Die Vollendung des Gottesreichs

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Abschrift des Buches: Rom - Babel - Jerusalem
Der Weg der Menschheit im Licht der Schrift bis zur Vollendung des Gottesreiches

Verfasser: G. Thaidigsmann (Pfarrer in Waldbach) (1928)
Verlag: Gebrüder Schneider, Karlsruhe i. B.

Inhaltsverzeichnis
Kapitel davor: Das Reich Gottes auf Erden

in Bearbeitung

5. Teil

Die Vollendung des Gottesreiches

Die Schrift redet nicht bloß vom irdischen Jerusalem, sondern auch vom neuen (Offb 21:2). Dieses gehört der neuen Schöpfung an. Es ist das obere Jerusalem, das bis jetzt noch zur himmlischen Welt gehört, das aber, um einen von irdischen Verhältnissen genommenen Ausdruck zu brauchen, auf die neue Erde übersiedelt (Offb 21:2.10), wenn alles neu gemacht wird. Das ist ein großartiges Wort, durch das Erde und die Menschheit hoch geehrt wird. Noch ist die obere Welt die Stätte der Herrlichkeit und der Überwinder. Aber wenn die Erde im Feuer des letzten Gerichts (2Petr 3:10) umgeschmolzen wird, so dass sie neu ist, dann soll die neue Erde die Stätte der Herrlichkeit Gottes werden. Um einen fast zu menschlichen Ausdruck zu brauchen: Gott wird seinen Standort vom Himmel auf die Erde verlegen. Als Gottes Sohn sterbend am Kreuz die Sünde versöhnt hatte, ist er zwar der Erde noch einmal auf einige Zeit ferner getreten; aber der HEILIGE GEIST, der der Geist Gottes ist und Christi hielt auf der Erde seinen Einzug und ist nicht mehr gewichen. Und wenn der Heilige Geist die Gemeinde Jesu gesammelt und einen Rest Israels zum Dienst geheiligt hat, dann wird zu der für ihn bestimmten Zeit auch JESUS der Erde wieder nahe treten, indem er wiederkommt und dann anwesend ist in seiner verklärten Gestalt. Aber das Ziel ist, dass auch GOTT selbst "komme". Denn Gott ist der, welcher war und ist und kommt (Offb 1:8). So hoch will Gott die Erde ehren, nachdem er sie bereits über alles geehrt hat durch die Sendung seines lieben Sohnes. Und alle Gedanken, die nicht fassen können, wie Gott die Erde, die doch nur ein Stäublein ist im ganzen Gebiet der Schöpfung, soll so hoch heben, mögen zur Ruhe kommen angesichts des Wohlgefallens Gottes, der das Niedrige aus dem Staub zu heben liebt.

Das letzte große Christuswerk

Auf der neuen Erde kommt die endgültige Gestalt des Reiches Gottes zustande, welche die völlige, durch nicht gestörte, selig machende Herrschaft des heiligen Gottes zum Ziel hat. Dieses Ziel ist dann erreicht, wenn Christus sein Amt in die Hände des Vaters zurücklegen kann, nachdem er es völlig ausgerichtet hat. Solange übt er es aus. Auch auf der neuen Erde wird es noch Stufen seiner Herrschaft geben, wie es in 1Kor 15:24-28 ausgesprochen wird. Die letzte Aufgabe ist die Ausscheidung des Todes. Das ist eine Aussage von umfassenden Inhalt. Seine Besprechung möge die Grundlage für die Erörterung der letzten Fragen sein, zu denen unser Geist anhand der Schrift vordringen kann. Diejenigen werden recht haben, welche in dem genannten Schriftwort die Aussage finden, dass der Widerstand gegen Gott, auch in seiner gerichteten Gestalt, nicht in Ewigkeit weitergehen werde, sondern einmal zum Aufhören gebracht werde.

Das Wort von der neuen Erde wäre wunderschön, wenn jeder Missklang fehlen würde. Aber beim Beginn der neuen Welt sind noch Misstöne vorhanden (s. Offb 21:8 das große "aber"). Sie rühren daher, dass die alte Welt abschließt mit der letzten großen Empörung Satans, den auch seine Bindung während des 1000-jährigen Reichs nicht zum Aufgeben seines Widerstands gegen Gott bewegen kann (Offb 20:7). Ihm gelingt wieder am Ende des Reichs Gottes auf Erden die Verführung eines großen Teils der Menschheit. Die Missklänge rühren her vom Urteilsspruch beim Jüngsten Gericht, bei welchem es auch Verurteilte gibt, die vom Reich ausgeschlossen werden. Sie rühren davon her, dass von der alten Erde her die Hölle übrig bleibt, in welche die Verurteilten verwiesen werden. Unter Hölle ist hier nicht der Hades verstanden, die Totenwelt, von der früher die Rede war, sondern die Hölle im eigentlichen Sinn. Der Hades ist in der neuen Schöpfung nicht mehr vorhanden. Es mag sein, dass die Geretteten nicht unter dem Zwiespalt leiden müssen; aber für uns, die wir dem Schriftwort nachsinnen, ist dieser Zwiespalt vorhanden; und wir sollen ihn sehen, uns selber zur Warnung. Dort in der Hölle ist auch in der neu gewordenen Welt das Leiden, die Unseligkeit. Dort herrscht noch der Widerspruch gegen Gott. Dort regiert noch der Tod, und zwar nicht nur bei der unseligen Geisterwelt, sondern auch bei dem im Gericht verurteilten Teil der Menschheit, der von Christi Angesicht weg verwiesen ist. Die große Frage ist nun die, ob dieser Zwiespalt in der neuen Welt immer fortgehen werde, oder ob er zu den Dingen gehöre, die durch Christi Herrscheramt überwunden werden. Es heißt ja in 1Kor 15, dass die Herrschaft Gottes, sein Reich erst dann zum Ziel gelangt sei, wenn auch der Tod als letzter Feind aufgehoben sei. Wird der Widerstand gegen Gott in der neuen Welt überwunden werden?

Es gibt zweierlei Widerstand gegen Gott: solchen, der sich noch austoben darf und kann; und solchen der gerichtet ist. Zwar steht auch der tätige Widerstand gegen Gott bereits unter dem Gericht Gottes. Gott kann über das Toben der Völkerwelt und über die Aufbietung aller menschlichen Machtmittel gegen ihn lachen (Ps 2:1-4). Sie stören seinen Plan und hindern ihn; aber sie verhindern ihn nicht. Auch der Fürst dieser Welt ist seit Golgatha gerichtet. Doch ist den menschlichen und satanischen Widerstandskräften vorderhand trotz des Urteilsspruchs über sie noch Spielraum gelassen. Es kommt die Zeit, da da Gericht über sie vollzogen wird (Ps 2:5). Da wird der Widerstand zur Ohnmacht. Er kann sich nicht mehr austoben. Der Widerstand des Willens geht weiter, nur kann er sich nicht mehr gegen Gott betätigen. Ohnmächtiger Willenswiderstand, zumal wenn er unter dem Gericht steht, muss etwas Furchtbares sein. Das ist ein Sterben müssen ohne sterben zu wollen; ein innerliches sich Verzehren ohne die Möglichkeit, den Grimm nach außen ableiten zu können.

So gibt es innerhalb der neuen Schöpfung noch ein Gebiet, die Hölle, das zwar der Herrschaft Gottes unterworfen, aber ihr nicht untergeben ist. In diesem Gebiet herrscht zwar der Todeszustand; aber der Tod selber ist damit nicht überwunden. Und doch soll der Tod aufgehoben werden. Würde der ohnmächtige Widerstand gegen Gott in Ewigkeit weitergehen, so wäre das Ziel nicht erreicht, dass Gott alles sei in allen und in allem. Eine Aufhebung, eine Vernichtung des Todes in dieser Welt des gerichteten Widerstandes ist nur auf zwei Weisen denkbar: entweder so, dass unter dem furchtbaren Eindruck des andauernden Gerichts die Fruchtlosigkeit des inneren Widerstands erkannt und aufgegeben wird und dann auch auf diesem Todesgebiet das Leben wiederkehrt in schamroter Beugung unter Gottes Heiligkeit; oder so, dass der Todeszustand sich auswirkt zu völliger Ertötung, sei's dass diese unseligen Höllen- und Menschengeister in dem Abschluss vom Leben Gottes sich schließlich selber verzehren, sei's dass ihnen das längst verwirkte Leben entzogen wird. Wenn dieses Todesgebiet in der neuen Schöpfung den einen oder andern Ausgang findet, dann ist der Tod auch vernichtet, und der Widerstreit gegen Gott hat ganz aufgehört. Christi Aufgabe ist dann vollendet. Das ganze All ist zum Herrschaftsgebiet Gottes geworden. Er hat es in Gottes Auftrag und im Gehorsam gegen ihn und in seiner Kraft dazu gemacht. Nun kann er selbst zurücktreten. Das Wort am Kreuz: "das Werk ist getan" wird sich noch einmal wiederholen auf höherer Stufe, mit Freuden, ohne Leiden. Und unter dem Vater im Kreis der vielen nachgeborenen Brüder findet der Sohn sein volles Genüge.

Die Aufhebung des Todes

Inneres Absterben Absterben oder Vernichtung wäre ein schwerer Ausgang des Wiederstrebens gegen Gott. Späte Umkehr aus dem Feuer mit Schande des überlangen Widerstrebens ist auch schwer. Trotzdem wäre das letztere ein befriedigender Ausklang des Ringens Gottes mit dem Bösen. Wenn dieses Ringen nach dem Aufhören des letzten verzweifelten Widerstands noch in Begnadigung der bis dahin Widerstrebenden ausginge, dann würde die letztere vielleicht auch die unselige Geisterwelt mit umfassen, nicht bloß die im letzten Gericht verurteilte Menschenwelt. Wäre dies der Ausgang, so würde es dem innersten Empfinden der meisten wohltun, die solche Fragen schon innerlich bewegt haben. Nur haben wir an Gott gar nicht die Erwartung zu stellen, dass er es so machen MÜSSE. Denn wir ermessen auch bei uns selbst dir Furchtbarkeit des Widerstrebens und des Widerstandes gegen Gott viel zu wenig und bedenken viel zu wenig, wieviel Geduld und Erbarmen sich unserm eigenen Leben schon zugewandt hat, dass es überhaupt noch Empfänglichkeit für Gott aufweist und unter dem Ernst der Heiligkeit Gottes noch nicht unterging. Vollends für den Satan und die ganze höllische Geisterwelt zu sorgen, dass sie noch gerettet werde, dazu haben wir keinen Grund und Auftrag. Die höllische Welt würde über solche Fürsorge lachen und uns mitsamt der Fürsorge für sie in ihren Widerstand gegen Gott und ihr Verderben hineinzuziehen suchen. Es wird gut sein, sich vor solchen weichen und doch ungöttlichen Gemütswallungen in acht zu nehmen. Was in unserer Zeit und noch mehr in der kommenden Zeit nötig ist, ist nicht Mitleid mit dem Feind Gottes und der Menschen, als widerführe ihm etwas Sonderliches, wenn er dem Gericht Gottes anheim fällt, sondern Loslösung, Losschälung von diesem Feind, mag's kosten was es will, auch wenn viel Lust und Freude dahinten bleiben muss; Deckung gegen seinen Zugriff, nicht durch untaugliche Mittel, sondern durch das allein wirksame, dass wir uns Gott und Christo nahen, so wie Christus und in ihm Gott sich uns genaht haben und nahen; Stehenbleiben und Widerstehen in der Kraft Gottes und mit den dem Glauben dargereichten Schutz- und Widerstandswaffen; rasche Umkehr, wenn gesündigt worden ist.

Was Christus mit seinen Feinden machen will, das weiß er selber; wir brauchen ihm da nicht zu raten. Will er seine Kreuzesgnade so weit erstrecken, dass er auch über solchen aufs Äußerste gediehenen und dann erst unter seiner Fruchtlosigkeit zusammengebrochenen Widerstand sich noch erbarmen will, und dass er Gott noch eine ganz späte Frucht seines Kreuzes darbringt, dann ist er zu preisen um der gleichen Gnade willen, die er uns erwiesen hat. Denn schuldhaft war unser Widerstand auch. Und wenn er kürzer dauerte und sich nicht bis zum höchsten Grad versteifte, so war auch das eine Folge seines Erbarmens und ist kein Grund zum Selbstruhm. Und wenn er den Widerstand, der bis zum letzten Gericht sich nicht beugte - auch nicht in der Totenwelt, beim Satan auch nicht während seiner Verurteilung zur Ohnmacht während der Dauer des 1000-jährigen Reichs - endlich sich selbst verzehren ließe bis zur Selbstvernichtung oder wenn er schließlich das Todesurteil vollziehen würde, dann müssten die Geretteten noch hintendrein erschrecken über die Gefahr, der sie entgangen sind dank der Gnade, und müssten die ihnen widerfahrene Barmherzigkeit preisen.

Aber ist der Ausgang des gerichteten Widerstands gegen Gott nicht noch viel ernster? Bei den beiden bisher erwogenen Möglichkeiten hört er schließlich auf, weil er aufgegeben wird und weil der Widerstrebende dem endgültigen Tod überliefert wird. Sagt aber die Schrift nicht von einer Fortdauer des Gerichts über die Gerichteten ohne Ende und von ihrer immer währenden Qual? Die Frage ist ernst nicht nur, weil die Annahme eines immer währenden Reiches der Qual neben dem Reich der Herrlichkeit das Gemüt bedrückt, sondern namentlich auch, weil die Stellung zur Schrift von dieser Frage so sehr berührt wird. Das Verlangen, der Schrift die Treue zu halten und das Bedürfnis des Gemüts können in einen schweren Widerstreit miteinander geraten.

Es ist aber eine große Frage, ob die Schrift richtig verstanden ist, wenn man in ihr die Endlosigkeit der Höllenstrafen ausgesprochen findet. Eine eingehende Erörterung der scheinbar in diese Richtung weisenden biblischen Aussagen findet sich in der schon genannten Schrift des Evangelisten Samuel Keller über das Los der Toten, von einem Mann, dem es ein großes Anliegen ist, die Schrift als Schrift zu ehren. Was es für den der Ursprachen der Bibel, des Hebräischen und Griechischen, nicht mächtigen Bibelleser schwer macht, in diesen Stücken klar zu sehen, sind einige sprachliche Mängel der Lutherbibel, die in guten neueren Übersetzungen, z. B. in der von Menge, in der Hauptsache ausgemerzt sind. Es ist hauptsächlich die dem eigentlichen Sinn nicht immer entsprechende Wiedergabe der griechischen Worte "Hades" und "Äon". Das erstere gibt Luther mit "Hölle" wieder; das letzter bald mit "Welt", bald mit "Ewigkeit". Die Bibel redet sehr ernst von der Hölle; aber der Hades ist nicht das gleiche, sondern wäre besser mit "Totenwelt" zu übersetzen. Und "Äon" bedeutet nur dann Ewigkeit, wenn es von Gott ausgesagt wird; sonst bedeutet es eine längere Zeit, die über das Menschenmaß hinausgeht, die aber dem, was wir "Ewigkeit" nennen, nicht gleichkommt. Das wird schon klar an der einfachen Wahrnehmung, dass das Wort "Äon" oft in der Mehrzahl gebraucht wird. Hätte das Wort "Äon" wirklich nur EINE Bedeutung "Ewigkeit", dann fänden sich in der Schrift auch Ausdrücke wie "vor den Ewigkeiten", "bis in die Ewigkeiten der Ewigkeiten".

Die Äonen

Die Wichtigkeit des Gegenstandes wird es rechtfertigen, wenn noch ein wenig dabei verweilt wird unter Beziehung einiger Schriftstellen: 1Kor 2:7: "Vor den Äonen hat Gott seine geheimnisvollen, verborgenen Weisheitsabsichten, die unsere Verherrlichung im Sinn haben, in Voraus festgelegt." Würde das Wort Äon nur Ewigkeit bedeuten, dann würde der Satz unverständlich; denn dann würde er ja heißen "vor den Ewigkeiten" hat Gott unsere Verherrlichung im Sinn gehabt. Luther hat übersetzt: "vor der Welt", d.h. vor Erschaffung der Welt; den Sinn hat er damit gut getroffen; aber eine wörtliche Übersetzung ists nicht. Menge hat übersetzt: "vor aller Zeit". Was ist der Sinn des obigen Ausdrucks" Da wird unterschieden zwischen der Ewigkeit Gottes und zwischen den Zeiten der geschaffenen Welt. Die Ewigkeit Gottes vor aller Zeit können wir zeitlich gewordenen Geschöpfe mit unserem Geist nicht mehr durchdenken, aber das können wir fassen, dass es bereits vor dem gegenwärtigen Zeitlauf Zeiträume von großem Umfang gegeben hat. Jedoch bereits vor diesen Zeiträumen, als nur der Sohn da war, noch ehe es Geschöpfe gab, noch ehe es Engel gab, als noch kein Himmel und noch keine Erde da war, schon damals hat Gott seinen Heilsratschluss festgelegt. Der Gedanke liegt nahe, dass man wie es eine Zeit VOR diesen Äonen gab, so auch von einer Zeit NACH den Äonen reden könne: wenn der gegenwärtige Zeitlauf zu Ende ist, wenn die neue Schöpfung vorhanden ist, dann dehnen sich die Äonen noch bis in die fernsten Zeiten; und erst, was dahinter kommt, ist die Ewigkeit im strengen Sinn des Wortes. - Öfter ist in der Schrift die Rede von "diesem Äon" und vom "kommenden Äon".

Luther sagt dafür nicht ganz dem Sinn entsprechend: "dies Welt" und "jene Welt". Die richtige Übersetzung wäre "der gegenwärtige Zeitlauf" und "der kommende". "Der jetzige Zeitlauf" umfasst die Zeit bis zum Kommen des Gottesreichs; "der kommende Zeitlauf2" ist die Zeit vom Offenbarwerden Christi an. - Besonders wichtig ist der Ausdruck "in die Äonen der Äonen", den Luther so wiedergibt: "von Ewigkeit zu Ewigkeit". Hinter diesem Ausdruck der Lutherbibel vermutet man die Bedeutung: "auf immer", "ohne Aufhören". Nun soll nicht bestritten werden, dass man diesen Sinn dahinter finden kann, und dass an manchen Stellen der Sinn zugrunde zu liegen scheint: "in alle Ewigkeit" Aber nicht notwendig muss der Ausdruck so aufgefasst werden. Der nächste Sinn ist der: zwischen dem gegenwärtigen Zeitlauf und zwischen der Ewigkeit im strengen Sin des Wortes gibt es noch große Zeiträume, die selber wieder kleinere Zeiträume einschließen. Eine wörtliche Übersetzung könnte lauten: "bis zu den Zeitabschnitten der noch kommenden Zeiträume"; eine freiere Übersetzung: bis in ganz ferne Zeiten". Also die Ewigkeit in strengem Sinn des Wortes muss in dem Ausdruck "bis in die Äonen der Äonen", den Luther "von Ewigkeit zu Ewigkeit" wiedergibt, gar nicht enthalten sein.

An diesen Darlegungen könnte die Angst entstehen, ob in der Schrift von Ewigkeit überhaupt gesprochen werde. Freilich. Wenn von Gott die Rede ist, bedeutet das Wort Äon die Ewigkeit in vollem Sinn. Gott ist der Ewige und seine Jahre nehmen kein Ende. Ebenso wird die Ewigkeit im Vollsinn allen denen zuteil, die Christi Jünger und Gottes Kinder werden. Denn denen gehört alles, was der Vater und der Sohn hat. Die Lage wird aber anders, wenn es sich um Wesen und um Zustände handelt, die fern von Gott sind und sein müssen. In solchen Fällen ist Ewigkeit etwas Entsetzliches; und in diesen Fällen ist durch den Gebrauch des Wortes "Äonen" die Ewigkeit nicht gefordert, sondern da bedeutet der Ausdruck Zeiten von längerer Dauer, wie es solche namentlich in der neuen Welt geben wird.

Eine schlichte, aber gerade in ihrer Schlichtheit eindrucksvolle Benennung Gottes möge noch genannt sein. In dem Lobpreis Gottes, zu dem sich Paulus beim Rückblick auf die Zeiten seines Lebens gedrängt fühlte (1Tim 1:17), wird Gott der König der Äonen genannt, dem Ehre und Preis gebühre in die Äonen der Äonen. Luthers Übersetzung: "der ewige König" wird der Lebensfülle nicht genügend gerecht, die in der Benennung "König der Zeiten" enthalten ist. Sie ist eine Auslegung des Namens Jehova, die ihn in seiner allen Wechsel der Zeiten überdauernden und überragenden Herrlichkeit und Treue preist. Es gibt einen König, der nie stirbt, dessen Thron ohne Wanken steht durch alles Geschehen hindurch. Und noch mehr: dieser König schuf und schafft die Zeiten und durchwaltet sie mit seinem heiligen und heilschaffenden Regiment. Und wie er die großen Zeiten in seiner Hand hält, so auch die kleinen Zeiten des einzelnen Menschenlebens, das von ihm stammt und sich an ihn kettet. Weil der Sohn auch der Mittler der Schöpfer ist und der Wirker der Werke Gottes bis zu ihrer Vollendung, deshalb passt die Benennung für den Herrn Jesus Christus geradeso wie für den Vater. H. Reich hat im Anschluss an das Schiffsbrüchigenlied von Rud. Kögel der Gemeinde Jesu den folgenden Lobpreis in den Mund gelegt.

Wir sind dein Volk im Strom der Zeiten, du aller Zeiten Meister;
Wir sind dein Volk in Ewigkeit, du König aller Geister!
Und du bist unser O und A, du Anfang und du Ende.
Hoch ragt das Kreuz von Golgatha ob aller Zeiten Wende!

Der Anlass für die Ausführungen über den biblischen Ausdruck "Äon" war die Frage, ob die Bibel wirklich die Ewigkeit der Höllenstrafen lehrt. Dass sie von Gott die Ewigkeit aussagt im vollen Sinn des Wortes und ebenso vom Reich Gottes und von den Gliedern des Reiches Gottes, das ist gewiss. Wer des ewigen Lebens im Reich Gottes teilhaftig geworden ist, ist allem Vergehen und Verderben entnommen; der ist vor Gottes Angesicht, nicht nur so lange die Äonen sich dehnen, sondern auch, wenn sie als Zeitstufen zu Ende gegangen sind, und alle Zeit eingegangen ist in die Ewigkeit; wenn einmal alles wirken Gottes von seiner Ruhe abgelöst ist. Gewiss wird auch die Ruhe Gottes und seines Reiches bewegte Lebendigkeit sein; aber das Ziel ist dann erreicht; die "Geschichte" ist abgeschlossen. Es wird wieder sein, wie es war vor aller Zeit, vor dem großen Schaffen und Wirken GottesM nur dass das Ergebnis all der bewegten Zwischenzeit, derer Mittelpunkt das Kreuz auf Golgatha ist, hineingenommen ist in diese Ruhe Gottes und an ihr teilhat. Unserem schwachen Sinn fehlen an diesem Punkt nicht bloß die Worte, es fehlt auch die Möglichkeit des Erfassens. "Wenn das Vollkommene kommen wird, dann wird das Stückwerk aufhören". Wenn Gott uns ganz zu sich hergezogen hat und wir uns ganz haben ziehen lassen, dann werden wir nicht bloß bei ihm und bei Christo sein, sondern auch ihn und alles verstehen nach dem Maß unseres Erkanntseins durch ihn.

Aber entsetzlich wäre schon die Vorstellung, dass die Qual des Ausgeschlossenseins von ihm in die eigentliche Ewigkeit hinein und durch sie hindurch wäre. Da bietet sich zum Verständnis die richtige Bedeutung des Wortes "Äon" an. Das Ausgeschlossensein kann durch die Äonen hindurchgehen, die dem gegenwärtigen Weltlauf folgen und der eigentlichen Ewigkeit vorausgehen. Wenn diese Äonen zu Ende gegangen sind, dann gibt es kein Gebiet der Schöpfung mehr, das außerhalb von Gottes Reich wäre. Entweder haben sie aus ihrer nach dem letzten großen Gericht in die Äonen hinein dauernden Qual der Entfernung von Gott den Rückweg zu ihm gesucht und gefunden und sind als die letzten noch angenommen worden. Oder habe sie sich in ihrem Todeszustand, abgeschnitten von der Lebenszufuhr von Gott, verzehrt, oder sind sie von Gott dem endgültigen Tod ausgeliefert worden. Dann ist der Tod verschwunden. Der treue Knecht Gottes, Jesus Christus, hat sein Werk ganz getan und übergibt alles in des Vaters Hände. Nun ist am Ende der Äonen, nach den Äonen, der eigentliche Äon angebrochen, der Äon Gottes, die Ewigkeit. D ist Gott wirklich alles in allen und in allem.

Vertragen sich einige Schriftstellen von ausgeprägter Art mit den ausgeführten Gedanken über Zeit und Ewigkeit im biblischen Sinn? So die tiefernste Stelle, mit denen Jesus seinen Unterricht über die letzten Dinge geschlossen und damit überhaupt sein Wort vor dem Eintritt seines Todesleidens beendigt hat, Mt 25:46: "und dann (wenn nämlich das Urteil gesprochen ist) werden sie wegtreten (nämlich vom Richterthron; der Sinn kann aber auch sein: dann werden sie auseinandergehen; nämlich die Gesegneten und die Verfluchten - denn beieinander bleiben, wie noch vor dem Thron, trotz der Gegenüberstellung, dürfen und können sie nicht); die einen zu ewiger Bestrafung (das Wort "Pein" in der Lutherbibel entspricht dem Sinn des griechischen Wortes nicht ganz), die Gerechten aber zum ewigen Leben"? Als Strafort und Strafart ist genannt das ewige Feuer, das bereitgestellt, bestimmt für den Teufel und seine Engel. Dieses Wort Jesu soll seines tiefen Ernstes nicht entkleidet werden, sonst lädt man einen große Schuld auf sich. Es wird bei letzten Gericht zu einer großen Scheidung kommen, auch von solchen, die in der irdischen Welt und Zeit ganz nahe beieinander waren. Die einen stehen nach dem letzten Gericht unter dem Fluch Gottes, die andern unter seinem Segen. Der Trennungsstrich wird gerecht, aber scharf gezogen werden. Wenn er jetzt bereits gezogen würde, wohin würde ich gewiesen? Es muss einst furchtbar sein, angesichts der ewigen Freude der Erlösten dahin zu gehen im Fluch und in den Fluch. Es muss furchtbar sein, der teuflischen Welt zugeteilt zu werden mit ihren uns jetzt noch nicht ganz bekannten Schrecken. Es muss furchtbar sein, der Strafe zu verfallen mit dem Bewusstsein, sie selbst herbeigeführt und verschuldet zu haben. Es muss furchtbar sein, wegzugehen ohne Hoffnung.

Die Verfluchten werden bei ihrem Weggehen keine Hoffnung haben; aber hat GOTT das Tor für alle Ewigkeiten geschlossen? Samuel Keller hat nicht unrecht, wenn er in seinem bereits genannten Buch sagt: der Strafe (und so wird ja die Pein der Verfluchten genannt) sei eigentlich die zeitliche Begrenzung eigen. Eine endlose Strafe für ein Vergehen mit zeitlichen Begrenzung tue nicht nur dem natürlichen Empfinden, sondern auch dem Rechtsgefühl weh. Aber muss nicht das natürliche Gefühl und das Rechtsgefühl, obwohl es angesichts der Heiligkeit Gottes besondern ernst sich regt, zum Schweigen gebracht werden angesichts der bestimmten Aussage "ewige" Strafe? Und wenn die Strafe trotzdem als begrenzt anzunehmen wäre, wäre dann nicht auch das Leben der Erlösten als begrenzt anzunehmen, so dass sie nicht immer bei Gott und Christus sein dürften? Es steht ja das Wort "ewig" gleichlautend neben Strafe und neben Leben. Keller verweist in letzter Hinsicht auf eine Bemerkung des ehrwürdigen altwürttembergischen Schriftforschers Bengel, der sage, das Wort "ewig" habe in diesem Vers, trotzdem es so nahe beieinander stehe, und obwohl es gleichbedeutend gebraucht scheine, nicht ganz den gleichen Sinn. Unserer deutschen Sprache fehlt ein Wort, das den unterschiedlichen Sinn in einer Benennung zusammenfasst. Wir müssen es unübersetzt lassen, wenn wir es begreifen wollen: "äonisch: "die einen gehen in die äonische Strafe, die andern ins äonische Leben. "Was soll aber das heißen?"

Es wird hier die äonische Strafe und da äonische Leben von der dann abgeschlossenen Strafe und dem dann abgeschlossenen Leben unterschieden. Wann wird der schärfste Trennungsstrich gezogen werden? Nicht beim leiblichen Sterben, wiewohl der Tod einen tiefen Einschnitt bedeutet. E s gibt aber einen noch tieferen Einschnitt: das ist das letzte Gericht. Der Tod ist der tiefe Einschnitt für den Einzelnen, der bald da, bald dort, in jedem Augenblick, gemacht wird in ununterbrochener Folge. Das letzte Gericht dagegen macht den Schnitt gleichzeitig für alle. Vor dem letzten Gericht liegt das irdische Leben und der Aufenthalt in der Totenwelt (bei den schon vor dem letzten Gericht zur Vollendung Gelangten das Leben im Himmel und das Leben mit dem wiederkommenden Herrn auf der Erde in verklärter Gestalt), diese beiden Abschnitte gehören zusammen trotz zu nennen ist auch die Zwischenzeit zwischen Tod und Gericht, selbst wenn sie sich für den älteren Teil der Menschheit bereits in die Jahrtausende gedehnt hat. Für uns Heutige dehnt sich die Zwischenzeit nicht mehr so lange; denn wen Christus gekommen ist, geht es über das 1000-jährige Reich hinüber rasch dem letzten Gericht entgegen. Bereits in dieser Zeit vor dem Gericht gibt es Leben und gibt es Strafe. Nicht bloß das naturhafte Leben, sondern Leben aus Gott, in der irdischen Lebenszeit, und bei den Vollendeten in ihrem leiblosen Zustand und erst recht in ihrer verklärten Gestalt. Und Strafe gibt es auch, hier und in der Totenwelt; in der letzteren in abgestuftem Maß: bei den einen in peinlichen Nöten (so bei dem Reichen in Lk 16:19-31), bei den anderen im schmerzlichen Ablegen von Gebundenheiten, im Entbehren der vollen Gottesgemeinschaft und im Harren müssen auf sie. Aber beides, das Leben und die Strafe, ist vor dem letzten Gericht nicht "äonisch" sie gehen noch nicht über das gewöhnliche Zeitmaß hinaus.

Anders wird es beim jüngsten Gericht. Die Totenwelt, der Hades ist dann nicht mehr. Er hat die dort Verwahrten hergeben müssen vor Christi Richterthron, wo über sie die Entscheidung fällt. Mit Dank und Freude werden viele sich dann in Gottes Reich herbeigerufen hören; Jesus hat in der Beschreibung des letzten Gerichts Mt 25:31-46 auch die freudige Überraschung beschrieben, die dann laut werden wird nach schmerzlichem Harren, nicht bloß das peinliche Gefühl derer, denen das Erbarmen und die Freundlichkeit entzogen wird. Den dann zu Gott und in Gottes Reich Gerufenen öffnet sich das Leben zur Gemeinschaft mit Gott und Christus. Und weil Gott und Christus ewig bleiben, ist auch das Leben, in welches SIE eingehen, ewig im vollen Sinn des Wortes. für die anderen dagegen beginnen nun,nach der verhältnismäßig kurzen Spanne der irdischen Zeit und der Zwischenzeit, die "Äonen" mit ihren längeren und kürzeren Zeiträumen und es beginnt eine Pein, die "in den Äonen der Äonen"währen kann; wir könnten in unserer Sprechweise sagen: bis in die fernsten Zeiten, soweit man überhaupt noch von Zeit reden kann. Diese Strafe ist nicht Leben, sondern Tod - Tod hier im tiefen göttlichen Sinn gefasst. Mit dem Sich-schämen-müssen, mit der Strafe des bösen Gewissens begann im Paradies der Tod. Er setzte sich fort mit Gottes irdischen Strafen und im Sterbenmüssen. Er kann sich fortsetzten über den leiblichen Tod hinüber in der Totenwelt, wo die Gemeinschaft mit Gott fehlt, auch wenn es dort Lebens- und Lichtzuflüsse von Gott gibt. Der Tod hat aber zwei Ausprägungen. Die eine Ausprägung wurde eben beschrieben, die andere Ausprägung des Todes ist die Strafe der im letzten Gericht dem Fluch Anheimfallenden. Sie erfolgt am Ort der Qual. Die Zuteilung an diesen Ort am letzten Gericht wird in Offb 20:14 der zweite Tod genannt.

Das große Endziel