Rom als 6. Reich: Unterschied zwischen den Versionen

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(Die Gemeinde Jesu und die Kirchen)
(Die Gemeinde Jesu und die Kirchen)
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Dass z. B. die erste Gemeinde die Versorgung der Armen regelte dass die Gemeinden des Paulus in ihre Gottesdienste und Verhältnisse Ordnung brachten, das entfremdete sie ihrer Berufung und ihrem Beruf nicht. Die Christenheit hat im Anfang gut gewusst, dass bei der Ausübung eines Amts in wahrhaft christlichem
 
Dass z. B. die erste Gemeinde die Versorgung der Armen regelte dass die Gemeinden des Paulus in ihre Gottesdienste und Verhältnisse Ordnung brachten, das entfremdete sie ihrer Berufung und ihrem Beruf nicht. Die Christenheit hat im Anfang gut gewusst, dass bei der Ausübung eines Amts in wahrhaft christlichem
Sinn der Heilige Geist nicht entbehrlich, sondern höchst nötig sei. Darum wurde seiner Zeit ein Mann voll des Heiligen Geistes zum Armenpfleger bestellt. Nicht einmal die Mischung hätte die Gemeinde Jesu verderben müssen. Denn die Rückstände des alten Wesens können und sollen zur Buße und Wachsamkeit und zum Anziehen der Überwinderkraft  treiben. Und die zurückbleibenden und fehlenden Glieder können und sollen Gegenstand der Bruderliebe werden. Und die Erziehungsaufgabe am nachwachsenden Geschlecht und an den neu Hinzugefügten gibt der Liebe reichen Stoff und dem nach oben gerichteten Trieb neue Nahrung. Darum müsste auch die schon manchmal als der Krebsschaden für die Kirche sein, sondern Anlass zum Dank, dass auch die Kinder der Glaubenden von der Wurzel ihres Lebens an unter der entgegenkommenden, suchenden, leitenden und heiligenden Gnade stehen und unter sie gestellt werden dürfen. Nicht einmal die Sünde, so ernst ihr Vorkommen in der Gemeinde Jesu zu beurteilen ist, müsste sie verderben, wenn nur die eigene Einsicht in die Verfehlung und die Mahnung der Brüder zur Buße führt. Nicht die Sünde an sich ruiniert die Gemeinde Jesu, sondern der Leichtsinn ihr gegenüber und die Meinung in der Sünde beharren zu dürfen (Röm 6).
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Sinn der Heilige Geist nicht entbehrlich, sondern höchst nötig sei. Darum wurde seiner Zeit ein Mann voll des Heiligen Geistes zum Armenpfleger bestellt. Nicht einmal die Mischung hätte die Gemeinde Jesu verderben müssen. Denn die Rückstände des alten Wesens können und sollen zur Buße und Wachsamkeit und zum Anziehen der Überwinderkraft  treiben. Und die zurückbleibenden und fehlenden Glieder können und sollen Gegenstand der Bruderliebe werden. Und die Erziehungsaufgabe am nachwachsenden Geschlecht und an den neu Hinzugefügten gibt der Liebe reichen Stoff und dem nach oben gerichteten Trieb neue Nahrung. Darum müsste auch die schon manchmal als der Krebsschaden für die Kirche sein, sondern Anlass zum Dank, dass auch die Kinder der Glaubenden von der Wurzel ihres Lebens an unter der entgegenkommenden, suchenden, leitenden und heiligenden Gnade stehen und unter sie gestellt werden dürfen. Nicht einmal die Sünde, so ernst ihr Vorkommen in der Gemeinde Jesu zu beurteilen ist, müsste sie verderben, wenn nur die eigene Einsicht in die Verfehlung und die Mahnung der Brüder zur Buße führt. Nicht die Sünde an sich ruiniert die Gemeinde Jesu, sondern der Leichtsinn ihr gegenüber und die Meinung in der Sünde beharren zu dürfen (Röm 6).<br/><br/>
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====<big>Die Ausrichtung der Gemeinde Jesu </big>====
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Das bisher Angeführte betrifft an sich Nebendinge. Schlimmer ist's wenn die Richtung der Gemeinde auf den Hauptpunkt nicht festgehalten wird. Die Hauptrichtung der Gemeinde muss nach oben gehen, und nach vorwärts, dem kommenden Reich entgegen. Oben ist der Herr der Gemeinde, oben ist der eine Gott und Vater, oben ist der Thron Gottes, von dem aus alles gelenkt wird, oben ist der Teil der Gemeinde, der den irdischen Lauf schon hinter sich hat; oben ist bis jetzt noch das Reich. "Suchet, was droben ist!" (Kol 3:1) "Lasset uns aufsehen! Und VOR der Gemeinde liegt das Reich. Nicht die Gemeinde selber ist das Reich, aber sie ist berufen zum Reich Gottes und zu seiner Herrlichkeit und zum seligen Dienst darin als Christi Organ und muss alle Kräfte einspannen, des Reichs würdig und zum Dienst darin fähig zu werden. Und wie der Blick nach vorwärts zur Reinigung treibt, so spornt er auch zum Dienst an der armen Welt schon in dieser Weltzeit. Denn ohne Dienst würde sie selbst des Reichs verlustig gehen.
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Daraus geht hervor, dass die Gefahrenpunkte für die Gemeinde an 3 Stellen liegen: die Gemeinde darf sich nicht auf sich selbst einstellen, auch nicht auf die Welt, auch nicht auf die Zeit. An allen drei punkten kann es zur Entartung kommen, denn der Schwerpunkt der Gemeinde liegt nicht in ihre selbst, auch nicht in der jetzigen irdischen Welt, auch nicht im gegenwärtigen Zeitlauf. Ihre Richtung geht von sich selbst weg, nach oben und nach vorwärts, dem kommenden Reich und seinem König entgegen.
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Manche Kirchenkörper, ob sie nun groß oder klein sind, welche Bezeichnung sie auch tragen oder sich geben, verderben sich an einem der genannten Punkte, manche auch an zwei oder an allen drei. So gibt es Kirchen und Gemeinschaften, denen man weder den nach oben noch den nach vorwärts gerichteten Sinn absprechen kann; aber sie kommen immer wieder auf IHRE Besonderheiten zurück und sehen mehr oder minder im Zutritt gerade zu ihrem Kreis die Bedingung oder wenigstens eine Erleichterung der Teilnahme am Reich Gottes. Damit nehmen sie ihrem Herrn einen Teil seiner Ehre, stoßen manche Suchende ab und erschweren sich selbst innerlich und äußerlich den ihnen aufgetragenen Dienst. Andere Kirchenkörper haben in dieser Hinsicht ein weites Herz; aber sie nehmen zu viel Rücksicht auf Welt und Zeit. Unsere evangelischen Kirchen sind weithin in dieser Gefahr. Der Blick nach vorwärts und der Mut zum Vorwärtsgehen - nicht im Sinne des weltlichen Fortschritts, sondern der göttlichen Notwendigkeiten - auf die Gefahr des Verlusts der Volksgunst hin und mit der Bereitschaft zum Leiden: dieser Sinn will mangeln. vor lauter Rücksichtnahme nimmt die Salzkraft ab und das fad gewordene Salz wird zertreten. Besonders groß ist die Gefahr, in der Welt heimisch zu werden und sich darin einzurichten. Dann wird die Kirche weltlich. Diese Gefahr der Weltfrömmigkeit wird noch verstärkt, wenn die Kirche vergisst, dass das Reich Gottes erst kommen muss, und darüber sich selber mit dem Reich Gottes verwechselt oder meint, in ihrer weltlichen Art und mit weltlichen Mitteln das Reich Gottes darstellen oder herstellen zu können.
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Wenn einmal eine Wendung in eine der verkehrten Richtungen stattgefunden hat, dann werden auch die Punkte gefährlich, die an sich die Gemeinde Jesu nicht gefährden müssten, also der Umfang einer Kirche, ihre Größe und Unübersichtlichkeit; die Betonung der Verfassung und der Formen überhaupt; endlich der gemischte Zustand, der an sich vom Wachstum untrennbar ist - denn dann wird nicht mehr alle Kraft an die Überwindung der Sünde gesetzt und die letztere wird so zu Gewöhnung.
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Die Kirche kann und darf und soll mit heißer Liebe umfasst werden. Aber beim heutigen Gebrauch des Wortes "Kirche" schwingt bereits eine Empfindung dafür mit, dass durch die Entwicklung der Gemeinde Jesu (die die Gemeine Gottes ist) zur Kirche irgend etwas verloren gegangen ist. Bei vielen ist's das Gefühl, bei nicht wenigen ist es auch bitter, ja schadenfroh geworfen. Der Verlust gehet weit zurück. Er meldete sich bereits leise in der Christenheit Jerusalems an; aber auf heidenchristlichem Boden ging es mit dem Verlieren rascher und tiefgründiger. In der nachapostolischen Zeit ging bereits manches verloren; je weiter die Gemeinde sich zur "Kirche" entwickelte, um so rascher ging der Verlust weiter und verbreitete sich auf mehrere Gebiete. Er war schon stark geworfen, noch ehe die Kirche zur Reichskirche wurde. Aber nun gab es kein Halten mehr. Die Kirche richtete sich in dieser Welt und für diesen Zeitlauf ein. Sie war nicht mehr bloß IN der Welt, sondern wurde allmählich VON der Welt. Auch die Reformation vor 400 Jahren hat den beschrittenen Weg nicht rückgängig machen können. Die Reformatoren wollten ja keine neue Kirche gründen. Die Kirche zur Gemeinde Jesu zurückzubilden geht über Menschenkraft. Der Weg der Kirche war auch bereits zu sehr festgelegt, Es handelte sich mehr darum, die Gemeinde Jesu innerhalb der Staatskirchen und Volkskirchen zu stärken. So mussten auch die aus der Reformationszeit erwachsenen Kirchen das alte kirchliche Erbe weiterführen.<br/><br/>
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====<big>Die Kirchen der Gegenwart </big>====
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Blicken wir auf die Gegenwart. Da sind Volkskirchen; sie ringen schwer an der riesengroßen Aufgabe, die beiden Größen Volk und Kirche  zu einer wirklichen Einheit zusammen zu binden und gleichzeitig ihrem Volk und der Gemeinde Jesu zu dienen. Da sind Freikirchen; sie meinen in ihren Anfangszeiten, den Gefahren der geschichtlich gebundenen Kirchen entgehen zu können; aber wenn sie aufrichtig sind, dann merken sie, dass bereits beim zweiten und dritten Geschlecht die gleichen Nöte auftauchen, an denen die Volkskirchen leiden. Da sind die Sekten; manche führen von der Gemeinde Jesu geradezu ab. Aber auch solche, denen die Reinheit der Gemeinde von der Vermischung mit Welt und Zeit am Herzen liegt, verderben sich selbst, weil sie sich mit der Gemeinde Jesu verwechseln. Damit beugen sie sich völlig auf sich selbst zurück und schließen ihre Glieder und diejenigen, welche sie zu sich heranziehen, in ihre Enge ein und verletzen gleichzeitig die Achtung und die Liebe gegen diejenigen, die nach ihrer Meinung draußen stehen. Auch die Gemeinschaften sind gegen die Verkehrungen nicht geschützt, welche der Gemeinde Jesu gefährlich werden; weder die örtlichen Gemeinschaften noch die Verbände, zu welchen sie sich zusammenschließen.
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Es gibt nur eine Rettung aus den Nöten und Gefahren der Kirchen, der Gemeinschaften und Sekten: das ist nicht die Vereinzelung der einzelnen Christen, der sog. christliche Individualismus, sondern die tägliche Besinnung auf die EINE heilige christliche Kirche de Glaubensbekenntnisses, auf die una sancta ecclesia, auf die Gemeinde Jesu, die die Gemeinde Gottes ist, die die Gemeinde der vom Heiligen Geist Geleiteten ist; das ist die Bitte um die Annahme durch Jesus, um die Kindschaft Gottes, u die Gabe des Heiligen Geistes und damit um die Einfügung in Christi Gemeinde. Diese Bitte muss - Gott sei Dank! - nicht bei Menschen vorgebracht werden; die Zugehörigkeit zu dieser Gemeinde ist zum Glück nicht an die Zugehörigkeit zu einem kleineren oder größeren Kirchenkörper gebunden; wiewohl es auch nicht richtig wäre, solche Zugehörigkeit zu verachten, denn ohne sie wäre die Kenntnis Jesu nicht zustande gekommen. Bei einer von ihnen ist auch mit der Taufe die Berufung zu Jesus erfolgt, und dieser gilt es mit wachsender Treue Folge zu leisten.
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Das Beste in den verschiedenen Kirchen ist die Gemeinde Jesu in ihr. Es wurde bereits ausgesprochen, dass diese nicht als äußerlich in die Erscheinung tretendes Ganzes fassbar ist. Ihre sichtbare Darstellung ist unmöglich, obwohl sie kein verschwommenes, zerfließendes Gebilde ist. Diese Gemeinde ist der Halt der Kirchen. So lange sie diese Gemeinde in ihrer Mitte schätzen, ja solange sie dieselbe auch nur dulden, bleibt den Kirchen noch Gnade und Salz und Leuchtkraft für die Welt, sogar bei starken Abweichungen von der Normalgestalt der Kirche.
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Die Verkehrung der Gemeinde Jesu, wie sie im Lauf der Kirchengeschichte Wirklichkeit geworden sind und in noch  ausgedehnterem und ernsterem  Maße Wirklichkeit werden werden, waren unvermeidlich, obwohl menschliche Schuld dabei auch eine Rolle spielt, aber weniger als Einzelschuld, sondern als Gemeinschuld. Sie begannen ja bereits zur Zeit der Apostel, die schon mit ihnen ringen mussten. Diese Verkehrung sind auch vielfach gar keine Neuerscheinungen, als ob sie immer nur eine Verschlechterung eines vorher guten Zustandes wären; sondern sie rühren großenteils von dem vorchristlichen Erbe her, das die neuen Glieder der Gemeinde mitbrachten, das sie noch nicht überwunden hatten, und das sie auch nach ihrem Zutritt nicht völlig überwanden. Jes massenhafter der Eingang in die Kirche war, umso mehr suchte auch der Geist der nicht völlig gewonnenen Mengen Eingang in die Kirche. So hat die Kirche Erbstücke übernommen, an denen sie schwer zu tragen hatte und noch zu tragen hat. Sie hat Erbstücke aus dem jüdischen Wesen, aber auch sehr ernste aus der griechischen Art  und aus dem römischen Wesen, das sich zumal im Westen des Reichs ausbildete. Und jedes neue Jahrhundert, jedes neue Volk hat neue Art und neue Unart mitgebracht. So wäre es verkehrt, die alte Christenheit zu schelten, dass sie Reichskirche geworden ist.<br/><br/>
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====<big>Ursache der Missstände</big>====
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Aber die Erkenntnis ist trotzdem wichtig, dass dieser Gang der Kirche trotz seiner geschichtlichen Unvermeidbarkeit nicht der gottgewollte ist. Er ist so wenig gottgewollt, wie das Sündigen dem Willen Gottes entspricht. Die Sünde ist auch ein Merkmal des menschlichen Wesens geworden; aber Gottes Wille ist es trotzdem nicht, das gesündigt wird, und da Sündigen macht schuldig. Woher rühren alle Verkehrungen letzten Endes? Daher, dass diese Weltzeit bereits ihren Gott hat (2Kor 4:4). Derjenige, der dem gegenwärtigen Zeitlauf das Gepräge gibt, dessen Art und Wille die ganze menschliche Geschichte beherrscht, ist aber nicht der Vater Jesu Christi, sondern der Widersacher Gottes, der Satan. Er muss abtreten, wenn das Reich Gottes kommt, vorher nicht. Der gegenwärtige Zeitlauf hat für das Reich Gottes noch keinen genügenden Raum. Die Gemeinde Jesu in dieser Weltzeit ist der Wegbereiter des Reichs, aber noch nicht das Reich selber. Wir stehen nun vor der tiefernsten Erkenntnis, dass die Überleitung der Gemeinde Jesu in die Kirchenkörper ein satanisches Kunststück war, dazu bestimmt, die Gemeinde Gottes aus ihrer Bahn zu locken und Gott sein Organ in der Welt zu entwenden. Es ist richtig, dass schon dieser Gedanke erschrecken muss. Der Gedanke muss aber richtig gefasst werden. Es ist nicht gesagt worden, dass die Kirche oder kirchliches Wesen satanisch sei; sonst müsste man an der Kirche verzagen.
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Aber die Tatsache, dass die Gemeinde Jesu in die Bahn der Kirchen hinüberkam - worunter nicht bloß die großen Kirchen zu verstehen sind, wie die katholische und die evangelischen, sondern auch alle die christlichen Zusammenschlüsse bis hinüber zu den Sekten - diese Tatsache ist im satanischen Wirken begründet. Alle kirchlichen Gebilde - wieder im weitesten Sinne des Wortes verstanden - sind gemischter Art: sie haben nicht rein göttliche Art, sondern sind auch satanisch beeinflusst und beeinflussbar, in verschiedenem Grad. Es ist damit nicht mehr gesagt, aber auch nicht weniger, als was Jesus im zweiten Ackergleichnis Mt 13:24-30.36-43 ausgesprochen hat: der Acker, auf dem er guten Samen ausgestreut hat, bringt es im gegenwärtigen Zeitlauf zu keiner reinen Ernte infolge der listigen Gegenwirkung des bösen Feindes. Jeder Versuch, die Mischung auf dem Ackerboden zu beseitigen, wäre nicht nur aussichtslos, sondern sogar gefährlich. Aber die Absicht des bösen Feindes, die Ernte zu verderben misslingt doch. Durchkreuzt wird sie aber erst beim letzten Gericht, vorher nicht. Nicht einmal das Reich Gottes auf Erden, das 1000-jährige Reich, bringt bereits die unvermischte Gemeinde hervor; die entsteht erst durch das sichtende und verzehrende Gericht hindurch, das am Ende des Zeitlaufs steht (Offb 13.39.40).<br/><br/>
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====<big>Aufhören der Missstände</big>====
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Die eben genannte Zeitbestimmung für das Aufhören des Mischzustandes bedarf noch einer Erläuterung durch einen vorläufigen Ausblick auf das Reich Gottes auf Erden, mit welchem der vorliegende Gedankengang abgeschlossen werden soll. Das Reich Gottes auf Erden, dessen Aufrichtung wir vom wiederkommenden Herrn erwarten, gehört z. T. noch zu gegenwärtigen Zeitlauf. Es wird die Wende der Zeiten sein, an der Grenze des jetzigen und des kommenden Zeitlaufs. Das Ende der bisherigen Entwicklung steht erst am Schluss des 1000-jährigen Reiches; denn dann erst wird dem Satan jede Möglichkeit weiteren verderben Könnens genommen, dann erst wird die alte Welt durch das Gericht beendet, dann erst tritt die neue Schöpfung in Kraft. Insofern hat die gegenwärtige Stimmung in weiten Kreisen der Christenheit recht, die sich gegen den Gedanken eines baldigen Abschlusses des gegenwärtigen Zeitlaufs wehrt: die Zeit des antichristlichen Reichs ist noch nicht die Endzeit im sprachlichen Sinne des Wortes, als ob sie dem, was man gewöhnlich die "Ewigkeit" nennt, UNMITTELBAR  vorausginge. Das Endgericht, der "Untergang der Welt" steht noch nicht vor der Tür, auch wenn der gegenwärtige Lauf der Menschheitsgeschichte rascher seinem Schlusspunkt entgegeneilt, als die meisten ahnen, auch als die christlichen Kirchen das Wort haben wollen. Denn zwischen dem eben genannten Schlusspunkt und dem Abschluss der alten Welt steht ja das Reich Gottes auf Erden, das wir gewöhnlich das 1000-jährige Reich nennen.  <br/><br/>
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====<big>Das Reich Gottes auf Erden</big>====
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Wieviel Unklarheit und Missverständnis, wieviel verkehrtes Wirken, wieviel verkehrtes Hoffen und verkehrtes Fürchten würde vermieden, wenn die Christenheit ernstlich mit dem nicht bloß Offb 20, sondern in der ganzen Schrift bezeugten Reich Gottes auf Erden rechnen würde! dann wäre sie auch nicht veranlasst,immer wieder das Reich Gottes sehen zu wollen in einer Zeit, die dem antichristlichen Reich entgegengeht. So ist auch eine biblische Beurteilung der ganzen kirchlichen Entwicklung, die zwar sich gerne alles Segens freut, den sie aufweist, die sich aber auch die Augen nicht verschließen kann und will gegenüber dem Mangel der Kirchenzeit, ja gegenüber der satanisch gewirkten Verderbnis, die selbst auf diesem Gebiet sich breit macht, nur dann möglich, wenn das Reich Gottes  erfasst wird als eine hinter dem gegenwärtigen Zeitlauf kommende Größe an der Schwell zwischen Zeit und Ewigkeit, die Zeit abschließend, die Ewigkeit einleitend.
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Aus den vorstehenden Darlegungen wird ersichtlich sein, dass keine Schmähung der alten Reichskirche beabsichtigt ist, auch keine Geringschätzung oder gar Schmähung der Kirchen überhaupt, wenn die kirchliche Entwicklung, die mit der Duldung und Anerkennung der alten Kirche durch den Kaiser Konstantin begonnen hat und die erst in der antichristlichen Zeit zum Abschluss kommt, als sehr ernst beurteilt wird. Die Gemeinde Jesu war zur Kirche geworden, ja zur Reichskirche. Die Wegnahme der Last der Verfolgung, die Eröffnung der freien Bahn in der Völkerwelt für die Gemeinde war vom Herrn geschehen, der sich auch seither von der Kirche nicht zurückgezogen hat, aber der böse Feind, der schon seither nicht abseits gestanden, griff nun ebenfalls mächtig ein und wirkte richtungsbestimmend. Im Sieb des Satans war die Gemeinde und die werdende Kirche nicht nur in den Verfolgungszeiten gewesen; jetzt war sie noch mehr im Sieb. Der Unterschied war nur der, dass sie es damals merkte an der Gewalt, die der böse Feind übte; jetzt, da er listig kam und deshalb sanft tat, schwand das Gefühl der Anfechtung, und die Wachsamkeit ließ nach. <br/><br/>
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====<big>Rom als politisches und kirchliches Gebilde</big>====
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Version vom 28. April 2020, 16:13 Uhr

Abschrift des Buches: Rom - Babel - Jerusalem
Der Weg der Menschheit im Licht der Schrift bis zur Vollendung des Gottesreiches

Verfasser: G. Thaidigsmann (Pfarrer in Waldbach) (1928)
Verlag: Gebrüder Schneider, Karlsruhe i. B.

Inhaltsverzeichnis
Kapitel davor: Das weisssagende Wort als Wegweiser

in Bearbeitung

2. Teil
Vom apostolischen Zeitalter bis zur Gegenwart

2. Rom als 6. Reich

Das alte Rom

Wir treten nun ein in eine Darstellung der Geschichte seit 70 n. Chr. unter den dargelegten Gesichtspunkten. Die urchristlichen Gemeinden im römischen Reich hatten zuerst teil an der Duldung, die die jüdischen Gemeinden genossen. Aber als Israels ablehnende Haltung gegen die neue Gemeinde entschieden war, wurde der Unterschied der christlichen Gemeinden von den jüdischen bekannt. Das römische Reich ertrug das Christentum nicht. Zeuge davon sind die vielen Verfolgungen, deren erste noch vor das Jahr 70 fällt. Die Christen wurden trotz ihrer Treue gegen das Staatswesen als ein Fremdkörper empfunden, der den Bestand des Staates gefährde. An einem Punkt war der Staat besonders unerbittlich, und der Christenheit war an dieser Stelle ein Entgegenkommen unmöglich: am Kaiserkult, d. h. an der göttlichen Verehrung des Kaisers. Bei diesem Kult handelte es sich nicht eigentlich um Huldigung vor dem jeweiligen Kaiser. Im Kaisertum erwies das Reich sich selbst göttliche Ehre, es setzte sich selbst an Gottes Stelle. Das römische Reich trat an die Stelle des Reiches Gottes, und der Kaiser beanspruchte gewissermaßen die Stelle des Christus. Die göttliche Verehrung des Antichrists und seines Bildes, von der in Offb 13 im Blick auf die Endzeit die Rede ist, bahnte sich bereits im alten römischen Reich an.

Der Staat und die Gemeinde Jesu

Im Jahr 303 n. Chr. holte das Reich zum Vernichtungsschlag gegen die alte Christenheit aus. In dieses Jahr fällt der Beginn der furchtbaren diokletianischen Christenverfolgung, die sich die folgerichtige Ausrottung des Christentums im Reich zum Ziel setzte. Die Verfolgung währte jahrelang. Der Kaiser Konstantin gab dann den Übertritt zum Christentum frei, ja erhob es in seinen späteren Jahren zur bevorzugten Religion. Und seine Nachfolger suchten das Heidentum zu verdrängen. Die Versuche Julians nach der Mitte des 4. Jahrhunderts, dem Heidentum wieder neue Geltung zu verschaffen, misslangen. Fast über Nacht war die Gemeinde Jesu aus einer Schar von Geächteten zur hoch geehrten Kirche geworden. Und die Kirche entwickelte sich zur Reichskirche.

Reichskirche! In diesem einen Wort prägt sich der ganze Umschwung in der Stellung der Kirche aus, der durch die veränderte Haltung des Kaisertums herbeigeführt wurde. Es gab nun zweierlei Reiche: das römische Reich und das Reich Gottes. Die Benennung der damaligen Kirche als Reichskirche will nicht die Beziehung der damaligen Kirche zum Reich Gottes herausheben, sondern ihre Stellung im römischen Reich und zum römischen Reich. Nun war das römische Reich zur Kirche in Beziehung getreten und schätzte und schützte sie. Das Reich führte der Kirche die Bevölkerung zu, damit sie dieselbe in ihre Pflege nehme und ihr ihre Pforten öffne. Es begehrte an der Kirche einen Halt für das ganze Volksleben und einen Stütze des Staats. Und die Kirche war dankbar für die Entlassung aus der furchtbaren Verfolgungszeit und für die Aufschließung des neuen großen Arbeitsfelds. Sie schätzte ihrerseits das Reich. Und nun suchte sie die Bevölkerung des ganzen Reichs zu umspannen. Bereits in den Zeiten des Drucks hatte sie sich feste Ordnungen gegeben, nicht nur für den Gottesdienst, sondern auch für das Zusammenleben in der Einzelgemeinde und für den Zusammenschluss der Gemeinden zu größeren Verbänden. Nun kam die Kirchenverwaltung auf, deren Mittelpunkte die großen Städte waren. Dem Bischofsamt wurde immer größere Bedeutung zugemessen. Für den Westen des Reichs hatte der Bischof von Rom längst ausschlaggebende Bedeutung. Langsam meldete sich das Papsttum an, auch wenn der Name noch nicht da war.

Es war eine Änderung gegenüber der ersten Zeit eingetreten, angesichts deren es der Kirche bei aller Dankbarkeit bang werden musste. Sie freute sich der neuen Stellung im Reich und - das Reich Gottes wurde ihr darüber ferner. Das römische Reich war da, aber das Reich Gottes war noch nicht da - in der Dankbarkeit für den Frieden nach dem Kampf war die Reichskirche manchmal nah daran, sich mit dem Reich Gottes zu verwechseln; selbst Augustin lagen solche Gedanken nicht ganz fern. Es war für die Kirche verhängnisvoll, dass sie sich selbst nicht mehr recht verstand, nämlich dass sie Jesu Gemeinde sei, zwar in der Welt, aber nicht von der Welt. An dieser Stelle, wo von Kirche und Kirchen die Rede ist, ist es von Wert, sich über das Verhältnis der Gemeinde Jesu zu all den Organisationen klar zu werden, die wir heutzutage mit dem Namen "Kirchen" oder Kirchenkörper bezeichnen, ob sie nun großen oder kleinen Umfang haben.

Die Gemeinde Jesu und die Kirchen

Das Reich Gottes ist noch nicht da, weil der Christus, der König des Reichs, der Menschheit noch fehlt. Er ist vorhanden, unsichtbar gegenwärtig, alles erfüllend, gerade wie Gott mit seiner Gegenwart alles erfüllt. Aber offenbar geworfen ist er noch nicht. Denn die Stätte seiner unmittelbaren Gegenwart ist noch der Himmel, der Thron Gottes. Aber er hat bereits eine Schar, die ihm als ein Erstling, als Angebinde aus der Menschheit gehört, das ist seine Gemeinde. Ihr Kennzeichen ist der Glaube, d. h. die Verbindung mit ihm über alle Schranken des Orts und der Zeit hinüber. Die Glieder der Gemeinde wissen, dass sie sich den Glauben nicht selber gegeben haben, dass er ihnen vielmehr geschenkt ist; dass alles, was sie von der Welt unterscheidet, Gabe und Gnade ist. Die Gemeinde weiß, dass sie berufen ist zum Dienst an der armen christuslosen Welt, berufen auch zum Leiden. Sie weiß, dass ihr eigentliches Gut noch in der Zukunft liegt; aber das, was sie schon hat, möchte sie um keinen von der Welt gebotenen Preis fahren lassen. Im innern Leben ist eine Neuschöpfung schon da; aber im übrigen ist sie selber im Warten und mitten ins Harren der Kreatur hineingestellt. Ihr größtes Gut ist, dass sie Gott nicht mehr gegen sich hat, wie auch bei ihr selbst die Feindschaft des natürlichen Menschen gegen Gott aufgehört hat. Die Versuchung ist damit noch nicht geschwunden, der Kampf ist vielmehr nun erst recht entbrannt; aber mitten darin ist sie vom Frieden Gottes umgeben. Sie bedarf täglicher Buße und täglicher Vergebung; aber sie bekommt sie auch täglich. Es ist eine weltweite Gemeinschaft, in der alle Unterschiede und Gegensätze, die sonst in der Welt Trennung stiften,m aufgehoben sind; und doch ist der Zugang zu ihr eng. Weder die Gemeinde selber kann die Tür zu sich aufmachen, noch kann der Zutretende sie öffnen; denn der Schlüssel liegt in Christi Hand. Er ist es, der zu seiner Gemeinde hinzutut, die sich helfen, heilen, retten lassen.

So ist die Gemeinde Jesu innerhalb der Welt ein Geheimnis. Die Welt kann es nicht begreifen. Sogar sich selber ist sie ein Geheimnis. Sie ist kein Volk im gewöhnlichen Sinn des Wortes; denn die natürliche Grundlage des Volkstums fehlt, sie greift über jedes Volkstum hinaus. Sie ist auch kein Verein, zu dem man Zutritt begehren und von dem man wieder weggehen kann. Das letztere ist besonders wichtig, weil es immer wieder nahe liegt, die Gemeinde mit einem vereinsartigen Gebilde zu verwechseln. Menschliche Zusammenschlüsse mögen allerlei Namen tragen; sie können sich Verein, Vereinigung, Körperschaft, Bund, Kreis, Gruppe, Richtung oder Gemeinschaft nennen. Aber die die Zugehörigkeit zu einem menschlichen Gebilde bedeutet noch nicht die Zugehörigkeit zur Gemeinde Jesu und kann diese Zugehörigkeit auch nicht verbürgen oder herbeiführen. Vielen wäre es lieber, wenn es anders wäre; viele meinen mit dem Zutritt zu einer derartigen Gemeinschaft und mit der Aufnahme in sie dem Reich Gottes eingefügt zu sein. Aber gerade die Freiheit von allem menschlichen Machen ist ein köstliches Kleinod der Gemeinde Jesu. Sie ist er Beginn der neuen Welt, für Gott geschaffen durch Christi Hand und Geist, noch während der alten Ordnung der Dinge.

Aber nun wird die Frage immer dringender: was ist denn die Christenheit? Was ist die Kirche? Ist Christenheit, ist Kirche nicht gleichbedeutend mit dieser Gemeinde? Dem Namen, der Bezeichnung nach fällt Christenheit und Kirche mit der Gemeinde Jesu zusammen. Denn das Wort "Christenheit" bezeichnet die Menschheit, soweit sie zu Christus Beziehung hat, und zwar als ein Ganzes. Und "Kirche" könnte mit "Herrnheit" übersetzt werden; diese Benennung fasst also ebenfalls die Beziehung zum Herrn Christus als das bezeichnende Merkmal dessen, was "Kirche" heißt. Nun werden ja beide Beziehungen auch in ihrem Vollsinn gebraucht, so bei Luther in seiner Erklärung des 3. Artikels, wo er die Christenheit auf Erden als die Schar bezeichnet, die von sich aus weder mit ihrer Vernunft noch mit ihrer Kraft den Weg zu Jesus Christus, ihrem Herrn gefunden hätte, die aber durch die berufende, sammelnde, erleuchtende und heiligende Arbeit des Heiligen Geistes zu ihm gebracht und im rechten einigen Glauben bei ihm erhalten wird. Aber die tatsächliche Erscheinung der Christenheit und die geschichtlichen Erscheinungsformen der Kirchen entsprechen dem eigentlichen Inhalt der Benennungen nicht. Bezeichnend ist schon die Verwendung des Wortes Kirche in der Mehrzahl. Zwar wird das griechische Urwort im Neuen Testament auch in der Mehrzahl gebraucht; aber in all diesen Stellen leuchtet die tatsächliche Einheit der Kirche in aller Deutlichkeit durch. Die Mehrzahl hat da nur geographischen Sinn, sofern die Gemeinde Gottes ihre Glieder an vielen Orten hat, wo sie sich dann normalerweise als zusammengehörig fühlen, so dass sie eine örtlich zusammengehörige, eine Lokalgemeinde innerhalb der einen Kirche der una sancta ecclesia, bilden. Der Ausdruck "Kirchen" ist aber längst über diejenige Bedeutung der Mehrzahl hinausgewachsen, welche die örtlichen Besonderheiten der einen Kirche im Auge hat; er bezeichnet jetzt Richtungs- und Wesensunterschiede, ja Gegensätze, im Großen wie im Kleinen.

Es gehört zum Jammer der Christenheit dass sie in ihrer Mitte so grundverschiedene große Kirchenkörper hat; aber zu diesem Jammer gehört auch die, dass es sogar an kleinen Orten Zersplitterungen gibt, die nicht durch das praktische Bedürfnis hervorgerufen sind, sondern durch tiefere Unterschiede. Es sind hier nicht Unterschiede gemeint, die naturgemäß und natürlich sind, wie der Unterschied zwischen Judenchristen und Heidenchristen oder bei den Kirchen die Besonderheit durch das Volkstum. Solche Unterschiede müssten die Einheit nicht aufheben, könnten vielmehr die Herrlichkeit der großen Gnadengabe in verschiedenartiger weise widerspiegeln. Gemeint sind solche Unterschiede, die, am Wesen der Gemeinde gemessen, eine Unnatur sind, wie z.B. Paulus solche Spaltungen in 1Kor 1-4 mit großem Weh und Ernst gerügt hat. Neben solcher kleinkirchlichen und großkirchlichen Zerrissenheit mutet das die Zertrennungen übersehende und die Zusammengehörigkeit betonende Wort "Christenheit" heimelig an. Nur entspricht eben der tatsächliche Stand der Christenheit dem durch das Wort vorgetäuschten Normalzustand nicht.

Aber mit der Feststellung, dass die Gemeinde Jesu mit der Christenheit und mit den Kirchen nicht zusammenfalle, weder mit den großen in langer Geschichte gewordenen, mit ihrer aus der Geschichte zu erklärenden Gebundenheit, noch mit den kleineren sog. freien Gemeinden und Gemeinschaften und Verbänden, die im Grude auch kleine Kirchen - mit dieser Feststellung ist immer noch nicht gesagt, an welcher Stelle der Schaden sitzt. Er liegt nicht an der Größe, als ob sich die Kirche von der Gemeinde Jesu damit entfernen würde, wenn sie an Umfang wächst. Dieses Wachstum hat ja ernste Gefahren gebracht, die aber die Christenheit nicht hätten verderben müssen. Auch Johannes sah in Offb 7:9-17 die Gemeinde Jesu aus der Völkerwelt als eine unzählbar große Schar. Der Schaden muss auch nicht von der Verfassung herrühren, als ob die Christenheit sich selber untreu würde, wenn sie sich bestimmte Formen und Regeln gibt. Gewiss haben sich die Kirchen verdorben durch selbstgewählte Ordnungen, wenn diese nämlich ihrem Wesen nicht entsprachen und noch mehr, wenn sie das Heil abhängig machten von menschlichen Satzungen und so aus ihnen ein Joch zimmerten für das Gewissen; solche Gefahren haften sogar an den Formen und Regeln, die sich kleine Kreise geben. Aber die Verfassung an sich verdirbt die Gemeinde Jesu Christi nicht, wenn sie dem Wesen des Glaubens entspricht und der Liebe dient, und wenn über der Verfassung nicht vergessen wird, dass die Gemeinde nicht von dieser Welt ist, dass also die Formen als etwas Irdisches und Zeitliches das Wesen nicht ersetzen können und dürfen.

Dass z. B. die erste Gemeinde die Versorgung der Armen regelte dass die Gemeinden des Paulus in ihre Gottesdienste und Verhältnisse Ordnung brachten, das entfremdete sie ihrer Berufung und ihrem Beruf nicht. Die Christenheit hat im Anfang gut gewusst, dass bei der Ausübung eines Amts in wahrhaft christlichem Sinn der Heilige Geist nicht entbehrlich, sondern höchst nötig sei. Darum wurde seiner Zeit ein Mann voll des Heiligen Geistes zum Armenpfleger bestellt. Nicht einmal die Mischung hätte die Gemeinde Jesu verderben müssen. Denn die Rückstände des alten Wesens können und sollen zur Buße und Wachsamkeit und zum Anziehen der Überwinderkraft treiben. Und die zurückbleibenden und fehlenden Glieder können und sollen Gegenstand der Bruderliebe werden. Und die Erziehungsaufgabe am nachwachsenden Geschlecht und an den neu Hinzugefügten gibt der Liebe reichen Stoff und dem nach oben gerichteten Trieb neue Nahrung. Darum müsste auch die schon manchmal als der Krebsschaden für die Kirche sein, sondern Anlass zum Dank, dass auch die Kinder der Glaubenden von der Wurzel ihres Lebens an unter der entgegenkommenden, suchenden, leitenden und heiligenden Gnade stehen und unter sie gestellt werden dürfen. Nicht einmal die Sünde, so ernst ihr Vorkommen in der Gemeinde Jesu zu beurteilen ist, müsste sie verderben, wenn nur die eigene Einsicht in die Verfehlung und die Mahnung der Brüder zur Buße führt. Nicht die Sünde an sich ruiniert die Gemeinde Jesu, sondern der Leichtsinn ihr gegenüber und die Meinung in der Sünde beharren zu dürfen (Röm 6).

Die Ausrichtung der Gemeinde Jesu

Das bisher Angeführte betrifft an sich Nebendinge. Schlimmer ist's wenn die Richtung der Gemeinde auf den Hauptpunkt nicht festgehalten wird. Die Hauptrichtung der Gemeinde muss nach oben gehen, und nach vorwärts, dem kommenden Reich entgegen. Oben ist der Herr der Gemeinde, oben ist der eine Gott und Vater, oben ist der Thron Gottes, von dem aus alles gelenkt wird, oben ist der Teil der Gemeinde, der den irdischen Lauf schon hinter sich hat; oben ist bis jetzt noch das Reich. "Suchet, was droben ist!" (Kol 3:1) "Lasset uns aufsehen! Und VOR der Gemeinde liegt das Reich. Nicht die Gemeinde selber ist das Reich, aber sie ist berufen zum Reich Gottes und zu seiner Herrlichkeit und zum seligen Dienst darin als Christi Organ und muss alle Kräfte einspannen, des Reichs würdig und zum Dienst darin fähig zu werden. Und wie der Blick nach vorwärts zur Reinigung treibt, so spornt er auch zum Dienst an der armen Welt schon in dieser Weltzeit. Denn ohne Dienst würde sie selbst des Reichs verlustig gehen.

Daraus geht hervor, dass die Gefahrenpunkte für die Gemeinde an 3 Stellen liegen: die Gemeinde darf sich nicht auf sich selbst einstellen, auch nicht auf die Welt, auch nicht auf die Zeit. An allen drei punkten kann es zur Entartung kommen, denn der Schwerpunkt der Gemeinde liegt nicht in ihre selbst, auch nicht in der jetzigen irdischen Welt, auch nicht im gegenwärtigen Zeitlauf. Ihre Richtung geht von sich selbst weg, nach oben und nach vorwärts, dem kommenden Reich und seinem König entgegen.

Manche Kirchenkörper, ob sie nun groß oder klein sind, welche Bezeichnung sie auch tragen oder sich geben, verderben sich an einem der genannten Punkte, manche auch an zwei oder an allen drei. So gibt es Kirchen und Gemeinschaften, denen man weder den nach oben noch den nach vorwärts gerichteten Sinn absprechen kann; aber sie kommen immer wieder auf IHRE Besonderheiten zurück und sehen mehr oder minder im Zutritt gerade zu ihrem Kreis die Bedingung oder wenigstens eine Erleichterung der Teilnahme am Reich Gottes. Damit nehmen sie ihrem Herrn einen Teil seiner Ehre, stoßen manche Suchende ab und erschweren sich selbst innerlich und äußerlich den ihnen aufgetragenen Dienst. Andere Kirchenkörper haben in dieser Hinsicht ein weites Herz; aber sie nehmen zu viel Rücksicht auf Welt und Zeit. Unsere evangelischen Kirchen sind weithin in dieser Gefahr. Der Blick nach vorwärts und der Mut zum Vorwärtsgehen - nicht im Sinne des weltlichen Fortschritts, sondern der göttlichen Notwendigkeiten - auf die Gefahr des Verlusts der Volksgunst hin und mit der Bereitschaft zum Leiden: dieser Sinn will mangeln. vor lauter Rücksichtnahme nimmt die Salzkraft ab und das fad gewordene Salz wird zertreten. Besonders groß ist die Gefahr, in der Welt heimisch zu werden und sich darin einzurichten. Dann wird die Kirche weltlich. Diese Gefahr der Weltfrömmigkeit wird noch verstärkt, wenn die Kirche vergisst, dass das Reich Gottes erst kommen muss, und darüber sich selber mit dem Reich Gottes verwechselt oder meint, in ihrer weltlichen Art und mit weltlichen Mitteln das Reich Gottes darstellen oder herstellen zu können.

Wenn einmal eine Wendung in eine der verkehrten Richtungen stattgefunden hat, dann werden auch die Punkte gefährlich, die an sich die Gemeinde Jesu nicht gefährden müssten, also der Umfang einer Kirche, ihre Größe und Unübersichtlichkeit; die Betonung der Verfassung und der Formen überhaupt; endlich der gemischte Zustand, der an sich vom Wachstum untrennbar ist - denn dann wird nicht mehr alle Kraft an die Überwindung der Sünde gesetzt und die letztere wird so zu Gewöhnung.

Die Kirche kann und darf und soll mit heißer Liebe umfasst werden. Aber beim heutigen Gebrauch des Wortes "Kirche" schwingt bereits eine Empfindung dafür mit, dass durch die Entwicklung der Gemeinde Jesu (die die Gemeine Gottes ist) zur Kirche irgend etwas verloren gegangen ist. Bei vielen ist's das Gefühl, bei nicht wenigen ist es auch bitter, ja schadenfroh geworfen. Der Verlust gehet weit zurück. Er meldete sich bereits leise in der Christenheit Jerusalems an; aber auf heidenchristlichem Boden ging es mit dem Verlieren rascher und tiefgründiger. In der nachapostolischen Zeit ging bereits manches verloren; je weiter die Gemeinde sich zur "Kirche" entwickelte, um so rascher ging der Verlust weiter und verbreitete sich auf mehrere Gebiete. Er war schon stark geworfen, noch ehe die Kirche zur Reichskirche wurde. Aber nun gab es kein Halten mehr. Die Kirche richtete sich in dieser Welt und für diesen Zeitlauf ein. Sie war nicht mehr bloß IN der Welt, sondern wurde allmählich VON der Welt. Auch die Reformation vor 400 Jahren hat den beschrittenen Weg nicht rückgängig machen können. Die Reformatoren wollten ja keine neue Kirche gründen. Die Kirche zur Gemeinde Jesu zurückzubilden geht über Menschenkraft. Der Weg der Kirche war auch bereits zu sehr festgelegt, Es handelte sich mehr darum, die Gemeinde Jesu innerhalb der Staatskirchen und Volkskirchen zu stärken. So mussten auch die aus der Reformationszeit erwachsenen Kirchen das alte kirchliche Erbe weiterführen.

Die Kirchen der Gegenwart

Blicken wir auf die Gegenwart. Da sind Volkskirchen; sie ringen schwer an der riesengroßen Aufgabe, die beiden Größen Volk und Kirche zu einer wirklichen Einheit zusammen zu binden und gleichzeitig ihrem Volk und der Gemeinde Jesu zu dienen. Da sind Freikirchen; sie meinen in ihren Anfangszeiten, den Gefahren der geschichtlich gebundenen Kirchen entgehen zu können; aber wenn sie aufrichtig sind, dann merken sie, dass bereits beim zweiten und dritten Geschlecht die gleichen Nöte auftauchen, an denen die Volkskirchen leiden. Da sind die Sekten; manche führen von der Gemeinde Jesu geradezu ab. Aber auch solche, denen die Reinheit der Gemeinde von der Vermischung mit Welt und Zeit am Herzen liegt, verderben sich selbst, weil sie sich mit der Gemeinde Jesu verwechseln. Damit beugen sie sich völlig auf sich selbst zurück und schließen ihre Glieder und diejenigen, welche sie zu sich heranziehen, in ihre Enge ein und verletzen gleichzeitig die Achtung und die Liebe gegen diejenigen, die nach ihrer Meinung draußen stehen. Auch die Gemeinschaften sind gegen die Verkehrungen nicht geschützt, welche der Gemeinde Jesu gefährlich werden; weder die örtlichen Gemeinschaften noch die Verbände, zu welchen sie sich zusammenschließen.

Es gibt nur eine Rettung aus den Nöten und Gefahren der Kirchen, der Gemeinschaften und Sekten: das ist nicht die Vereinzelung der einzelnen Christen, der sog. christliche Individualismus, sondern die tägliche Besinnung auf die EINE heilige christliche Kirche de Glaubensbekenntnisses, auf die una sancta ecclesia, auf die Gemeinde Jesu, die die Gemeinde Gottes ist, die die Gemeinde der vom Heiligen Geist Geleiteten ist; das ist die Bitte um die Annahme durch Jesus, um die Kindschaft Gottes, u die Gabe des Heiligen Geistes und damit um die Einfügung in Christi Gemeinde. Diese Bitte muss - Gott sei Dank! - nicht bei Menschen vorgebracht werden; die Zugehörigkeit zu dieser Gemeinde ist zum Glück nicht an die Zugehörigkeit zu einem kleineren oder größeren Kirchenkörper gebunden; wiewohl es auch nicht richtig wäre, solche Zugehörigkeit zu verachten, denn ohne sie wäre die Kenntnis Jesu nicht zustande gekommen. Bei einer von ihnen ist auch mit der Taufe die Berufung zu Jesus erfolgt, und dieser gilt es mit wachsender Treue Folge zu leisten.

Das Beste in den verschiedenen Kirchen ist die Gemeinde Jesu in ihr. Es wurde bereits ausgesprochen, dass diese nicht als äußerlich in die Erscheinung tretendes Ganzes fassbar ist. Ihre sichtbare Darstellung ist unmöglich, obwohl sie kein verschwommenes, zerfließendes Gebilde ist. Diese Gemeinde ist der Halt der Kirchen. So lange sie diese Gemeinde in ihrer Mitte schätzen, ja solange sie dieselbe auch nur dulden, bleibt den Kirchen noch Gnade und Salz und Leuchtkraft für die Welt, sogar bei starken Abweichungen von der Normalgestalt der Kirche.

Die Verkehrung der Gemeinde Jesu, wie sie im Lauf der Kirchengeschichte Wirklichkeit geworden sind und in noch ausgedehnterem und ernsterem Maße Wirklichkeit werden werden, waren unvermeidlich, obwohl menschliche Schuld dabei auch eine Rolle spielt, aber weniger als Einzelschuld, sondern als Gemeinschuld. Sie begannen ja bereits zur Zeit der Apostel, die schon mit ihnen ringen mussten. Diese Verkehrung sind auch vielfach gar keine Neuerscheinungen, als ob sie immer nur eine Verschlechterung eines vorher guten Zustandes wären; sondern sie rühren großenteils von dem vorchristlichen Erbe her, das die neuen Glieder der Gemeinde mitbrachten, das sie noch nicht überwunden hatten, und das sie auch nach ihrem Zutritt nicht völlig überwanden. Jes massenhafter der Eingang in die Kirche war, umso mehr suchte auch der Geist der nicht völlig gewonnenen Mengen Eingang in die Kirche. So hat die Kirche Erbstücke übernommen, an denen sie schwer zu tragen hatte und noch zu tragen hat. Sie hat Erbstücke aus dem jüdischen Wesen, aber auch sehr ernste aus der griechischen Art und aus dem römischen Wesen, das sich zumal im Westen des Reichs ausbildete. Und jedes neue Jahrhundert, jedes neue Volk hat neue Art und neue Unart mitgebracht. So wäre es verkehrt, die alte Christenheit zu schelten, dass sie Reichskirche geworden ist.

Ursache der Missstände

Aber die Erkenntnis ist trotzdem wichtig, dass dieser Gang der Kirche trotz seiner geschichtlichen Unvermeidbarkeit nicht der gottgewollte ist. Er ist so wenig gottgewollt, wie das Sündigen dem Willen Gottes entspricht. Die Sünde ist auch ein Merkmal des menschlichen Wesens geworden; aber Gottes Wille ist es trotzdem nicht, das gesündigt wird, und da Sündigen macht schuldig. Woher rühren alle Verkehrungen letzten Endes? Daher, dass diese Weltzeit bereits ihren Gott hat (2Kor 4:4). Derjenige, der dem gegenwärtigen Zeitlauf das Gepräge gibt, dessen Art und Wille die ganze menschliche Geschichte beherrscht, ist aber nicht der Vater Jesu Christi, sondern der Widersacher Gottes, der Satan. Er muss abtreten, wenn das Reich Gottes kommt, vorher nicht. Der gegenwärtige Zeitlauf hat für das Reich Gottes noch keinen genügenden Raum. Die Gemeinde Jesu in dieser Weltzeit ist der Wegbereiter des Reichs, aber noch nicht das Reich selber. Wir stehen nun vor der tiefernsten Erkenntnis, dass die Überleitung der Gemeinde Jesu in die Kirchenkörper ein satanisches Kunststück war, dazu bestimmt, die Gemeinde Gottes aus ihrer Bahn zu locken und Gott sein Organ in der Welt zu entwenden. Es ist richtig, dass schon dieser Gedanke erschrecken muss. Der Gedanke muss aber richtig gefasst werden. Es ist nicht gesagt worden, dass die Kirche oder kirchliches Wesen satanisch sei; sonst müsste man an der Kirche verzagen.

Aber die Tatsache, dass die Gemeinde Jesu in die Bahn der Kirchen hinüberkam - worunter nicht bloß die großen Kirchen zu verstehen sind, wie die katholische und die evangelischen, sondern auch alle die christlichen Zusammenschlüsse bis hinüber zu den Sekten - diese Tatsache ist im satanischen Wirken begründet. Alle kirchlichen Gebilde - wieder im weitesten Sinne des Wortes verstanden - sind gemischter Art: sie haben nicht rein göttliche Art, sondern sind auch satanisch beeinflusst und beeinflussbar, in verschiedenem Grad. Es ist damit nicht mehr gesagt, aber auch nicht weniger, als was Jesus im zweiten Ackergleichnis Mt 13:24-30.36-43 ausgesprochen hat: der Acker, auf dem er guten Samen ausgestreut hat, bringt es im gegenwärtigen Zeitlauf zu keiner reinen Ernte infolge der listigen Gegenwirkung des bösen Feindes. Jeder Versuch, die Mischung auf dem Ackerboden zu beseitigen, wäre nicht nur aussichtslos, sondern sogar gefährlich. Aber die Absicht des bösen Feindes, die Ernte zu verderben misslingt doch. Durchkreuzt wird sie aber erst beim letzten Gericht, vorher nicht. Nicht einmal das Reich Gottes auf Erden, das 1000-jährige Reich, bringt bereits die unvermischte Gemeinde hervor; die entsteht erst durch das sichtende und verzehrende Gericht hindurch, das am Ende des Zeitlaufs steht (Offb 13.39.40).

Aufhören der Missstände

Die eben genannte Zeitbestimmung für das Aufhören des Mischzustandes bedarf noch einer Erläuterung durch einen vorläufigen Ausblick auf das Reich Gottes auf Erden, mit welchem der vorliegende Gedankengang abgeschlossen werden soll. Das Reich Gottes auf Erden, dessen Aufrichtung wir vom wiederkommenden Herrn erwarten, gehört z. T. noch zu gegenwärtigen Zeitlauf. Es wird die Wende der Zeiten sein, an der Grenze des jetzigen und des kommenden Zeitlaufs. Das Ende der bisherigen Entwicklung steht erst am Schluss des 1000-jährigen Reiches; denn dann erst wird dem Satan jede Möglichkeit weiteren verderben Könnens genommen, dann erst wird die alte Welt durch das Gericht beendet, dann erst tritt die neue Schöpfung in Kraft. Insofern hat die gegenwärtige Stimmung in weiten Kreisen der Christenheit recht, die sich gegen den Gedanken eines baldigen Abschlusses des gegenwärtigen Zeitlaufs wehrt: die Zeit des antichristlichen Reichs ist noch nicht die Endzeit im sprachlichen Sinne des Wortes, als ob sie dem, was man gewöhnlich die "Ewigkeit" nennt, UNMITTELBAR vorausginge. Das Endgericht, der "Untergang der Welt" steht noch nicht vor der Tür, auch wenn der gegenwärtige Lauf der Menschheitsgeschichte rascher seinem Schlusspunkt entgegeneilt, als die meisten ahnen, auch als die christlichen Kirchen das Wort haben wollen. Denn zwischen dem eben genannten Schlusspunkt und dem Abschluss der alten Welt steht ja das Reich Gottes auf Erden, das wir gewöhnlich das 1000-jährige Reich nennen.

Das Reich Gottes auf Erden

Wieviel Unklarheit und Missverständnis, wieviel verkehrtes Wirken, wieviel verkehrtes Hoffen und verkehrtes Fürchten würde vermieden, wenn die Christenheit ernstlich mit dem nicht bloß Offb 20, sondern in der ganzen Schrift bezeugten Reich Gottes auf Erden rechnen würde! dann wäre sie auch nicht veranlasst,immer wieder das Reich Gottes sehen zu wollen in einer Zeit, die dem antichristlichen Reich entgegengeht. So ist auch eine biblische Beurteilung der ganzen kirchlichen Entwicklung, die zwar sich gerne alles Segens freut, den sie aufweist, die sich aber auch die Augen nicht verschließen kann und will gegenüber dem Mangel der Kirchenzeit, ja gegenüber der satanisch gewirkten Verderbnis, die selbst auf diesem Gebiet sich breit macht, nur dann möglich, wenn das Reich Gottes erfasst wird als eine hinter dem gegenwärtigen Zeitlauf kommende Größe an der Schwell zwischen Zeit und Ewigkeit, die Zeit abschließend, die Ewigkeit einleitend.

Aus den vorstehenden Darlegungen wird ersichtlich sein, dass keine Schmähung der alten Reichskirche beabsichtigt ist, auch keine Geringschätzung oder gar Schmähung der Kirchen überhaupt, wenn die kirchliche Entwicklung, die mit der Duldung und Anerkennung der alten Kirche durch den Kaiser Konstantin begonnen hat und die erst in der antichristlichen Zeit zum Abschluss kommt, als sehr ernst beurteilt wird. Die Gemeinde Jesu war zur Kirche geworden, ja zur Reichskirche. Die Wegnahme der Last der Verfolgung, die Eröffnung der freien Bahn in der Völkerwelt für die Gemeinde war vom Herrn geschehen, der sich auch seither von der Kirche nicht zurückgezogen hat, aber der böse Feind, der schon seither nicht abseits gestanden, griff nun ebenfalls mächtig ein und wirkte richtungsbestimmend. Im Sieb des Satans war die Gemeinde und die werdende Kirche nicht nur in den Verfolgungszeiten gewesen; jetzt war sie noch mehr im Sieb. Der Unterschied war nur der, dass sie es damals merkte an der Gewalt, die der böse Feind übte; jetzt, da er listig kam und deshalb sanft tat, schwand das Gefühl der Anfechtung, und die Wachsamkeit ließ nach.

Rom als politisches und kirchliches Gebilde