Unsere Aufgaben der neuen Natur gegenüber

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Version vom 1. November 2020, 16:44 Uhr von MI (Diskussion | Beiträge) (Uns für lebendig zu betrachten)

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Abschrift des Buches: Die zwei Naturen in dem Kinde Gottes
Verfasser: E. W. Bullinger (1874)

Autorisierte Übersetzung aus dem Englischen:
Verlagsbuchhandlung Hermann Rathmann, Marburg an der Lahn (1957)

In englischer Sprache, hier erhältlich:
Two Natures in the Child of God

Siehe weitere interessante Bücher unter: Abschriften

Inhaltsverzeichnis
Kapitel davor:
VI. Unsere Aufgaben der alten Natur gegenüber

In Bearbeitung

VII. Unsere Aufgaben der neuen Natur gegenüber

Unsere Aufgaben der neuen Natur gegenüber sind genau das Gegenteil von denen, die wir der alten Natur gegenüber haben. Was wir bei der alten Natur als erstes zu beachten hatten, war, dass wir sie ansehen als mit Christo gestorben. Unsere erste große Pflicht bezüglich der neuen Natur ist:

Uns für lebendig zu betrachten

und zwar in einem neuen Leben (Röm 6:11). Die neue Natur ist Leben - neues Leben, geistliches Leben, göttliches Leben, ewiges Leben (Röm 8:6). Und wir sollen damit rechnen, dass wir nun lebendig sind, und in diesem neuen Leben stehen, also in einer ganz neuen Art des Lebens zu Gott hin und für Gott, und dass dieses Leben „in Christo Jesu" ist. Nicht in „Jesu Christo“, wie in manchen Übersetzungen: Im Grundtext ists ein deutlicher Unterschied. Von dem Gläubigen heißt es nie, er sei „in Jesus“. Wir stehen nicht in einem toten Jesus, sondern in dem lebendigen und auferstandenen "Christus".

Und wir sollen nun im glauben (nicht im Gefühl) uns dafür halten, denn wir werden keine Ursache sehen, warum er uns diese wunderbare Gabe je geschenkt haben sollte. Wir werden dafür in allem, was wir je getan haben, keine Ursache finden.

Wenn wir dieses Dafürhalten verwirklichen sollen, werden wir Gott glauben müssen. Eph 2:4-6 werden wir sehr ermutigt, das zu tun; denn dort erinnert er uns, dass damals, als wir noch Kinder des Zorns und unfähig waren, einen guten Gedanken zu denken, ohne eine gute Tat zu tun, dass es damals vielmehr Gott war, der da reich ist an Barmherzigkeit wegen seiner großen Lieben, womit er uns geliebt hat, da wir tot waren in den Vergehungen, der uns mit dem Christus lebendig gemacht (denn aus Gnaden seid ihr errettet worden) und uns samt ihm auferweckt und samt ihm in das Himmlische versetzt hat in Christo Jesu, auf dass er erzeigte in den kommenden Zeitaltern die überschwänglichen Reichtümer seiner Gnade durch (seine) Güte über uns in Christo Jesu. Denn aus Gnaden (seid ihr gerettet worden und) seid ihr errettet durch den Glauben; und das (dies Errettung ist) nicht aus euch: Gottes Gabe isst es; nicht aus Werken, auf dass sich nicht jemand rühme. (Eph 2:4-6)

Wenn dies nicht durch Werke geschah, dann gewiss nicht durch Gefühle. Nur durch das Dafürhalten des Glaubens können wir in diese kostbare Verkündigung einer vollendeten Erlösung eindringen und uns ihrer erfreuen.

„Wir sind sein Werk, geschaffen in Christo Jesu zu guten Werken, welche Gott zuvor bereitet hat, dass wir in diesen wandeln sollen.“ (Eph 2:4-9)

In diesem neuen Leben wandeln

Das Griechische für „neu“ ist hier kaintotes (Neuheit). Es kommt von kainos (neu, nicht jung oder frisch oder unlängst gemacht, welches neos heißt, sondern neugeschaffen und verschieden von dem, was vorher gewesen ist), neu in dem Sinne, dass es an die Stelle dessen tritt, was zuvor gewesen ist. Kainotes kommt nur Röm 6:4 und Röm 7:6 vor, wird aber an beiden Stellen in verschiedener Verbindung oder Beziehung gebracht. Röm 6:4 bezieht es sich auf unseren Wandel und Röm 7:6 auf unseren Dienst.

In Neuheit des Lebens

Unser Wandel soll sein in Neuheit des Lebens, d. h. in einer ganz anderen Art des Lebens; nicht mehr bloß im körperlichen Leben, sondern nun im geistlichen Leben. Nicht mehr in dem vom ersten Adam, sondern in dem vom letzten Adam, von Christo abstammenden Leben. Es ist dies eine ganz neue Lebenssphäre. Jene war von der Erde und irdisch, diese ist himmlisch in ihrem Ursprung, ihrem Weg und ihrem Ende. Unser Regierungssitz* ist jetzt im Himmel, und unser Wandel soll durch das himmlische Regiment geleitet werden und nicht durch eine irdische Obrigkeit. Indem wir in der Welt wandeln, sollen wir immer daran denken und uns daran erinnern, dass wir in ihr, aber nicht von ihr sind; und wie man beim Gehen darauf sehen muss, wohin man geht, so müssen wir nach unserem Heiland, dem Herrn Jesus Christus, ausschauen, und dies hat unseren Wandel zu leiten. (Phil 3:20.21)

* Phil 3:20, wo das als „Wandel“ übersetzte Wort im Griechischen politeuma heißt. Regierungssitz ist die beste Übersetzung dieses Worte, viel besser als „Bürgertum“ oder „Wandel“.

Losgemacht vom Gesetz

Röm 7:6 wird diese neue Lebenssphäre in Verbindung mit dem Dienst gebracht: „jetzt aber sind wir von dem Gesetz losgemacht, da wir dem gestorben sind, dass uns gefangen hielt, so dass wir (jetzt das Vorrecht haben zu) dienen in Neuheit des Geistes (d. h. in dem neuen Gebiet der neuen Natur) und nicht in dem alten Wesen* (Gebiet, Sphäre) des Buchstabens (des Gesetzes).

Dies sagt uns, dass unser Dienst nicht mehr durch den „Buchstaben“ des Gesetzes geleitet wird, sondern durch dessen „Geist"; und dass unser Dienst einem ganz neuen Beweggrund entspringt; der andere ist alt*, veraltert, nicht mehr zeitgemäß. Nun geschieht der Dienst nicht mehr aus Zwang, sondern aus Liebe; nicht durch die Beobachtung von Regeln und Vorschriften, sondern mit Lust; nicht infolge von Gelübden und Verpflichtungen, sondern in vollkommener Handlungsfreiheit; nicht, weil wir Sklaven, sondern weil wir Söhne sind. Ein ganz neues Dienstverhältnis ist uns mit der neuen Natur gegeben, und es ist hinfort unsere Aufgabe, Gott auf diese Art und Weise zu dienen. Wenn wir nicht sehr wachsam sind, werden wir finden, dass wir beständig in Gefahr sind, in die Knechtschaft des alten Buchstabens zurückzufallen und in dem Geist der Knechtschaft, statt der Kindschaft zu handeln.

* Griechisch: palaiotes (veraltert sein) Kommt nur hier vor.

Die Anbetung

Aber es ist noch ein dritter Wandel verbunden mit dieser „Neuheit“, oder diesem neuen Leben, in das die neue Natur uns bringt: die Anbetung’'’ Davon ist Gal 5:25 die Rede. Das ist ein weiterer Gedanke zu dem neuen Leben im Geist. Es handelt sich darum, dass unser Wandel und Gottesdienst in Christo sind und nicht nach religiösen Satzungen der Welt geschehen.

Wenn wir im (nach dem) Geist (oder der neuen Nataur) leben, so lasst uns auch in (nach diesem) Geist wandeln. Das will sagen, dass alle, die diese neue Natur haben, dementsprechend leben sollen. Das hier gebrauchte Zeitwort „wandeln“ ist anderes als das, das wir röm 6:4 und Röm 7:6 gehabt haben.*

  • Es ist stoicheo. Es kommt fünfmal vor: Apg 21:24; Röm 4:12; Gal 5:25; Gal 6:16; Phil 3:16 und bedeutet immer, nach religiösen Grundsätzen und Vorschriften zu wandeln, und bezieht sich auf äußere religiöse Gebräuche, Satzungen und Zeremonien. Das Hauptort stoicheion kommt nur in zwei der sieben Gemeindebriefe vor, nämlich im Galater- und Kolosserbrief, welche Lehrirrtümer zurechtweisen, die aus der Unkenntnis der Lehre des Römer- bzw. Epheserbriefes entstanden waren. Es kommt in jedem Brief zweimal vor (Gal 4:3.9 und Kol 2:8:20). Dreimal von den vieren ist es verbunden mit dem Wort „Welt“ (Kosmos) und bezieht sich also auf etwas Äußerliches und Materielles im Gegensatz zu dem Innerlichen und Geistlichen.

Das Wort hat Bezug auf alles, was in den religiösen Übungen Übungen äußerlich ist, auf alle religiösen Handlungen, welche es mit dem Fleisch oder der alten Natur zu tun haben. Die Gal 5:25 uns vorgehaltene Verpflichtung lautet: Da wir nun neues Leben haben, sollen wir auch nach der neuen, geistlichen Natur wandeln und nicht den äußeren religiösen Gebräuchen der Welt folgen, (Gal 4:10.11) oder in und nach ihnen wandeln; weder nach den heidnischen Einrichtungen, noch nach den jüdischen Gebräuchen und Vorschriften über Essen und Trinken oder Waschungen, über Tage und Monate (Kol 2:16-17) Zeiten und Jahre, noch nach den babylonischen Überlieferungen (Röm 13:1-9).

Es gibt also drei verschiedene Verpflichtungen, was unseren Wandel nach der neuen Natur betrifft; das sind: Leben, Dienst und Anbetung; sie beziehen sich auf das, ,was nach innen, nach außen und nach oben geht.

Was das Innere betrifft, so sollen wir wandeln nach dem neuen Wesen des Lebens, in welches die neue Natur uns bringt.

In Bezug auf das Äußere sollen wir dienen gemäß der Neuheit der geistlichen oder neuen Natur.

Im Blick auf das Obere sollen wir „Gott anbeten im (oder nach dem) Geist“ und nicht nach den religiösen Überlieferungen, Satzungen und Geboten der Menschen. (Gal 5:25; Kol 2:20-22)

Das sind dieselben drei Wirkungskreise, wie uns Tit 2:11-13 lehrt; und es sind dieselben drei Lehren, welche die Gnade lehrt. Denn die gnade bringt uns nicht nur die Erlösung, sondern sie lehrt uns, „dass wir, indem wir die Gottlosigkeit und die weltlichen Lüste (d. h. alle die Werke der alten Natur) verleugnen*, züchtig, gerecht und gottselig leben sollen in dieser jetzigen Weltzeit, indem wir die glückselige Hoffnung und Erscheinung der Herrlichkeit unseres großen Gottes und Heilandes erwarten“. Hier werden wir gelehrt, wie wir in unserer neuen Lebensphäre leben sollen.

* Armèssameos, 1. Aorist, Partizip, Medium.

Das inwendige Leben

Was das inwendige Leben betrifft, so soll unser Wandel „züchtig“ sein. Das Griechische sophronos, mit Beherrschung aller unserer Wünsche und einer angemessenen Zucht über alle unsere Glieder. Dies allein und nichts weniger ist das „Mässigkeits-Evangelium“. Wenn wir diese Selbstbeherrschung z.B. nur auf diejenigen unserer Wünsche beschränken, welche durch den Durst erzeugt werden, so verfehlen wir den ganzen Nachdruck der Ermahnung und lassen alle unsere anderen Lüste des Fleisches und des Gemüts ohne Zwang und Aufsicht; oder wir handeln wenigstens so, als ob sie wohl so gelassen werden könnten. Jedoch das Größere schließt das Geringere ein. Und das wahre Evangelium der Mässigkeit schließ in die Sebstbeherrschung nicht nur das Trinken, sondern auch Essen, Kleidung, Lektüre, Verbrauch, Sparsamkeit, Reisen, Reden, Aufsuchen von Sehenswürdigkeiten, Besuche machen, Singen usw. ein, und erstreckt sich auf alles, was unter den Begriff „Reinheit“ fällt. Es umfasst jede Seite unseres täglichen Lebens, nicht nur die groben Lüste des Fleisches, sondern auch die verfeinerten Wünsche des Gemütes; es umfasst nicht nur das Unerlaubte, sondern auch das Erlaubte. Es beherrscht nicht nur das Erlaubte, sondern auch das Nützliche.

Die sogenannte Temperenz-Bewegung stammt aus dem Fleisch und nicht aus dem Geist. Dadurch wird nur eine unserer Lüste beherrscht und die Tür zu allen anderen offengelassen. Geld, das nicht für Getränke ausgegeben wird, kann dann wohl für andere unsittliche Zwecke verwendet werden, Geld, das nicht vertrunken wird, geht dann im Glücksspiel verloren So nimmt der bloss ethische Reformator nur hie und da ein verdorrtes Blatt oder eine faule Frucht weg, während das Böse an der Wurzel liegt. Nicht Reformation brauchen wir, sondern Regeneration. Wiedergeburt. Ein „gebesserter Charakter“ ist fern davon, ein geretteter Sünder zu sein. Ein solches Werk ist gut für die Welt, sie mag sich damit beschäftigen, ohne das höhere und einzige Werk, für das er bestellt ist, zu vernachlässigen.

Nein, der Wandel nach der neuen Natur löst für das Kind Gottes alle diese Fragen und schließt das Ganze ein; während ein Wandel nach dem Fleisch nur mit einem gewissen Teil des Ganzen beschäftigt ist.

Was also das inwendige Leben betrifft, so haben wir mit Selbstbeherrschung auf allen Gebieten zu wandeln.

Das äußere Leben

In Bezug auf das äußere Leben soll unser Wandel gerecht (dikaios) sein. Und das nicht zur Gerechtigkeit, sondern aus Gerechtigkeit. Nicht, weil es die Gesetze und Gebote der Menschen erfordern, sondern weil es das Verlangen der neuen Natur ist. Nicht aus Pflichtgefühl, sondern aus der Macht der Liebe. Nicht als Knechte, sondern als Kinder. Nicht erzwungen durch Verpflichungen, Abzeichen oder Gelübde, sondern aus dem Drang der göttlichen Natur in uns, in der Welt draußen gerecht zu wandeln.

Im Blick auf das Obere