Die Wiederkunft Jesu: Unterschied zwischen den Versionen

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(Berufung der Gemeinde)
(Die Wurzel der Verwirrung)
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Es ist für die Frage nach dem Wiederkommen Jesu geradezu von entscheidender Bedeutung, dass wir hier wieder klar biblisch sehen und urteilen lernen. Und gerade hier sind die Linien eigentlich alle verwirrt. Die Wurzel dieser Verwirrung liegt darin, dass man die Gemeinde und Israel nicht mehr unterschieden hat. Wie es dazu gekommen ist, können wir aus dem Verlauf der Geschichte jetzt ganz deutlich erkennen. Als das Judentum sein national geschlossenes Dasein durch die Zerstörung Jerusalems  und die jüdischen Kriege verlor, verschwanden auch mehr und mehr die judenchristlichen Gemeinden aus der Christenheit. Ja, auch i n n e r h a l b der heidenchristlichen Gemeinden trat der jüdische Bestandteil immer mehr zurück und verschwand schließlich. Dazu kam, dass sich die Christenheit als die an die Stelle Israel gesetzte Gotteskörperschaft ansehen lernte. Letzteres hing einerseits damit zusammen, dass das Judentum durch ein Gottesgericht ausgelöscht zu sein schien andererseits, dass die Christenheit immer mehr in eine gesetzliche Richtung einbog. Bezeichnend dafür sind die schon um die Wende des ersten und zweiten Jahrhunderts aufkommende und dann bald ganz allgemein werdenden Benennung des Evangeliums als das „neue Gesetz“ (nova lex), das Aufkommen eines neuen Priestertums und die Aufnahme der Massen in die Kirche.  
 
Es ist für die Frage nach dem Wiederkommen Jesu geradezu von entscheidender Bedeutung, dass wir hier wieder klar biblisch sehen und urteilen lernen. Und gerade hier sind die Linien eigentlich alle verwirrt. Die Wurzel dieser Verwirrung liegt darin, dass man die Gemeinde und Israel nicht mehr unterschieden hat. Wie es dazu gekommen ist, können wir aus dem Verlauf der Geschichte jetzt ganz deutlich erkennen. Als das Judentum sein national geschlossenes Dasein durch die Zerstörung Jerusalems  und die jüdischen Kriege verlor, verschwanden auch mehr und mehr die judenchristlichen Gemeinden aus der Christenheit. Ja, auch i n n e r h a l b der heidenchristlichen Gemeinden trat der jüdische Bestandteil immer mehr zurück und verschwand schließlich. Dazu kam, dass sich die Christenheit als die an die Stelle Israel gesetzte Gotteskörperschaft ansehen lernte. Letzteres hing einerseits damit zusammen, dass das Judentum durch ein Gottesgericht ausgelöscht zu sein schien andererseits, dass die Christenheit immer mehr in eine gesetzliche Richtung einbog. Bezeichnend dafür sind die schon um die Wende des ersten und zweiten Jahrhunderts aufkommende und dann bald ganz allgemein werdenden Benennung des Evangeliums als das „neue Gesetz“ (nova lex), das Aufkommen eines neuen Priestertums und die Aufnahme der Massen in die Kirche.  
  
Da musste selbstverständlich der Blick verlorengehen für eine heilsmäßige Unterscheidung der Gemeinde von Israel.
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Da musste selbstverständlich der Blick verlorengehen für eine heilsmäßige Unterscheidung der Gemeinde von Israel.  Man glaubte sich eben an die Stelle Israels gesetzt. Dieser vermeintlich gegebenen Lage musste sich nun auch das Verständnis der Bibel, zumal ihrer  Weissagungen anpassen. Dem kam dann noch  zu Hilfe, das Eindringen griechischer Philosophie in die sich bildende christlich Theologie, sowie später die Entwicklung der Kirche zu einer die Völker umfassenden vermeintlichen Heilsanstalt, in Wirklichkeit E r z i e h u n g s a n s t a l t. So las man die Weissagungen und Zeugnisse der Bibel vom reich Gottes so, als erfüllten sie sich in der Kirche und als wäre ihre Verwirklichung der Kirche übertragen.  Sofern sie sich nun aber wirklich nicht auf die Lage der Kirche anwenden ließen, vergeistigte man sie oder verlegte sie überhaupt von der Erde in den Himmel. Obwohl man also meinte, man sei Israel geworden und erbe der ihm gegebenen Verheißungen, sah man ja doch ein, dass eine Verwirklichung vieler in der Schrift ausgesprochener Weissagungen mit den gegebenen Mitteln des Wortes oder auch der Kirchenzucht und Kirchenregierung nicht möglich sei. Um sie nun nicht überhaupt preiszugeben, verlegte man sie in den Himmel, bzw. wandte sie nur an auf das Seligwerden des einzelnen im Himmel.
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Damit verschoben, verwirrten und verliefen sich dann alle biblischen Linien. Wie sehr, das merken wir noch heute daran, wie schwer es uns wird, hier wieder zur Klarheit zu kommen.
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Wir müssen ja erst wieder gewisse V o r a u s s e t z u n g e n für ein biblisches Bibelverständnis finden. Denn selbstverständlich gibt uns die Bibel kein S y s t e m ihrer Anschauungen - sie tut das so wenig wie die Natur -, aber es liegen ihren Worten gewisse Tatsachen zugrunde, die jenen ihre Gestalt und ihren Inhalt geben. Und  diese Tatsachen müssen wieder entdeckt werden. Das kann aber nicht rein gedankenmäßig geschehen, sondern hängt unlöslich mit dem geistlichen Lebensstand der Christenheit zusammen. Es ist hier der einzelne auch an den Gesamtstand gebunden, und er kann sich nur im inneren Zusammenhang mit der Gemeinde von überkommenen Anschauungen freimachen. Paulus schreibt ja Eph 3: Dass ihr begreifen möget m i t allen H e i l i g e n, welches das  sei die Breite und die Länge und die Tiefe und die Höhe (der Heilswege Gottes). Aber andererseits soll der einzelne die ihm gewordenen Erkenntnisse, seinen ihm geschenkten geistlichen Lebensstand für die Gesamtgemeinde fruchtbar machen. Auf diesem Wege gibt es Einzel- und Gesamtwachstum.
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Wir stehen nun immer noch in grundlegendem Ringen um die Lösung von den falschen Gebundenheiten, und immer wieder will die falsche Einstellung sich in neuen Formen zur Geltung bringen. Ist z. B. die Form der Linienverwirrung, wie wir sie im Katholizismus finden, in der evangelischen  Christenheit nicht mehr herrschend, so treten in ihr neue Formen hervor. Eine der neuesten Verwirrungen kommt jetzt aus der angelsächsischen Welt und versucht die ganze sogenannte evangelische Christenheit in ihren Bann zu ziehen. Sie hat ihren Ausdruck gefunden in den großen Kirchenkonferenzen von Stockholm, Lausanne, Jerusalem und verfolgt eine Vereinigung der Kirchen zur Gesamtbeeinflussung der Welt in christlichem Sinne. Daher die sozialen, wirtschaftlichen und politischen Botschaften. Man möchte die Herrschaft Christi auf Erden verwirklichen, etwa nach den Grundsätzen der Bergpredigt, um dann dem wiederkommenden Herrn - soweit man überhaupt damit rechnet - die christlich gewordene Menschheit zu übergeben. Bezeichnend für dies angelsächsische Auffassung ist das auch bei uns in Gemeinschaftskreisen bekannte und zum Teil beliebt gewordene Lied „Den königlichen Schmuck bringt her“, mit dem Kehrreim: „Krönt ihn, krönt ihn, krönt ihn zum Herrscher aller Welt.“ Als wenn Christus von der Menschheit gekrönt würde und nicht vielmehr allein von Gott seine Herrschaft empfinge! Auch das Stockholmer Lied gehört hierher: „O seliger Tag, des in Hoffnung wir harren“; es ist von diesem Gedanken erfüllt, das das Werk des Evangeliums und die Bemühungen der Christenheit darauf hinauslaufen, Gottes Herrschaft auf erden zu gründen zu Einigung der Völker und Überwindung der Sünde.
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Als wenn das das Werk der Christenheit wäre und dies nicht vielmehr durch das Wiederkommen Jesu in Zusammenhang mit Israel bewirkt würde Aber in dem Maße wie die Christenheit nicht im wahren Geistesleben, d. h. im Glauben steht, sondern mehr in einer gesetzlichen Stellung zum Evangelium, ist sie gegen solche Verwirrung nie geschützt. Da ist es denn auch kein Wunder, dass die Entwicklungsstufen des Wiederkommens Jesu nicht mehr gesehen wurden. Entweder sah man es nur noch wie einen großen, aber sehr fernen Gerichtsstock, als den letzten Abschluss der ganzen Welt, als den „Jüngsten Tag“ und Weltuntergang. So findet sich die Wiederkunftserwartung Jesu in dem allgemeinen Bekenntnis der Kirche. Oder aber die Erwartung einer persönlichen Wiederkunft Jesu fand überhaupt keinen Raum mehr im Glaubensbewusstsein, sondern die dahingegehenden Aussagen der Schrift wurden geistig umgedeutet. Aus diesen Unklarheiten müssen wir wieder herausfinden und Gottes Geist ist an der Arbeit, uns darin wieder zur ursprünglichen Klarheit der Offenbarung zurückzuführen.<br/></br/>
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==='''Unterscheidung Gemeinde und Israel'''===
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Aus der Unterscheidung zwischen der Gemeinde und Israel ergibt sich also auch eine Unterscheidung des Wiederkommens Jesu für die Gemeinde und Israel. So gewiss nämlich ein Wiederkommen Jesu für Israel bezeugt wird, ebenso gewiss ein solches für die Gemeinde. Ersteres ergibt sich, wie wir zum Teil schon sahen, aus dem Alten Testament, indem viele dem Volke Israel gegebenen Weissagungen mit dem ersten Kommen Jesu noch nicht erfüllt sind. Dann auch aus den Worten Jesu, unter denen ich besonders seine großen Reden von der Wiederkunft nenne (Mt 24 und Parallelen) Ferner wird das Wiederkommen Jesu zu Israel auch von den Aposteln nach Pfingsten ausdrücklich bezeugt, ja ihre großen Heilsreden haben zum Teil in dieser Bezeugung ihre Spitze. Und endlich ist ihm das ganze letzte Buch der Bibel gewidmet: die Offenbarung Johannis.  Und mit diesem Wiederkommen wird dann die Gottesherrschaft auf Reden, werden die „Zeiten der Erquickung“ (Apg 3) in Aussicht gestellt. Nun finden wir aber auch innerhalb der aus den Völkern gesammelten Gemeinde das Zeugnis vom Wiederkommen Jesu. Da ist es nun gebräuchlich geworden, diese beiden Zeugnisse einfach in eins zu setzten, - eben weil man ja von einer Unterscheidung der Gemeinde und Israels nichts mehr wusste.
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Das geschah dann nach beiden Richtungen hin die Israel geltenden Zeugnisse wurden auf Jesu Wiederkommen für die Gemeinde bezogen und die auf dem Boden der Gemeinde gegebenen Weissagungen vom Wiederkommen Jesu wie jene verstanden. Man nahm also das, was Mt 24 oder Apg 3 oder in der Offenbarung steht, ohne weiteres als dasselbe an wie das, was z B. 1Kor 15 oder 1Thes 4 vom Wiederkommen Jesu gesagt ist. Um das mit einem praktischen Beispiel zu belegen, das bis heute  weithin in der Christenheit  Gültigkeit ha: man sucht sich für die Frage nach dem  Wiederkommen Jes und den sie ankündigenden Zeichen an Mt 24 zu orientieren. Das Ergebnis ist dann entweder, dass man allerlei „Zeichen der Zeit“ zusammensucht, die beweisen sollen, dass das Kommen des Herrn unmittelbar nahe bevorsteht, oder man sagt umgekehrt die Zeit ist noch nicht da, denn das Evangelium ist n och nicht in der ganzen Welt verkündigt; darum muss eifrig äußere Mission getrieben werden, damit der Herr wiederkommen könne.  Ich sage nichts gegen die Mission, aber ihre Begründung mit diesem Beweismittel ist meiner Überzeugung nach eine Verwirrung. Oder, um noch ein anderes ähnliches Beispiel anzuführen, man versucht eine Deutung der Offenbarung Johannis ebenfalls nach den Zeichen der Zeit und versucht festzustellen, was sich in ihren Weissagungen schon erfüllt hat, an welchem ihrer Punkte man sich also befinde. Auch das bringt nur Verwirrung, wie die unzähligen Auslegungen der Offenbarung Johannis beweisen, wo die eine der andern schnurstracks widerspricht und jede behauptet, recht zu haben. Ja, aber warum soll man sich nicht so zu orientieren suchen? Deshalb nicht, weil es weder mit der Wirklichkeit des Geschehens noch mit der Schrift übereinstimmt. Mit der  Wirklichkeit des Geschehens nicht, indem in allen weltbewegten Zeiten schon die Hoffnung unter den Frommen gewesen ist, nun sei das Ende da, - und es ist eben doch nicht da gewesen, sondern der Wunsch der Vater des Gedankens.
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Und auch mit der Schrift stimmt diese Deutung nicht überein.

Version vom 22. September 2021, 14:59 Uhr

Aus dem Zweimonatsheft für gläubige Schriftforscher:
"Das prophetische Wort"
Begründet von Professor E. F. Ströter

Herausgegeben von Heinrich Schaedel
Maranatha-Verlag, Klosterlausnitz i. Thür.
Band 26: 1932 (Heft 6)

Siehe weitere Abschriften

In Bearbeitung:

Die Wiederkunft Jesu

von Pfarrer von Peinen, Frankfurt a. M.
(Schluss)

Menschwerdung des Sohnes Gottes

Was sagt uns nun aber die Schrift von der Wiederkunft Jesu? Sie bezeugt im Alten Testament das zu erwartende Kommen des Christus und Gottessohnes, im Neuen Testament den Gekommenen. Warum aber und inwiefern bezeugen Altes und Neues Testament den W i e d e r kommenden?

Da müssen wir noch einmal zurückgreifen auf das zweifache Zeugnis von dem, der da kommen sollte. Er sollte sterben und zugleich leben und herrschen. Beides, weil er der Erwählte ist, der Bürge und Wiederbringer der Schöpfung, insbesondere der Menschheit. So wurden die Erzväter und Israel in ihm erwählt zur Verwirklichung dieses Ratschlusses. Damit begab Gott sich mit seinem Heilswalten in die G e s c h i c h t e der Menschheit. Also musste sich und muss sich auch das Heil der Menschheit in ihrer Geschichte v e r w i r k l i c h e n. Das hat begonnen mit der Menschwerdung des Sohnes Gottes in der Person Jesu. Auf diesem geschichtlichen Boden vollzogen sich daher auch die „großen Taten Gottes“ zu unserem Heile. Hier musste das Sühnopfer des Todes Christi vollbracht werden, hier auch muss sich seine Königsherrschaft verwirklichen. Zu beidem setzte Jesus bei seinem öffentlichen auftreten in Israel an. Wie Johannes der Täufer so bot auch Jesus zuerst seinem Volke beides zusammen an. Man lese nur die Bergpredigt unter diesem Gesichtspunkt, da ist beides, Leiden und Herrschaft vereint und dem Volke dargeboten. Als Jesus sieht, dass das Volk nicht mitgeht, da verhüllt er diesem das Himmelreich in Gleichnissen und beschränkt sich in seinen Offenbarungen des weiteren auf seine Jünger. Damit aber war es besiegelt, dass die Königsherrschaft zunächst hinausgeschoben werden musste.

So nahm Jesus denn zunächst nur das eine auf sich, das Leiden und Sterben. Aber er tat das nicht in Resignation und Verzicht auf Herrschaft und Herrlichkeit, sondern weil „es dem Vater also wohlgefällig war“ (Mt 11). Und wie hat der Vater den Gehorsam des Sohnes gelohnt! Am dritten Tage nach seinem Tode hat er ihn von den Toten auferweckt und ihn zum Herrn und Christus erhöht. Als solcher gab er nun den Jüngern der Auftrag, das Anerbieten noch einmal zu wiederholen und zwar nach der Sendung des Heiligen Geistes. Das war ein ganz ernst gemeintes Anerbieten an Israel, n u n m e h r in die Leidens und Herrlichkeitsgemeinschaft des erhöhten und vollendeten Messias einzutreten und Gottes Heilsrat sich an und mit ihm verwirklichen zu lassen. Aber Israel verweigerte auch hier den Gehorsam, den Glauben. Da gab Gott das Volk dahin in sein letztes und furchtbarstes Gericht.

Aufschub der Christusherrschaft

Damit ändert sich nun aber die Lage der Welt völlig. Es war Gottes Ratschluss und Verheißung, seinen Sohn und Gesalbten zuerst i n I s r a e l und dann d u r c h I s r a e l zur Herrschaft auf Erden zu erheben, und was Gott einmal gesagt hat, das hält er; Gottes Gaben und Berufung können ihn nicht gereuen (Röm 11). Herrscht also der Messias nicht in und über Israel, so kann und wird er auch nicht über die anderen Völker herrschen, denn durch Israel soll das gehen. Also muss seine Königsherrschaft zurückgestellt werden, bis dass Israel seinen Messias aufnimmt, bis dass Israel seinen Messias aufnimmt, bis dass Israel durch die G e r i c h t e dahin gebracht ist. Diese Gerichte haben, soviel ich sehe, ihre Stufen. Die erste war die, dass das aus der ersten babylonischen Gefangenschaft in seinem Lande wieder gesammelte Volk noch einmal in den fürchterlichen Gerichten der römisch-jüdischen Kriege in alles Welt zerstreut wurde. Das waren furchtbare Blutgerichte, wie sie sonst auf Erden kaum ein andermal vorgekommen sind. Millionen von Juden haben hier entsetzlich grausamen Tod erlitten; ihr eigenes Wort hat sich schrecklich erfüllt: Sein Blut komme über uns und unsere Kinder (Mt 27:25).

Abgesehen von Vor- und Nachwehen dieser Gerichtsperiode konnte Israel sonst verborgen und bedeutungslos unter den Nationen leben. Die Geschichte der Völker vollzog sich ohne die Jude. Aber je und je merken wir die Versuche der Juden, aus der ihnen auferlegten Verborgenheit und Bedeutungslosigkeit vorzustoßen. Schon an die deutschen Kaiser des Mittelalters versuchten sie heranzukommen und Einfluss zu gewinnen. Da sie nicht mehr Träger eines G o t t e s a u f t r a g e s an die Menschen waren, warfen sie sich auf den Handel mit i r d i s c h e n W e r t e n, vor allem mit dem Geld. So gelang es ihrer Energie und Intelligenz, unter Benutzung der Schwächen der Völker, immer mehr an Einfluss und Macht zu gewinnen, bis sie sich dann durch das Mittel der Revolutionen die vollständige Gleichberechtigung, in Wirklichkeit ihre Überlegenheit über die Völker, unter denen sie wohnen, errangen. Sie wissen nicht, dass sie sich damit selber die letzte und vielleicht allerschwerste Gerichtszeit bereiten. Aber das wird sie dann doch zu dem Zusammenbrechen führen, das sie zu Buße und Annahme ihres Messias bringt. Wie das geschichtlich verlaufen wird, wie lange es noch dauert, das können wir jetzt noch nicht sehen. Es ist möglich, dass da noch einige Zwischenakte hineinkommen, dass er noch aufhaltende Bewegungen in dieser Entwicklung gibt. Der Endverlauf wird nämlich wesentlich bedingt sein von dem Stande desjenigen Werkes, das Gott nun in diesen Aufschub seiner Christusherrschaft hineingeschoben hat.

Berufung der Gemeinde

Gott ist ja nicht müßig geblieben, wo er seinen König noch nicht einsetzen konnte auf seinem heiligen Berge Zion (Ps 2). Er hat ein neues Werk in diese Lücke hineingeschoben: Die Berufung einer Gemeinde für seinen Sohn aus allen Völkern. Das bewegt sich nicht in der Linie der Königsherrschaft auf Erden, sondern bereitet Menschen für eine noch höhere Herrschaft in himmlischen Welten und erhebt sie damit zur höchsten Höhe der göttlichen Herrlichkeit des Sohnes. Das ist ja der wunderbare Triumph unseres Gottes, dass die menschliche oder sogar teuflische Sünde ihn nicht nur nicht einschränkt, sondern ihn vielmehr zu immer höherer Entfaltung seiner Wahrheit, seiner Liebe und Herrlichkeit Raum macht, ohne dass doch der Mensch sagen könnte: Lasset uns das Böse tun, damit Gutes daraus komme (Röm 3:8). Gott hat also das Evangelium von seinem Sohne der Welt freigegeben, unter Beiseitesetzung Israels; daher auch der gewaltige Zorn der Juden gerade gegen Paulus, der der erwählte Träger dieser Freigabe des Evangeliums war. Und dies Evangelium war. Und dies Evangelium wurde unter den Völkern geglaubt (Apg 28:28; 1Tim 3:16: geglaubt in der Welt). Nicht in dem Sinne natürlich, dass nun die Nationen, die Völker an Jesum gläubig geworden wären und die Gottesherrschaft in ihnen verwirklicht wäre - das bleibt ja dem kommenden Reich vorbehalten -, aber aber in dem Sinne, dass sich eine Gemeinde in und aus den Völkern gebildet hat, die nun das Geheimnis Christi in sich trägt und ihrer Vollendung entgegengeführt wird.

Selbstverständlich ist diese Berufung der Gemeinde aus den Völkern auf diese nicht ohne Wirkung und Einfluss geblieben. Es haben Ausstrahlungen von der Gemeinde aus in das Leben der Völker stattgefunden. Diese Ausstrahlungen sind zu Zeiten so stark gewesen, dass sie eine christlich bestimmte Sitte in den Völkern hervorgerufen haben. Wir haben z. B. in unserem Volke durch Jahrhunderte hindurch solche Wirkungen gehabt. Das Familienleben, das gesellschaftliche Leben, ja das Staatsleben ist lange Zeiten hindurch davon bestimmt worden. Das hat zu der Meinung von den „christlichen Völkern“, ja von der „christlichen Obrigkeit“ geführt. Aber das beruht auf einer Begriffsverwechslung: man hat Sitte, Meinung, Gewohnheit, gesetzliche Stellung für Glauben gehalten. Diese Illusion ist nun weithin durch den Umschwung der Generationen zerstört. An die Stelle der f r o m m e n Sitte ist die u n f r o m m e Sitte getreten; die Wirkungen und Ausstrahlungen des Evangeliums und ihrer Träger auf das Leben der Völker sind zur Zeit sehr gering und werden ja schließlich einmal ganz zu Ende gehen.

Dann werden die Völker ebenso gerichtsreif sein, wie einst Israel. Auch in dieser Entwicklung zum Ende hin kann es noch einmal Aufenthalte geben, und vielleicht deutet schon manches darauf hin, das Entscheidende ist aber auch hier der Stand der aus den Völkern berufenen Gemeinde selber. Denn sie muss zuerst zu ihrer Vollendung geführt werden. Es konnten in diese Gemeinde nun auch zu allen Zeiten einzelne Juden eingehen. So nennt sich schon der Apostel Paulus einen Schuldner der Juden und Griechen und hat Juden und Heiden sein Evangelium verkündigt. Aber im weiteren Verlauf der Geschichte stellte sich doch ein Unterschied zwischen dem Wirken des Evangeliums unter den Juden einerseits und den andern Völkern andererseits heraus. Während es eben unter den Völkern zu den segensreichen Nebenwirkungen oder Ausstrahlungen kommen konnte, während die aus den Völkern berufenen Gläubigen mit ihrem Volke verbunden blieben und so ein Segen für ihr Volk wurden, wo man auf sie hörte geschah das bei den Juden nicht. Der wirklich gläubig werdende Jude wurde alsbald aus seinem Volke ausgeschieden -, und wenn er sich nicht selber trennte, so schlossen ihn seine Volksgenossen aus ihrer Volksgemeinschaft aus.

Das wird erst eine Änderung erfahren gegen Ende des gegenwärtigen Zeitlaufs. In dem Maße, wie sich die Völker gegen das in ihnen verkündigte Evangelium verschließen, und in dem Maße, wie Israel in seine letzten Gerichtsentwicklungen hineinkommt, wird sich gerade innerhalb der Judenheit eine messiasgläubige Gemeinde herausbilden, die sich nicht löst von ihrem Volke, die nicht in einer christlichen Kirche aufgeht, sondern jüdisch bleibt und den Anfang der Königreichsgemeinde bildet. Wenn es wahr it, dass sich gegenwärtig schon Ansätze dafür finden, so wäre das eines der deutlichsten Zeichen dass die der Gemeinde abläuft und die Zeit der Wiederannahme Israels bevorsteht, also ein Zeichen des herannahenden Endes dieses Zeitlaufs und des Wiederkommens Jesu.

Die Wurzel der Verwirrung

Es ist für die Frage nach dem Wiederkommen Jesu geradezu von entscheidender Bedeutung, dass wir hier wieder klar biblisch sehen und urteilen lernen. Und gerade hier sind die Linien eigentlich alle verwirrt. Die Wurzel dieser Verwirrung liegt darin, dass man die Gemeinde und Israel nicht mehr unterschieden hat. Wie es dazu gekommen ist, können wir aus dem Verlauf der Geschichte jetzt ganz deutlich erkennen. Als das Judentum sein national geschlossenes Dasein durch die Zerstörung Jerusalems und die jüdischen Kriege verlor, verschwanden auch mehr und mehr die judenchristlichen Gemeinden aus der Christenheit. Ja, auch i n n e r h a l b der heidenchristlichen Gemeinden trat der jüdische Bestandteil immer mehr zurück und verschwand schließlich. Dazu kam, dass sich die Christenheit als die an die Stelle Israel gesetzte Gotteskörperschaft ansehen lernte. Letzteres hing einerseits damit zusammen, dass das Judentum durch ein Gottesgericht ausgelöscht zu sein schien andererseits, dass die Christenheit immer mehr in eine gesetzliche Richtung einbog. Bezeichnend dafür sind die schon um die Wende des ersten und zweiten Jahrhunderts aufkommende und dann bald ganz allgemein werdenden Benennung des Evangeliums als das „neue Gesetz“ (nova lex), das Aufkommen eines neuen Priestertums und die Aufnahme der Massen in die Kirche.

Da musste selbstverständlich der Blick verlorengehen für eine heilsmäßige Unterscheidung der Gemeinde von Israel. Man glaubte sich eben an die Stelle Israels gesetzt. Dieser vermeintlich gegebenen Lage musste sich nun auch das Verständnis der Bibel, zumal ihrer Weissagungen anpassen. Dem kam dann noch zu Hilfe, das Eindringen griechischer Philosophie in die sich bildende christlich Theologie, sowie später die Entwicklung der Kirche zu einer die Völker umfassenden vermeintlichen Heilsanstalt, in Wirklichkeit E r z i e h u n g s a n s t a l t. So las man die Weissagungen und Zeugnisse der Bibel vom reich Gottes so, als erfüllten sie sich in der Kirche und als wäre ihre Verwirklichung der Kirche übertragen. Sofern sie sich nun aber wirklich nicht auf die Lage der Kirche anwenden ließen, vergeistigte man sie oder verlegte sie überhaupt von der Erde in den Himmel. Obwohl man also meinte, man sei Israel geworden und erbe der ihm gegebenen Verheißungen, sah man ja doch ein, dass eine Verwirklichung vieler in der Schrift ausgesprochener Weissagungen mit den gegebenen Mitteln des Wortes oder auch der Kirchenzucht und Kirchenregierung nicht möglich sei. Um sie nun nicht überhaupt preiszugeben, verlegte man sie in den Himmel, bzw. wandte sie nur an auf das Seligwerden des einzelnen im Himmel.

Damit verschoben, verwirrten und verliefen sich dann alle biblischen Linien. Wie sehr, das merken wir noch heute daran, wie schwer es uns wird, hier wieder zur Klarheit zu kommen. Wir müssen ja erst wieder gewisse V o r a u s s e t z u n g e n für ein biblisches Bibelverständnis finden. Denn selbstverständlich gibt uns die Bibel kein S y s t e m ihrer Anschauungen - sie tut das so wenig wie die Natur -, aber es liegen ihren Worten gewisse Tatsachen zugrunde, die jenen ihre Gestalt und ihren Inhalt geben. Und diese Tatsachen müssen wieder entdeckt werden. Das kann aber nicht rein gedankenmäßig geschehen, sondern hängt unlöslich mit dem geistlichen Lebensstand der Christenheit zusammen. Es ist hier der einzelne auch an den Gesamtstand gebunden, und er kann sich nur im inneren Zusammenhang mit der Gemeinde von überkommenen Anschauungen freimachen. Paulus schreibt ja Eph 3: Dass ihr begreifen möget m i t allen H e i l i g e n, welches das sei die Breite und die Länge und die Tiefe und die Höhe (der Heilswege Gottes). Aber andererseits soll der einzelne die ihm gewordenen Erkenntnisse, seinen ihm geschenkten geistlichen Lebensstand für die Gesamtgemeinde fruchtbar machen. Auf diesem Wege gibt es Einzel- und Gesamtwachstum.

Wir stehen nun immer noch in grundlegendem Ringen um die Lösung von den falschen Gebundenheiten, und immer wieder will die falsche Einstellung sich in neuen Formen zur Geltung bringen. Ist z. B. die Form der Linienverwirrung, wie wir sie im Katholizismus finden, in der evangelischen Christenheit nicht mehr herrschend, so treten in ihr neue Formen hervor. Eine der neuesten Verwirrungen kommt jetzt aus der angelsächsischen Welt und versucht die ganze sogenannte evangelische Christenheit in ihren Bann zu ziehen. Sie hat ihren Ausdruck gefunden in den großen Kirchenkonferenzen von Stockholm, Lausanne, Jerusalem und verfolgt eine Vereinigung der Kirchen zur Gesamtbeeinflussung der Welt in christlichem Sinne. Daher die sozialen, wirtschaftlichen und politischen Botschaften. Man möchte die Herrschaft Christi auf Erden verwirklichen, etwa nach den Grundsätzen der Bergpredigt, um dann dem wiederkommenden Herrn - soweit man überhaupt damit rechnet - die christlich gewordene Menschheit zu übergeben. Bezeichnend für dies angelsächsische Auffassung ist das auch bei uns in Gemeinschaftskreisen bekannte und zum Teil beliebt gewordene Lied „Den königlichen Schmuck bringt her“, mit dem Kehrreim: „Krönt ihn, krönt ihn, krönt ihn zum Herrscher aller Welt.“ Als wenn Christus von der Menschheit gekrönt würde und nicht vielmehr allein von Gott seine Herrschaft empfinge! Auch das Stockholmer Lied gehört hierher: „O seliger Tag, des in Hoffnung wir harren“; es ist von diesem Gedanken erfüllt, das das Werk des Evangeliums und die Bemühungen der Christenheit darauf hinauslaufen, Gottes Herrschaft auf erden zu gründen zu Einigung der Völker und Überwindung der Sünde.

Als wenn das das Werk der Christenheit wäre und dies nicht vielmehr durch das Wiederkommen Jesu in Zusammenhang mit Israel bewirkt würde Aber in dem Maße wie die Christenheit nicht im wahren Geistesleben, d. h. im Glauben steht, sondern mehr in einer gesetzlichen Stellung zum Evangelium, ist sie gegen solche Verwirrung nie geschützt. Da ist es denn auch kein Wunder, dass die Entwicklungsstufen des Wiederkommens Jesu nicht mehr gesehen wurden. Entweder sah man es nur noch wie einen großen, aber sehr fernen Gerichtsstock, als den letzten Abschluss der ganzen Welt, als den „Jüngsten Tag“ und Weltuntergang. So findet sich die Wiederkunftserwartung Jesu in dem allgemeinen Bekenntnis der Kirche. Oder aber die Erwartung einer persönlichen Wiederkunft Jesu fand überhaupt keinen Raum mehr im Glaubensbewusstsein, sondern die dahingegehenden Aussagen der Schrift wurden geistig umgedeutet. Aus diesen Unklarheiten müssen wir wieder herausfinden und Gottes Geist ist an der Arbeit, uns darin wieder zur ursprünglichen Klarheit der Offenbarung zurückzuführen.
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Unterscheidung Gemeinde und Israel

Aus der Unterscheidung zwischen der Gemeinde und Israel ergibt sich also auch eine Unterscheidung des Wiederkommens Jesu für die Gemeinde und Israel. So gewiss nämlich ein Wiederkommen Jesu für Israel bezeugt wird, ebenso gewiss ein solches für die Gemeinde. Ersteres ergibt sich, wie wir zum Teil schon sahen, aus dem Alten Testament, indem viele dem Volke Israel gegebenen Weissagungen mit dem ersten Kommen Jesu noch nicht erfüllt sind. Dann auch aus den Worten Jesu, unter denen ich besonders seine großen Reden von der Wiederkunft nenne (Mt 24 und Parallelen) Ferner wird das Wiederkommen Jesu zu Israel auch von den Aposteln nach Pfingsten ausdrücklich bezeugt, ja ihre großen Heilsreden haben zum Teil in dieser Bezeugung ihre Spitze. Und endlich ist ihm das ganze letzte Buch der Bibel gewidmet: die Offenbarung Johannis. Und mit diesem Wiederkommen wird dann die Gottesherrschaft auf Reden, werden die „Zeiten der Erquickung“ (Apg 3) in Aussicht gestellt. Nun finden wir aber auch innerhalb der aus den Völkern gesammelten Gemeinde das Zeugnis vom Wiederkommen Jesu. Da ist es nun gebräuchlich geworden, diese beiden Zeugnisse einfach in eins zu setzten, - eben weil man ja von einer Unterscheidung der Gemeinde und Israels nichts mehr wusste.

Das geschah dann nach beiden Richtungen hin die Israel geltenden Zeugnisse wurden auf Jesu Wiederkommen für die Gemeinde bezogen und die auf dem Boden der Gemeinde gegebenen Weissagungen vom Wiederkommen Jesu wie jene verstanden. Man nahm also das, was Mt 24 oder Apg 3 oder in der Offenbarung steht, ohne weiteres als dasselbe an wie das, was z B. 1Kor 15 oder 1Thes 4 vom Wiederkommen Jesu gesagt ist. Um das mit einem praktischen Beispiel zu belegen, das bis heute weithin in der Christenheit Gültigkeit ha: man sucht sich für die Frage nach dem Wiederkommen Jes und den sie ankündigenden Zeichen an Mt 24 zu orientieren. Das Ergebnis ist dann entweder, dass man allerlei „Zeichen der Zeit“ zusammensucht, die beweisen sollen, dass das Kommen des Herrn unmittelbar nahe bevorsteht, oder man sagt umgekehrt die Zeit ist noch nicht da, denn das Evangelium ist n och nicht in der ganzen Welt verkündigt; darum muss eifrig äußere Mission getrieben werden, damit der Herr wiederkommen könne. Ich sage nichts gegen die Mission, aber ihre Begründung mit diesem Beweismittel ist meiner Überzeugung nach eine Verwirrung. Oder, um noch ein anderes ähnliches Beispiel anzuführen, man versucht eine Deutung der Offenbarung Johannis ebenfalls nach den Zeichen der Zeit und versucht festzustellen, was sich in ihren Weissagungen schon erfüllt hat, an welchem ihrer Punkte man sich also befinde. Auch das bringt nur Verwirrung, wie die unzähligen Auslegungen der Offenbarung Johannis beweisen, wo die eine der andern schnurstracks widerspricht und jede behauptet, recht zu haben. Ja, aber warum soll man sich nicht so zu orientieren suchen? Deshalb nicht, weil es weder mit der Wirklichkeit des Geschehens noch mit der Schrift übereinstimmt. Mit der Wirklichkeit des Geschehens nicht, indem in allen weltbewegten Zeiten schon die Hoffnung unter den Frommen gewesen ist, nun sei das Ende da, - und es ist eben doch nicht da gewesen, sondern der Wunsch der Vater des Gedankens.

Und auch mit der Schrift stimmt diese Deutung nicht überein.