Rom als 6. Reich

Aus Bibelwissen
Wechseln zu: Navigation, Suche

Abschrift des Buches: Rom - Babel - Jerusalem
Der Weg der Menschheit im Licht der Schrift bis zur Vollendung des Gottesreiches

Verfasser: G. Thaidigsmann (Pfarrer in Waldbach) (1928)
Verlag: Gebrüder Schneider, Karlsruhe i. B.

Inhaltsverzeichnis
Kapitel davor: Das weisssagende Wort als Wegweiser

in Bearbeitung

2. Teil
Vom apostolischen Zeitalter bis zur Gegenwart

2. Rom als 6. Reich

Das alte Rom

Wir treten nun ein in eine Darstellung der Geschichte seit 70 n. Chr. unter den dargelegten Gesichtspunkten. Die urchristlichen Gemeinden im römischen Reich hatten zuerst teil an der Duldung, die die jüdischen Gemeinden genossen. Aber als Israels ablehnende Haltung gegen die neue Gemeinde entschieden war, wurde der Unterschied der christlichen Gemeinden von den jüdischen bekannt. Das römische Reich ertrug das Christentum nicht. Zeuge davon sind die vielen Verfolgungen, deren erste noch vor das Jahr 70 fällt. Die Christen wurden trotz ihrer Treue gegen das Staatswesen als ein Fremdkörper empfunden, der den Bestand des Staates gefährde. An einem Punkt war der Staat besonders unerbittlich, und der Christenheit war an dieser Stelle ein Entgegenkommen unmöglich: am Kaiserkult, d. h. an der göttlichen Verehrung des Kaisers. Bei diesem Kult handelte es sich nicht eigentlich um Huldigung vor dem jeweiligen Kaiser. Im Kaisertum erwies das Reich sich selbst göttliche Ehre, es setzte sich selbst an Gottes Stelle. Das römische Reich trat an die Stelle des Reiches Gottes, und der Kaiser beanspruchte gewissermaßen die Stelle des Christus. Die göttliche Verehrung des Antichrists und seines Bildes, von der in Offb 13 im Blick auf die Endzeit die Rede ist, bahnte sich bereits im alten römischen Reich an.

Der Staat und die Gemeinde Jesu

Im Jahr 303 n. Chr. holte das Reich zum Vernichtungsschlag gegen die alte Christenheit aus. In dieses Jahr fällt der Beginn der furchtbaren diokletianischen Christenverfolgung, die sich die folgerichtige Ausrottung des Christentums im Reich zum Ziel setzte. Die Verfolgung währte jahrelang. Der Kaiser Konstantin gab dann den Übertritt zum Christentum frei, ja erhob es in seinen späteren Jahren zur bevorzugten Religion. Und seine Nachfolger suchten das Heidentum zu verdrängen. Die Versuche Julians nach der Mitte des 4. Jahrhunderts, dem Heidentum wieder neue Geltung zu verschaffen, misslangen. Fast über Nacht war die Gemeinde Jesu aus einer Schar von Geächteten zur hoch geehrten Kirche geworden. Und die Kirche entwickelte sich zur Reichskirche.

Reichskirche! In diesem einen Wort prägt sich der ganze Umschwung in der Stellung der Kirche aus, der durch die veränderte Haltung des Kaisertums herbeigeführt wurde. Es gab nun zweierlei Reiche: das römische Reich und das Reich Gottes. Die Benennung der damaligen Kirche als Reichskirche will nicht die Beziehung der damaligen Kirche zum Reich Gottes herausheben, sondern ihre Stellung im römischen Reich und zum römischen Reich. Nun war das römische Reich zur Kirche in Beziehung getreten und schätzte und schützte sie. Das Reich führte der Kirche die Bevölkerung zu, damit sie dieselbe in ihre Pflege nehme und ihr ihre Pforten öffne. Es begehrte an der Kirche einen Halt für das ganze Volksleben und einen Stütze des Staats. Und die Kirche war dankbar für die Entlassung aus der furchtbaren Verfolgungszeit und für die Aufschließung des neuen großen Arbeitsfelds. Sie schätzte ihrerseits das Reich. Und nun suchte sie die Bevölkerung des ganzen Reichs zu umspannen. Bereits in den Zeiten des Drucks hatte sie sich feste Ordnungen gegeben, nicht nur für den Gottesdienst, sondern auch für das Zusammenleben in der Einzelgemeinde und für den Zusammenschluss der Gemeinden zu größeren Verbänden. Nun kam die Kirchenverwaltung auf, deren Mittelpunkte die großen Städte waren. Dem Bischofsamt wurde immer größere Bedeutung zugemessen. Für den Westen des Reichs hatte der Bischof von Rom längst ausschlaggebende Bedeutung. Langsam meldete sich das Papsttum an, auch wenn der Name noch nicht da war.

Es war eine Änderung gegenüber der ersten Zeit eingetreten, angesichts deren es der Kirche bei aller Dankbarkeit bang werden musste. Sie freute sich der neuen Stellung im Reich und - das Reich Gottes wurde ihr darüber ferner. Das römische Reich war da, aber das Reich Gottes war noch nicht da - in der Dankbarkeit für den Frieden nach dem Kampf war die Reichskirche manchmal nah daran, sich mit dem Reich Gottes zu verwechseln; selbst Augustin lagen solche Gedanken nicht ganz fern. Es war für die Kirche verhängnisvoll, dass sie sich selbst nicht mehr recht verstand, nämlich dass sie Jesu Gemeinde sei, zwar in der Welt, aber nicht von der Welt. An dieser Stelle, wo von Kirche und Kirchen die Rede ist, ist es von Wert, sich über das Verhältnis der Gemeinde Jesu zu all den Organisationen klar zu werden, die wir heutzutage mit dem Namen "Kirchen" oder Kirchenkörper bezeichnen, ob sie nun großen oder kleinen Umfang haben.

Die Gemeinde Jesu und die Kirchen