottes nicht nur hinein kraft der Menschwerdung des Sohnes Gottes, sondern auch kraft ihrer eigenen, aus dem Geiste geborenen Kindschaft. Durch Jesus Christus nehmen die Gläubigen an der Vaterschaft Gottes teil Er ist ihr Vater. Der Sohn hat die Bahn brechen müssen, und das Zeugen des Heiligen Geistes kommt vom erhöhten Sohne, aber durch Ihn und in Ihm sind wir Söhne, welche rufen: Abba, lieber Vater.

Das ist das Größte was es gibt im Himmel und auf Erden, und das darf eine gläubige Seele nehmen. Wir haben es, wie schon gesagt, i n dem H e r r n J e s u s C h r i s t u s. Dass der Sohn Gottes Mensch geworden ist - Jesus von Nazareth - das ist die Grundlage all unseres Heils und Seins. Dass dieser Jesus hingegangen ist und in der Kraft des in Ihm wohnenden Heiligen Geistes, nach welchem Er Christus heißt und ist, alle Sünden getötet und dann sich frei hingegeben hat und im selben Geiste auferstanden ist - das ist unser vollbrachtes Heil. Und dass Ihn der Vater nun erhöht und zum Herrn gemacht hat, der durch den Geist uns ruft, neu gebiert, neu schafft und vollendet - das ist unser Leben! So leben und weben wir in dem Herrn Jesus Christus und in Ihm im Gottvater oder Vatergott. Auf diesem Grund des ihnen in dem Herrn Jesus Christus gegebenen Vatergottes, in welchem und zu welchem sie als die geliebten Kinder lebten, hat sich die Gemeine zu Thessalonich gebildet und zusammengeschlossen, und auf demselben Grund stehen alle Gläubigen heute noch. Einen anderen Grund kann niemand legen außer dem, der gelegt ist - welcher ist Jesus Christus. Durch den Heiligen Geist Jesu Christi, des Herrn, sind wir Kinder Gottes, und in diesem innewohnenden Geiste rufen wir: „A b b a , l i e b e r V a t e r !“ Und so stehen alle Gotteskinder heute noch in dem Vatergott und in dem Herrn Jesus Christus. Die Gemeine i s t e i n e und b l e i b t e i n e in allem Wesentlichen, sonderlich in ihrem Heiland und in ihrem Vater, obgleich sie sonst das Mannigfaltigste und Verscheidenartigste ist, was es im Himmel und auf Erden gibt.

In dieser Anrede des Apostels: „Der G e m e i n e der T h e s s a l o n i c h e r in dem V a t e r g o t t und in dem H e r r n J e s u s C h r i s t u s“ kommt nun zum erstenmal in unserem Brief das für die Gemeine hochbedeutsame Wörtlein „i n“ vor. Dieses Wörtlein ist so recht das Wort der Wiedergeburt. Bei der Bekehrung hat der Mensch dem Heiland gegenüber einen geänderten Sinn. Er steht Ihm gegenüber und nimmt Seine Gnaden an. Bei der Wiedergeburt ist der Heilige Geist in uns und schafft ein Neues. Der Gläubige ist in Gott und Gott in ihm. Es ist sehr bedeutsam, dass dies Wörtlein „ i n I h m“ in den drei ersten Evangelien nicht vorkommt. Das sind die Evangelien des Königreichs Gottes - da ist man nicht in Ihm, da ist man unter Ihm oder bei Ihm und Er bei uns. Im vierten Evangelium aber, in dem Evangelium des Geistes und der neuen Geburt, da ist das „in Ihm“ daheim. Das eigentliche, immer wieder vorkommende Haupt- und Kernwort is es in den apostolischen Briefen, sonderlich in den Gemeinbriefen des Paulus. Dieses „in Ihm“, das ist das bezeichnendste Wort für die geborenen Kinder Gottes. Sie gehören voll und ganz auf Gottes Seite, gleichwie der Sohn Gottes, ihr Haupt, auch. Die Kinder Gottes sind durch die Neugeburt der Kreaturen-Seite entnommen und auf die Gott-Seite gestellt. Darum üben sie auch göttliche Funktionen aus, jetzt schon und immer herrlicher in Ewigkeiten. Darum sind sie auch nicht die Braut oder das Weib Gottes - sie sind Söhne und Mitherrscher. Braut und Weib sind die Juden. Von Alters her sind die Juden durch die Propheten dazu berufen.

Etwas Höheres und Herrlicheres gibt es nicht, als in Christus Jesus, dem Herrn, und im Gottvater zu stehen. Darum hören wir tiefgebeugt und selig-froh dies Wort: „I n dem G o t t v a t e r und in dem H e r r n J e s u s C h r i s t u s.“

Und nun überschüttet der Apostel die Thessalonicher in einem Segenswunsche mit der ganzen Fülle des Segens, welcher aus dem Gottvater und aus dem Herrn Jesus Christus auf Gläubige fließt. Er sagt:

Gnade sei mit euch und Friede

2Thes 1:2
Gnade sei mit euch und Friede von dem Gottvater und dem Herrn Jesus Christus.
Gnade - ein Grundwort der Schrift; Gnade - das Lebenselement der Gläubigen. Gnade, das wundergroße Wort, in welchem G e r i c h t und R e t t u n g , Z o r n und L i e b e , T o d und L e b e n in eins gefasst sind. Gnade ist das wunderbarste Einheitswort, das es gibt und das die tiefsten Tiefen und die höchsten Höhen in sich schließt. Gnade gibt es nur im Zusammenhang mit Gericht. Wo kein Gericht ist und kein Gerichtsspruch, da ist auch keine Gnade nötig. Gnade ist die Anerkennung der Wahrheit und Richtigkeit des Gerichts und des Gerichtsspruches, hebt aber beide auf und schenkt Rettung aus beiden. Gnade setzt Tod voraus, Tod, der auf Sünde folgt. Gnade gibt dem Todesurteil recht, hebt es aber auf und gibt den Begnadigten dem Leben zurück. gnade hat zwei gewaltige Seiten - sie hat ein doppeltes Antlitz. Sie ist, um Fremdwörter zu gebrauchen, negativ und positiv - verneinend und bejahend zugleich. Sie sagt „ja“ zu Gericht und Tod, die den Sünder treffen, und sagt doch zugleich „nein“ zum Leben des Sünders: Du hast es verwirkt - und sagt doch zugleich ein lautes, volles Ja: Ich will dir neues, vollen, seliges Leben geben.

Die Gnade ist voller Wahrheit und voller Leben, voller Recht und Gerechtigkeit und übervoll zugleich von Barmherzigkeit. Darum schmettert Gnade auch so zusammen; darum will der natürliche Mensch, solange er ungebrochen ist, von Gnade nicht leben. Er will lieber etwas t u n , alles tun, was man verlangt, um selig zu werden, nur nicht begnadigt werden. Gnade lässt nichts Gutes an mir, nur Sünde, Tod und Gericht, und alles als vollberechtigt. Wo Gnade einsetzt, hat alles andere ausgesetzt. Arme Leute sind die Begnadigten. Aber wie, wenn dir nichts anderes übrigbleibt als Gnade - bist du dann in ihr nicht auch reich, sehr reich? Verdankst du ihr nicht a l l e s , a l l e s ? Darum kann Gnade nur verstehen, wer sich wahrhaftig unter Sünden Tod und Gericht unentrinnbar verkauft weiß. Ein solcher schreit sogar nach Gnade und rühmt und preist die empfangene Gnade hoch. Ja, die gnade erhebt auch, sie gibt und gibt mit übervollen Händen. die gnade gibt göttliches Leben den Todesverbannten, gibt Kindschaft den Ausgestoßenen, gibt Herrlichkeit den Schmachbedeckten. Gnade zieht aus und zieht an zugleich - zieht aus die Zuchthauskleider, zieht an die Gottesherrlichkeit. Diese Gnade ist unser Lebenselement, - wir leben und sterben in der Gnade.

Gnade ist das Herrlichste von Gott, denn sie ist die alles Gericht aufhebende Liebe. Darum heißt auch Sein ersten Grundnamen „G n ä d i g“. In der Gnade zieht der verdammte Sünder die Liebe Gottes für sich an. So gewiss in mir selbst Tod und Gericht mir sind - so gewiss ist in der gnade mir Leben und Herrlichkeit. Im Gnadenelement leben heißt in der Liebe Gottes leben - in der Liebe, die ich nie verdient, in der Liebe, deren ich nie wert. Und weil es so ist, darum ist in der Gnade der Friede. Tod und Gericht sind Unruhe und Friedlosigkeit. Tod und Gericht haben keine Liebe, darum keine Gemeinschaft. In der Hölle gibt es keinen Lebens- und keinen Liebeszusammenhang, wie schon jetzt nicht in der selbstsüchtigen Welt. Der Begnadigte darf im Lebens- und Liebeszusammenhang Gottes und der ausgesöhnten Schöpfung leben - das ist Friede, tiefer Friede. Wo Gnade ist, verklagt nichts mehr; wo Gnade ist, hat kein Recht mehr Macht; wo Gnade ist, hasst nichts mehr.

Gnade ist Sonnenaufgang - in großem Frieden sonnst sich das Herz. Und wenn wir erst bedenken, wie diese Gnade und dieser Friede zustande kommen; vom Gottvater und dem Herrn Jesus Christus. Der Gottvater muss ja Sünde richten, muss ja Sünder vom Leben austun in den Tod. A b e r das w i l l E r n i c h t. Da nimmt Er Seinen lieben Sohn und schickt Ihn ins Fleisch, das heißt Er Jesus - und füllt Ihn mit dem Geiste, da heißt Er Christus. Als Christus überwindet Er die Sünde im Fleische, und als Jesus Christus gibt Er frei Sich hin in Tod und Grab. Der Vater lässt allen Zorn auf Ihn fallen und bietet jedem, der das Opfer annimmt, die große freie, selige Gnade. Und als Herr teilt der Menschensohn Jesus Christus diese Gnade nun aus. Im Glauben nehme ich sie; im Geiste habe ich sie. Liebe und Friede sind nun mein Lebenselement in Jesus Christus, dem Herrn. statt im Feuerelement von Gericht und Ruhelosigkeit im Lichteselement von Gnade und Friede leben zu dürfen. Wir grüßen uns und können uns nicht oft genug so grüßen: gnade sei mit euch und Friede vom Gottvater und vom Herrn Jesus Christus.

Das Kreuz der Thessalonicher

Im Lichte des Tages des Herrn

Und nun nach dem Eingangsgruß schaut der Apostel mit dem gotterleuchteten Prophetenauge hinein in seine Thessalonicher-Gemeine. Er hat durch Timotheus manches gehört, auch manches Schwere. Wenn er aber so hineinsieht, dann sieht er vor allem seine lieben Kinder, die er im Namen und in der Kraft Christi durch den Heiligen Geist zu neuem Leben hat erwecken dürfen. Da wacht seine geistesväterliche Liebe auf. Er s i e h t mit Liebe, da sieht er auch L i e b e s trotz alles Schweren. Und er sieht zuerst ihren Glauben und ihre Liebe zueinander, und als er diese sieht, muss er Gott danken:

2Thes 1:3
Es ist meine Schuldigkeit, Gott allezeit für euch zu danken, liebe Brüder.
Was ist doch der Glaube und die aus ihm entspringende Liebe für ein wundergroßes Ding. Wenn sich der Apostel hineindachte nach Thessalonich: wenige Monate zuvor wusste man dort nichts von einem Sohne Gottes, von einem für die Sünden der Welt Gekreuzigten nicht von einem gnädigen Gottvater, nichts von einem Leben im Frieden des Herrn. Und jetzt war eine Gemeine dort - die glaubte an den Herrn Jesus Christus, die liebte sich in Ihm und lebte und litt in Ihm. Solcher Glaube ist doch kein Menschenwerk - die Bruderliebe in Christus kann doch von keiner irdischen Macht geweckt werden. Da hatte der Heilige Geist gewirkt, da waren Offenbarungen geschehen. Da hatten arme Sünderherzen den für sie gekommenen und gekreuzigten und auferstandenen Sohn Gottes ergriffen. Da waren Seelen vom Tode zum Leben durchgedrungen. Etwas Großes war da geschehen.

Wenn Seelen erwachen für Sünde und Huld, wenn Geister hineinsehen in Gottes Rat und Herzen, sich ein Herz fassen zu Gottes Herz - da ist wahrhaftig Großes vorgegangen. Da m u s s t e Paulus danken. Da stand die Gewissheit des ewigen Gottes- und Menschensohnes in gläubigen Seelen wieder verankert. Da war sein Lebenswerk wieder gesegnet und er als Apostel ausgewiesen. Da lief der Rat Gottes mit der Glaubensgemeine - da m u s s t e er danken. Da hatte er wieder neue Brüder - er, der große Einsame des Herrn; da hatte er wieder Fürbitter - er m u s s t e danken. Mochte in Thessalonich soviel Schweres sein, wie da wollte - erst musste er danken, dass die Gemeine in Thessalonich überhaupt da war. Viel mehr sollten Kinder Gottes übereinander und füreinander danken, dass sie überhaupt da sind. Jedes Gotteskind ist ein Gnadengeburtswunder. Und soviel Schwierigkeiten auch unter den Gläubigen noch sind, d a s s Gläubige da sind, das ist das Große, das Anbetungswürdige, das Wunderbare. Jeder Gläubige ist ein Zeuge für die Wahrhaftigkeit und Wirklichkeit deines eigenen Glaubensstandes. Darum müssen wir danken. Und war a l l e z e i t . Jedes Kind Gottes treibt uns wieder zur Anbetung. Es müsste durch die Reihen der Gläubigen ein stetes Danken füreinander gehen. Während aus den Reihen der Welt ein stetes Seufzen und Jammern und Anklagen übereinander nach oben geht, müsste aus den Reihen der Gläubigen nur Danken kommen.

S e u f z e t nicht übereinander, liebe Brüder, das ist euch nicht gut. Und G o t t dankt der Apostel. Die Gläubigen sind Neuschöpfungen, da heißt es „G o t t“, wie bei allen Schöpfungen. Ist jemand in Christo, so ist er eine neue Natur. Und „liebe Brüder“ redet Paulus sie an. Er ist den Gläubigen gegenüber stets „ Bruder“. Apostel ist nur sein besonderer Dienst. Aber erst B r u d e r, und dann Apostel, das ist die Ordnung. Wer nicht aus Gott geborenen ist und also Bruder, der kann keinen geordneten Dienst an der Gemeine tun und keinen im Namen der Gemeine. Die Gaben sind verschieden, aber der Geist ist einer. Brüder sind alle, Apostel sind nicht alle. Aber alle Apostel sind Brüder. Das ist natürlich in der äußeren Kirche nicht so. Das kann da auch nicht so sein. Die äußere Kirche ist eine gesetzliche Anstalt, die Gemeine ist der Lebensorganismus des Herrn. Es ist groß, wenn ein Beamteter der äußeren Kirche auch Bruder ist, dafür danken die Gläubigen besonders. Ist er nicht Bruder, so wird das Amt geachtet mit der Ehre, die ihm gebührt. Die gläubige Gemeine aber wird stets zugerichtet durch begnadete Brüder. Darum schauen die Gläubigen auch nach diesen aus und bedienen sich ihrer Gaben, um in Christus zu wachsen.

Der Apostel sett seinem Dank noch hinzu: 'wie es entsprechend ist’ (Vers 3). Wo etwas so Großes geschehen ist, dass nämlich Menschen zum lebendigen Glauben gekommen sind und darin stehen, ist es nur billig und würdig und der großen Gottestat entsprechend, dass man dafür dankt. Der Dank gegen Gott ist das Aquivalent oder der Gleichwert für das im Menschen begonnene Werk Gottes. Was können wir Gott anders bringen als das Räucheropfer des Herzens im Dank der Lippen? - Wir können aber die Worte „w i e es e n t s p r e c h e n d ist“ auch auf das Folgende beziehen:

Denn euer Glaube wächst sehr

Denn euer Glaube wächst sehr, und die Liebe eines jeglichen unter euch allen nimmt zu gegeneinander (Vers 3)
Der Glaube ist die neue Geburt; der Glaube ist das göttliche Leben in uns, darum w ä c h s t er auch. Der wachsende Glaube wird fester gegründet im Herrn, er wird gründlicher und eingebauter. Der wachsende Glaube nimmt zu an Erkenntnis und Erfahrung, der wachsende glaube sieht tiefer in die Sünde und überwindet sie kräftiger. Der wachsende glaube ist ein Absterben und Auferstehen, ein Ausziehen und Anziehen. Bei allem Wachstum wird ausgeschieden und angeeignet, so auch beim Glaubenswachstum. Der wachsende Glaube bringt allerlei Frucht, wie sie führungsmäßig sich entfalten soll und kann. Der wachsende Glaube wird gedemütigter und gottinninger. Die Thessalonicher haben aber auch neue Glieder in die Gemeine bekommen - das war auch wachsender Glaube. Es ist ein Jammer, wenn Glaubensleben, weil es nicht echt ist, stehenbleibt und fault.

Wachsender Glaube macht auch brünstiger in der Liebe. Das ist auch ein Wunder, dass Menschen, die sich vorher nach der Art der Sünderwelt nichts angingen, mit einem Male Geschwister sind. Die brüderliche Liebe ist eine Wunderfrucht des Glaubens. „Wer da liebt den, der ihn geboren hat, der liebt auch den, der von Ihm geboren ist.“ Die Bruderliebe liebt das Gotteswerk im anderen, liebt den Herrn im Gläubigen des Herrn. Gläubige Bruderliebe ists das Tiefste und Festeste, was es gibt. Geist ist noch enger verbindend als Blut. Die Blutsgemeinschaft vergeht, Geistesgemeinschaft bleibt. Die brüderliche Liebe hat Geistesgemeinschaft: Wortgemeinschaft, Sakramentsgemeinschaft. Die Bruderliebe ist eine tragende, mahnende, bauende, züchtigende und tröstende. Die Bruderliebe ist Einheit im Herrn - baut die Gelenke für den Einheitsleib. Wer keine Bruderliebe hat, wie kann er Gott lieben, den er nicht sieht? Die Segnungen der Gemeine gehen durchs Haupt und durch die Glieder. Die Hoffnung der Gemeine ist der vollendete Leib Christi. Etwas davon muss jetzt schon zur Erscheinung kommen. Wie der Glaube löst, so bindet er auch, und beides schafft er gründlich. Aber nur wo Kinder Gottes sind, ist Bruderliebe. Wo k eine sind, ist nur religiöse Versammlung. Darum ist’s groß, dass der Apostel von den Thessalonicher sagen kann: „Glaube und Bruderliebe wachsen sehr bei euch.“ Das geistliche Wachstum der Thessalonicher war so auffallend stark, dass der Apostel

Der Apostel sich ihrer rühmen musste

2Thes 1:4
unter den Gemeinen Gottes. Paulus tat das oft in seiner Arbeit, dass er eine Gemeine mit der anderen erweckte. So hat er einst die Korinther zur Liebesgabe an Jerusalem aufgemuntert durch das Beispiel der mazedonischen Gemeinen. So rühmte er die Thessalonicher an den anderen Orten. Beispiel kann nicht schaffen, Beispiel kann nicht Geist und Kraft geben, aber es kann ermuntern, Geist und Kraft anzuziehen, es kann Weg weisen für den Lauf. Wir dürfen in der Gemeine die Bedeutung des Beispiels und Vorbildes nicht überschätzen - der Heilige Geist wirkt überall original. Er kopiert nie. Er wird nur entfacht durchs Beispiel. Aber in dieser Hinsicht dürfen wir es auch nicht unterschätzen - der Apostel sagt manchmal: „Wandelt, wie ihr uns habt zum Vorbilde.“ Wenn wir den Apostel das Glaubens- und Liebeswachstum der Thessalonicher so rühmen hören, dann will uns im Blick auf viele uns bekannte Gemeinen und Gemeinschaften fast eine Trauer befallen. Woher kam nur die Wachstumskraft vieler dieser ersten Christen? Paulus lässt uns hineinsehen in den Feuerherd, der hier Kraft schuf. Paulus rühmt die Thessalonicher bei den Gemeinen Gottes

über ihrer Geduld und ihrem Glauben in all den Verfolgungen und Trübsalen, die sie erdulden. (Vers 4)
Das Kreuz in Christo hat die Thessalonicher so feurig gemacht. Es ist wunderbar, dass die sofort nach ihrem Zum-Glauben-Kommen eintretenden Trübsale und Verfolgungen sie nicht gehemmt und an Christus irregemacht haben. Da sehen wir, wie für die Gläubigen in Christo Glaube und Kreuz zusammengehören. Christus aufnehmen war ohne Verfolgung und Heimsuchung, war ohne innere und äußere Kämpfe gar nicht denkbar. Und in Christus zu sein und in Seine Gleichheit hineinzuwachsen ohne Trübsal, war undenkbar. Und an der Herrlichkeit Seiner Ankunft teilzunehmen, ohne in die Gemeinschaft Seines Kreuzes eingegangen zu sein, war ausgeschlossen. Die Predigt des Evangeliums annehmen, bedeutete für Juden und Griechen einen Weg im Glauben und im Frieden Christi.

Dies Kreuz fehlt uns vielfach; ja, man will es durch mancherlei Art der Reich-Gottes-Arbeit den Menschen sogar abnehmen und ihnen des Weg des Glaubenslebens zu einem behaglichen und angenehmen machen. Besonders in der Arbeit an der Jugend wird hier vielfach fehlgegriffen. Gläubige Kinder Gottes, welche klar und entschieden in Christus stehen, haben auch heute noch ihr inneres und äußeres Kreuz. Und dies Glaubenskreuz ist die gewaltigste Förderungskraft des Wiedergeburtslebens und der Bruderliebe bei den Kindern Gottes. Deswegen können auch die Gläubigen der letzten Tage dem Herrn entgegengerückt werden in einem Augenblick, weil sie aus einer Märtyrerzeit kommen. Der Gemein herrlichste Zeiten sind immer ihre größten Druckzeiten gewesen. Fleisch will zur Entfaltung Ruhe, Muße und Genuss - unter Kreuz verliert es seine Herrlichkeit. Geisteswesen gedeiht bei den Aufrichtigen unter Verfolgung und Trübsal. Ruhe, Stille Annehmlichkeit isst ihm hienieden Schaden.

„Von Geduld und Glauben der Thessalonicher“ redet Paulus, das ist tragfähiger und tragender, auf-sich-nehmender Glaube. Und von den Verfolgungen und Trübsalen, „w e l c h e sie t r a g e n“, redet der griechische Text. Tragen, tragen können, tragen dürfen, ist das göttliche Geschäft. Frei tragen um der Liebe Christi willen, frei auf sich nehmen Lasten und belastete Menschen - das ist Gotteskindschaftsart. Die Welt schüttelt ab, wo und wie sie kann, sonderlich Trübsale. Der Gläubige nimmt auf sich, auch wo er abweisen und abladen könnte. Und im Glauben und auf dem Glaubensweg nimmt er auf sich. Ein Gläubiger ist ein richtiger Lastenträger - und lässt sich aufladen. Und Geduld heißt: „darunterbleiben“. Was nimmst du auf dich um Christi willen und wen? Kann man sich hier unser auch rühmen? Es gibt auch einen Abschüttel-Glauben. Da sieht es aus, als hätten die Leute den Glauben dazu, um mit Gottes und des Gebets Hilfe nur alle Schwierigkeiten möglichst schnell wieder los zu sein. Alle Dinge, sonderlich Trübsal und Kreuz, wollen ausgetragen sein. Die Thessalonicher hatten viel und mit Freudigkeit aufgenommen im Glauben. Darum wuchsen sie auch, darum konnte der Apostel sich ihrer auch rühmen.

Und nun stellt er dies ihr Kreuz, damit sie es noch tiefer und klarer erfassen, hinein ins Licht des Tages des Herrn. Er sagt: euer Kreuz ist

Ein Anzeichen des gerechten Gerichtes Gottes

2Thes 1:5
Dass also der Glaube in dieser Welt in Schwierigkeiten gerät und bringt, dass am Glauben und seinem Leben die Dieseitsmenschen in ihrer Gottfeindlichkeit offn0bar werden und dass die Leute dieser Welt an denLeuten der oberen Welt sich gewissermaßen austoben dürfen und können, das ist ein A n z e i c h e n göttlicher, gerechter K r i s i s, wie das Wort eigentlich heißt. Das Evangelium bringt eine K r i s i s in die W e l t. Wo Christus gepredigt wird, fallen Entscheidungen. Da kommen, vom Licht angezogen, vom Licht erleuchtet, ja vom Geisteslichte neugeboren, die Kinder Gottes heraus und hangen diesem ihnen offenbar gewordenen Lichte durch Leiden und Sterben hindurch, das es mit sich bringt, einfältig an. Da kommen aber auch die Finsternismächte heraus. Die Feindschaft der Bravsten gegen wahres Gottesleben offenbar sich, der Eigengeist wird groß, wird bös, weil er vom Lichte gestraft wird. Und er entfaltet sich und verfolgt das Licht in Wort und Werk und setzt es unter Leiden. Das ist eine wunderbare Krisis oder Entscheidung und Scheidung, welche das Evangelium bringt.

Diese Krisis ist aber zugleich ein w u n d e r b a r gerechtes G e r i c h t G o t t e s. Der Herr muss doch auch Seine Erretteten noch strafen und ziehen. Er muss sie noch schleifen und reinigen. Er muss sie klein und niedrig halten in ihrem Sinn, dass Er ihnen immer größer werde. Der Herr züchtigt Seine Kinder und entbietet Sich so als Vater. Das Gericht beginnt am Hause Gottes - und das muss die Welt der Sünde durch ihre Offenbarung an den Kindern Gottes vollziehen. Die Welt ist jetzt unser Richter, der uns demütigt und kleinmacht. Und die Gemeine muss die Sünder tragen lernen, wie der Heiland alle trug. Was herrschen soll, muss zuerst dazu befähigt werden in der Tiefe.So sind die Leiden der Gläubigen von Seiten des Unglaubens ein großartiges, gerechtes Gericht Gottes, unter welchem Seine Gläubigen ausgebildet werden. Und je mehr sie es tragen und dulden, umso mehr göttliche Gestalt erhalten sie in ihrem Herrn.

Zu gleicher Zeit aber wird der Unglaube jeglicher Stufe und Art offenbar. Was nicht zu den Gotteskindern gehört, entfaltet sich an ihnen. Gerechte werden offenbar und Ungerechte - und nun hat sie der Herr offenbar gemacht und kann sie dann ihrem geoffenbarten Wesen nach behandeln. Die Finsternis t reibt das Licht und das Licht die Finsternis, das Leben treibt den Tod und der Tod das Leben zur Entfaltung in Christus Jesus. So sind die Leiden der Gläubigen, die sie tragen, und die Leiden der Ungläubigen, die sie be reiten, das Anzeichen eines gerechten Gerichtes Gottes, das Er durch Wort und Geist vollzieht und das seiner Vollendung entgegenreift.

Für den leidenden Gläubigen ist es der Weg zur Herrlichkeit,

dass sie würdig gemacht werden für das Königreich Gottes, über welchem sie auch leiden (Vers 5)