Abschluss des 6. Reichs: Unterschied zwischen den Versionen

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Über die kirchliche Entwicklung bereits des Altertums und noch mehr des Mittelalters wurde seither manches ernste Wort gesagt. Bedenkt man den Ernst, mit dem Paulus in der Frühlingszeit der Kirche den Zustand seiner Gemeinden beurteilte und den noch größeren Ernst des Urteils des erhöhten Herrn über die in der Offenbarung genannten Gemeinden (Offb 2 und 3), dann kann das Recht zum Vergleich der Erscheinungsform der Kirche mit ihrer  Normalgestalt nicht bestritten werden. Nur dass dann der Schaden nicht nur bei einer einzigen Kirche gesehen werden darf. Vielmehr muss die Bereitschaft vorhanden sein, alles kirchliche Leben am Maßstab der Schrift zu messen. Zwar hat nicht nur die alte Kirchengeschichte, sondern auch die des Mittelalters edle Gestalten aufzuweisen, die längst nicht alle mit Namen aufgeführt werden können. Aus der alten Reichskirche wurde seinerzeit Augustin genannt. Ein edler Vertreter der griechischen Kirche war Chrysostomus. Von  den vielen edlen Gestalten der mittelalterlichen Kirche des Abendlands sei auf Franziskus hingewiesen. Auch die Kirche als Ganzes bietet im Mittelalter vielen Anziehende. Die Geschlossenheit des christlichen Lebens der damaligen Zeit hat angesichts der inneren und äußeren Zerrissenheit der Gegenwart etwas Anheimelndes. Menschlich betrachtet war das, was die römische Kirche im Mittelalter fertig brachte, eine gewaltige Leistung: sie hat altrömisches und germanisches Wesen zusammen geschmolzen; sie hat die bereit in Nationen auseinander strebenden Teile zu einer merkwürdigen Einheit zusammen gebunden; sie hat Zucht und Ordnung gehalten. Sie war Gefäß für das Evangelium. Trotzdem kann, auf das Ganze gesehen, auf das Urteil nicht verzichtet werden, dass die Reichsgottesart der Christenheit in der römischen Kirche des Mittelalters noch mehr abgenommen hat als in der Zeit der römischen und griechischen Reichskirche. Bereits wuchs die Kirche auch in dem Stück in die Rolle des alten Reichs hinein, dass sie zur Verfolgung von solchen überging, die zwar ihre Art nicht hatten, aber Leben aus Gott besaßen.<br/><br/>
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Das Feld wäre reif zur Ernte gewesen. Welches Sehnen und Suchen ging durch das 14. und 15. Jahrhundert, zumal in deutschen Landen, als mit dem Niedergang des Papsttums das kindliche Vertrauen zur bisherigen Führung einen Stoß erhalten hatte! Die Papstkirche konnte dieses Sehnen nicht befriedigen, und ist mancherorts gegen diejenigen vorgegangen, die dem Volk Brot statt Steinen darboten. Das Sterben des römischen Reformators Huss und des wahrhaft priesterlichen italienischen Mönches Savonarola ist bekannt.  Da hat Gott eingegriffen und hat der armgewordenen Christenheit noch einmal das Evangelium aufgehen lassen. In zwei Formen hat er es ihr zukommen lassen, in der Wittenberger Reformation durch Luther und in der Genfer durch Calvin. Zwingli kann in dieser kurzen Zusammenfassung übergangen werden, ohne seine Bedeutung und Lauterkeit zu verkenne. Ohne der Genfer Reformation zu nahe treten zu wollen, wird gesagt werden dürfen, dass die lutherische Reformation die eigentliche ist. Die Genfer setzt die lutherische bereits voraus. Außerdem drang die lutherische tiefer in den Mittelpunkt des Evangeliums ein. Das hängt mit dem Tiefgang zusammen, den Luther gehen musste unter der Zucht des Gesetzes und damit unter dem Gericht der Sünde  und unter dem Druck der Heilandslosigkeit, bis er den Höhenweg des Glaubens geführt wurde und am Herrn Christus und damit an der Gnade froh wurde.
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Der Weg, den Calvin geführt wurde, ist nicht der gleiche. Er kannte die Gnade ebenfalls; aber im Vordergrund stand für ihn Gottes Herrlichkeit und Ehre. Daher fasste er das Evangelium zugleich als Gesetz, das er nicht bloß selber in eiserner Selbstzucht auslebte, sondern das ihm auch für die Leitung der neuen Gemeinden unentbehrlich war. Bei Luther ist der tiefe sittliche Ernst ebenfalls vorhanden. Nur auf diesem Untergrund hat er die Gnade so dankbar schätzen gelernt. Und niemals hat er die Gnade so verstanden, als ob das Ruhen in ihr den sittlichen Ernst ersetzen dürfe. -aber er fand im dankbaren freudigen Glauben den Quellort für alles sittliche Handeln. In diesen Unterschieden wird es begründet sein, dass die beiden Reformationen sich bei ihrem Gang durch die Welt verschieden ausgewirkt haben. Die lutherische Art ist weltoffener und hat doch das Evangelium erfasst als Kraft zur Überwindung der Welt. Auf Genfer Boden wurde die Welt viel härter bekämpft; aber zugleich wurde der Versuch gemacht, das Reich Gottes in die Welt hineinzubauen. Das ging ohne Härte in der Praxis nicht ab. Und doch konnte das Reich Gottes so nicht gebaut werden, und die Gefahr war vorhanden, dass das Evangelium zu einem feinen Gesetz gemacht werde. Während die evangelischen Kirchen des Festlands mit Ausnahme des derjenigen Frankreichs und der Niederlande vorwiegend lutherische Art annahmen, haben die übrigen evangelischen Kirchen, auch wenn sie nicht von der Genfer Reformation ausgingen, mehr das Gepräge der letzteren. Eine eigenartige Mittelstellung zwischen evangelischer und katholischer Art nimmt die englische Hochkirche ein, von der später die Rede sein wird.

Version vom 1. Mai 2020, 18:10 Uhr

Abschrift des Buches: Rom - Babel - Jerusalem
Der Weg der Menschheit im Licht der Schrift bis zur Vollendung des Gottesreiches

Verfasser: G. Thaidigsmann (Pfarrer in Waldbach) (1928)
Verlag: Gebrüder Schneider, Karlsruhe i. B.

Inhaltsverzeichnis
Kapitel davor: 3. Die Zeitdauer Roms als 6. Reich

in Bearbeitung

2. Teil
Vom apostolischen Zeitalter bis zur Gegenwart

4. Abschluss des 6. Reichs

Über die kirchliche Entwicklung bereits des Altertums und noch mehr des Mittelalters wurde seither manches ernste Wort gesagt. Bedenkt man den Ernst, mit dem Paulus in der Frühlingszeit der Kirche den Zustand seiner Gemeinden beurteilte und den noch größeren Ernst des Urteils des erhöhten Herrn über die in der Offenbarung genannten Gemeinden (Offb 2 und 3), dann kann das Recht zum Vergleich der Erscheinungsform der Kirche mit ihrer Normalgestalt nicht bestritten werden. Nur dass dann der Schaden nicht nur bei einer einzigen Kirche gesehen werden darf. Vielmehr muss die Bereitschaft vorhanden sein, alles kirchliche Leben am Maßstab der Schrift zu messen. Zwar hat nicht nur die alte Kirchengeschichte, sondern auch die des Mittelalters edle Gestalten aufzuweisen, die längst nicht alle mit Namen aufgeführt werden können. Aus der alten Reichskirche wurde seinerzeit Augustin genannt. Ein edler Vertreter der griechischen Kirche war Chrysostomus. Von den vielen edlen Gestalten der mittelalterlichen Kirche des Abendlands sei auf Franziskus hingewiesen. Auch die Kirche als Ganzes bietet im Mittelalter vielen Anziehende. Die Geschlossenheit des christlichen Lebens der damaligen Zeit hat angesichts der inneren und äußeren Zerrissenheit der Gegenwart etwas Anheimelndes. Menschlich betrachtet war das, was die römische Kirche im Mittelalter fertig brachte, eine gewaltige Leistung: sie hat altrömisches und germanisches Wesen zusammen geschmolzen; sie hat die bereit in Nationen auseinander strebenden Teile zu einer merkwürdigen Einheit zusammen gebunden; sie hat Zucht und Ordnung gehalten. Sie war Gefäß für das Evangelium. Trotzdem kann, auf das Ganze gesehen, auf das Urteil nicht verzichtet werden, dass die Reichsgottesart der Christenheit in der römischen Kirche des Mittelalters noch mehr abgenommen hat als in der Zeit der römischen und griechischen Reichskirche. Bereits wuchs die Kirche auch in dem Stück in die Rolle des alten Reichs hinein, dass sie zur Verfolgung von solchen überging, die zwar ihre Art nicht hatten, aber Leben aus Gott besaßen.

Die Reformation und ihre Kirchen

Das Feld wäre reif zur Ernte gewesen. Welches Sehnen und Suchen ging durch das 14. und 15. Jahrhundert, zumal in deutschen Landen, als mit dem Niedergang des Papsttums das kindliche Vertrauen zur bisherigen Führung einen Stoß erhalten hatte! Die Papstkirche konnte dieses Sehnen nicht befriedigen, und ist mancherorts gegen diejenigen vorgegangen, die dem Volk Brot statt Steinen darboten. Das Sterben des römischen Reformators Huss und des wahrhaft priesterlichen italienischen Mönches Savonarola ist bekannt. Da hat Gott eingegriffen und hat der armgewordenen Christenheit noch einmal das Evangelium aufgehen lassen. In zwei Formen hat er es ihr zukommen lassen, in der Wittenberger Reformation durch Luther und in der Genfer durch Calvin. Zwingli kann in dieser kurzen Zusammenfassung übergangen werden, ohne seine Bedeutung und Lauterkeit zu verkenne. Ohne der Genfer Reformation zu nahe treten zu wollen, wird gesagt werden dürfen, dass die lutherische Reformation die eigentliche ist. Die Genfer setzt die lutherische bereits voraus. Außerdem drang die lutherische tiefer in den Mittelpunkt des Evangeliums ein. Das hängt mit dem Tiefgang zusammen, den Luther gehen musste unter der Zucht des Gesetzes und damit unter dem Gericht der Sünde und unter dem Druck der Heilandslosigkeit, bis er den Höhenweg des Glaubens geführt wurde und am Herrn Christus und damit an der Gnade froh wurde.

Der Weg, den Calvin geführt wurde, ist nicht der gleiche. Er kannte die Gnade ebenfalls; aber im Vordergrund stand für ihn Gottes Herrlichkeit und Ehre. Daher fasste er das Evangelium zugleich als Gesetz, das er nicht bloß selber in eiserner Selbstzucht auslebte, sondern das ihm auch für die Leitung der neuen Gemeinden unentbehrlich war. Bei Luther ist der tiefe sittliche Ernst ebenfalls vorhanden. Nur auf diesem Untergrund hat er die Gnade so dankbar schätzen gelernt. Und niemals hat er die Gnade so verstanden, als ob das Ruhen in ihr den sittlichen Ernst ersetzen dürfe. -aber er fand im dankbaren freudigen Glauben den Quellort für alles sittliche Handeln. In diesen Unterschieden wird es begründet sein, dass die beiden Reformationen sich bei ihrem Gang durch die Welt verschieden ausgewirkt haben. Die lutherische Art ist weltoffener und hat doch das Evangelium erfasst als Kraft zur Überwindung der Welt. Auf Genfer Boden wurde die Welt viel härter bekämpft; aber zugleich wurde der Versuch gemacht, das Reich Gottes in die Welt hineinzubauen. Das ging ohne Härte in der Praxis nicht ab. Und doch konnte das Reich Gottes so nicht gebaut werden, und die Gefahr war vorhanden, dass das Evangelium zu einem feinen Gesetz gemacht werde. Während die evangelischen Kirchen des Festlands mit Ausnahme des derjenigen Frankreichs und der Niederlande vorwiegend lutherische Art annahmen, haben die übrigen evangelischen Kirchen, auch wenn sie nicht von der Genfer Reformation ausgingen, mehr das Gepräge der letzteren. Eine eigenartige Mittelstellung zwischen evangelischer und katholischer Art nimmt die englische Hochkirche ein, von der später die Rede sein wird.