Die Zeitdauer Roms als 6. Reich: Unterschied zwischen den Versionen

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Inwiefern das Jahr 30 v. Chr. als das Jahr des Eintritts Roms in seine Herrscherstellung anzusehen ist, ist früher (S. 65 f.) eingehende dargelegt worden. Welches Jahr soll aber im weiteren Verlauf genannt werden als Kennzeichnung eines Einschnitts? Ein Jahr zu nennen, von dem man sagen könnte, dass es das Ende des alten Reiches bedeutet habe, ist eine schwierige Sache. Das Jahr 476 bedeutet insofern einen Einschnitt, als damals im weströmischen Reich der Kaisertitel zu Grabe getragen wurde; das war aber nur der Abschluss eines langsamen Sterbens des weltlichen Kaisertums. ein Jahr für das Aufhören des westlichen Reiches selber anzugeben, ist schwieriger; denn das Reich erlag dem Ansturm der Germanen langsam, nicht in jähem Zusammenbruch. Und das besiegte Reich überwand langsam von innen heraus die Sieger. Es lässt sich kaum ein bestimmtes Ereignis nennen, von dem man sagen kann, es habe das Ende des alten Westrom auffallend dargestellt. Auch insofern ist die Kennzeichnung eines bestimmten Jahres als Ende des römischen Reichs schwierig, weil das oströmische Reich und dessen Kaisertum den Niedergang des alten Westroms überdauerte. Für das Ende des alten römischen Reiches dagegen lässt sich ein bestimmtes Jahr nennen: das ist 1453. Damals erlag Konstantinopel den Türken, nachdem es schon seit längerer Zeit einer vom Meer umbrandeten Insel geglichen hatte; und mit dem Fall der Hauptstadt hat das alte oströmische Reich und Kaisertum sein Ende gefunden. Trotzdem ist das Jahr 1453 nicht geeignet, um als Jahr des Ende des alten Rom angesprochen zu werden. Denn Konstantinopel war schließlich nur noch der letzte übrig gebliebene Posten aus Roms alter Zeit. Als Konstantinopel endlich fiel, gehörte das römische Reich in seiner alten Form längst der Vergangenheit an.
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Gibt es ein Ereignis, das für den Westen wie für den Osten bedeutsam war, für die politische Geschichte Roms wie für die kirchliche, das als Knotenpunkt einen früheren Zeitraum abschloss und einen neuen begründete? Als ein solches Jahr bietet sich das Jahr 637 an. In diesem Jahr fiel Jerusalem in die Hände der Araber und damit des Islam. Kann man dem Fall Jerusalems solche Bedeutung zumessen? Wir unterscheiden die Bedeutung, welche diesem Ereignis auch sonst von der Geschichtsschreibung zuerkannt wird, und diejenige, welch diesem Geschehnis zukommt, wenn man es vom Reich Gottes aus betrachtet.<br/><br/>
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====<big>Politische und kirchliche Bedeutung</big>====
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Der Fall Jerusalems war der Auftakt zum unerhörten Siegeslauf des Islam, zunächst unter arabischer, später unter türkischer Führung. Der Begründer der neuen Religion, Mohammed, war bereits einige Jahre tot. Aber seine Religion wollte die Welt erobern. Von Arabien aus gesehen, war das Heilige Land mit Jerusalem der Schlüssel zum römischen Reich. Von Palästina aus wurde das Mittelländische Meer umfasst und auf diese Weise das ganze Gebiet des alten Reichs, auch das von den Germanen besetzte, in die Zange genommen. Der Angriff wurde über Ägypten  durch ganz Nordafrika, von da über Spanien nach Frankreich vorgetragen. Auf der andern Seite rückten die Araber gegen Konstantinopel vor, das noch vor Ablauf eines Jahrhunderts zweimal eine Belagerung auszuhalten hatte. Erst im Frankenreich und vor Konstantinopel wurde dem Arabertum Halt geboten. Es ist richtig, dass die Araber gegen die Besiegten milder verfuhren als vor ihnen die Germanen gegen Westrom. Aber die Gefahr für das Reich von der arabischen Seite war trotzdem größer. Die Germanen beugten sich, nachdem sie vieles zertreten hatten, vor dem Reichsgedanken und vor der Reichskirche; die Araber nahmen zwar sehr vielen von der griechischen Kultur auf, aber vor dem Reich machten sie keine Verbeugung und in die Kirche gingen sie nicht ein, wenn sie auch die bestehenden Kirchen verhältnismäßig glimpflich behandelten.
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Immerhin sind die früher blühenden Kirchen Nordafrikas fast spurlos verschwunden. Von den kleinasiatischen und syrischen Kirchen erhielten sich unter arabischer und später türkischer Herrschaft nur Reste. Die armenische Volkskirche rette sich durch die Zeiten hindurch, bis sie im Weltkrieg unter unsagbaren Gräueln zum großen Teil ausgerottet wurde. Es ist eine geschichtliche Tatsache von großem Ernst, die der heutigen Christenheit kaum genügend zum Bewusstsein kommt, dass weite Gebiete, die früher christlich waren, das Christentum fast völlig eingebüßt haben und heutzutage Missionsgebiete sind mit einem für das Evangelium steinharten Boden. Luther hat den Ernst dieser Tatsache der Christenheit seiner Zeit vorgehalten und sie gewarnt, sich nicht in satter Weise auf ihren christlichen Besitz zu verlassen, da sie nicht wisse, ob ihr nicht das gleich Schicksal drohe wenn sie für das Evangelium nicht dankbar und aufgeschlossen bleiben.
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Was aber so schwerwiegend ist, wie das Aufhören und Zurücktreten christlicher Kirchen auf dem vom Islam besetzten Gebiet, das ist die Tatsache, dass der Islam um die Christenheit herum einen Wall gelegt hat, der ihr den Zutritt nach Asien und Afrika versperrt hat. So wurden diese beiden großen Erdteile bis zum Beginn des neuzeitlichen Weltverkehrs im Heidentum erhalten; denn christliche Einflüsse aus vorislamischer Zeit verblassten, und vereinzelte spätere Missionsunternehmungen konnten nicht durchdringen, weil die Verbindung mit der Christenheit durch den Sperrwall des Islam unterbrochen war. Als die Christenheit die freilich oft recht unchristliche Verbindung mit der Völkerwelt Asiens wieder aufnahm, musste sie lange Zeit hindurch den weiten Weg um Afrika herum machen, bis im Jahr 1869 durch Erbauung des Suezkanals ein unmittelbarer Weg nach Asien und Ostafrika gebahnt wurde, quer durch das Gebiet des Islam hindurch. Von Amerika wusste die Christenheit in jenen Zeiten noch nichts. So blieb ihr nur der Weg nach dem mittleren und nördlichen Europa frei, zu den Germanen, die in der Hauptsache durch Rom das Christentum erhielten, und zu den Slawen, die sich der griechischen Kirche anschlossen. Deshalb konnte Rom, d. h. das 6. Reich, sich nur in Richtung Norden entwickeln. Es hat ja tatsächlich den Norden Europas in seine Geschichte einbezogen. Aber diesem Gewinn standen die fürchterlichen Amputationen (Gliedabnahmen) am Leib der Christenheit im Süden und Osten und ihre Aussperrung von der übrigen Welt gegenüber.
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Dass das Ereignis des Jahres 637, nämlich der Übergang der Stadt, die der Christenheit heilig war, in die Hände des falschen Propheten die ganze abendländische Welt des Mittelalters 200 Jahre lang in Bewegung setzte, um durch die Kreuzzüge Jerusalem und das heilige Land für die Christenheit wiederzugewinnen, ist bekannt. Dass dem Islam, zwar nicht unter arabischer, aber unter türkischer Führung, schließlich die Überwindung Ostroms gelang, im Jahr 1453, wurde bereits aufgeführt. Dass die von dort aus erfolgende Bedrohung des Abendlands - zur Zeit der Reformation und noch einmal vor 250 Jahren stand Wien vor dem Fall - durch die Türken und den Islam die Christenheit lange in Atem hielt, bis sie endlich in einer Reihe von Stößen, die sich bis vor 15 Jahren hinzogen, bis in die Nähe von Konstantinopel zurückgedrängt wurden, bildet ein wichtiges Stück der neueren Geschichte. Erst der Weltkrieg hat das Jahr 637 zum Teil rückgängig gemacht. Aber erledigt ist die damals eingeleitete geschichtliche Bewegung nicht. Es ist eine Frage, ob sie erledigt wird. Vielleicht politisch; geistig nicht.
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Mit dem allem ist die Bedeutung des Jahres 637 nur insoweit beschrieben, als sie sich auf dem Gebiet des alten römischen Reichs ausgewirkt hat. Aber das gleiche Jahr 637 brachte auch den arabischen Vorstoß gegen das persische Reich,m also in der Richtung auf das innere Asien. Die Araber vermochten ihrer Religion später von dieser Seite hervorbrechenden feldschuckischen und osmanischen Türken zu übermitteln mit dem Erfolg, dass dieselben ihre Lehrmeister an Eifer und Unduldsamkeit übertrafen.Und von Vorderasien aus haben sie missionierend im Lauf der Zeit ihre Religion bis nach Indien und auf die hinterasiatische Inselwelt vorgetragen; und von Nord- und Ostafrika aus drang und dringt der Islam bis in die schwarzhäutige Welt Afrikas. So hat das Jahr 637 als  Schlüssel den Siegeslauf der Araber und des Islams gewaltigen Einfluss ausgeübt nicht nur auf die römische und europäische Geschichte, sondern auch über diese hinaus auf die Weltgeschichte. Der Schlusspunkt der Bedeutung des Jahrs 637 ist noch nicht erreicht.<br/><br/>
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====<big>Kirchengeschichtliche Folgen</big>====
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Wir wenden uns nun den Auswirkungen des Jahres 637 zu, die nicht in diesem Maße auf der Hand liegen. Zuerst seinen kirchengeschichtliche Folgen genannt. Von der Abdrängung der Christenheit vom Süden und Osten und von der Verlegung des Schwerpunkts vom südlichen ins mittlere Europa wurde bereits gesprochen. Aber der arabische (und türkische) Vorstoß gegen die Christenheit hatte nicht nur Einfluss auf die Außenbezirke, sondern brachte innerhalb der Christenheit selber eine Verschiebung hervor. Trotz der steigenden kirchlichen Regsamkeit der Westhälfte des Reichs hatte die griechische Kirche geistig innerhalb der Christenheit die Führung. Im Osten wurden die großen Kämpfe um die Festlegung der christlichen Lehre geführt. Erst mit Augustin wurde die westliche Kirche in der Führung geistig ebenbürtig. Nun traf aber der Hauptstoß des Islam auf die griechische Kirche und engte sie ein und nahm ihre Kraft in Anspruch, und die zu einer Zeit, als der Westen sich vom germanischen Einbruch erholte und die Kirche dort auch unter den neuen Völkern Fuß fasste. so kam es, dass der griechischen Kirche langsam die Führung der Christenheit entglitt. Rom, das bisher die Gabe der äußeren Leitung besessen und ausgebildet hatte, bekam auch geistig die Führung. Sein Bischof wurde Papst, d. h. zum Vater, dem innerhalb der Christenheit nicht nur die Berechtigung zum Gebieten zuerkannt wurde, sondern auch zum Lehren. Er wurde zum Herrn und zum Mund der Christenheit. Das griechische Christentum, zwar ebenfalls mit ernsten Entartungen behaftet, aber doch manches Ursprüngliche bewahrend - wie jetzt noch und von neuem immer wieder an der griechisch-russischen Kirche zu sehen ist - wurde isoliert, in die Vereinzelung zurückgedrängt; sein Einfluss innerhalb der Gesamtchristenheit ging zurück. Rom dagegen trat hervor. Im Mittelter trat die römische Kirche in das helle Licht der Geschichte; die griechische trat ins Halbdunkel zurück.
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So halfen die Araber, die die Kirche äußerlich und innerlich überwinden wollten, mit zur Errichtung des eindrucksvollen Baus der mittelalterlichen Kirche des Abendlandes. Sie war die Fortsetzung Roms. Rom war die Hauptstadt des alten Reichs gewesen; denn Konstantinopel  war nur eine spätgeborene Schwester. Nun wurde Rom auch der geistliche Mittelpunkt der auf den Leuchter gestellten Hauptkirche. Der Papst stellte in ehrwürdiger und ehrfurchtgebietender Gestalt den Kaiser dar. Zwar machte das Papsttum um die Mitte des Mittelalters eine Zeit der Haltlosigkeit durch. Aber danach erhob es sich zu umso stolzerer Höhe. Der Papst war es, der den Kaiser krönte und Anspruch auf den Gehorsam des Kaisers geltend machte. Die Kirche war über den Dienst an der Völkerwelt hinausgewachsen und ihre Herrin geworden. Am deutlichsten ist der Herrscheranspruch des Papsttums - und zwar mit Begründung auf die Schrift! - ausgesprochen in der Bulle (dem päpstlichen Erlass) des Jahres 1302, die man nach ihren Anfangsworten die Bulle "unam sanctam" nennt, welcher kurz darauf, 1303 , der Sturz des Papsttums von seiner mittelalterlichen Größe folgte.<br/><br/>
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====<big>Bedeutung für den Gang des Reiches Gottes</big>====
  
 
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Version vom 29. April 2020, 19:51 Uhr

Abschrift des Buches: Rom - Babel - Jerusalem
Der Weg der Menschheit im Licht der Schrift bis zur Vollendung des Gottesreiches

Verfasser: G. Thaidigsmann (Pfarrer in Waldbach) (1928)
Verlag: Gebrüder Schneider, Karlsruhe i. B.

Inhaltsverzeichnis
Kapitel davor: 2. Rom als 6. Reich

in Bearbeitung

2. Teil
Vom apostolischen Zeitalter bis zur Gegenwart

3. Die Zeitdauer Roms als 6. Reich

Bisher wurde von 3 Abschnitten in der Geschichte des 6. Reichs gesprochen. Diese Dreiteilung wurde nahegelegt sowohl durch die Einteilung des das 6. Reich darstellenden unteren Teils von Nebukadnezars Traumbild in Schenkel, Füßen und Zehen als auch durch den tatsächlichen Geschichtsverlauf. Es wurde gesprochen von dem alten römischen Reich mit seiner westlichen und östlichen Hälfte und deren beiden politischen Mittelpunkten Rom und Konstantinopel. Das alte Doppelreich erhielt im Mittelalter seine Fortsetzung in der römisch-germanischen Welt des Abendlands mit seinem politischen und kirchlichen Brennpunkt, dem Kaisertum und Papsttum, und in der griechisch-slawischen Welt des Ostens, deren kirchlicher Mittelpunkt Konstantinopel blieb. In dieser Zeit vollzog sich trotz der großen Einbußen im Süden und Osten des alten römischen Kaiserreichs eine nicht geringe Erweiterung des 6. Reichs: es umfasste nun Europa. Dieses große Ganze, das noch im Mittelalter nur aus zwei Kulturkreisen bestand, ist war in der Neuzeit in eine Anzahl von Nationen und Staatsgebilden auseinandergegangen; aber diese Gebilde gehören trotz der vielen gegenseitigen Auseinandersetzungen wie eine Art Familie zusammen, und in dem erfolgreichen Streben Frankreichs und Russlands nach der Vorherrschaft auf dem europäischen Festland erneuerte sich die Zweigestalt des alten Reichs, sofern Frankreich der Erbe Westroms und Russland der Erbe Ostroms ist. Und mitten in den nationalen, politischen, konfessionellen und wirtschaftlichen Kämpfen der Neuzeit blieb die römische Kirche bestehen als geistliche Erbin des alten Roms und strebt nach einer alles umfassenden, machtvollen Weltgeltung.

Aber es blieben noch eine Reihe von Fragen übrig. Nahe liegt die Frage nach der Stellung Deutschlands innerhalb Europas, nahe liegt der Blick auf die Völker außerhalb des europäischen Festlands; nahe liegt endlich die Frage nach der Zeit. Der Eindruck wird immer lebhafter, zumal nach den furchtbaren Erschütterungen der Kriegs- und Nachkriegszeit, dass es mit Europa abwärts gehe. Die Geschichte ist zur Weltgeschichte geworden: merkwürdig greifen die Ereignisse und Bewegungen ineinander, selbst bei großer räumlicher Entfernung. Tiefgreifende Gärung hat alle Lebensbereiche ergriffen, und zwar auf der ganzen Erde. Das Zeitmaß des Geschehens ist erstaunlich rasch geworden. Auch für diejenigen, die nicht von biblischen Gedanken bewegt werden, wir die Frage brennend: wohin steuert die Weltgeschichte? Das Bangen vor den Dingen, die da kommen sollen, von dem Jesus gesprochen hat Lk 21:26, hat begonnen. Und wo auf das weissagende Wort der Schrift geachtet wird, da verdichtet sich die Erwartung zu der Frage: steht die Endzeit bevor, nicht im Sinn des Endes der Welt, aber im Sinn des Endes des gegenwärtigen Zeitlaufs, der mit dem Offenbarwerden Christi und mit dem Antritt seiner machtvollen Regierung abschließt? Der Eindruck, dass die Endzeit nahe sei, ist weit verbreitet. Ist wes nur ein Eindruck oder gibt es Zeichen bestimmter Art?

Überlegungen zur Zahl 666

Um der Antwort näher zu kommen, ziehen wir die hier [1] besprochenen Aussagen der Offenbarung hinzu. Die Endzeit im eigentlichen Sinn des Wortes ist die antichristliche Zeit des 8. Reichs. Ihr soll das kurz dauernde 7. Reich vorausgehen, das wohl als Überleitung vom 6. zum 8. Reich zu verstehen ist. Nun ist zwar nicht gesagt, welche Zeitdauer dem 7. Reich zukommt. Das "kurz" der Schrift miss nicht notwendig auf wenige Jahre zusammengefasst sein. Aber die Aussage wird gemacht werden dürfen: wenn der Eindruck recht hat, dass unsere Zeit in rascherem Tempo als früher der Endzeit entgegeneilt, dann muss die Zeit des 6. Reichs dem Ausgang nahe sein. Gibt es nun einen Anhaltspunkt, um über die Zeitdauer des 6. Reichs ins Klare zu kommen?

Eine geschichtliche Beobachtung bewegt den Verfasser dieses Buches seit Jahren. In der Geschichte des 6. Reichs hat es bereits zweimal einen Zeitraum von je 666 Jahren gegeben. Rom trat im Jahr 30 v. Chr. in seine Herrscherstellung ein. 667 Jahre nachher fiel Jerusalem in die Hand der Araber und damit des Islams. Nach weiteren 666 Jahren kam für das mittelalterliche Papsttum die entscheidende Wende im Jahr 1303. 666 bzw. 667 ist der dritte Teil von 2000 Sollten dem 6. Reich 2000 Jahre bestimmt sein, die in drei gleichlangen Abschnitten von je 666 bzw. 667 (genauer 666 2/3) Jahren ablaufen? Dann würde gegen 1970 die Zeit des 6. Reichs zu Ende sein und die antichristliche Zeit könnte nach einem kürzeren Reich rasch näher rücken. Aber es müsste eingehend an der Geschichte geprüft werden, ob die Jahre 637 und 1303 tatsächlich entscheidende Einschnitte in der Geschichte des 6. Reichs sind, und ob die Geschichte der Neuzeit und die Gegenwart dem Gedanken vom Ausgang dieses Reichs nach einem starken Menschenalter günstig ist; ebenso ob die so entstehenden Zeitabschnitte sich decken mit den bereits besprochenen.

Die genannte geschichtliche Beobachtung würde belangloser erscheinen, wenn nicht in der Offenbarung die Zahl 666 ebenfalls genannt wäre. Sie wird in Offb 13:17.18 als die Zahl des Tieres bezeichnet und gleichzeitig als Menschenzahl; an der angegebenen Stelle wird auch zur Berechnung der Zahl aufgefordert. Diese Aufforderung klingt zwar anders als die oft ausgesprochene Versicherung, das das Verständnis der Bedeutung dieser Zahl der Endzeit vorbehalten sei. Aber sie entbindet nicht von der Aufgabe, zu prüfen ob die Zahl 666 als ZEITangabe der Endzeit verwendet werden darf. Ergibt aber eine ernsthafte biblische Prüfung die Berechtigung dazu, und erweist eine geschichtliche Prüfung der Jahre 637 und 1303 deren Bedeutsamkeit für den Gang des 6. Reichs, dann hat die Beobachtung eine biblische Stütze erhalten, und die Gegenwart erscheint als der Vorabend von Ereignissen, die in raschem Tempo zur Endzeit hinüberführen. So ist die nächste Aufgabe eine Prüfung der Frage, welche Bedeutung die in Offb 13:17.18 genannte Zahl 666 habe.

Es gibt keine feststehende Erklärung dieser Zahl; aber unter den bisherigen Erklärungsversuchen können einige Gruppen unterschieden werden. Die Erklärungen knüpfen an die Bemerkung Offb 13:18, dass die Zahl 666 die Zahl des Tiers sei und daran, dass die Tierzahl zugleich als Menschenzahl bezeichnet wird. Bemerkenswert ist, dass durch die Gleichung: Tierzahl - Menschenzahl der Mensch dem Tier gleichgestellt wird. Daraus geht klar hervor, dass es sich um den Gott entfremdeten Menschen handelt. Nicht dem Menschen an sich, sondern nur den Menschen in seiner Empörung gegen Gott meint die genannte Zahl. Es ist nun nicht unwichtig, zu betonen, dass die meist gebrauchte Übersetzung "eines Menschen Zahl" den Sinn des biblischen Ausdrucks sofort nach einer bestimmten Richtung wendet und auf diese Weise einengt. Bei der genannten Übersetzung wendet sich der Blick sofort dem Antichristen zu. Die Zahl 666 scheint dann nur zur Kennzeichnung des letzten ungöttlichen Menschheitsführers verwendbar zu sein. Die richtige Übersetzung, welche für die Deutung Spielraum lässt, ist "Menschenzahl". "Mensch" bedeutet entweder eine Einzelperson oder den Menschen überhaupt. Im letzteren Falle ist die Benennung "Mensch" eine Sammelbezeichnung für die ganze Menschheit. Beide, sowohl der Antichrist, "der Mensch der Sünde", als auch die wider göttlich und wider christlich gewordene Menschheit sind in der Offenbarung als "Tier" bezeichnet. So dient auch die "Tierzahl" 666 zur Kennzeichnung beider, also des Antichrists und der entarteten Menschheit.

Wird nun die Zahl 666 von der Menschheit gebraucht, so wird sie sinnbildlich verstanden, und zwar als Kennzeichnung der Erfolglosigkeit alles unheiligen Menschheitsstrebens. Zur 7, der Zahl Gottes, bringt es die Menschheit nicht, wenn sie auf ihrem bösen Weg verharrt, selbst wenn sie ihre Anstrengung verzehnfacht und verhundertfacht. Einzeldeutungen wären mehrere möglich. Auch wenn die Zahl zur Kennzeichnung des Antichrists dient, wird sie in sinnbildlicher Weise verwendet. Offb 13:17 ist von der Zahl des Namens des Tiers die Rede. Daran knüpft die Deutung an: man sieht in der Zahl eine Darstellung des Namens des Antichrists. Diese Art des Zahlengebrauchs ist dadurch möglich, dass zur Bezeichnung der Zahlen auch Buchstaben verwendet wurden. Die Ausrechnung der Zahl eines bestimmten Namens war leicht; zu diesem Zweck waren nur die für die Buchstaben geltenden Zahlenwerte zusammenzuzählen. Deren Summe ergab die "Zahl" eines Namens. Aber nahezu aussichtslos sind die Versuche, aus einer gegebenen größeren Zahl den Rückschluss zu ziehen auf den zugrundeliegenden Namen. Denn zu diesem Zweck müsste die Zahl zerlegt gedacht werden in mehrere Posten. Das ergibt aber bei einer Zahl wie 666 eine übergroße Menge von Möglichkeiten, die sich noch dadurch vermehrt, dass die Zahl der Buchstaben des Namens nicht bekannt ist. Wenn die Gemeinde Jesu einmal stutzig wird, ob ein die Menschheit in seinen Bann ziehender Führer der Antichrist sei, dann mag sein Name geprüft werden, ob er die Zahl 666 ergibt. In dieser Weise kann einst diese Zahl ein Wegweiser sein für eine frühzeitige Erkennung des Antichrists bereits in seinen Anfängen.

Nun ist die Frage, ob die sinnbildliche Deutung der Zahl mit den genannten Formen die einzig mögliche ist. Die Meinung ist nicht die, dass die bisherigen Deutungen aufgegeben werden müssten, wenn eine weitere Deutung sich als möglich erweist, sondern dass die verschiedenen Deutungen miteinander zurecht bestehen können. Eine Weissagung kann ja in mehrfacher Weise ihre Erfüllung finden; man vergleiche die Weissagung des Jeremia von den 70 Wochen. So ist es wahrscheinlich, dass die Zahl 666 in erster Linie zur Verhüllung und Enthüllung des Namens des Antichristen dient. In diesem Sinn wird ihr Verständnis wohl der Endzeit vorbehalten sein. Trotzdem kann ihre Bedeutung als Kennzeichnung der erfolglosen Menschheitsversuche bestehen bleiben. Es ist etwa Großes um die Erkenntnis, dass aller Glanz und alle Pracht der Welt die Menschheit nicht zum Ziel führt. Solche Erkenntnis kann auch dazu beitragen, dass das "Tier" nicht angebetet wird. Wie oft wird die Humanität, die Kultur verehrt! Das Bild des Tiers steht ja jetzt schon und Propheten, die zu seiner Anbetung drängen, sind schon da, auch wenn noch kein Standbild zum Niederknien errichtet ist, und der falsche Prophet der Endzeit noch aussteht.

In einer seiner Bibelausgaben hat Luther in einer Anmerkung zu Offb 13:17 die Zahl 666 als ZEITBEzeichnung aufgefasst. Er sah im Tier das weltliche Papsttum, und fand in der Zahlenangabe die Aussage, die Zeitdauer für dessen weltliche Herrschaft werde 666 Jahre betragen. In dieser Form hat sich Luthers Auslegung als unrichtig erwiesen; denn das Papsttum mit seinem Herrschaftsanspruch hat längere Dauer. Aber bemerkenswert ist, dass Luther 666 als wirkliche Zahl nahm und zwar zur Benennung von Jahren. Nun ist zwar neuerdings das Recht zur Deutung der Zahl als Zeitbezeichnung bestritten worden. Die Bestreitung hätte recht, wenn eine derartige Deutung als die einzig mögliche oder als die in erster Linie zu Recht bestehende dargestellt würde. Diese buchstäbliche Deutung wird zwar im vorliegenden Buch in Anspruch genommen; aber nicht in ausschließlichem Sinn. Und damit fällt ein guter Teil der Einwände gegen die rein zahlenmäßige Verwendung der Zahl 666 weg.

Doch ist immer noch das biblische Recht zu dieser Art der Verwendung zu begründen. Es liegt meines Erachtens darin, dass die Zahl als Tierzahl bezeichnet wird. Weiter oben (S. 162) wurde ausgeführt, dass das Tier in den Aussagen der Offenbarung und Daniels drei Formen habe: es ist die entartete Menschheit und der in der Endzeit zu erwartende Mensch der Sünde und außerdem diejenige Entwicklungsstufe der Menschheit, die am wirkungskräftigsten aus der alten Zeit in die Endzeit hinüber leitet, die bei Daniel als das unbenennbare 4. Tier und in der Offenbarung als 6. Tierkopf bezeichnet wird. Es wäre wohl begreiflich, wenn die der widergöttlichen Menschheit als Ganzem und dem Antichristen als Einzelperson zukommende Kennzeichnung durch die Zahl 666 auch dem 6. Reich zukäme. Zunächst in dem schon besprochenen sinnbildlichen Sinn, dass sie die schließliche Erfolglosigkeit der ganzen Entwicklung dieses Reichs zum Ausdruck bringt; sodann aber auch in dem besonderen Sinn, dass sie die Zeitdauer dieses Reichs andeutet. In einem einmaligen Lauf von 666 Jahren erschöpft sich dessen Dauer freilich nicht. Über eine dreimalige Wiederholung gäbe einen guten Sinn. Dann wären beim 6. Reich drei Erscheinungsweisen zu unterscheiden von gleichlanger Dauer und von einer Gesamtfrist von 2000 Jahren. Zwar ergibt der 3. Teil von 2000 = 666 2/3 Jahre; aber die Weglassung der Bruchteile wäre denkbar. Bei der geschichtlichen Nachprüfung wären, unter Aufrundung der Bruchteile drei Abschnitte von 667, 666 und wieder 667 Jahren zu unterscheiden, was von 30 v. Chr. an gerechnet, auf die schon fast genannten Jahre 637, 1303 und 1970 führt.

Im bisherigen wurde versucht, durch eine biblische Untersuchung die Berechtigung zu erbringen, die in Offb 13:17.18 genannte Zahl 666 auch als Zeitbestimmung für das 6. Reich zu verwenden. Nun steht die weitere Aufgabe bevor, die Jahre 637 und 1303 auf ihre Bedeutung für dessen Geschichte zur prüfen. Und weiterhin ist die Gegenwart darauf anzusehen, ob sie dem Gedanken Rechnung trägt, dass 1970 einen weiteren, noch tieferen Einschnitt bedeuten könnte, der das 6. Reich zu seinem Abschluss bringt und über das kürzer währende 7. Reich zur eigentlichen Endzeit hinüber leitet. Dass Untersuchungen namentlich letzterer Art eine ernste Sache sind und fehlgreifen können, ist zugegeben. Wenn aber dieses Forschen geschieht nicht im Sinne eines Vorhersagenwollens, sondern im Bemühen, die Gegenwart im Sinn der Schrift zu verstehen, dann wird dem Vorwurf des Vorwitzigseins die Spitze abgebrochen sein.

Das Jahr 637 als Knotenpunkt

Inwiefern das Jahr 30 v. Chr. als das Jahr des Eintritts Roms in seine Herrscherstellung anzusehen ist, ist früher (S. 65 f.) eingehende dargelegt worden. Welches Jahr soll aber im weiteren Verlauf genannt werden als Kennzeichnung eines Einschnitts? Ein Jahr zu nennen, von dem man sagen könnte, dass es das Ende des alten Reiches bedeutet habe, ist eine schwierige Sache. Das Jahr 476 bedeutet insofern einen Einschnitt, als damals im weströmischen Reich der Kaisertitel zu Grabe getragen wurde; das war aber nur der Abschluss eines langsamen Sterbens des weltlichen Kaisertums. ein Jahr für das Aufhören des westlichen Reiches selber anzugeben, ist schwieriger; denn das Reich erlag dem Ansturm der Germanen langsam, nicht in jähem Zusammenbruch. Und das besiegte Reich überwand langsam von innen heraus die Sieger. Es lässt sich kaum ein bestimmtes Ereignis nennen, von dem man sagen kann, es habe das Ende des alten Westrom auffallend dargestellt. Auch insofern ist die Kennzeichnung eines bestimmten Jahres als Ende des römischen Reichs schwierig, weil das oströmische Reich und dessen Kaisertum den Niedergang des alten Westroms überdauerte. Für das Ende des alten römischen Reiches dagegen lässt sich ein bestimmtes Jahr nennen: das ist 1453. Damals erlag Konstantinopel den Türken, nachdem es schon seit längerer Zeit einer vom Meer umbrandeten Insel geglichen hatte; und mit dem Fall der Hauptstadt hat das alte oströmische Reich und Kaisertum sein Ende gefunden. Trotzdem ist das Jahr 1453 nicht geeignet, um als Jahr des Ende des alten Rom angesprochen zu werden. Denn Konstantinopel war schließlich nur noch der letzte übrig gebliebene Posten aus Roms alter Zeit. Als Konstantinopel endlich fiel, gehörte das römische Reich in seiner alten Form längst der Vergangenheit an.

Gibt es ein Ereignis, das für den Westen wie für den Osten bedeutsam war, für die politische Geschichte Roms wie für die kirchliche, das als Knotenpunkt einen früheren Zeitraum abschloss und einen neuen begründete? Als ein solches Jahr bietet sich das Jahr 637 an. In diesem Jahr fiel Jerusalem in die Hände der Araber und damit des Islam. Kann man dem Fall Jerusalems solche Bedeutung zumessen? Wir unterscheiden die Bedeutung, welche diesem Ereignis auch sonst von der Geschichtsschreibung zuerkannt wird, und diejenige, welch diesem Geschehnis zukommt, wenn man es vom Reich Gottes aus betrachtet.

Politische und kirchliche Bedeutung

Der Fall Jerusalems war der Auftakt zum unerhörten Siegeslauf des Islam, zunächst unter arabischer, später unter türkischer Führung. Der Begründer der neuen Religion, Mohammed, war bereits einige Jahre tot. Aber seine Religion wollte die Welt erobern. Von Arabien aus gesehen, war das Heilige Land mit Jerusalem der Schlüssel zum römischen Reich. Von Palästina aus wurde das Mittelländische Meer umfasst und auf diese Weise das ganze Gebiet des alten Reichs, auch das von den Germanen besetzte, in die Zange genommen. Der Angriff wurde über Ägypten durch ganz Nordafrika, von da über Spanien nach Frankreich vorgetragen. Auf der andern Seite rückten die Araber gegen Konstantinopel vor, das noch vor Ablauf eines Jahrhunderts zweimal eine Belagerung auszuhalten hatte. Erst im Frankenreich und vor Konstantinopel wurde dem Arabertum Halt geboten. Es ist richtig, dass die Araber gegen die Besiegten milder verfuhren als vor ihnen die Germanen gegen Westrom. Aber die Gefahr für das Reich von der arabischen Seite war trotzdem größer. Die Germanen beugten sich, nachdem sie vieles zertreten hatten, vor dem Reichsgedanken und vor der Reichskirche; die Araber nahmen zwar sehr vielen von der griechischen Kultur auf, aber vor dem Reich machten sie keine Verbeugung und in die Kirche gingen sie nicht ein, wenn sie auch die bestehenden Kirchen verhältnismäßig glimpflich behandelten.

Immerhin sind die früher blühenden Kirchen Nordafrikas fast spurlos verschwunden. Von den kleinasiatischen und syrischen Kirchen erhielten sich unter arabischer und später türkischer Herrschaft nur Reste. Die armenische Volkskirche rette sich durch die Zeiten hindurch, bis sie im Weltkrieg unter unsagbaren Gräueln zum großen Teil ausgerottet wurde. Es ist eine geschichtliche Tatsache von großem Ernst, die der heutigen Christenheit kaum genügend zum Bewusstsein kommt, dass weite Gebiete, die früher christlich waren, das Christentum fast völlig eingebüßt haben und heutzutage Missionsgebiete sind mit einem für das Evangelium steinharten Boden. Luther hat den Ernst dieser Tatsache der Christenheit seiner Zeit vorgehalten und sie gewarnt, sich nicht in satter Weise auf ihren christlichen Besitz zu verlassen, da sie nicht wisse, ob ihr nicht das gleich Schicksal drohe wenn sie für das Evangelium nicht dankbar und aufgeschlossen bleiben.

Was aber so schwerwiegend ist, wie das Aufhören und Zurücktreten christlicher Kirchen auf dem vom Islam besetzten Gebiet, das ist die Tatsache, dass der Islam um die Christenheit herum einen Wall gelegt hat, der ihr den Zutritt nach Asien und Afrika versperrt hat. So wurden diese beiden großen Erdteile bis zum Beginn des neuzeitlichen Weltverkehrs im Heidentum erhalten; denn christliche Einflüsse aus vorislamischer Zeit verblassten, und vereinzelte spätere Missionsunternehmungen konnten nicht durchdringen, weil die Verbindung mit der Christenheit durch den Sperrwall des Islam unterbrochen war. Als die Christenheit die freilich oft recht unchristliche Verbindung mit der Völkerwelt Asiens wieder aufnahm, musste sie lange Zeit hindurch den weiten Weg um Afrika herum machen, bis im Jahr 1869 durch Erbauung des Suezkanals ein unmittelbarer Weg nach Asien und Ostafrika gebahnt wurde, quer durch das Gebiet des Islam hindurch. Von Amerika wusste die Christenheit in jenen Zeiten noch nichts. So blieb ihr nur der Weg nach dem mittleren und nördlichen Europa frei, zu den Germanen, die in der Hauptsache durch Rom das Christentum erhielten, und zu den Slawen, die sich der griechischen Kirche anschlossen. Deshalb konnte Rom, d. h. das 6. Reich, sich nur in Richtung Norden entwickeln. Es hat ja tatsächlich den Norden Europas in seine Geschichte einbezogen. Aber diesem Gewinn standen die fürchterlichen Amputationen (Gliedabnahmen) am Leib der Christenheit im Süden und Osten und ihre Aussperrung von der übrigen Welt gegenüber.

Dass das Ereignis des Jahres 637, nämlich der Übergang der Stadt, die der Christenheit heilig war, in die Hände des falschen Propheten die ganze abendländische Welt des Mittelalters 200 Jahre lang in Bewegung setzte, um durch die Kreuzzüge Jerusalem und das heilige Land für die Christenheit wiederzugewinnen, ist bekannt. Dass dem Islam, zwar nicht unter arabischer, aber unter türkischer Führung, schließlich die Überwindung Ostroms gelang, im Jahr 1453, wurde bereits aufgeführt. Dass die von dort aus erfolgende Bedrohung des Abendlands - zur Zeit der Reformation und noch einmal vor 250 Jahren stand Wien vor dem Fall - durch die Türken und den Islam die Christenheit lange in Atem hielt, bis sie endlich in einer Reihe von Stößen, die sich bis vor 15 Jahren hinzogen, bis in die Nähe von Konstantinopel zurückgedrängt wurden, bildet ein wichtiges Stück der neueren Geschichte. Erst der Weltkrieg hat das Jahr 637 zum Teil rückgängig gemacht. Aber erledigt ist die damals eingeleitete geschichtliche Bewegung nicht. Es ist eine Frage, ob sie erledigt wird. Vielleicht politisch; geistig nicht.

Mit dem allem ist die Bedeutung des Jahres 637 nur insoweit beschrieben, als sie sich auf dem Gebiet des alten römischen Reichs ausgewirkt hat. Aber das gleiche Jahr 637 brachte auch den arabischen Vorstoß gegen das persische Reich,m also in der Richtung auf das innere Asien. Die Araber vermochten ihrer Religion später von dieser Seite hervorbrechenden feldschuckischen und osmanischen Türken zu übermitteln mit dem Erfolg, dass dieselben ihre Lehrmeister an Eifer und Unduldsamkeit übertrafen.Und von Vorderasien aus haben sie missionierend im Lauf der Zeit ihre Religion bis nach Indien und auf die hinterasiatische Inselwelt vorgetragen; und von Nord- und Ostafrika aus drang und dringt der Islam bis in die schwarzhäutige Welt Afrikas. So hat das Jahr 637 als Schlüssel den Siegeslauf der Araber und des Islams gewaltigen Einfluss ausgeübt nicht nur auf die römische und europäische Geschichte, sondern auch über diese hinaus auf die Weltgeschichte. Der Schlusspunkt der Bedeutung des Jahrs 637 ist noch nicht erreicht.

Kirchengeschichtliche Folgen

Wir wenden uns nun den Auswirkungen des Jahres 637 zu, die nicht in diesem Maße auf der Hand liegen. Zuerst seinen kirchengeschichtliche Folgen genannt. Von der Abdrängung der Christenheit vom Süden und Osten und von der Verlegung des Schwerpunkts vom südlichen ins mittlere Europa wurde bereits gesprochen. Aber der arabische (und türkische) Vorstoß gegen die Christenheit hatte nicht nur Einfluss auf die Außenbezirke, sondern brachte innerhalb der Christenheit selber eine Verschiebung hervor. Trotz der steigenden kirchlichen Regsamkeit der Westhälfte des Reichs hatte die griechische Kirche geistig innerhalb der Christenheit die Führung. Im Osten wurden die großen Kämpfe um die Festlegung der christlichen Lehre geführt. Erst mit Augustin wurde die westliche Kirche in der Führung geistig ebenbürtig. Nun traf aber der Hauptstoß des Islam auf die griechische Kirche und engte sie ein und nahm ihre Kraft in Anspruch, und die zu einer Zeit, als der Westen sich vom germanischen Einbruch erholte und die Kirche dort auch unter den neuen Völkern Fuß fasste. so kam es, dass der griechischen Kirche langsam die Führung der Christenheit entglitt. Rom, das bisher die Gabe der äußeren Leitung besessen und ausgebildet hatte, bekam auch geistig die Führung. Sein Bischof wurde Papst, d. h. zum Vater, dem innerhalb der Christenheit nicht nur die Berechtigung zum Gebieten zuerkannt wurde, sondern auch zum Lehren. Er wurde zum Herrn und zum Mund der Christenheit. Das griechische Christentum, zwar ebenfalls mit ernsten Entartungen behaftet, aber doch manches Ursprüngliche bewahrend - wie jetzt noch und von neuem immer wieder an der griechisch-russischen Kirche zu sehen ist - wurde isoliert, in die Vereinzelung zurückgedrängt; sein Einfluss innerhalb der Gesamtchristenheit ging zurück. Rom dagegen trat hervor. Im Mittelter trat die römische Kirche in das helle Licht der Geschichte; die griechische trat ins Halbdunkel zurück.

So halfen die Araber, die die Kirche äußerlich und innerlich überwinden wollten, mit zur Errichtung des eindrucksvollen Baus der mittelalterlichen Kirche des Abendlandes. Sie war die Fortsetzung Roms. Rom war die Hauptstadt des alten Reichs gewesen; denn Konstantinopel war nur eine spätgeborene Schwester. Nun wurde Rom auch der geistliche Mittelpunkt der auf den Leuchter gestellten Hauptkirche. Der Papst stellte in ehrwürdiger und ehrfurchtgebietender Gestalt den Kaiser dar. Zwar machte das Papsttum um die Mitte des Mittelalters eine Zeit der Haltlosigkeit durch. Aber danach erhob es sich zu umso stolzerer Höhe. Der Papst war es, der den Kaiser krönte und Anspruch auf den Gehorsam des Kaisers geltend machte. Die Kirche war über den Dienst an der Völkerwelt hinausgewachsen und ihre Herrin geworden. Am deutlichsten ist der Herrscheranspruch des Papsttums - und zwar mit Begründung auf die Schrift! - ausgesprochen in der Bulle (dem päpstlichen Erlass) des Jahres 1302, die man nach ihren Anfangsworten die Bulle "unam sanctam" nennt, welcher kurz darauf, 1303 , der Sturz des Papsttums von seiner mittelalterlichen Größe folgte.

Bedeutung für den Gang des Reiches Gottes