Die Vollendung des Gottesreichs

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Version vom 16. April 2020, 17:58 Uhr von MI (Diskussion | Beiträge) (Die Aufhebung des Todes)

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Abschrift des Buches: Rom - Babel - Jerusalem
Der Weg der Menschheit im Licht der Schrift bis zur Vollendung des Gottesreiches

Verfasser: G. Thaidigsmann (Pfarrer in Waldbach) (1928)
Verlag: Gebrüder Schneider, Karlsruhe i. B.

Inhaltsverzeichnis
Kapitel davor: Das Reich Gottes auf Erden

in Bearbeitung

5. Teil

Die Vollendung des Gottesreiches

Die Schrift redet nicht bloß vom irdischen Jerusalem, sondern auch vom neuen (Offb 21:2). Dieses gehört der neuen Schöpfung an. Es ist das obere Jerusalem, das bis jetzt noch zur himmlischen Welt gehört, das aber, um einen von irdischen Verhältnissen genommenen Ausdruck zu brauchen, auf die neue Erde übersiedelt (Offb 21:2.10), wenn alles neu gemacht wird. Das ist ein großartiges Wort, durch das Erde und die Menschheit hoch geehrt wird. Noch ist die obere Welt die Stätte der Herrlichkeit und der Überwinder. Aber wenn die Erde im Feuer des letzten Gerichts (2Petr 3:10) umgeschmolzen wird, so dass sie neu ist, dann soll die neue Erde die Stätte der Herrlichkeit Gottes werden. Um einen fast zu menschlichen Ausdruck zu brauchen: Gott wird seinen Standort vom Himmel auf die Erde verlegen. Als Gottes Sohn sterbend am Kreuz die Sünde versöhnt hatte, ist er zwar der Erde noch einmal auf einige Zeit ferner getreten; aber der HEILIGE GEIST, der der Geist Gottes ist und Christi hielt auf der Erde seinen Einzug und ist nicht mehr gewichen. Und wenn der Heilige Geist die Gemeinde Jesu gesammelt und einen Rest Israels zum Dienst geheiligt hat, dann wird zu der für ihn bestimmten Zeit auch JESUS der Erde wieder nahe treten, indem er wiederkommt und dann anwesend ist in seiner verklärten Gestalt. Aber das Ziel ist, dass auch GOTT selbst "komme". Denn Gott ist der, welcher war und ist und kommt (Offb 1:8). So hoch will Gott die Erde ehren, nachdem er sie bereits über alles geehrt hat durch die Sendung seines lieben Sohnes. Und alle Gedanken, die nicht fassen können, wie Gott die Erde, die doch nur ein Stäublein ist im ganzen Gebiet der Schöpfung, soll so hoch heben, mögen zur Ruhe kommen angesichts des Wohlgefallens Gottes, der das Niedrige aus dem Staub zu heben liebt.

Das letzte große Christuswerk

Auf der neuen Erde kommt die endgültige Gestalt des Reiches Gottes zustande, welche die völlige, durch nicht gestörte, selig machende Herrschaft des heiligen Gottes zum Ziel hat. Dieses Ziel ist dann erreicht, wenn Christus sein Amt in die Hände des Vaters zurücklegen kann, nachdem er es völlig ausgerichtet hat. Solange übt er es aus. Auch auf der neuen Erde wird es noch Stufen seiner Herrschaft geben, wie es in 1Kor 15:24-28 ausgesprochen wird. Die letzte Aufgabe ist die Ausscheidung des Todes. Das ist eine Aussage von umfassenden Inhalt. Seine Besprechung möge die Grundlage für die Erörterung der letzten Fragen sein, zu denen unser Geist anhand der Schrift vordringen kann. Diejenigen werden recht haben, welche in dem genannten Schriftwort die Aussage finden, dass der Widerstand gegen Gott, auch in seiner gerichteten Gestalt, nicht in Ewigkeit weitergehen werde, sondern einmal zum Aufhören gebracht werde.

Das Wort von der neuen Erde wäre wunderschön, wenn jeder Missklang fehlen würde. Aber beim Beginn der neuen Welt sind noch Misstöne vorhanden (s. Offb 21:8 das große "aber"). Sie rühren daher, dass die alte Welt abschließt mit der letzten großen Empörung Satans, den auch seine Bindung während des 1000-jährigen Reichs nicht zum Aufgeben seines Widerstands gegen Gott bewegen kann (Offb 20:7). Ihm gelingt wieder am Ende des Reichs Gottes auf Erden die Verführung eines großen Teils der Menschheit. Die Missklänge rühren her vom Urteilsspruch beim Jüngsten Gericht, bei welchem es auch Verurteilte gibt, die vom Reich ausgeschlossen werden. Sie rühren davon her, dass von der alten Erde her die Hölle übrig bleibt, in welche die Verurteilten verwiesen werden. Unter Hölle ist hier nicht der Hades verstanden, die Totenwelt, von der früher die Rede war, sondern die Hölle im eigentlichen Sinn. Der Hades ist in der neuen Schöpfung nicht mehr vorhanden. Es mag sein, dass die Geretteten nicht unter dem Zwiespalt leiden müssen; aber für uns, die wir dem Schriftwort nachsinnen, ist dieser Zwiespalt vorhanden; und wir sollen ihn sehen, uns selber zur Warnung. Dort in der Hölle ist auch in der neu gewordenen Welt das Leiden, die Unseligkeit. Dort herrscht noch der Widerspruch gegen Gott. Dort regiert noch der Tod, und zwar nicht nur bei der unseligen Geisterwelt, sondern auch bei dem im Gericht verurteilten Teil der Menschheit, der von Christi Angesicht weg verwiesen ist. Die große Frage ist nun die, ob dieser Zwiespalt in der neuen Welt immer fortgehen werde, oder ob er zu den Dingen gehöre, die durch Christi Herrscheramt überwunden werden. Es heißt ja in 1Kor 15, dass die Herrschaft Gottes, sein Reich erst dann zum Ziel gelangt sei, wenn auch der Tod als letzter Feind aufgehoben sei. Wird der Widerstand gegen Gott in der neuen Welt überwunden werden?

Es gibt zweierlei Widerstand gegen Gott: solchen, der sich noch austoben darf und kann; und solchen der gerichtet ist. Zwar steht auch der tätige Widerstand gegen Gott bereits unter dem Gericht Gottes. Gott kann über das Toben der Völkerwelt und über die Aufbietung aller menschlichen Machtmittel gegen ihn lachen (Ps 2:1-4). Sie stören seinen Plan und hindern ihn; aber sie verhindern ihn nicht. Auch der Fürst dieser Welt ist seit Golgatha gerichtet. Doch ist den menschlichen und satanischen Widerstandskräften vorderhand trotz des Urteilsspruchs über sie noch Spielraum gelassen. Es kommt die Zeit, da da Gericht über sie vollzogen wird (Ps 2:5). Da wird der Widerstand zur Ohnmacht. Er kann sich nicht mehr austoben. Der Widerstand des Willens geht weiter, nur kann er sich nicht mehr gegen Gott betätigen. Ohnmächtiger Willenswiderstand, zumal wenn er unter dem Gericht steht, muss etwas Furchtbares sein. Das ist ein Sterben müssen ohne sterben zu wollen; ein innerliches sich Verzehren ohne die Möglichkeit, den Grimm nach außen ableiten zu können.

So gibt es innerhalb der neuen Schöpfung noch ein Gebiet, die Hölle, das zwar der Herrschaft Gottes unterworfen, aber ihr nicht untergeben ist. In diesem Gebiet herrscht zwar der Todeszustand; aber der Tod selber ist damit nicht überwunden. Und doch soll der Tod aufgehoben werden. Würde der ohnmächtige Widerstand gegen Gott in Ewigkeit weitergehen, so wäre das Ziel nicht erreicht, dass Gott alles sei in allen und in allem. Eine Aufhebung, eine Vernichtung des Todes in dieser Welt des gerichteten Widerstandes ist nur auf zwei Weisen denkbar: entweder so, dass unter dem furchtbaren Eindruck des andauernden Gerichts die Fruchtlosigkeit des inneren Widerstands erkannt und aufgegeben wird und dann auch auf diesem Todesgebiet das Leben wiederkehrt in schamroter Beugung unter Gottes Heiligkeit; oder so, dass der Todeszustand sich auswirkt zu völliger Ertötung, sei's dass diese unseligen Höllen- und Menschengeister in dem Abschluss vom Leben Gottes sich schließlich selber verzehren, sei's dass ihnen das längst verwirkte Leben entzogen wird. Wenn dieses Todesgebiet in der neuen Schöpfung den einen oder andern Ausgang findet, dann ist der Tod auch vernichtet, und der Widerstreit gegen Gott hat ganz aufgehört. Christi Aufgabe ist dann vollendet. Das ganze All ist zum Herrschaftsgebiet Gottes geworden. Er hat es in Gottes Auftrag und im Gehorsam gegen ihn und in seiner Kraft dazu gemacht. Nun kann er selbst zurücktreten. Das Wort am Kreuz: "das Werk ist getan" wird sich noch einmal wiederholen auf höherer Stufe, mit Freuden, ohne Leiden. Und unter dem Vater im Kreis der vielen nachgeborenen Brüder findet der Sohn sein volles Genüge.

Die Aufhebung des Todes

Inneres Absterben Absterben oder Vernichtung wäre ein schwerer Ausgang des Wiederstrebens gegen Gott. Späte Umkehr aus dem Feuer mit Schande des überlangen Widerstrebens ist auch schwer. Trotzdem wäre das letztere ein befriedigender Ausklang des Ringens Gottes mit dem Bösen. Wenn dieses Ringen nach dem Aufhören des letzten verzweifelten Widerstands noch in Begnadigung der bis dahin Widerstrebenden ausginge, dann würde die letztere vielleicht auch die unselige Geisterwelt mit umfassen, nicht bloß die im letzten Gericht verurteilte Menschenwelt. Wäre dies der Ausgang, so würde es dem innersten Empfinden der meisten wohltun, die solche Fragen schon innerlich bewegt haben. Nur haben wir an Gott gar nicht die Erwartung zu stellen, dass er es so machen MÜSSE. Denn wir ermessen auch bei uns selbst dir Furchtbarkeit des Widerstrebens und des Widerstandes gegen Gott viel zu wenig und bedenken viel zu wenig, wieviel Geduld und Erbarmen sich unserm eigenen Leben schon zugewandt hat, dass es überhaupt noch Empfänglichkeit für Gott aufweist und unter dem Ernst der Heiligkeit Gottes noch nicht unterging. Vollends für den Satan und die ganze höllische Geisterwelt zu sorgen, dass sie noch gerettet werde, dazu haben wir keinen Grund und Auftrag. Die höllische Welt würde über solche Fürsorge lachen und uns mitsamt der Fürsorge für sie in ihren Widerstand gegen Gott und ihr Verderben hineinzuziehen suchen. Es wird gut sein, sich vor solchen weichen und doch ungöttlichen Gemütswallungen in acht zu nehmen. Was in unserer Zeit und noch mehr in der kommenden Zeit nötig ist, ist nicht Mitleid mit dem Feind Gottes und der Menschen, als widerführe ihm etwas Sonderliches, wenn er dem Gericht Gottes anheim fällt, sondern Loslösung, Losschälung von diesem Feind, mag's kosten was es will, auch wenn viel Lust und Freude dahinten bleiben muss; Deckung gegen seinen Zugriff, nicht durch untaugliche Mittel, sondern durch das allein wirksame, dass wir uns Gott und Christo nahen, so wie Christus und in ihm Gott sich uns genaht haben und nahen; Stehenbleiben und Widerstehen in der Kraft Gottes und mit den dem Glauben dargereichten Schutz- und Widerstandswaffen; rasche Umkehr, wenn gesündigt worden ist.

Was Christus mit seinen Feinden machen will, das weiß er selber; wir brauchen ihm da nicht zu raten. Will er seine Kreuzesgnade so weit erstrecken, dass er auch über solchen aufs Äußerste gediehenen und dann erst unter seiner Fruchtlosigkeit zusammengebrochenen Widerstand sich noch erbarmen will, und dass er Gott noch eine ganz späte Frucht seines Kreuzes darbringt, dann ist er zu preisen um der gleichen Gnade willen, die er uns erwiesen hat. Denn schuldhaft war unser Widerstand auch. Und wenn er kürzer dauerte und sich nicht bis zum höchsten Grad versteifte, so war auch das eine Folge seines Erbarmens und ist kein Grund zum Selbstruhm. Und wenn er den Widerstand, der bis zum letzten Gericht sich nicht beugte - auch nicht in der Totenwelt, beim Satan auch nicht während seiner Verurteilung zur Ohnmacht während der Dauer des 1000-jährigen Reichs - endlich sich selbst verzehren ließe bis zur Selbstvernichtung oder wenn er schließlich das Todesurteil vollziehen würde, dann müssten die Geretteten noch hintendrein erschrecken über die Gefahr, der sie entgangen sind dank der Gnade, und müssten die ihnen widerfahrene Barmherzigkeit preisen.

Aber ist der Ausgang des gerichteten Widerstands gegen Gott nicht noch viel ernster? Bei den beiden bisher erwogenen Möglichkeiten hört er schließlich auf, weil er aufgegeben wird und weil der Widerstrebende dem endgültigen Tod überliefert wird. Sagt aber die Schrift nicht von einer Fortdauer des Gerichts über die Gerichteten ohne Ende und von ihrer immer währenden Qual? Die Frage ist ernst nicht nur, weil die Annahme eines immer währenden Reiches der Qual neben dem Reich der Herrlichkeit das Gemüt bedrückt, sondern namentlich auch, weil die Stellung zur Schrift von dieser Frage so sehr berührt wird. Das Verlangen, der Schrift die Treue zu halten und das Bedürfnis des Gemüts können in einen schweren Widerstreit miteinander geraten.

Es ist aber eine große Frage, ob die Schrift richtig verstanden ist, wenn man in ihr die Endlosigkeit der Höllenstrafen ausgesprochen findet. Eine eingehende Erörterung der scheinbar in diese Richtung weisenden biblischen Aussagen findet sich in der schon genannten Schrift des Evangelisten Samuel Keller über das Los der Toten, von einem Mann, dem es ein großes Anliegen ist, die Schrift als Schrift zu ehren. Was es für den der Ursprachen der Bibel, des Hebräischen und Griechischen, nicht mächtigen Bibelleser schwer macht, in diesen Stücken klar zu sehen, sind einige sprachliche Mängel der Lutherbibel, die in guten neueren Übersetzungen, z. B. in der von Menge, in der Hauptsache ausgemerzt sind. Es ist hauptsächlich die dem eigentlichen Sinn nicht immer entsprechende Wiedergabe der griechischen Worte "Hades" und "Äon". Das erstere gibt Luther mit "Hölle" wieder; das letzter bald mit "Welt", bald mit "Ewigkeit". Die Bibel redet sehr ernst von der Hölle; aber der Hades ist nicht das gleiche, sondern wäre besser mit "Totenwelt" zu übersetzen. Und "Äon" bedeutet nur dann Ewigkeit, wenn es von Gott ausgesagt wird; sonst bedeutet es eine längere Zeit, die über das Menschenmaß hinausgeht, die aber dem, was wir "Ewigkeit" nennen, nicht gleichkommt. Das wird schon klar an der einfachen Wahrnehmung, dass das Wort "Äon" oft in der Mehrzahl gebraucht wird. Hätte das Wort "Äon" wirklich nur EINE Bedeutung "Ewigkeit", dann fänden sich in der Schrift auch Ausdrücke wie "vor den Ewigkeiten", "bis in die Ewigkeiten der Ewigkeiten".

Die Äonen