Die Tiere und das Weib in der Offenbarung

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Version vom 8. Juni 2020, 18:30 Uhr von MI (Diskussion | Beiträge) (Die geheilte Todeswunde und Wiederkehr des Tieres)

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Abschrift des Buches: Der Prophet Daniel und die Offenbarung Johannis
in ihrem gegenseitigen Verhältnis betrachtet und in ihren Hauptstellen erläutert.

Verfasser: Karl August Auberlen (1854)
Verlag: Bachmaier's Buchhandlung, Basel

Inhaltsverzeichnis des Buches
Kapitel vorher:
Die Tiere und der Mensch


In Bearbeitung

Die Tiere und das Weib in der Offenbarung

Indem wir an die Apokalypse heranzutreten wagen, verhehlen wir nicht, was es heißt, über ein Buch das Wort zu erheben, welches in besonderem Sinn, sich die Offenbarung Jesu Christi nennt, die ihm Gott gegeben hat (Offb 1:1), und welches so reich an Geheimnissen ist, dass die Jahrhunderte und die erleuchtetsten Gottesmänner sich daran zerarbeitet haben. Die folgenden Blätter wollen nicht weiter sein als ein Versuch, den gleich Daniel (Dan 9:2) in der Schrift Forschenden zu Prüfung vorgelegt. Es geht wohl denen, welche die Apokalypse mit Geistesblicken betrachten, fast mit jeder Erklärung derselben so, wie es der Königin von Arabien gegangen ist, mit dem, was sie über Salomo vernommen hatte. Sie müssen denken: Siehe, es ist mir nicht die Hälfte gesagt; du hast mehr Weisheit und gutes, denn das ist, was ich gehört haben; selig sind deine Leute und deine Knechte, die allezeit vor dir stehen und deine Weisheit hören (1Kön 10:7.8). Auch bei unserer Erklärung wird es nicht anders sein. Es liegt in der Natur der Sache, dass die große Aufgabe nicht von einem Menschen oder Menschenalter gelöst werden kann; denn das buch ist der ganzen Gemeinde der Gläubigen für alle Jahrhunderte bis zur Wiederkunft Christi gegeben; und da erst die Erfüllung die volle Auslegung der Weissagung bringt, so ist es natürlich und notwendig, dass wir immer nur m Begriff einer Annäherung an das volle Verständnis sind. Aber eben weil das Werk so schwierig ist, so dürfen und sollen zur Lösung der heiligen Rätsel immer wieder neue Versuche gemacht werden, welche auf der schon gewonnenen Erkenntnis weiterbauen und das Unrein und Unrichtige der vorhandenen Meinungen ausscheiden. Da es nun unter den jetzt über die Apokalypse herrschenden Ansichten des Auszuscheidenden so viel gibt, dass manchen dadurch der Blick für die göttliche Autorität und Bedeutung des Buches gänzlich geraubt worden ist; so wollen wir einen solchen Versuch wagen. Was uns hierzu den Mut gibt, das ist insbesondere der Umstand, dass wir uns bei unserer Auffassung in Einigkeit wissen mit der übrigen Weissagung der Hl. Schrift, nicht nur mit Daniel und den andern alttestamentlichen Propheten, sondern auch mit den Weissagungen und der gesamten Weltanschauung und Geschichtsbetrachten Christi und der Apostel. Die Schriftanalogie, dieser Hauptgrundsatz der evangelischen Exegese, ist von doppelter Wichtigkeit bei einem Buch, das, wie allgemein anerkannt wird, die abschließende Zusammenfassung alle biblischen Weissagung bildet. Wie wir daher auf den Nachweis derselben schon bei Daniel bedacht gewesen sind, so werden wir diesen Gesichtspunkt noch mehr bei der Apokalypse festhalten, in der Hoffnung, unsere Arbeit werde dadurch an Überzeugungskraft wie an Interesse gewinnen

Zweites Kapitel

Es handelt sich nun hier, wo es die Parallelen mit Daniel gilt, nicht um die ganze Apokalypse, wohl aber um den wichtigsten, für die Gesamtauffassung entscheidenden Teil derselben, um den Abschnitt der mit dem 12. Kapitel beginnt. Denn dass das Verständnis des Buches vorzugsweise von der Erklärung der hier vorkommenden Symbole, des Weibes, der Hure und der beiden Tiere, abhängt, ist wohl keine Frage. Einen solchen einzelnen Teil herauszugreifen ist jetzt auch umso eher möglich geworden, seit die richtige Erkenntnis über die formelle Anordnung des Buches so ziemlich allgemeinen Eingang gefunden hat. Wie wir nämlich bei Daniel gesehen haben, dass im 2. und 7. und dann wieder im 8. und 11. Kapitel derselbe Gegenstand von verschiedenen Seiten beleuchtet wird, so findet auch in der Apokalypse ähnliches statt. Es sind, abgesehen von den einleitenden und abschließenden Abschnitten, Kap 1-3 und 20-22, welche uns einerseits auf den Standpunkt des Apokalyptikers, andererseits auf den der endlichen Vollendung des ganzen Ratschlusses Gottes stellen, drei Hauptgruppen, welche alle die Zeit zwischen diesen beiden Endpunkten oder, können wir im allgemeinen auch sagen, zwischen der ersten und zweiten Ankunft Christi, nur von verschiedenen Seiten, beleuchten: die sieben Siegel (Offb 4-8:1), die sieben Posaunen (Offb 8-11) und die sieben Zornschalen (Offb 12-19). Jede dieser Gruppen hat ihre eigentümliche Zugabe, welche bei den beiden ersten jeweils zwischen das sechste und siebte Siegen(Kap 78), zwischen die sechste und siebte Posaune (Offb 10:1-11:14) eingeschoben ist, während sie dagegen bei der dritten Gruppe die sieben Zornschalen nicht unterbricht, sondern ihnen teils vorangeht (Offb 12-14), teils nachfolgt (Offb 17-19). Wir haben es hier unserer Aufgabe gemäß nur mit der letzten Gruppe und zwar vorzugsweise mit Offb 12-13; Offb 17-19 zu tun, woran sich noch ein weiterer Blick auf die mit dem Messiasreich Daniels in Parallele stehenden Offb 20ff schließen muss.

Es folge nun, wie oben im zweiten Abschnitt, zuerst unsere eigene Auslegung und dann eine Darstellung und Kritik der abweichenden Hauptauffassung der Apokalypse, welchen gegenwärtig in Betracht kommt.

A. Auslegung von Offb 12ff.

I. Der offenbarungsgeschichtliche Ausgangspunkt

Es ist hier nicht der Ort, die schwierige Frage über die Abfassungszeit der Apokalypse näher zu erörtern. Ohne gerade darüber entscheiden und abschließen zu wollen, schicken wir nur die kurze Bemerkung voran, dass, so schwer allerdings das Zeugnis des Irenäus für die Abfassung unter Domitian wiegt, das Buch selber doch derjenigen Ansicht günstiger zu sein scheint, in welcher G u e r i c k e , T h i e r s c h, L u t t e r b e c k (Die neutestamentl. Lehrbegriffen II, 256) L ü c k e , B a u r u. a. übereinstimmen, dass es nämlich kurz vor Jerusalems Zerstörung geschrieben sei. Es ist bei manchen Unklarheiten im einzelnen doch im ganzen sehr wohlgelungen, was T h i e r s c h über die historische Konstellation sagt, aus welcher dasselbe hervorging (Die Kirche im apostol. Zeitalter, S. 230-253). Indessen werden die folgenden Bemerkungen auch bei der andern Meinung, die in neuerer Zeit von J. Chr. K. H o f m a n n , H e n g s t e n b e r g und E b r a r d vertreten wird, im wesentlichen ihre Geltung behalten.

Die Lage des Reiches Gottes auf Erden, welcher die Offb Joh. ihre Entstehung verdankt, hat mit derjenigen die größte Ähnlichkeit, aus welcher das Buch Daniels hervorgegangen ist. Dort ist die alttestamentliche, hier die neutestamentliche Gemeinde unter die Heiden zerstreut, dort ist Jerusalem durch Nebukadnezar, hier wird es durch Titus zerstört; dort ist die große Frage, was Israel, hier, was die Gemeinde Jesu Christi von den Weltmächten zu erfahren haben wird, in deren Bereich sie nun ganz und gar hineingestellt ist. Beide Apokalyptiker schauen in die Zeiten der Heiden hinaus; aber Daniel sieht in den ersten Jahrhunderten derselben eine nochmalige, wenn auch kümmerliche Wiederaufrichtung Israels und Jerusalems, die freilich mit einer grauenvollen Zerstörung endigen wird (Dan 9:24-27). Eben diese Zerstörung hat nun Johannes unmittelbar vor sich, und so ist jetzt das Reich Gottes vollends ganz ohne äußeren Halt und ohne Heimat auf Erden; es ist durch Paulus schon mitten in die Heidenwelt hineingepflanzt, die Juden stehen ihm bereits mit entschiedener Feindseligkeit gegenüber (Offb 29; Offb 3:9); die sieben kleinasiatischen Gemeinden, an welche die Apokalypse gerichtet ists (Offb 2 u. 3) sind der Hauptsache nach heidenchristliche Gemeinden, und sie repräsentieren die ganze Kirche. Jeder äußere Unterschied zwischen dem Reich Gottes und den Reichen dieser Welt ist mithin gefallen. Hieraus erklärt sich ein charakteristischer Unterschied der apokalyptischen Symbolik von der danielischen. Während beide zusammenstimmen in der Herabkunft des Menschensohnes am Ende der Weltzeit zum Gericht über die antichristliche Macht und zur Aufrichtung seines herrlichen Reiches, finden sich vorher bei Daniel nur Tiere, bei Johannes erblicken wir neben den Tieren auch noch das W e i b, welches nach ziemlich einstimmiger Annahme der Ausleger die Gottesgemeinde darstellt. In den danielischen Gesichten brauchte dieselbe noch nicht besonders symbolisiert zu werden, weil Israel schon durch äußeres nationale Grenzlinien gehörig von der Heidenwelt geschieden ist; jetzt dagegen, wo sich die Gemeinde gleich den Weltmächten im heidnischen Völkergewühl bewegt, wo die äußeren Unterschiede gefallen sind, ist es notwendig, dass sie in der Weissagung deutlich vom Weltwesen geschieden, dass der innere Wesensgegensatz zwischen Gemeinde und Welt ausdrücklich hervorgehoben werde, und so tritt jetzt das Weib dem Tier gegenüber. Eben daher wird, wie wir sehen werden, von dem Weib sogleich seine Übersiedlung aus Israel in die Heidenwelt berichtet.

Bei dieser Lage der Dinge erhebt sich nun die Frage, nicht bloß: wie steht es jetzt mit den Herrlichkeitsverheißungen, welche dem Gottesreich gegeben sind? sondern zuvor noch: in welches Verhältnis werden Gottesreich und Weltreich treten, da jenes in dieses übergegangen ist? Auf diese Frage hat die Gegenwart schon eine doppelte Antwort gegeben, die wir überall in unserm Buch durchklingen hören. Für's Erste dauert die Zeit noch fort, wo auf Erden die Mächte dieser Welt herrschen und das Gottesreich von ihnen niedergehalten und gedrückt wird. (vgl. Offb 1:10.13; Offb 3:10). Wohl thront jetzt Christus in königlicher und richterlicher Herrlichkeit im Himmel als Haupt und Schirmherr seiner Gemeinden (Offb 1:11-20); aber man muss im Geiste sein, um ihn zu schauen (V. 10); denn sein Leben ist noch in Gott verborgen, seine Stunde ist noch nicht gekommen, wo er seine große Kraft annimmt und herrscht und den Lohn gibt seinen Heiligen und verdirbt, die die Erde verderben (Offb 1117.18); noch immer müssen die Märtyrer schreien: Herr, du Heiliger und Wahrhaftiger, wie lange richtest du und rächest nicht unser Blut an denen, die auf der Erde wohnen! (Offb 6:9.10). Die Kirche ist noch eine leidende und streitende; das hat sie bereits erfahren müssen in der neronischen Verfolgung, wo die Weltmacht ihren ganzen bestialischen Grimm an ihr ausgelassen hat. Indem die Apokalypse auf diesem Hintergrund sich erhebt, wird sie zu einem Trostbuch für die Gemeinde der Gläubigen in allen ihr noch bevorstehenden Kämpfen mit den Mächten dieser Welt. Aber so wenig es Daniel nun mit Nebukadnezar oder auch mit Antiochus Epiphanes zu tun hat, so wenig Johannes nur mit Nero und den römischen Imperatoren: das wäre für die "Offenbarung Jesu Christi" ein viel zu beschränkter Horizont. Wie die Tiere Daniels von universeller Bedeutung sind, so noch mehr das T i e r der Apokalypse.

Doch auch auf eine andere Weise hat es die Kirche bereits erfahren müssen, dass sie noch in der ungöttlichen Welt ist. Nicht bloß von außen her, wird sie gedrückt von dem Reich dieser Welt, sondern auch in ihr eigenes Innere ist das Wesen derselben schon eingedrungen. Davon geben die Sendschreiben ein nur allzu reiches Bild. In dem Geistesleben der Gemeinden selbst ist bereit hin und wieder eine Erschlaffung eingetreten, so dass der Herr mehreren von ihnen das schwere Wort: Ich habe wider dich, zurufen und noch insbesondere bei den einzelnen rügen muss, Ephesus habe die erste Liebe verlassen, Sardes habe nur noch den Namen, dass es leben und sei tot, Laodizea sei weder kalt noch warm und halte sich selbst für eich und satt, statt sein Elend, seine Armut und Blindheit zu erkennen (Offb 2:4.5; Offb 3:1-3.15-19). Doch nicht bloß das: sondern es ist auch vom Heidentum und seiner falschen Gnosis aus Irrlehre und Verführung in die Kirche eingedrungen durch die Nikolaiten, die Anhänger der Lehre Bileams und der f a l s c h e n P r o p h e t i n Isebel, durch welche die Gläubigen zu heidnischer Weltförmigkeit und Zuchtlosigkeit, zur H u r e r e i, verführt werden (Offb 2:6.14.15.20-24).*)

*) Von judaistischer Irrlehre kommen in der Apokalypse keine unzweideutigen Spuren mehr vor. Nur die Lügenapostel (Offb 2:2) sind vielleicht dahin zu zählen. Die, welche sich Juden nennen sind Satans Synagoge (Offb 2:9; Offb 3:9), sind wirkliche, der Christengemeinde feindliche Juden. Vgl. d e W e t t e und H e n g s t e n b e r g zu diesen Stellen.

Diese inneren Zustände der Kirche zur Zeit des Johannes haben wir, wenn es sich um den historischen Hintergrund und Ausgangspunkt der Apokalypse handelt, so gut ins Auge zu fassen wie die Verfolgung von außen. Wie Paulus und Petrus (1Tim 4:1ff.; 2Tim 3:1ff; 2Petr 2:1ff.; 2Petr 3:3), so sieht auch Johannes die weitere Entwicklung dieses innerkirchlichen Verderbens voraus; daraus geht hervor, was er über die Hure und den falschen Propheten weissagt, und woran sich in seinem ersten Brief die Stellen Offb 2:18.22; Offb 4:3 in seinem zweiten V. 7 f. schließen. IN dieser Beziehung ist die Apokalypse ein Warnungsbuch für die Gläubigen wider weltförmiges Wesen in der Kirche und wider falsche Lehre. Auch bei Daniel findet sich in dieser Hinsicht eine Analogie, in dem Abfall mancher Israeliten vom Bunde Gottes, den er zur Zeit des Antiochus kommen sieht (Dan 11:30-32; Dan 12:10) und in dem noch stärkeren Abfall des ganzen Volkes bei der ersten Erscheinung des Messias (Dan 9:26.27). Doch tritt diese Stelle bei ihm natürlich weniger hervor: da er das Weib nicht ht, kann er auch die Hure nicht haben. Zu dem Pseudopropheten werden wir bei ihm in den klugen Augen des Antichrists die vorbereitende Analogie finden.

Das sind die drei Punkte in der Gegenwart des Johannes, an welche der Geist der Weissagung oder vielmehr Jesus Christus selbst, der zur Rechten Gottes erhöhte Heiland, seine Offenbarungen anknüpft: 1.) die Kirche ist in die Heidenwelt eingetreten und dringt immer weiter in sie ein. Aber indes sie dies tut, wird sie 2.) verfolgt und 3.) verführt, da das Heidentum in sie eindringt. Aus diesen Grundanschauungen hat sich uns schon ein vorläufiges, allgemeines Verständnis der Hauptgestalten unseres Buches, des Weibs, des Tiers, der Hure, des falschen Propheten angebahnt. Es ist nun zu zeigen, wie die Weissagung von hier aus die zukünftige Entwicklung der Welt und der Kirche schildert.

II. Die kirchen- und weltgeschichtliche Entwicklung

1. Kirche und Weltmacht

Das 12. und 13. Kapitel enthalten die Charakteristik der kämpfenden Mächte: sie beschreiben das Weib auf der einen Seite, den Drachen, das Tier und den falschen Propheten auf der andern. Alle diese Potenzen werden in neutestamentlich universellem Blick ihrem ganzen Dasein in der Welt- und Reichsgeschichte nach geschildert: das Gesicht geht nicht bloß in die Zukunft hinaus, sondern umfasst, zugleich um der Deutlichkeit und Charakteristik willen, je nach Umständen auch die Gegenwart und Vergangenheit (Vgl. Offb 17:10 ἔπεσαν, ἦλθεν ,οὔπω, ἦλθεν ). Zuerst schaut Johannes das Weib (Offb 12), und dieses haben wir daher vor allem ins Auge zu fassen.

Das Weib und der Drache

Weib und Tier bilden offenbar den nämlichen Gegensatz, wie bei Daniel der Menschensohn und die Tiere. Darauf deutet schon die Örtlichkeit hin, wo die beiden Seher diese Gestalten schauen. Wie der Menschensohn Daniels vom Himmel kommt, so sieht Johannes das Weib (Offb 12:1) im Himmel; und wie die danielischen Tiere aus dem Meer aufsteigen, ebenso das Tier der Offenbarung (Offb 13:1). Beide Male tritt ferner das menschliche Wesen dem tierischen entgegen, nur bei Daniel in männlichere, bei Johannes in weiblicher Gestalt. Dass hiermit der Gegensatz des Gottes- und des Weltreiches bezeichnet ist, wissen wir. Daniel schaut aber den Messias, den Bräutigam oder Mann, weil er in jene Zeit hinausblickt, wo Christus sichtbar wiederkommen und sein Reich auf Erden errichten wird; Johannes, bei welchem hier jedenfalls, um vorläufig noch ganz allgemein zu sprechen, die Zeit vor der Parusie im Blickfeld steht, schaut das Weib, die Braut, die Gemeinde Gottes in der Welt. Wenn er diese in Gestalt eines W e i b e s schaut, so steht ja damit die Apokalypse nicht allein, sagt nichts Neues aus, sondern sie fasst nur den ganzen Sprachgebrauch des A. und N. T. zusammen. Derselbe beginnt schon im Pentateuch damit, dass der Abfall des Volkes Israel von Gott zu den Götzen als Hurerei bezeichnet wird und der heilige Ernst Gottes dagegen als Eifersucht, Ausdrücke, die zu ihrer Grundlage die Anschauung eines Ehebundes zwischen Gott und Israel haben, in welchem jener der Mann, dieses das Weib ist. (z. B. 2Mo 34:15.16; 3Mo 17:7: 3Mo 20:5.6: 4Mo 1433; 4Mo 15:39; 5Mo 31:16; 5Mo 32:16.21). Bei den Propheten findet sich diese Grundanschauung weiter ausgebildet und in manigfaltigster Anwendung durchgeführt: Brautwerbung, Ehestand, Ehebruch, Scheidung, Witwenschaft usw. (Jes 1:21; Je 50:1; Jes 54:1ff.; Jer 2:2.20.23-25; Jer 3:1ff.; Hes 16 u. 23; Hos 1-3 u.ä.) Im N. T. nimmt sogleich der Täufer den Ausdruck wieder auf, indem er Jesus, den Messias, als den Bräutigam bezeichnet, der die Braut hat (Joh 3:29). Hier tritt also von vornherein Christus an Jehovas Stelle: in der Zeit der Erfüllung ist Jehova Jesus Christus geworden, wie sich das in seinem Namen κύριος (der Herr) ausprägt. Er selbst nennt sich den Bräutigam (Mt 9:15) und hat in seinen Gleichnissen von den zehn Jungfrauen, von der königlichen Hochzeit und verwandten Aussprüchen dieselbe Anschauung weiter ausgeführt.

In den apostolischen Schriften begegnet sie uns ebenso: Paulus hat sie Eph 5:23-32 aufs Tiefste begründet und entwickelt, wobei er nachweist, wie auch wirklich schon die ursprüngliche Stiftung der Ehe im Paradis (1Mo 2) ein Typus auf Christentum und Gemeinde gewesen (Vgl. D e l i t z s c h , Hoheslied, S. 186 ff.) Allee das fasst die Apokalypse in das eine Wort Weib (Offb 12:1) zusammen. Das Wesen des Weibes gegenüber dem Mann ist das Untertansein (Eph 5:22-24), das sich Hingeben, das Empfangen. Eben dies ist auch das Wesen des Menschen gegenüber Gott: er kann sich, wenn er seinem eigenen Wesen entsprechen will, lediglich untertänig und empfangend Gott gegenüber verhalten. Alle Autonomie des Menschengeistes ist prinzipielle Verkehrung seines Verhältnisses zu Gott. Dieses weibliche Verhalten des Menschen gegen Gott und göttliche Dinge ist es, was die Schrift Glauben nennt, und wovon sie das Empfangen der göttlichen Lebenskräfte abhängig macht. Auch ein kindliches Verhalten ist der Glaube: wir sind durch ihn Kinder Gottes (Gal 3:26). Was der Herr vom Wieder-Kind-werden sagt, was das ganze N. T. von der Gotteskindschaft lehrt, gehört auch wesentlich hierher. Die einzelne Seele ist Kind Gottes; die Gesamtheit der Kinder ist im Weibe eingeschlossen (vgl. Jes 54:1.3; Hes 16:20). So schließt der Ausdruck Weib nicht nur den unmittelbar verwandten Sprachgebrauch, sondern überhaupt alles in sich zusammen, was die Schrift über die Grundbeziehungen des Menschen zu Gott lehrt. Das Weib ist die Menschheit, sofern und soweit sie Gott zugehört. Darum wird von Christo, dem Sohne des Weibes, Offb 12:5 hervorgehoben, dass er ein m ä n n l i c h e r Sohn sei. Er ist wohl vom Weibe geboren und unter das Gesetz getan (Gal 4:4), er ist das eigentliche Resultat und Erzeugnis der alttestamentlichen Gemeinde, daher auch unter ihre Lebensordnungen gestellt; aber er ist dabei Gottes Sohn und steht als solcher der Gemeinde gegenüber wie der Mann dem Weibe. Der Mann, sagt Paulus 1Kor 11:7, ist Gottes Ebenbild und Herrlichkeit, das Weib aber ist des Mannes Herrlichkeit. Darum ist das weitere Kennzeichen des männlichen Sohnes, dass er mit eisernem Zepter weidet: er ist Herrscher und Hirte gegenüber der Herde, ebenso wie er männlich ist gegenüber dem Weibe. Dies ist der einfache Sinn des scheinbar pleonastischen Zusatzes "männliche" zu "Sohn".

Als Sohn des Weibes ist er, wie er sich selbst nennt, des Menschen Sohn; als männlich ist er der Sohn des lebendigen Gottes, der selbst im Namen Gottes Bräutigam und Mann der Gemeinde wird, weil er vom Vater das Leben in sich selber hat (Joh 5:26). Außer ihm darf kein Mensch sich männlich nennen. Wenn die Menschen das Leben ins sich selbst zu haben wähnen, wenn sie von Gott sich losreißen, ihm trotzen, in Eigenmacht wider ihn sich erheben: so werden sie zum unvernünftigen T i e r e. Die stolze Naturkraft des Menschen ist nicht männlicher, sonder tierischer Art; es ist nichts anderes als die brutale Gewalt der Bestie. Das haben wir schon oben bei den danielischen Tieren gesehen. So ist also in dem Gegensatz zum Tier und Weib nicht etwa dies oder jenes Einzeln und Zufällige ausgesagt, sondern es sin die beiden Grundrichtungen der Menschheit, die Kinder des Lichts und die Kinder dieser Welt. Es gibt ein drittes: jeder muss entweder zum Weib oder zum Tier gehören. Derselbe Gegensatz, dem wir überall im Evangelium und in den Briefen des Johannes begegnen, Gott und Welt, Licht und Finsternis, Wahrheit und Lüge, Leben und Tod, findet sich also auch in der Apokalypse, nur symbolisch eingehüllt in den Gegensatz von Weib und Tier: jenes ist, wie wir sehen werden, mit Gottes Sonne bekleidet, dieses ein Abbild des Teufels; dadurch wird die Parallele noch deutlicher. Und auch die Wahl der Symbole hat nichts Zufälliges oder Willkürliches, sondern gründet sich auf das innerste Wesen der weiblichen und tierischen Natur.

Der männliche Sohn

Ist dem also, so werden wir nun im voraus erwarten, dass Weib und Tier das Gottes- und Weltreich nicht bloß in dieser oder jener Periode ihrer zeitlichen Entwicklung, sondern in völliger Allgemeinheit bezeichnen. Und wir werden das zumal dem Standpunkt der neutestamentlichen Apokalyptik gemäß finden, welcher nun durch Christum das ganze Geheimnis des göttlichen Liebesrates, die volle Universalität des Rückblicks und Vorbilds erschlossen ist, wie Paulus sagt, das Geheimnis Christi sei nunmehr völliger als in den Zeiten geoffenbart (?) seinen heiligen Aposteln und Propheten im Geist (Eph 3:5). Man wird daher zurückgehen müssen bis auf die Zeit, wo überhaupt der Gegensatz des Gottes- und Weltreiches in der Geschichte Gestalt zu gewinnen anfängt, wo also Israel und die Völkerwelt ausgesondert wird. Dass das Weib in dieser Allgemeinheit verstanden sein will, deutet auch der Text klar genug an. Es lässt sich nämlich unter der G e b u r t des m ä n n l i c h e n S o h n e s auf ungezwungene Weise nichts anderes verstehen, als einfach das historische Faktum der Geburt Jesu Christi von Maria: nur er kann, wie wir gesehen, das Prädikat männlich für sich in Anspruch nehmen. Dafür spricht auch klar die unzweideutige Hervorhebung der beiden Umstände, von welchen das irdische Leben Jesu eingeschlossen ist, der Geburt samt den auf sie sich anschließenden teuflischen Mordanschlägen auf das neugeborene Kind des Herodes (V. 4) und sodann der Himmelfahrt samt dem Sitzen auf dem Thron Gottes (Offb 12:5, vergl. Offb 3:21). Es ist ein großartiger Kontrast, der hierin liegt: statt vom Teufel gefressen zu werden, wird das Kind auf Gottes Thron erhoben. Man ahnt, wie sich hierin der Sieg über Teufel begründet, von welcher V. 7ff. ausführlicher die Rede ist.

Unter dem Weibe aber, die Jesum gebiert, ist nun natürlich die G o t t e s g e m e i n d e in ihrer alttestamentlichen G e s t a l t zu verstehen. Und wie könnte diese auch treffender bezeichnet werden als durch das Bild eines schwangeren, der Geburt mit Sehnsucht entgegen harrenden Weibes (V. 2)! Was der alten Väterschar höchster Wunsch und Sehnen war, was im alten Bunde verborgen lag als der immer mehr sich entfaltende, der Gemeine der Gläubigen immer heller zum Bewussstsein kommende Keim eines höheren, männlichen, göttlichen Lebens, worauf alles angelegt war und hinstrebte, das ist jenes jesajanische: Uns ist ein Kind geboren, ein Sohn ist uns gegeben, welches Herrschaft ist auf seiner Schulter, und er heißet Wunderrat, starker Gott, Ewig-Vater, Friedefürst. Hat doch auch mich schon die Tochter Zion als Gebärerin in Kindesnöten geschaut (Mi 4:9.10; Mi 5:2). Auf die alttestamentliche Gemeinde zunächst weisen endlich auch die Embleme hin, die wir V.1 an dem Weib finden: sie ist mit der Sonne bekleidet, hat den Mond unter ihren Füßen und einen Kranz von zwölf Sternen um ihr Haupt. Denn diese drei Stücke erinnern an den Traum Josephs 1Mo 37:9.10. Dort deutet sie Jakob selbst auf sich, sein Weib und seine Söhne, also auf die alttestamentliche Gemeinde in ihrer damaligen Grundgestalt, wie dieselbe dem Zwölfstämmevolk sich für immer eingedrückt hat.

Sonne, Mond und Sterne

Aber damit ist freilich die Deutung dieser Embleme noch nicht erschöpft, es ist das nur der geschichtliche Anknüpfungspunkt für ihre Wahl. Warum das Weib gerade mit der Sonne bekleidet ist, warum sie gerade den Mond unter ihren Füßen hat und die Sterne auf ihrem Haupt, das ist nun erst zu untersuchen. Offenbar haben hier Sonne, Mond und Sterne eine symbolische Bedeutung. Die S o n n e ist das überirdische Licht, welches die Finsternis dieser Welt überwindet. Wie daher Gott selber Sonne heißt (Ps 84:12) und Christi Angesicht gleich der Sonne leuchtet (Offb 1:16): so heißt es auch von denen,welche den Herrn lieben schon Ri 5:31: sie seien wie der Aufgang der Sonne in ihrer Kraft, und Jesus verheißt den Gerechten, sie werden leuchten wie die Sonne in ihres Vaters Reich (Mt 13:43). Die Bekleidung mit der Sonne bezeichnet also die Gemeinde als Trägerin des überirdischen, göttlichen Lichtes in der Welt; es isst dasselbe wie wenn Offb 1:20 die Gemeinden als Leuchter, Lichtträger erscheinen: die sieben Gemeinden repräsentieren ja die Gesamtgemeinde, das Weib. Heißt es von Gott selber, er hülle sich in Licht wie in sein Kleid (Ps 104:2), so gilt dies in abgeleiteter Weise auch von dem Weib, welches gleich Christo das Licht der Welt genannt wird (Mt 5:14; Joh 8:12). Der M o n d dagegen ist ein bloß irdisches Licht, welches in der Finsternis leuchtet, ohne sie überwinden zu können. Die Verwandtschaft, welche kosmologisch zwischen Erde und Mond besteht, ist allenthalben im Altertum anerkannt, auch in den Mythologien, wo gewöhnlich dem männlichen Prinzip des Himmels, dem Sonnengott, ein weiblichen gegenübersteht, welches Mond- oder Erdgöttin zugleich ist (Vgl. K ö s t e r, Nachweis der Spuren der Trinitätslehre vor Christo S. 7). In der Apokalypse wird im Gegensatz zum Wesen des Gottesreiches, des Himmels, der sonne, das weltliche Wesen bezeichnet durch die drei Begriffe Meer, Erde, Mond. Wie Meer und Erde dem Himmel (Offb 12:12, Joh 3:12.31). so steht der Mond der Sonne gegenüber. Das M e e r ist das unruhige, mächtige Völkergewoge (Völker und Scharen und Heiden und Sprachen Offb 17:15; vgl. Ps 65:8; Ps 89:10.11; Jes 8:7-9): aus ihm steigt das Tier hervor. (Offb 13:1; Dan 7:3). Die E r d e ist die schon befestigte, geordnete Völkerwelt mit ihrer Kultur und Weisheit: sie erzeugt den falschen Propheten (Offb 13:11), dessen Weisheit im Gegensatz zu der von oben herabkommenden irdisch ist ( σοφία σοφία Jak 3:15).

Der M o n d steht höher als Meer und Erde, er ist ein Licht am Himmel; aber er gehört doch ganz zur Erde, gehört noch dem Erdenwesen an, er vermag die Finsternis nicht wirklich zu durchbrechen und in Tag zu verwandeln. So stellt er wohl die Beziehungen des Weltwesens zur überirdischen Welt, die kosmische Religion, das Heidentum dar. Also die Welt mit ihrer physischen Macht, mit ihrer Kultur, mit ihrer Religion wird durch die drei Symbole Meer, Erde, Mond dargestellt. Wenn nun das Weib mit der Sonne bekleidet ist und den Mond unter seinen Füßen hat: so ist die Gemeinde damit bezeichnet als die Trägerin des wahren, überweltlichen Lichtes, der göttlich geoffenbarten Religion, welche die falsche, weltliche Religion das Heidentum, unter sich hat als besiegt und überwunden, sowie Christo alle seine Feinde zum Schemel seiner Füße gelegt werden sollen (δεξιῶν μου ποδῶν Ps 110:1; Mt 22:44; 1Kor 15.25 = ὑποκάτω τῶν ποδῶν Offb 12:1; vgl. Röm 16:20: Gott wird den Satan unter eure Füße zertreten): Die S t e r n e endlich sind uns aus der Apokalypse und aus Daniel wohl bekannt als die Träger des göttlichen Lichtes; daher nehmen sie bei dem Weib die dem Mond entgegengesetzte Stelle am Haupt ein, daher ist auch die Tätigkeit des Teufels vor allem gegen die Sterne gerichtet (Offb 12:4). Sterne heißen Offb 1:20 die Gemeindeengel; ewiger Sternenglanz wird Dan 12:3 den Lehrern verheißen, und Dan 8:10 wird Israel, das den Herrn der Heerscharen zu seinem Gott hat, das Sternenheer des Himmels genannt. Die zwölf Stämme dieses Israel sind die zwölf Sterne, deren Kranz das Haupt des Weibes umgibt. Und diese heilige Zwölfzahl wiederholt sich dann in der Zahl der zwölf Apostel, ,welche das Fundament der neutestamentlichen Gemeinde bilden, und welche nicht nur Mt 19:28, sondern auch in der Apokalypse selbst (Offb 21:12-14) zu den zwölf Stämmen des Bundesvolkes in Beziehung gesetzt werden. Dort bezeichnet sie der Herr als die künftigen Herrscher über die zwölf Geschlechter Israels; hier entsprechen den Namen der zwölf Stämme, welche auf den Toren des neuen Jerusalems geschrieben sind, die der zwölf Apostel des Lammes, welche auf den Gründen der Gottesstadt stehen. Diese letztere Stelle kann der unsrigen einfach zur Erklärung dienen. Denn da das neue Jerusalem selbst auch das Weib heißt (Offb 21:2.9.10), so haben wir unter dem Weib mit den zwölf Sternen nichts anderes zu verstehen als unter der Stadt mit ihren zwölf Toren und Gründen: dies ist nur die verklärte Gemeinde, jenes noch die streitende.

Indem wir die zwölf Sterne mit auf die zwölf Apostel beziehen, so ist schon ausgesprochen, dass das Weib die Gemeinde nicht bloß in ihrer alttestamentlichen, sondern a u c h in ihrer n e u t e s t a m e n t l i c h e n Gestalt bezeichnet. So unmöglich es nach dem Bisherigen ist, nur die neutestamentliche Gemeinde oder die Kirche unter dem Weib zu verstehen, ebenso unmöglich ist es, nur an die alttestamentliche oder an Israel dabei zu denken. Denn Israel hat ja, wie wir aus Dan 9 wissen, bald nach Christi Himmelfahrt aufgehört, die Gemeinde Gottes zu sein, und doch ist Offb 12:6.13ff. noch weiter vom Weib die Rede. Der Text bestätigt also wie nach rückwärts, so auch nach vorwärts, was wir oben als im Begriff des Weibes liegend gefunden haben, dass es die Gemeinde Gottes in der Welt in unbeschränkter Allgemeinheit und nicht bloß in dieser oder jener Periode ihrer zeitlichen Entwicklung bezeichne. Was wir nun nach der Himmelfahrt Christi zuerst vom Weib lesen, das ist V. 6, sie sei in die Wüste geflohen. W ü s t e ist hier offenbar wieder ein symbolischer Ausdruck, und wir haben zu untersuchen, was derselbe bedeute. Fragen wir zunächst den Zusammenhang und dann die übrige Schrift! Eine Flucht ist es, durch welche das Weib in die Wüste kommt. Das Woher dieser Flucht kann uns auch einen Wink über das Wohin geben. Sie flieht vor den Nachstellungen des Teufels, welche ihr durch Herodes, überhaupt durch die Juden bereitet werden. Wohin wird sie da fliehen? wohin ist sie bald nach Christi Himmelfahrt geflohen? Von den Juden zu den Heiden. Daher erhält Christus gerade hier das ihm auch sonst zukommende Prädikat (Offb 2:27f.; Offb 19:5; Ps 2:9), dass er alle Heiden weiden solle mit eisernem Zepter. Die Heiden sind ihm jetzt seit seiner Himmelfahrt als Wirkungskreis eröffnet; unter sie flieht seine von den Juden verfolgte Gemeinde (von Apg 8:1 an), da ist ihr von Gott aus ein Ort zur Unterkunft und Pflege bereitet (Offb 12:6.14).

Die Wüste wäre also das Heidenland; im Deutschen ist sogar das Wort dasselbe. Lässt sich nun aber diese vermutungsweise aus dem Zusammenhang gewonnene Bedeutung aus dem prophetischen Sprachgebrauch begründen? Bekanntlich heißt Kanaan als der Sitz alles leiblichen und geistlichen Segens Gottes das Land der Zierde, der Herrlichkeit (Jer 3:19; Hes 20:6.15; Dan 11:16.41; Dan 8:9). Dem gegenüber ist das Heidenland eine Wüste, weil es von der Lebenskraft und Lebensfülle Gottes verlassen ist. Wie im Land der Zierde Gott wohnt und sich offenbart, so hausen in der Wüste die Dämonen (Mt 12:43; Mk 1:13, 3Mo 16:21.22; Jes 34:14), die das Heidentum beherrschen (1Kor 10:20; Offb 9:20). Daher befindet sich Israel, indem es unter die Heiden nach Babel verbannt ist, in der Wüste (Jes 40.3; Jes 41:17-19; Jes 42:10-12; Jes 43:19.20 u. a.) Dieser Sprachgebrauch des zweiten Teiles Jesajas gründet sich auf eine Stelle im ersten Teil, welche auch für uns von hoher Bedeutung ist. Der Ausspruch über Babel, den wir (Jes 21:1-10) lesen, heißt ein Ausspruch über die Wüste des Meeres (vgl. D r e c h s l e r (Jes II, S. 108) und S c h m i e d e r (Propheten I, S. 87) zu Jes 21:1). Das babylonische Weltreich wird also hier Meereswüste oder, gemäß der oben angegebenen symbolischen Bedeutung des Meeres, Völkerwüste genannt. Die heidnische Welt in aller ihrer Pracht und Herrlichkeit ist doch ihrem wahren Wesen nach, weil ohne oder wider Gott, eine Wüste oder Einöde; daher ihr auch nur ihr natürliches, rechtmäßiges Geschick widerfährt, wenn sie wirklich verwüstet wird, was die Propheten oft mit großem Nachdruck hervorheben (Jes 13:19-22; Jes 14:22-23; Jes 34:1-15; Hes 29:3-12; Hes 35:3-15; Mal 1:3.4 u. a.). Die Stelle Jes 21. ist hier um so gewichtiger, weil die Apokalypse auch sonst auf sie zurückgehet, indem sie ihr das Wort entnommen hat: Gefallen, gefallen ist Babel (Offb 14:8K Offb 18:2); ja wir werden sehen, dass eben in der Wüste, in der Heidenwelt das Weib selbst zu Babel, zur Hure wird.

Babel und Ägypten

Also die Flucht des Weibes in die Wüste ist nichts anderes als die Hinwegnahme des Reiches Gottes von den Juden und seine Versetzung unter die Heiden (Mt 8:11.12.22.43; Apg 13:46.47; Apg 28:25-28). Es ist zwischen dem Land der Zierde und zwischen der Wüste ein ganz ähnlicher Gegensatz, wie ihn der Herr ausspricht in den Gleichnissen vom großen Abendmahl und der königlichen Hochzeit, wo die Einladung zuerst an die Angesehenen und auf ihren reichen Landgütern, die Juden, ergeht, dann aber, als diese nicht kommen wollen, an die Armen und Blinden und Lahmen und Krüppel auf den Gassen, ja an die Leute auf den Landstraßen und an den Zäunen draußen d. h. an die Heiden in ihrer Wüste (LK 14:16-24; Mt 22:2-10). Für diese Auffassung spricht endlich auch die Art, wie Offb 12:14 noch einmal von der Versetzung des Weibes in die Wüste die Rede ist. Statt: sie floh in die Wüste heißt es hier: es wurden ihr zwei F l ü g e l des großen A d l e r s gegeben, dass sie flöge in die Wüste. Das erinnert deutlich an 2Mo 19:1-4, wo Jehova zu dem aus Ägypten in die Wüste Sinai geführten Volk Israel sagt: Ihr habt gesehen, was ich Ägypten getan haben, und wie ich euch getragen habe auf Adlers Flügeln und habe euch zu mir gebracht. Der Adlerflug geht also aus Ägypten in die Wüste, an den von Gott bereiteten Ort. Was wir aber in der Apokalypse unter Ägypten zu verstehen haben, das sehen wir aus der Stelle Offb 11:8, der einzigen, wo Ägypten in unserem Buch vorkommt. Dort wird die Stadt, wo der Herr gekreuzigt wurde, also Jerusalem, geistlich Sodom und Ägypten genannt, gerade so wie die untreue Kirche später Babel heißt. Jerusalem selbst also und Israel ist jetzt durch seine Feindschaft wider Christum Ägypten geworden, aus welchem die Gemeinde Gottes ausziehen muss, sowie vor Zeiten die alttestamentliche Gemeinde aus dem wirklichen Ägypten gezogen ist, und wie dereinst an das wahrhaftige Gottesvolk der Ruf ergehen wird, von Babel auszuziehen (Offb 18:4).

Die Flucht oder der Flug der Gemeinde in die Wüste ist also ihre Errettung aus dem abtrünnigen Israel. Denn dass die F l u c h t und der F l u g nicht verschiedene Fakten sin, sondern nur zwei verschiedene Bezeichnung und vielleicht Stufen ein und derselben reichsgeschichtlichen Grundtatsache, geht wohl aus den Worten klar genug hervor. Ort und Zeit sind ja ganz die gleichen: es ist beide Male die Versetzung des Weibs in die Wüste, wo sie 1260 Tage oder 3 1/2 Zeiten (Jahre) an dem ihr von Gott bestimmten Ort genährt wird. Die Aufmerksamkeit des Johannes war durch den inzwischen geschauten und V. 7-13 erzählten Sturz des Drachen von dem Weibe abgelenkt worden und muss umso mehr noch einmal auf die Versetzung desselben in die Wüste zurückgelenkt werden, da der Übergang des Reiches Gottes zu den Heiden eine außerordentliche, gewaltige Tatsache ist. Wenn er nun statt des einfachen "Sie floh" sagt es wurden ihr zwei Flügel des großen Adlers gegeben, damit sie fliege: so will er durch den Wechsel des Ausdrucks nur noch bestimmter hervorheben, dass dieser tiefe Einschnitt in die ganze Welt- und Reichsgeschichte nicht eine Sache menschlicher Willkür oder gar menschlicher Furcht und Zaghaftigkeit, sondern göttlichen Ratschlusses und göttlicher Veranstaltung gewesen sei (vgl. Apg 9-11). Der erste Ausdruck benutzt als Typus die Flucht der Maria mit dem Jesuskinde nach Ägypten (Mt 2:13), der andere die Ausführung des Volkes Israel aus Ägypten. Wenn es nun aber nicht bloß im allgemeinen heißt, das Weib sei in die Wüste versetzt worden, wenn vielmehr gesagt wird, sie habe in der Wüste einen ihr von G o t t bereiteten O r t, so zeigt dies an, dass zunächst nur ein bestimmter Teil der Heidenwelt zur Aufnahme der Gemeinde bestimmt ist. Welches dieser Ort sei, können wir schon aus Daniel vermuten und erfahren es durch den weiteren Verlauf der Apokalypse. Es ist das vierte Weltreich, das in dem nunmehrigen Babel, in Rom seinen Sitz hat. Einen großartigen Kommentar hierzu gibt die Apostelgeschichte, indem sie die Wanderung der Kirche von Jerusalem nach Rom schildert. Dahin zielte die ganze Wirksamkeit des Apostels Paulus, deren Seele in seinem Brief an die Römer ausgedrückt ist, und welcher selbst für seine Person in der römischen Reichs- und Rechtsordnung Schutz fand. (Vgl. B a u m g a r t e n , Apostelgesch. II, 2 S. 164ff.)

Übrigens sind die Ausdrücke der Apokalypse wohl zu beachten. Die Heidenwelt soll die Gemeinde nicht n ä h r e n: was könnte auch die Wüste für Nahrung darbieten? Sondern die Wüste als soche gewährt nur eine äußere Zuflucht; in Bezug auf die Nahrung aber steht V. 14 unbestimmt das Passiv: ὅπου τρέφεται, V. 6 ἵνα ἐκεῖ τρέφωσιν αὐτὴν. Diese dritte Person des Plural ist uns schon aus Daniel bekannt; wir wissen, dass die himmlischen Mächte als Subjekt zu ergänzen sind. Die Gemeinde führt "ein Leben, von oben her freundlichen gesäugt2; sie lebt in der Wüste gleich Israel von himmlischen Manna und gleich ihrem Meister von dem Wort, das aus Gottes Mund geht. (Mt 4:4, vg. Offb 12:11 διὰ τὸν λόγον τῆς μαρτυρίας αὐτῶν , so dass ihr der Teufel so wenig anhaben kann wie einst Jesus ἀπὸ προσώπου τοῦ ὄφεως V. 14 vgl. V. 11 ἐνίκησαν αὐτὸν) Aber Herberge und Zuflucht findet sie in der Heidenwelt und hat sie gefunden bis auf diesen Tag, "auf dass wir ein ruhiges und stilles Leben führen mögen in aller Gottseligkeit und Ehrbarkeit" (1Tim 2:2).

Freilich soll die Gemeinde dabei nie vergessen, dass sie noch in der Welt ist, in der ungöttlichen Welt, welche auch ihren feindseligen Sinn gegen sie hervorkehren kann. Dies zunächst ist in der Zeitbestimmung ausgedrückt, welche für den Aufenthalt des Weibes in der Wüste V. 6 und 14. gegeben ist. Die 3 1/2 Zeiten oder 1260 Tage haben ohne Zweifel einen genau zutreffenden, chronologischen sinn; aber es ist unmöglich, diesen jetzt schon zu ermitteln: erst die Erfüllung wird die apokalyptische Zeitrechnung erklären, wie es auch bei den Zeitbestimmungen Daniels der Fall ist. Für jetzt haben wir uns lediglich an die symbolische Dignität der Zahlen in der Offb zu halten. Und diese kennen wir nun für die 3 1/2 Zeiten schon aus Dan 7:25; Dan 12:6.7; Dan 9:27. Es ist die Zeit der Weltmacht, in welcher den irdischen Reichen die Oberhand gegeben ist über das Himmelreich. So wird denn in der Apokalypse diese Zahl wieder aufgenommen, um die Zeiten der Heiden damit zu charakterisieren, in welchen Jerusalem zertreten ist und mithin das Reich Gottes seine äußerlich sichtbare Existenz auf Erden vollends verloren hat, die Zeiten also von der römischen Zerstörung Jerusalems bis zur Wiederkunft Christi. Man vergleiche Lk 21:24 und Offb 11:2, wo beide Male vom Zertreten der heiligen Stadt durch die Heiden die Rede ist, welches so lange dauern soll, bis nach der ersten Stelle die Zeiten der Heiden, nach der zweiten 42 Monate (= 3 1/2 Jahre = 1260 Tage) erfüllt sind. Dieser negativen Bestimmung schließt sich Offb 13:5 die positive an, nach welcher die 42 Monate die Dauer der Gewalt des Tieres, d. h. der Weltmacht bezeichnen. Die einzige, noch übrige Stelle, wo die 1260 Tage in unserem Buch vorkommen Offb 11:3, möchte aus dieser Auffassung die Zahl ebenfalls ihr Licht bekommen, was aber nachzuweisen nicht dieses Orts ist. Also die Gemeinde findet wohl Unterkunft in der Heidenwelt, aber sie ist auch in die Gewalt der Weltmacht dahingegeben; sie steht unter dem Schutz, aber auch unter dem Druck derselben; sie ist eine leidende und streitende Kirche bis auf diesen Tag. Eben dieses Ineinander vom Schutz und Druck ist das Spezifische im Verhältnis der Gemeinde zur Weltmacht während der kirchengeschichtlichen Zeit. IN der einen Periode tritt man das eine, in der andern mehr das andere Moment hervor; am Ende aber wird der Druck und die Feindseligkeit der Welt mit Macht gegen die Gemeinde ausbrechen (vgl. Offb 13:6.7).

Gefahren in der Wüste

2.) Dass dem Weib in ihrer neuen Zufluchtsstätte der Kampf nicht erspart sein soll, das zeigt nun der weitere Verlauf des Gesichts V. 7ff. Wie zu Christo selbst in der Wüste der Teufel als Versucher getreten ist, so tritt er auch zum Weibe. Wir haben bisher die ersten sechs Verse von Offb 2 betrachtet und dabei V. 14 nur um seiner Verwandtschaft mit V. 6 willen vorausgenommen. Das Resultat dieses ersten Teiles des Kapitels ist die gewaltige Veränderung, welche seit Christo mit der Gemeinde Gottes in der Welt vorgegangen ist, ihre Übersiedlung aus Israel zu den Heiden. Aber nicht nur in dem Reiche Gottes auf Erden, sondern auch im Himmel selbst ist durch Christi Himmelfahrt (v. 5 und 10) eine mächtige Veränderung bewirkt worden, welche wiederum für die irdische Gemeinde die größte Bedeutung hat und darum gerade hier eingereiht wird, der S t u r z des T e u f e l s. Wir können nämlich in dem zweiten Teil des Kapitels (V. 7-12), zu dessen Betrachtung wir nunmehr übergehen, nichts anderes geschildert finden als die auch sonst aus dem N. T. und namentlich aus den johanneischen Schriften bekannte Tatsache, dass durch die Vollendung des Versöhnungswerkes Christi der Fürst dieser Welt gerichtet ist. Der ganze Zweck der Geburt des männlichen Sohnes war nach 1Jo 3:8 die Zerstörung der Werke des Teufels.

Der Kampf Jesu mit dem Fürsten der Finsternis hat drei Stadien. Das erste ist die Versuchung in der Wüste. Als dies mit einer schmählichen Niederlage des Teufels endigte, wich er von Jesu Person eine Zeitlang oder bis zu einer gewissen Zeit (ἄχρι καιροῦ Lk 4:13) und warf sich auf seine Umgebungen, um auf diese Weise seiner Wirksamkeit den Weg zu verlegen. Daher die vielen Besessenen in dieser Zeit und die Teufelsaustreibungen von Seiten des Herrn und seine Jünger, welche das zweite Stadium des Kampfs bezeichnen. Auch hier blieb der männliche Sohn in allen Punkten Sieger und erwies sich als der Stärkere, der über den Starken kam (Lk 11:20-22). Er sprach bei diesem Anlass einmal ein Wort aus, das an unsere apostolische Stelle erinnert, Lk 10:8. Als die siebzig Jünger ihm fröhlich berichteten, auch die Dämonen seien ihnen untertan in seinem Namen, so sagt er: Ich sah wohl den Satanas vom Himmel fallen als einen Blitz. Jene Siege über den Argen ließen ihn bereits den vollen Sieg über denselben im Geiste schauen, ganz nach Art der Propheten, die im Keim schon die Vollendung, mitten in der geschichtlichen Entwicklung das Ziel der Geschichte erkennen. Das dritte Stadium, in welchem der Sieg sich vollendet, ist Jesu Leiden und Tod, Auferstehung und Himmelfahrt. Hier konzentrierte der Teufel alle seine Macht zum Angriff, sowohl auf die Umgebungen als auf die Person Jesu. Dies, sagt der Herr zu seinen Feinden, ist eure Stunde und die Macht der Finsternis (Lk 22:3; Joh 13:2.27). Nur an Jesus selbst, den er jetzt durch die Schrecken, wie früher durch die Luft der Welt versuchte, hatte er nichts (Joh 14:30); vielmehr wird er durch seine Hingabe in den Tod gerichtet und hinausgeworfen (ἐκβληθήσεται ἔξω), wie der Herr mit einem abermals an unsere apokalyptische Stelle erinnernden Ausdruck sagt (Joh 16:11; Joh 12:31; vgl. Hebr 2:14); und seine Auferstehung und Himmelfahrt ist ein öffentlicher, feierlicher Triumph über die Mächte und Gewalten des Todes (Kol 2:15).

Diese letzte Stelle könnte man der unsrigen zum Motto setzen. Was Paulus in heiliger Freude didaktisch ausspricht, das hat Johannes prophetisch geschaut. Der Teufel wird jetzt, nachdem er männliche Sohn auf Gottes Thron erhoben ist (V. 5) aus dem Himmel geworfen. Der Erzengel M i c h a e l ist zum Exekutor des Gerichts bestimmt. Denn er ist nach Dan 10:13.21; Dan 12:1 derjenige unter den hohen Engelfürsten, welcher die Sache der Gemeinde Gottes in der unsichtbaren Geisterwelt gegen die widerstrebenden Kräfte auszufechten hat. Er hat schon einmal mit dem Teufel gekämpft um den Leib des Stifters des alten Bundes (Jud 1:9). Jetzt aber, da der Stifter des neuen Bundes seinen Leib freiwillig in den Tod dahin gegeben und aus demselben wieder an sich genommen hat in der Herrlichkeit des Geistes, kann er den Kampf mit dem alten Feind wieder aufnehmen, und mit noch ganz anderem Erfolg. Diese Kämpfe in der Geisterwelt sind uns schon aus Dan 10 des näheren bekannt. Michael mit seinen Engeln überwindet jetzt den widerstrebenden Teufel mit den Seinigen und wirft die finsteren Mächte und Gewalten aus dem Himmel hinaus auf die Erde (V. 7-9).

Der achte Vers, welcher sagt: ihre Stätte ward nicht mehr (ἔτι) gefunden im Himmel, setzt voraus, dass bis dahin, bis zur Himmelfahrt Christi die D ä m o n e n im H i m m e l waren gleich den anderen Engeln, dass sie, gleich diesen, vom Himmel aus, wo es ja so viele und vielerlei Stätten gibt, über die Erde walteten. Wie vor Christo der Himmel den Menschen noch nicht geöffnet war, so war er den Teufeln noch nicht verschlossen. Und das bestätigt auch die übrige Schrift, zunächst im A. T. Hi 1:6ff.; Hi 2:1ff. sehen wir den Satan unter den übrigen Söhnen Gottes vor Jehovah erscheinen (vgl. 1Kön 22:19-22); ebenso steht er Sach 3:1.2 vor dem Engel Jehovas. Beide Male tritt er als Verkläger der Brüder auf (Offb 12:10). In der zweiten Stelle will er den Hohenpriester Josua samt Jerusalem und Israel verklagen, dass ihre Schulden noch nicht getilgt, und dass sie daher der Gnade, die ihnen der Herr durch ihre Zurückführung aus dem Exil erwiesen, nicht wert seinen (Sach 3:3 - 5:9). In der ersten Stelle klagt er den frommen Hiob an, dass auch er nicht rein sei, und erhält Macht von Gott, denselben bis aufs Äußerste zu versuchen. So lange das Blut der Versühnung noch nicht geflossen war, welches Sach 3:8.9 den Anklagen Satans verheißungsweise entgegen gestellt wird, hatte er noch ein Recht über die Menschen und konnte dieses sein Recht vor Gott geltend machen: er verklagte sie vor ihm Tag und Nacht (Offb 12:10: κατηγορῶν imperf.) Es ist daher ganz folgerichtig, dass er im Himmel erscheint, bis diese seine Gewalt, die als Sünden- und Todesbann auf der Menschheit lastet, zerbrochen ist. Auch das neue Testament bestätigt diese Anschauung. Jenes schon angeführte Wort Jesu, dass er den Satan habe vom Himmel fallen sehen, hat dieselbe zur Voraussetzung. Eben dahin gehört eine Stelle, die den Auslegern viele Mühe gemacht hat, deren Schwierigkeiten aber von diesem Gesichtspunkt aus sich sehr einfach lösen, Kol 1:20.

Der Apostel ist hier beschäftigt, die einzige göttliche Würde Christi den Engeln gegenüber zu erweisen, weil die kolossäischen Irrlehrer durch ihre Aufstellungen über die Geister und Äonenwelt (vgl. Kol 2:10.18) dieselbe beeinträchtigen. Er hat V. 15-17 gezeigt, dass alle Kreaturen, die himmlischen Mächte ebenso wie die Erdenwelt, schon ihr Dasein Christo zu verdanken haben. V. 18-20 redet er nun von der zweiten Haupttätigkeit Christi, der versöhnenden, und zeigt, dass auch in dieser Beziehung das ganze Universum, wieder nach seinen beiden Bestandteilen, Erden- und Himmelswelt, die Herstellung der Harmonie nach dem ausgebrochenen Zwiespalt, und die harmonische Eingliederung in das ursprüngliche Haupt, allein Christo zu danken habe. Die Gegenüberstellung von αὐτὸν und τὰ πάντα, welche Kol 1:16.17 beherrscht hat, tritt auch in V. 20 wieder hervor: δι’ αὐτοῦ ἀποκαταλλάξαι τὰ πάντα, und nach dem Zwischensatz wieder aufnehmend: δι᾽ αὐτοῦ εἴτε τὰ ἐπὶ τῆς γῆς εἴτε τὰ ἐν τοῖς οὐρανοῖς. Störung und Disharmonie war nicht nur auf Erden ausgebrochen, sondern auch im Himmel durch den Fall der Dämonen.*)

*) Vgl. K u r t z, Bibel und Astronomie, 3. Auflage, S 228: "Durch den Fall der Engel und durch den des Menschen war Fluch und verderben in die irdische Weltregion gekommen, und auch in die himmlischen Welten, in die Wohnungen der heiligen Engel war durch diese doppelte Katastrophe eine zwar nicht positive, aber doch private Störung gekommen, wodurch ihre höchste und absolute Entwicklung, ihre harmonische Gliederung, ihr vollendeter Zusammenschluss aufgehalten wurde."

Und so wenig die Menschen selbst den Frieden auf Erden herstellen konnten, so wenig die Engel im Himmel. Die guten Engel waren nicht imstande, von sich aus die Störenfriede zu überwinden, die Dämonen hinaus zu schaffen; sondern auch für sie gilt das δι᾽ αὐτοῦ: erst das Blut des Kreuzes hat auch im Himmel Frieden hergestellt (εἰρηνοποιήσας διὰ τοῦ αἵματος τοῦ σταυροῦ); erst jetzt, nachdem Christus den Sieg rechtskräftig errungen hat, können Michael und seine Engel den Teufel und die Seinigen aus dem Himmel werfen. Nur bei dieser Auffassung, welche durch die andere, schon angeführte Stelle des Kolosserbriefes Kol 2:15, unterstützt wird, wird die paulinische Argumentation recht schlagend, indem sie zeigt, wie die Engel durchaus von Christo abhängig sind; nur sie tut dem Zusammenhang und insbesondere der Wiederholung des δι᾽ αὐτοῦ ein volles Genüge.

Der Sieg über den Fürsten der Finsternis

Durch das Ereignis, welches wir hier vor uns haben, ist also ein wesentlicher Wendepunkt in der Geschichte des Fürsten und Reiches der Finsternis eingetreten. Denn von einer solchen Geschichte gibt uns die Hl. Schrift und insbesondere die Apokalypse die Grundzüge in die Hand. Sie ist ein immer tieferes Heruntersinken in vier Stufen oder Perioden. Die erste geht bis auf Christum: da herrscht der Teufel nicht nur auf Erden, sondern er ist auch noch im Himmel; seine Macht ist noch ungebrochen, das alttestamentliche Gottesreich ist noch nicht mit reellen Überwindungskräften ausgestattet. Die zweite Periode geht von Christo bis zum Beginn des tausendjährigen Reiches; da ist Satan vom Himmel auf die Erde geworfen, wo er noch immer freien Spielraum hat. Wir haben hierüber gleich näher zu reden. Die dritte Periode umfasst das tausendjährige Reich. Jetzt ist der Feind gebunden, und wie zuvor vom Himmel auf die Erde, so wird er jetzt von der Erde in den Abgrund geworfen und da unschädlich gemacht (Offb 20:1-3) Nachdem er hierauf noch eine kleine Zeit los geworden, so wird er viertens gerichtet und für immer und ewig in den Feuersee gebannt (Offb 20:7-10; Mt 25:41; 1Kor 6:3). Es ist ein fortgehendes Geworfen, Hinabgestürzt werden (βλήθησαν), was die Apokalypse zu berichten hat (Offb 12:9; Offb 20:3.10).

Mit unserem Ereignis beginnt also die zweite Periode in der Geschichte des Teufels. Das Wesen desselben wird von der himmlischen Stimme (Offb 12:10-12) geschildert. Während bisher Satan als der Fürst dieser Welt im unbestrittenen Besitz seiner Macht gewesen war, ist ihm dieselbe jetzt genommen. Sieg (σωτηρία in der Apokalypse, vgl. Offb 7:10; Offb 19:1, wie das hebräische תְּשׁוּעָה, das die LXX mit σωτηρία übersetzt, z. B. 2Sam 23:10.12, und das deutsche Heil, allgemein Glück, Wohlstand, Sieg), K r a f t und R e i c h ist jetzt G o t t e s, die G e w a l t ist C h r i s t i geworden. Christus kann jetzt sagen: Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden (Mt 28:18 ἐξουσία); und die Christen können sagen: Gott hat uns errettet aus der Gewalt der Finssternis und versetzt in das Reich seines lieben Sohnes (Kol 1:13 ἐξουσία und βασιλεία). Der Teufel hat seinen eigentichen Machtsitz im Himmel verloren und dies vor allem deswegen, weil (ὃς) er nun die Menschen, sondern sie Christis und in ihm Brüder der Himmlischen sind (??), n i c h t mehr v e r k l a g e n kann vor G o t t. Denn jetzt ist Christus im Himmel, unser Fürsprecher, der unsern Verkläger zuschanden macht und ihm das Blut der Versühnung entgegenhält, welches besser redet denn Abels Blut, dieses zum Himmel schreiende Urzeugnis von der menschlichen Sünde (1Jo 2:1.2; Hebr 7:25; Hebr 8:1; Hebr 12:24). So rechtmäßig ist nun der Satan überwunden, dass Paulus uns einführen kann in den himmlischen Gerichtssaal, wo gegen die Auserwählten Gottes keine Beschuldigungen mehr angenommen, sondern von Gott, dem Richter, fort und fort Absolutionsurteile ausgesprochen werden über alle, welche Christum für sich eintreten lassen (Röm 8:33.34). Dies wird denn auch an unserer Stelle V. 11 näher ausgesprochen.

Die Christen haben den Widersacher ü b e r w u n d e n aufgrund (διὰ τὸ αἷμα) des Blutes des Lammes, durch welches der auf der Menschheit lastende Teufelsbann gelöst und der freie Zugang zu Gott eröffnet ist, und auf Grund des Wotes ihres Zeugnisses, durch welches sie sich zu dem erwürgten Lamm frei von aller Welt bekennen. Dieses sieghafte Präteritum finden wir ebenso im ersten Brief des Johannes: unser Glaube ist der Sieg, der die Welt überwunden hat (νικήσασα 1Jo 5:4); ihr habt den Bösewicht überwunden (1Jo 2:13.14 vgl. 1Jo 4:4), ohne Zweifel in Erinnerung des Wortes, mit dem Jesus seine Abschiedsreden schloss, und das sich der Seele des Johannes aufs Tiefste einprägen musste: ich habe die Welt überwunden (Joh 16:33). Dieses κόσμον ist überhaupt ein eigentümlich johanneischer Ausdruck, der sich in seinem ersten Brief sechsmal, in der Apokalypse sechzehnmal findet, während er sonst im ganzen N. T. nur in Lk 11:22; Röm 3:4 und Röm 12:21 vorkommt. Es ist das für die Gesamtanschauung unseres Apostels, deren Grundgedanke der Kampf der Gegensätze und der Sieg des Lichts über die Finsternis ist, charakteristisch; denn es ist ja derselbe Kampf und Sieg, welchen das Evangelium Johannes in dem Leben Jesu, die Offenbarung in dem seiner Gemeinde schildert (Vgl. L u t h a r d t , das johann. Evang. I, S. 68f.). Aber zu dieser Überwindung der Welt und ihres Fürsten in der Kraft des Blutes Christi gehört auch, dass wir, gleich diesem, was von uns noch der Welt angehört, unser irdisches Leben dranzugeben willig sind (Joh 12:24f; Mt 10:38f.; Mt 16:24ff.): sie haben ihr L e b e n nicht g e l i e b t bis in den T o d. So steht auch 1Jo 2:15 neben dem: Ihr habt den Bösewicht überwunden, unmittelbar: habt nicht lieb die Welt noch was in der Welt ist.

Über diesen Hinauswurf und Überwindung des Bösewichts werden nun die H i m m e l und ihre B e w o h n e r zur F r e u d e aufgerufen Offb 12:12. Zu den letzteren dürfen wir wohl auch die Glieder Christi rechnen, sofern sie eben Brüder der Himmlischen sind, Heimat und Bürgerrecht im Himmel haben, ja selbst Himmlische heißen (Phil 3:20; 1Kor 15:48). Sie freuen sich ja wahrlich mit den Engeln des Himmels über die Verwerfung des Teufels; denn sie sind dem Weltwesen und der Macht des Weltfürsten entnommen, und es gilt ihnen das Wort, mit dem Johannes selbst wieder unsere ganze Stelle erläutert; Wer aus Gott geboren ist, der bewahret sich, und der Arge tastet ihn nicht an (1Joh 5:18). Dagegen w e h e denen, die noch dieser W e l t angehören und auf die Macht oder auch die Bildung derselben (Meer, Erde) sich verlassen! Sie sind jetzt besonders stark der V e r f ü h r u n g des T e u f e l s preisgegeben, denn nur als Verkläger, aber noch nicht als Verführer ist er abgetan, w ü t e n d über seinen Sturz und im Bewusstsein, dass es bald noch tiefer mit ihm hinabgehen wird, nimmt er jetzt alle Kraft zusammen, um noch möglichst viele Seelen zugrunde zu richten. Gerade dem Sieg des Lichts gegenüber steigert sich jetzt auch die Kraftanstrengung der Finsternis, und es wird dem auf die Erde geworfenen Teufel gelingen, die Erdenmächte dereinst so zu erhitzen und zu stärken, dass sie sich zum vollen Antichristentum entwicklen. Satan herrscht jetzt in der irdischen Luftregion (Eph 2:2) und geht umher auf Erden wie ein brüllender Löwe und sucht, wen er verschlinge (1Petr 5:8); er ist nach wie vor der Gott dieser Welt (2Kor 4:4), und nur sofern und soweit man in Christo ist, ist man vor ihm gesichert. Es ist aber da keine äußere Abgrenzung der Gebiete; das Christo Angehören ist etwas rein Pneumatisches, Innerliches, Unsichtbares und fällt nicht mit der Zugehörigkeit zu irgend welcher menschlichen Gemeinschaft zusammen. Auch die Christenheit ist noch auf Erden und daher den Angriffen des Teufels ausgesetzt. Er sät Unkraut unter den Weizen (Mt 13:25.38f.). Wer von ihren Gliedern nicht lauter ist, dem Weltwesen wieder Eingang bei sich gestattet, den bringt Satan zu Fall. Daher der Kampf, den auch die Gläubigen fortwährend mit dem Teufel zu bestehen haben (Eph 6:11ff.) Sie haben ihn überwunden; aber gerade aufgrund des erlangten Ursieges gilt es immer neuen Kämpfen und Überwinden, sowie es aufgrund des einmaligen Gestorbenseins ein fortwährendes Töten der Erdenglieder gilt. (Kol 3:3.5; vgl. Röm 6:2-14). Das ist der ungeheure Ernst der Periode des Reiches Gottes, in die wir alle hineingeboren sind.

Der Drache und das Weib

3.) So ist denn in den beiden ersten Teilen unseres Kapitels der neuttestamentliche Stand der Dinge, der Stand der Gegenwart des Johannes sowohl hinsichtlich des Reiches oder der Gemeinde Gottes (Offb 12:1-6) als hinsichtlich des Reiches der Finsternis (Offb 12:7-12) charakterisiert. Der dritte Teil (Offb 1213-17) zeigt nun, wie sich von jetzt an beide Reiche zueinander stellen, was der Drache weiter gegen das Weib unternimmt. Er v e r f o l g t sie (Offb 12:13), und unter dieser Verfolgung haben wir wohl alle die Feindseligkeiten zu verstehen, welche Juden und Heiden sich gegen die junge Kirche haben zuschulden kommen lassen. Ihnen gegenüber gewinnt also das Weib doch mehr und mehr im römischen reich eine sichere und feste S t ä t t e (V. 14): die römische Staats- und Rechtsordnung hat, wie schon dem Apostel, so auch später der Kirche unter alle Verfolgungen hinein immer wieder Schutz gewährt, bis Kaiser und Reich endlich selbst christianisiert wurden. Vielleicht darf man bei dem g r o ß e n A d l e r , namentlich wegen des Beisatzes "groß" nach Hes 17:3.7, wo die Könige von Babel und Ägypten so bezeichnet sind, von denen der erstere auch Dan 7:4 mit Adlersflügeln erscheint an die Weltmacht, an den römischen Adler denken, wie schon B e n g e l darunter "die mächtigste Potenz versteht, von welcher die Kirche Schutz und Förderung genossen hat." Gerade die feindselige Macht musste in Gottes Hand auch wieder zur Schutzmacht werden; denn Christus herrscht mitten unter seinen Feinden (Ps 110:2). Gleichwohl ist die ganze heidenchristliche oder kirchengeschichtliche Periode nach biblisch-prophetischer Anschauung nur eine solche Zwischenzeit, wie Israels vierzigjähriger Aufenthalt in der W ü s t e, ein Zug der Gemeinde durch die Wüste nach dem gelobten Land, wo im tausendjährigen Reich sich erst das volle Leben und die dem Christenstand eigentlich entsprechende Herrlichkeit entfaltet, Die Erlösung ist geschehen, aber Kanaan noch in Feindeshand, das Erbe noch nicht angetreten. Die Wüstenzeit, die Zeit unserer Wallfahrt und Fremdlingschaft (1Petr 1:17; 1Petr 2:11; Hebr 4:9; Hebr 13:14; 2Kor 5:6.7; 1Jo 3:2) hat nur die Bestimmung, eine neue, neugeborene Generation für die Herrlichkeitszeit zu erzeugen.

Daher lässt denn auch die Feindschaft des Teufels nicht ab. Während sich die Gemeinde an dem ihr bestimmten Ort, im römischen Reich, ausbreitet und einwohnt, schießt die Schlange aus ihrem Mund W a s s e r wie einen S t r o m hinter ihr her, ums sie fortzuschwemmen und zu ersäufen (V. 15). Wir werden unter diesem Wasserstrom gemäß der uns bekannten Deutung des Wasser (vgl. Offb 17:15) nichts anderes zu verstehen haben, als die Ströme der Völkerwanderung. Die germanischen Stämme sollten dem römischen Reich und eben damit nach des Teufels Absicht auch dem Christentum ein Ende machen: er führt eine neue Weltmacht gegen die Gemeinde Gottes ins Feld. Aber die E r d e kommt dem W e i b e zu H i l f e; indem sie den Völkerstrom verschlingt (V. 16). Wir wissen, dass die Erde im Gegensatz zum Wasser die Welt als eine schon geordnete, kultivierte bezeichnet. Die gebildete Römerwelt nahm die wilden, germanischen Volksmassen in sich auf, brach und sänftigte ihre Feindseligkeit und befreundete sie auch mit dem Christentum, welches hier, wie wir sehen, zunächst nicht von seiner himmlischen, sondern von seiner irdischen Seite, als Kulturmacht in Betracht kommt. Indem die Germanen sich durch römische Bildung und Kirche zivilisieren ließen, war der Fortbestand der wahren Gottesgemeinde gesichert.*)

*) Ebenso J. P. L a n g e: "Der Teufel schoss nach der Kirche den Strom der zwangsweise bekehrten Völker und der Massen der Völkerwanderung. Aber die Erde, d. h. die befestigte kirchliche und staatliche Ordnung, verschlang den Strom, amalgamierte sich die wilden Völkerhorden" (G e l z e r s protest. Monatsblatt, Aug 1853; S 84).

So ist auch dieser Plan des Teufels gegen das Weib misslungen, und sie hat jetzt einen doppelt gesicherten Stand in der kultivierten Völkerwelt. Er sieht, dass er jetzt einen andern Weg einschlagen muss, dass die Gemeinde im ganzen von den Pforten der Hölle nicht überwältigt werden kann. Daher wendet er sich gegen die Einzelnen, welche von i h r e m S a m e n übrig s i n d, die da Gottes Gebote halten und haben das Zeugnis Jesu (V. 17). Die wahren Christen sind, nachdem er die Ausrottung des Christentums aufgeben musste, der beharrliche Gegenstand seiner Feindschaft und Verfolgung bis auf diesen Tag (Joh 15:18ff.). In dem  ??? liegt wohl eine Andeutung davon, dass je mehr die Kirche sich in die Welt hineinlebt, desto mehr es auch in ihr, wie einst in Israel, nur ein Rest, eine Auswahl sein wird, welche in Wahrheit den Weibessamen bildet, von dem es heißen kann, dass er Gottes Gebote halte und das Zeugnis Jesu habe. Nur solche sind dem Teufel wirklich ein Dorn im Auge; die andern verfolgt er nicht.

Hier bricht nun das Gesicht ab. Johannes soll keine Kirchengeschichte schreiben, sondern nur die Verse Offb 12:13-14.15-16 und 17 hervorgehobenen Haupttatsachen und Grundzüge die Stellung der Gemeinde in der Heidenwelt charakterisieren. Sie besteht einerseits fort unter dem äußeren Schutz der römisch-germanischen Zivilisation und Staatsordnung; andererseits gelingt aber auch der Schlange noch mancher Fersenstich gegen den Weibessamen, und wenn gleich die Massenangriffe (zu denen weiterhin auch der Muhamedanismus gezählt werden kann) fehlschlagen, so sind doch fortwährend die einzelnen Christen, je mehr sie zum echten Weibessamen gehören, desto mehr der Anfeindung Satans ausgesetzt. Die Gemeinde des Herrn darf ihre Hoffnung auf nichts weniger setzen, als auf einen ruhigen äußeren Bestand. Dies ist vielmehr gerade die Hauptgefahr, die ihr droht, dass sie sich durch den Wohlstand in der Welt, zu dem sie nach V. 16 gelangt ist, von ihrem keuschen, geistlichen Pilgersinn abziehen und ins Weltwesen verstricken lasse. Noch steht ihr der Teufel als Versucher gegenüber. Er kann es jetzt, da es ihm mit Gewalt nicht gelungen ist, mit List angreifen, statt mit den Schrecken nun mit der Lust der Welt, so wie er auch Christum in der Wüste versucht hat. Er tut das, und das Weib widersteht der Versuchung nicht. Wir finden sie im 17. Kapitel als Hure wieder.

Das Tier mit sieben Häuptern und zehn Hörnern

Wir kommen nun zu dem Tier, dessen Schilderung sich unmittelbar an die des Weibes anschließt: Offb 12:18 bis Offb 13:10. Diese symbolische Gestalt ist es vor allem, durch welche die Apokalypse mit Daniel zusammenhängt, und es obliegt uns zunächst, den Zusammenhang nachzuweisen. Johannes selbst lässt ihn gleich in den beiden ersten Versen des 13. Kapitels auf dreifache Weise hervortreten. Sein Tier steigt aus dem Meer auf, wie die vier Tiere Daniels; es hat zehn Hörner, wie Daniels viertes Tier zehn Zehen hat; es ist endlich zusammengesetzt aus Löwe, Bär, Pardel, also aus den danielischen Tieren. Das vierte Tier fehlt zwar hier, weil es keinem bestimmten Tier gleicht; aber es ist ja eben durch die zehn Hörner vertreten. So ergibt sich schon aus dieser einfachen Betrachtung, was wir unter dem Tier der Offenbarung zu verstehen haben: es wird darin die Weltmacht im ganzen, welche bei Daniel in vier Tiere auseinander gelegt ist, in eins zusammengefasst. We das Weib das Gottesreich schlechthin ist, so ist das Tier das Weltreich schlechthin, durch alle Zeiten hindurch, ebenfalls nicht bloß in einer einzelnen Periode seiner zeitlichen Entwicklung, sondern von da an, wo es überhaupt einen Gegensatz des Gottes- und Weltreichs auf Erden gegeben hat. So wenig Johannes unter dem Weib bloß die Christengemeinde versteht, so wenig unter dem Tier bloß das Weltreich seiner Zeit, das römische, oder gar irgend eine frühere oder spätere Entwicklungsphase des römischen Reiches. Dagegen und für unsere Auffassung spricht also;

1.) die Beschreibung des Tieres selbst: es schließt ja die früheren Weltmonarchien, L ö w e , B ä r , P a r d e l , ausdrücklich ein, und man kann nicht etwa sagen, Johannes habe sich das vierte, danielische Tier als aus den früheren zusammengesetzt gedacht. Wie das vierte Tier aussah, beschreibt Daniel selbst, und wenn dem Johannes nur dieses wieder mit Ausschluss der früheren gezeigt werden sollte, so konnte doch nicht Ungeschickteres geschehen, als gerade die früheren darin aufzunehmen. Man kann auch nicht sagen, die früheren Reiche sollen als dem römischen einverleibt dargestellt werden; denn so hätte ja auch schon bei Daniel zuerst der Löwe dem Bären, dann beide dem Pardel und endlich alle drei dem vierten Tier einverleibt erscheinen müssen. Vielmehr ist die einzige natürliche Erklärung von Offb 13:2 die, dass das Tier die gesamte Weltmacht nach den verschiedenen, aufeinander folgenden Universalmonarchien bezeichnet, welche wir dann selbstverständlich in den sieben Häuptern zu suchen haben. Eben dafür spricht denn

2.) die Analogie des W e i b e s; wie dieses zurückgreift bis auf Israels Berufung, so auch das Tier. Denn das Geheimnis des Weibes und des Tieres gehören ja zusammen (Offb 17:7). Ist nun beim Weibe das Zurückgreifen der Weissagung in die Vergangenheit Offb 12:1-5 deutlich genug angezeigt, so noch mehr bei dem Tier Offb 17:10, wo es heißt, fünf von den sieben Häuptern des Tieres seien schon gefallen. Dazu kommt endlich

3.) dass das Tier als ein A b b i l d des T e u f e l s erscheint. Dieser wird schon Offb 12:13, wo er zum ersten mal auftritt, beschrieben als ein großer, feuerroter Drache mit sieben gekrönten Häuptern und zehn Hörnern. Wir haben dort absichtlich nicht näher von seiner Gestalt geredet, weil sie offenbar zum Tier in Beziehung steht; denn auch dieses hat ja sieben Häupter und zehn Hörner. Es ist damit symbolisch angedeutet, was Johannes in Worten so erklärt: der Drache gab dem Tier seine Kraft und seinen Thron und große Gewalt (Offb 13:2). Der Teufel ist gleichsam das Urtier, weswegen er hier eben auch in Tiergestalt, als Drache oder Schlange (Offb 12:9) erscheint. Die johanneische Grundidee vom Satan als Fürsten der Welt, in welchem die ganze Welt ihr Wesen und Bestehen, welcher insbesondere auch über die Reiche der Welt zu verfügen hat, ist hier ausgesprochen (Joh 12:31; Joh 14:30; Joh 16:11; 1Jo 5:19; Lk 4:6). Dieses starke Hervortreten des Teufels ist ein allen johanneischen Schriften wieder gemeinsames Element: es wird in ihnen der letzte Hintergrund des Weltwesens aufgeschlossen, sowie sie andererseits auch über das göttliche Wesen die tiefsten Aufschlüsse enthalten. Ist nun aber das Tier das genaue Abbild des Drachen, so ist natürlich, dass es die Weltmacht nicht in dieser oder jener Einzelgestalt, sondern nur in ihrer Gesamtheit bezeichnen kann. Wären z. B. die sieben Häupter des Tiers sieben römische Kaiser, so sähe man nicht ein, warum gerade sie und nur sie am Teufel urbildlich erscheinen, während dies ganz klar ist, wenn sie die Gesamtheit der teuflischen Macht auf Erden darstellen. Die ganze Welt liegt im Argen, sagt Johannes (1Jo 5:19: ἐν τῷ πονηρῷ κεῖται mask. wie V. 18 opp. ἐκ τοῦ Θεοῦ), und das gilt auch hier.

Es findet sich in dieser Darstellung der Weltmacht bei Johannes ein mehrfacher Fortschritt gegenüber Daniel, welcher mit dem Fortschritt des N. T. gegenüber dem A. T. überhaupt zusammenhängt.

1.) Johannes fass in e i n T i e r zusammen, was bei Daniel noch in viere auseinander fällt. Zwar ist schon in dem Metallkoloss Dan 2 die Weltmacht ein Ganzes, aber doch treten auch hier die einzelnen Teile im Grund stärker hervor als die Einheit des Gesamtbildes. Im N. T. ist in die Einheit des Wesens, des Prinzips zusammen gefassst, was im A. T noch mehr äußerlich und vereinzelt hervortritt. So werden dem Johannes die verschiedenen Weltmonarchien nur Evolutionen eine und desselben widergöttlichen Prinzips, welche durch den Sündenfall und näher durch den babylonischen Turmbau in die Welt gekommen ist, Köpfe eines Tieres, das mit seiner brutalen Gewalt zum Weib in demselben Gegensatz steht, wie das Im-Argen-Liegen zu dem Aus-Gott-Sein. Es kommt dem Johannes hierbei mehr auf das Wesen im Ganzen, als auf die Charakteristik der einzelnen Weltmächte an; er begnügt sich, dieselben nach dem Vorgang des vierköpfigen Pardels (Dan 7:6) als Tierköpfe zu bezeichnen. Gehören doch die meisten der Vergangenheit an und sind schon von Daniel und en anderen Propheten des alten Bundes näher beschrieben, während für die allein noch zukünftige Macht, die germanische, wie wir sehen werden, darin eine sehr tiefgreifende Charakteristik gegeben ist, dass sie als ein zu Tode verwundetes, aber wieder geheiltes Haupt erscheint.

2.) Während Daniel nur vier Weltmächte aufzählt, schaut Johannes s i e b e n. Auch dies hat einen tieferen Grund. Vier ist die Zahl der Welt, Sieben die der Offenbarungen Gottes an die Welt. Die vier danielischen Tiere sind, wie wir gesehen haben, Zerrbilder der vier hesekielischen Tiere und Cherube; die sieben apokalyptischen Tierköpfe dagegen sind Zerrbilder der sieben Geister Gottes (Offb 1:4; Offb 4:5; Offb 5:6). "Was die Siebenheit des Geistes auf Seiten Gottes, das sind die Cherubim auf geschöpflicher Seite." (H o f m a n n, Schriftbeweis I, S 355) Johannes blickt also tiefer in das Geheimnis des gottfeindlichen Weltwesens hinein und dasselbe entwickelt sich nun vor seinem Blick bis zur letzten Spitze. Es ist der Geist Gottes selbst, den sich die Weltmacht beilegt, - die Spitze der Selbstvergötterung. Während die vier Tiere doch immer noch das Gefühl eines über ihnen Waltenden und Thronenden haben, erscheint hier Gott ganz in's Weltwesen herabgezogen, und die Welt in ihrer Nachäffung will selbst ganz Gott gleich sein. Dies drückt sich auch darin aus, dass das Gott lästernde Maul und der Krieg mit den Heiligen, welche bei Daniel nur die Sache des antichristlichen Horns sind, jetzt dem armen Tier beigelegt erscheinen (Offb 13:5-7).

3.) Endlich gehört hierher, ,dass nun auch der T e u f e l hervortritt als Urbild und Urheber der Weltmacht, welchen Daniel noch nicht schaute, wie sich denn überhaupt im A. T. noch weniger klare Blicke in die unsichtbare Welt finden. Wir haben freilich bei unserer Darstellung oben diese apokalyptischen Lichter auch schon in den Daniel hineinleuchten lassen. Beides hängt eng miteinander zusammen, dass das Tier ein Abbild des Teufels, und dass seine Entfaltung eine Nachäffung der sieben Geister Gottes sind. Denn der Teufel ist ja selbst der Affe Gottes; seine sieben Häupter sind zuerst die Karikaturen jener Geister, während dagegen in den zehn Hörnern das weltliche Element hervortritt. Es bezeichnet eigentlich den Selbstwiderspruch des Teufels und seines Reiches, dass sie die Sieben- und Zehnzahl zugleich an sich tragen.

Die Zahl des Tieres

Mit welchem Unrecht die Weltmacht durch Usurpation der Siebenzahl ihre Entfaltung zur Gottesoffenbarung stempelt, das wird in der Apokalypse näher auf doppelte Art gezeigt, einmal dadurch, dass sich zu den sieben Köpfen oder Königen noch ein Achter gesellt (Offb 17:11); sodann dadurch, dass die eigentliche Zahl des Tieres nur 666 ist (Offb 13:18). Also die wahre Zahl des Tieres ist nicht 7, sonder 6 und 8: es schweift um das Göttliche herum, streift an dasselbe an, aber ohne es je zu erreichen. Was noch insbesondere die Zahl 666 betrifft, welche an der einzigen Stelle, wo sie vorkommt, als die Z a h l des T i e r e s τὸν ἀριθμὸν bezeichnet wird, so hat sie gewiss, wie alle apokalyptischen Zahlen, ihre ganz speziell zutreffende Bedeutung, über welche aber erst die Enderfüllung Licht geben kann. Für jetzt sind wir auch hier auf die Erforschung der symbolischen Dignität angewiesen (Vgl. L a n g e in Herzogs Realenzyklopädie I. S. 375) und in dieser Beziehung möchten folgende Punkte zu beachten sein, wobei wir gerne weitere Belehrung annehmen. Es kommt auf zweierlei an, auf die Bedeutung der Sechszahl an sich und auf den Grund ihrer Anschwellung durch die Einer, Zehner und Hunderter hindurch. Die Apokalypse selbst legt es uns nahe, die Sechszahl zunächst als Nachbarin der Siebenzahl ins Auge zu fassen, indem sie zwischen dem sechsten und siebten Siegel, sowie zwischen der sechsten und siebten Posaune eine Pause macht. In der Sechszahl vollenden sich hier die Gerichte über die Welt; mit dem Vollwerden der Siebenzahl "ist das Reich der Welt unseres Herrn und seines Christus geworden" (Offb 11:15). Sechs ist also die Zahl der dem Gericht verfallenen Welt. Eben darauf werden wir geführt, sofern 6 die Hälfte von 12 ist, wie 3 1/2 die Hälfte von 7. Zwölf ist nämlich, wie wir von den zwölf Sternen um das Haupt des Weibes, von den zwölf Toren und Gründen des neuen Jerusalems her wissen, die Zahl der Gottesgemeinde; wie nun die 3 1/2 der 7 gegenüber, so bezeichnet die 6 der 12 gegenüber die Gemeinschaft oder das Reich dieser Welt als gebrochen, soliden Grundes entbehrend.

Die dreifache Steigerung der Sechszahl (6+60+600) besagt, dass es das Tier mit aller Steigerung seiner Macht doch zu nichts anderem bringt als zu einer Steigerung des Gerichts. Es steht diese Entfaltung der Sechszahl der Entfaltung der Zwölfzahl gegenüber, die wir in den 144000 Versiegelten finden: die gerichtete Weltmacht der verklärten, dem Gericht entnommenen Gemeinde. Auch zu den 1000 Jahren (Offb 20) findet vielleicht eine Beziehung statt, da 666 zwei Drittel von 1000 ist. Die 1000 bezeichnet die Durchdringung der Welt mit dem Göttlichen, indem die Weltzahl 10 mit der Gotteszahl 3 potenziert ist. Der Antichrist verheißt, wie wir oben gesehen haben, auch diese Seligkeit des tausendjährigen Reichs; aber er bleibt stets in den Brüchen. Das ist das Wesen des apokalyptischen Geistesblicks, dass er die Welt immer schon als gerichtete schaut.

Was bedeuten Häupter und Hörner?

Wir haben uns nun näher nach den s i e b e n H ä u p t e r n und z e h n H ö r n e r n umzusehen. Es tritt in dieser Beziehung ein kleiner Unterschied zwischen dem Urbild und Abbild hervor. Drache und Tier tragen K r o n e n (διαδήματα), aber jener auf den Häuptern, dieses auf den Hörner (Offb 12:3; Offb 13:1). Dies deutet an, dass wir unter den Häuptern sowohl als unter den Hörnern Reiche zu verstehen haben, wie es denn in der erklärenden Stelle Offb 17:7ff von beiden heißt, sie seien Könige (V. 9 u. 12), wobei die Könige, wie bei Daniel, die Reiche, deren persönliche Träger sie sind, bezeichnen. Wenn aber das Urbild die Kronen auf den Häuptern hat, so ist klar, dass auf diesen der wesentliche Nachtdruck ruht, ass sie die Hauptreiche darstellen, wie dies auch schon in dem Unterschied zwischen Haupt und Horn an sich liegt, da die Hörner am Haupt sitzen als ein Teil desselben. Auf diese ungleiche Dignität der Häupter und Hörner weis auch die erklärende Stelle hin, indem sie von dem letzteren sagt, sie seien zehn Könige, von den ersteren aber, sie seien s i e b e n Berge und s i e b e n K ö n i g e. Mag in den sieben Bergen etwa eine Anspielung liegen auf die sieben Hügel Roms, auf denen sich in der Gegenwart des Johannes die Weltmacht konzentrierte: so kann das doch höchstens nur ein beiläufige Anspielung sein, die man nicht zum eigentlichen Sinn der Stelle machen darf. Eine so triviale geographische Notiz würde der Engel wahrhaftig nicht mit den Worten einleiten: hier ist der Sinn, der Weisheit hat; sondern doch diese Worte, wie wir unten sehen werden, ausdrücklich zu mystischer Deutung auf. Auch wäre es gegen alle Analogie, unter den Häuptern des Tieres Berge im eigentlichen Sinn zu verstehen. Endlich würfen ja dann von den Häuptern zwei ganz disparate Deutung in einem Atemzug gegeben: sie wären einerseits sieben Hügel, andererseits sieben Könige. Was haben aber die Könige mit den Hügeln zu schaffen? Es muss offenbar ein Zusammenhang zwischen Bergen und Königen sein, und der wird auch reichlich dargeboten, wenn wir die Bedeutung der Berge in der prophetischen Sprache überhaupt ins Auge fassen. Zunächst ist aber der Zusammenhang zwischen Haupt und Berg deutlich: wie da Haupt eine hervorragende, gebietende Stellung am Leib einnimmt, so der Berg im Land, daher auch die Berge so häufig als Köpfe bezeichnet werden (Katzenkopf, Schneekoppe, Cap, Kuppe usw.)

Hier schließt sich nun der Ausdruck Berg an die uns schon bekannten symbolischen Ausdrücke Meer und Erde an (vgl. Ps 65:7.8; Hab 3:10.12); er dient zur Bezeichnung der hervorragenden Machtstellung in der Welt. Berge sind Machtsitze: darin liegt nun einfach auch ihr Zusammenhang mit den Königen. Die sieben Könige werden hierdurch zum Unterschied von den zehn, durch die Hörner dargestellt, welche nur einfach βασιλεῖς heißen, als besondern gewaltige Könige, als die große Weltmächte bezeichnet. So wird Dan 2 der Stein zum Berg d. h. zu einem an die Stelle der Weltmächte tretenden Universalreich. "Berge, bemerkt S c h m i e d e r zu Jes 2:2, sind in der typischen Sprache überhaupt die Spitze der Götter und Könige, insbesondere der falschen Götter und der ungöttlichen Machthaber, die erniedrigt werden müssen." An sich ist der Ausdruck vox media, Bezeichnung der Macht, sowohl der Gottesmacht (Zion) als der Weltmacht. Nicht selten werden die Weltberge dem Gottesberg gegenüber gestellt z. B. eben Jes 2:2; Ps 68:16.17; Hes 35:1 bis Hes 6:15. So heißt Jer 51:24.25 dem Berg Zion gegenüber Babel, der Sitz der Weltmacht, ein verderblicher Berg, der alle Welt verdirbt. So wird Jes 41:15f. in Ausdrücken, welche an Dan 2:35 erinnern, der Sturz der Weltreiche durch das Gottesreich beschrieben als Zerbrechen und Zermalmen der Berg durch das zum Dreschwagen gemachte Israel. So sind Hab 3:6 die uralten Berge und die Heidenvölker parallel. Es wird also Offb 17:9 das Symbol der Häupter zunächst durch das dem mit der prophetischen Sprache vertrauten bekanntere Symbol der Berge erläutert und sodann beide weiter durch das offene βασιλεῖς. Die Berge verhalten sich zu den Königen gerade so, wie V. 15 die Wasser, auf denen ebenfalls die Hure sitzt, zu den Völkern: so wenig die Wasser buchstäblich zu nehmen sind, ebenso wenig die Berge.

Was nun die genauere Deutung betrifft, so kennen wir die z e h n H ö r n e r aus Daniel schon als die letzte Gestalt der Weltmacht; sie gehören dem letzten Reich an, das ein zehnfach geteiltes ist; und man hat sich dieselben auch in dem siebten Haupt zu denken, was der Engel Offb 17:12 dadurch andeutet, dass er sagt, die zehn Könige haben das Reich noch nicht empfangen, gerade wie er von dem siebten Hauptkönig sagt, er sei noch nicht gekommen. Eine nähere Bezeichnung dieser zehn Königreiche ist also ebenso wenig möglich wie bei Daniel, da sie, in ihrer Zehnzahl wenigstens, auch für uns noch zukünftig sind. Die s i e b e n H ä u p t e r aber lassen sich nennen; sie sind ja die sieben Universalmonarchien, unter deren letzter wir selbst leben. Die Lästernamen an den Häuptern deuten noch ausdrücklich die Gottwidrigkeit an. Zwar bezeichnen die Hörner gleichzeitige Reiche und nach der danielischen Analogie des vierköpfigen Pardels (Dan 7:6) könnten wir dies auch bei den Häuptern erwarten. Dieser Annahme hat aber die Apokalypse selber bestimmt vorgebeugt, indem sie sagt, von den sieben Hauptreichen gehören fünf der Vergangenheit, eines der Gegenwart und eines der Zukunft des Apokalyptikers an (Offb 17:10). Sie will also aufeinander folgende Reiche verstanden wissen. Welches nun diese seien, ist an der Hand Daniels und der übrigen Propheten unschwer zu ermitteln. Es bieten sich zunächst die vier danielischen Monarchien dar, aus denen hier aber fünf werden, weil das gegenwärtige Reich, das römische, von dem künftigen, dem germanischen, unterschieden wird. Zu dieser Unterscheidung bietet Daniel selbst die Hand, da an dem Monarchienbild das vierte reich aus zwei verschiedenen Stoffen, Eisen und Ton, und mithin das ganze Bild aus fünf Stoffen besteht. Wir haben aber schon gesehen, dass die Apokalypse, gleichwie sie weiter hinausschaut als Daniel bis in den neuen Himmel und die neue Erde hinein, so auch weiter zurückgreift, da sie den welthistorischen Konflikt zwischen Weltreich und Gottesreich in seiner ganzen Ausdehnung überblickt, nicht bloß von der Zeit Daniels an, sondern schon von da an, wo überhaupt die beiden Potenzen einander gegenübertreten.

Die erste Weltmach nun, mit der das israelitische Gottesreich in Konflikt kam, zu Abrahams Zeiten schon und dann besonders da, wo es als eigentliches Volk und Reich zu existieren begann, unter Mose, ist Ägypten. An die ägyptische Monarchie schließt sich sodann als Vorgängerin der der babylonischen (Jer 50:17f.) die assyrische an. In die Kämpfe Ägyptens und Assyriens war Israel unter den Königen auf ähnliche Weise verwickelt, wie später in die der Ptolemäer und Seleukiden. Es ist merkwürdig, wie oft aus diesem Grunde Ägypten und Assyrien bei den Propheten zusammen genannt werden, vorzüglich als die Weltmächte, mit denen das Volk Gottes Hurerei getrieben, ja bei den älteren Propheten als die Repräsentanten der Weltmacht überhaupt (1Kön 17:4; Hos 7:11; Mi 7:12; Jes 52:4; Jes 19:23-25; Jer 2:18.36; Sach 10:10). Diesen beiden Monarchien schließt sich dann in den für den Begriff der Hure so wichtigen zwei Kapiteln Hesekiels als dritte Weltmacht, mit welcher Israel gehurt, Chaldäa oder Babel an, wodurch die Verbindung zwischen zwei älteren Reichen und der danielischen Reihe hergestellt wird (Hes 16:26; Hes 23:3.5ff. 14ff.). So sind also die fünf gefallenen Köpfe: Ägypten, Assyrien, Babel, Medopersien, Griechenland, der sechste ist das römische und der siebte das germanisch-slawische Reich.

Was Offb 13:3-10 noch weiter über das Tier gesagt ist, bedarf für uns keines besonderen Kommentars, da es seine Erläuterung in dem findet, was wir bereits aus Daniel über den Tiercharakter wissen. Nachdem Offb 13:1-3a die Gestalt des Tieres beschrieben ist, wird V. 3b-4 der Eindruck geschildert, den seine Erscheinung auf Erden hervorbringt: alle Welt huldigt seiner Macht und eben damit dem Teufel. V. 5-7 entfaltet sodann das Tier sein Wesen in Wort und Tat als Feindschaft wider Gott und seine Heiligen. Mit V. 8 geht die Rede ins Futurum über: Die V. 4 beschriebene Huldigung wird der Macht und dem Wesen dieser Welt auch ferner zuteil werden von allen, welche irdisch gesinnt sind (???? opp. ???? V. 6.12,12), welche nicht zu den Auserwählten gehören als solche, die von dem erwürgten Lamm sich das Leben schenken lassen. V. 9. und 10 schließen sich dann entsprechende Mahnungen und Warnungen an, V. 9 eine allgemeine, V. 10a eine Gerichtsdrohung für die verfolgenden Weltkinder, V. 10b ein Wort für die duldenden Lichteskinder. Hier ist Geduld und Glaube der Heiligen; das soll die Losung der Auserwählten sein durch diese ganze Weltzeit hindurch.</br></br>

Die Geschichte der Kirche und der Weltmacht

Nachdem Offb 13:11-18 noch das zweite Tier, der falsche Prophet, geschildert ist, von welchem unten die Rede sein soll, werden Offb 14-16 die Vorbereitungen zum messianischen Gericht geschildert, welche wir hier, da sie keine Berührungspunkte mit Daniel darbieten, nur kurz zu überblicken haben. Sie zerfallen in zwei Abteilungen Offb 14. und Offb 14-16. Beide beginnen damit, dass Johannes die vollendeten Gerechten im Himmel schaut, die hundertvierundvierzigtausend aus Israel Offb 14:1-5 (vgl. Offb 7:4-8) und die Überwinder aus den Heiden Offb 15:1-4 (vgl. Offb 7:9-17). Den über die abgefallene Kirche und Welt hereinbrechenden Gerichten werden, wie der Finsternis das Licht und der Erde der Himmel, diejenigen tröstend gegenüber- und vorangestellt, welche als der göttliche Kern der Menschheit, als die positive Frucht der Welt- und Kirchengeschichte aus dem Verderben gerettet und des ewigen Lebens teilhaftig sind: sie singen Loblieder und geben Gott die Ehre über seinen Gerichten. Daran schließen sich nun im 14. Kapitel Gerichtsankündigungen (v. 6-12) und Gerichtsbilder (V. 13-20). Die Gerichtsankündigung ist eine dreifache, zuerst die allgemeine durch den Engel mit der frohen Botschaft vom Anbruch des ewigen Reiches (Dan 7:14) oder mit dem ewigen Evangelium V. 6-7, dann die spezielle über die babylonische Hure, die hier zum ersten Mal erwähnt wird, V. 8 und über das Tier und seine Anbeter V. 9-12. Daran schließt sich das Bild der Ernte, welche die Heimholung der Gläubigen durch den zum Gericht erscheinenden Christus darstellt V. 14-16, weswegen gerade dieser Stelle das herrliche Wort über die schon früher gestorbenen Gläubigen vorangeht V. 13, während das Bild des Herbstes das Zorngericht über die Abgefallenen voranschaulicht V. 17-20. Das 15. und 16. Kapitel sodann enthalten die sieben Zornschalen, welche die unmittelbaren Vorboten, die Geburtswehen des Schlussgerichts über das Tier und die babylonische Hure (Offb 16:19) sind.

Den Abschnitt Kap 17-19 haben wir nun wieder genauer ins Auge zu fassen. Das 17. Kap. schildert die Hure und das Tier, wie sie reif sind zum Gericht, das 18. die Vollziehung des Gerichts an der Hure, das 19. an dem Tier und seinem geistigen Gehilfen, dem falschen Propheten. Die Gestalten, die wir in diesen Kapiteln vor uns haben, zeigen also, wozu die Gestalten des 12. und 13. Kap. mit denen sie identisch sind, im Lauf der Geschichte bis zum Abschluss derselben im messianischen Gericht wurden; sie stellen das Resultat der welt- und kirchengeschichtlichen Entwicklung dar. Sie schließen mithin diese in sich ein; denn jenes Resultat isst die Frucht, welche in den Jahrhunderten nach und nach erwachsen ist. So sind hier die Grundzüge, die Hauptpotenzen der Welt- und Kirchengeschichte gezeichnet, und damit isst der Gemeinde der Gläubigen in der Welt das an die Hand gegeben, was für diese offenbarungslosen Heidenzeiten zu wissen nötig war.

Die große Hure Babylon

Die Hure, die wir im 17. Kapitel auftreten sehen und schon Offb 14.8; Offb 16:19 genannt fanden, ist keine ganz neue Gestalt in unserm Buche. Sie ist identisch mit dem Weib, das uns schon aus Kap. 12 bekannt ist als die symbolische Darstellung der Gemeinde Gottes in der Welt. Dieses Weib ist zur Hure geworden. Die Hure ist also nicht etwa die Stadt Rom; so scheint es nur bei der buchstäblichen Auffassung einiger Stellen, welche aber dem Geiste unseres durch und durch symbolischen Buches widerstrebt. Die Apokalypse hat hier mit einem einzigen Wort selber Bahn gebrochen, und dieses Wort heißt πνευματικῶς Offb 11:8 Jerusalem, die Trägerin der alttestamentlichen Gemeinde heißt g e i s t l i c h, freilich nicht buchstäblich und äußerlich, nach Fleisches- und Menschenurteil, aber πνευματικῶς ἀνακρίνεται (1Kor 2:13-16) mit Geistesaugen gesehen, mit Gottes Maßstab gemessen, Sodom und Ägypten, d. h. sie ist der verworfenen Weltstadt und Weltmacht gleich geworden, weil sie den Herrn verworfen und ans Kreuz gebracht hat. Ebenso trägt nun die neutestamentliche Gemeinde, die Christenheit den Namen der Weltstadt Babel = Rom, weil sie Christum verlassen und diese Welt lieb gewonnen hat. Jenem πνευματικῶς entspricht in dieser Beziehung ein zweites Wort, welches die Hure selbst an der Stirn trägt, das Wort, μυστήριον G e h e i m n i s. Dieses Wort kommt im N. T. nur ein einziges Mal im Munde Jesu vor (Mk 4:11 parall.), sonst nur bei Paulus und in der Apokalypse. Es bezeichnet durchgehend einen Gegenstand, der dem menschlichen Blick und Verstand als solchem verborgen ist und nur durch besondere Offenbarung Gottes erkannt werden kann (vgl. Röm 16:25; 1Kor 2:7-10; eph 3:3.5; Röm 11:25; 1Kor 15:51). So bezeichnet es denn in der Offenbarung im Gegensatz zu dem, was das leibliche Auge sieht (Offb 1:20) oder auch der bloß menschliche Verstand versteht (Offb 10:7), ein tieferes, was Gottes Geist meint, was der göttlich erleuchtet Geistesblick erkennt, zu dessen Verständnis Weisheit von oben erforderlich ist. Daher schließt sich hier als dritter Ausdruck, durch welchen die Apokalypse selbst die mystische, geistliche Deutung ihrer Bilder verlang, an: Hier ist W e i s h e i t (Offb 13:18; Offb 17:9). Auch Paulus verbindet diese drei Begriffe, wenn er 1Kor 2:7.10 sagt:λαλοῦμεν θεοῦ σοφίαν ἐν μυστηρίῳ τὴν ἀποκεκρυμμένην ἣν προώρισεν ὁ θεὸς πρὸ τῶν αἰώνων εἰς δόξαν ἡμῶν, woran sich dann weiter πνεύματος reiht. Wenn also die Hure an ihrer Stirne die Inschrift trägt: Geheimnis, Babylon die Große, die Mutter der Huren und der Gräuel der Erde, so werden wir durch das erste Wort ausdrücklich vor dem buchstäblichen Verständnis der folgenden Worte gewarnt und zu geistlicher Deutung aufgefordert. Diese ist aber damit noch nicht gefunden, dass wir an die Stelle der Stadt Babel die Stadt Rom setzen; sondern worin sie liegt, das mögen wir von Paulus lernen. Es gilt von der Hure, was dieser vom Weib sagt (Eph 5:31.32): Das Mysterium ist groß, ich meine Christum und die Gemeinde. Die Hure Babylon ist die weltliche Kirche.

Hierfür sprechen im Text selber folgende Gründe:
1.) Johannes wird im Geiste wieder in die W ü s t e versetzt (Offb 17:3, wo er das Weib im 12. Kapitel verlassen hat. Der Ausdruck Wüste (ἔρημος) welcher an unserer Stelle den Auslegern viel unnötige Mühe und Kunst gekostet hat, kommt in der ganzen Apokalypse nur an diesen Stellen vor: Offb 12:6.14 und Offb 17:3. Schon dieser eine Umstand hat etwas ungemein Einleuchtendes und Schlagendes. Johannes hat das Weib in der Wüste verlassen; nun kommt er wieder in die Wüste und trifft hier das Weib wieder: kann man deutlicher die Identität beider Weiber bezeichnen?

2.) Denn nicht nur die Wüste, sonder auch das W e i b wird mit demselben Namen genannt wie in Kap 12. Der Ausdruck Weib (γυνή) hat in der Apokalypse ebenfalls einen ganz feststehenden Gebrauch. Er findet sich Offb 12:17 und dann wieder im 19. und 21. Kapitel, überall als symbolische Bezeichnung der Kirche. Außerdem kommt das Wort in der Apokalypse überhaupt nur noch in Offb 2:20 und im plur. Offb 9:8; Offb 14:4 vor, Stellen, die man nur ansehen muss, um sich zu überzeugen, dass sie nicht hierher gehören. Im 12. Kap. ist das Weib, wie wir wissen die Gemeinde in ihrer Reinheit als göttliche Lichtträgerin, die Gemeinde der Gläubigen des A. und N. Bundes. Im 17. Kap., wo γυνή V. 3.4.6.7.9.18 vorkommt, isst es die abgefallene, ihrem Eheherrn Jehova-Christus untreu gewordene Kirche, die Hure. Endlich Offb 19:7 und Offb 21:9 ist das Weib die himmlisch verklärte Gemeinde, die Braut des Lammes, die nun Hochzeit hält. Weib, Hure, Braut: das sind die drei verschiedenen Seiten, welche die Kirche an sich hat, und welche die evangelische Betrachtungsweise auch immer richtig unterschieden hat. Denn das Weib ist die unsichtbare, die Hure die sichtbare, die Braut die triumphierende Kirche. Die Weissagung hat vorausgeschaut und gesagt, was Jahrhunderte hernach die evangelische Betrachtung der Kirchengeschichte aus den ersten vorhandenen Zuständen abstrahiert hat.

3.) Man ist allgemein einverstanden, dass das Tier des 17. Kap. identisch sei mit dem des 13. Kap. Nun werden aber Tier und Weib im 12. und 13. Kapitel unmittelbar nebeneinander gestellt. Wenn nun das Tier später kein anderes ist als früher, so wird dieselbe Identität auch bei dem Weib stattfinden. Auffallend ist es auf den ersten Blick dass bei allen drei Begriffen, Wüste, Weib und Tier; Offb 17:3, der Artikel fehlt, den man gerade bei der Zurückweisung auf schon Bekanntes erwarten sollte. Allein auch das hat seinen guten Grund. Die drei Begriffe sind identisch und doch auch wieder nicht identisch mit den früheren: die Heidenwelt, Kirche und Weltmacht haben sich, wie wir sehen werden, sehr verändert, so dass sie Johannes zuerst kaum wieder erkennt und nur "ein Tier, ein Weib, eine Wüste" sieht.

4.) Dies drückt sich gerade in Bezug auf das Weib aus durch den Beisatz, den der Seher V. 6 macht, er habe sich sehr v e r w u n d e r t, als er das Weib sah. Ein solcher Ausdruck der eigenen Verwunderung findet sich sonst in der Apokalypse nirgends, und sie fällt daher auch dem Engel V. 7 auf. Sonst verwundern sich nur die Erdenbewohner über das Tier (Offb 13:8 und Offb 13:3). Dass nun das Staunen des Johannes nicht ein solches irdisch gesinntes Staunen über die irdische Größe der Stadt Rom sein kann, auch nicht etwa ein Staunen über die Menge der Sünden, die ja bei einer Weltstadt so natürlich und nicht verwunderlich sind, leuchtet ein. Auch nicht bloß daraus lässt sich das Staunen erklären, dass der Apostel das Bild nicht verstand; denn sonst müsste noch öfter von einem solchen die Rede sein, da er die anderen Bilder ebenso wenig im Augenblick verstanden hat. Es erklärt sich nur aus der ungeheuren Veränderung, die mit dem Weib vorgegangen ist; wir könnten den Eindruck des Johannes in die Worte des Jes 1:21 fassen: Wie ist sie doch zur Hure geworden, die fromme Stadt! Das bewegt ihn tief ins innerste Herz hinein, das kann er kaum fassen (???), dass es mit der Kirche Christi so weit kommen soll. Ebenso sehen wir die Propheten des A. B. tief erstaunt und entrüstet das Unerhörte der Hurerei Israels hervorzuheben. Fraget doch unter den Heiden, ruft Jeremia (Jer 18:13; Jer 2:10.11), wer hat je desgleichen gehört? gar Gräuliches hat die Jungfrau Israels geübt. Hier erinnert die Jungfrau an die Hure, denn das Wort ist mit absichtlicher Ironie zur Hervorhebung des Konstrastes gesetzt; das Gräuliche erinnert an die Gräuel Offb 17:4.5; wie denn שֶׂעריריה z. B. Hos 6:10 von Hurengräueln steht; der emphatische Hinweis auf das Unfassliche, dass Israel unter die Heiden herabgesunken sei, erinnert an das Staunen des Johannes. Ebenso beginnt Jesaja sein ganzes Buch damit, das er Himmel und Erde zu Zeugen anruft über das furchtbar Seltsame, dass die Kinder, welche der Herr aufgezogen, schlimmer geworden sind als Ochsen und Esel (Jes 1:2.3).

5.) Hiermit haben wir schon einen weiteren entscheidenden Grund für unsere Auffassung berührt, der in den Ausdrücken H u r e (Offb 17:1.5.15.16.19.2), h u r e n (Offb 17.2; Offb 18:3.9), H u r e r e i (Offb 14:8; Offb 17:2.4; Offb 18:3; Offb 19:2) liegt. Man könnte allerdings auf den ersten Blick versucht sein, da Babylon so ganz mit weltlichen Farben geschildert wird, nur an das politische Rom dabei zu denken; man könnte für unsere Auffassung bestimmtere kirchliche Attribute verlangen. Allein die beiden Bezeichnung Weib und Hure sagen in dieser Hinsicht für den, der die Sprache unseres Buches und der Prophetie überhaupt kenn, genug. Weib heißt Kirche, Gottesgemeinde; und wenn ich nun sage: die Kirche ist ganz Welt geworden, so wird durch das Prädikat das Subjekt nicht aufgehoben. Hure heißt im ganzen A. und N. T. die abgefallene Gottesgemeinde: sie ist das Subjekt aller der betreffenden Aussagen des 17. und 18. Kapitels, welche allerdings die Weltlichkeit in ungemein starken Farben schildern, aber nur, um den Kontrast zwischen dem, was die Kirche ist, und dem, was sie sein sollte, ernst und einschneidend hervorzuheben. Der Ausdruck Hure erlaubt nämlich gar nicht, an die heidnische Weltstadt zu denken. Nur an zwei Stellen wird im A. T. dieser Ausdruck auch von Weltstädten gebraucht, Jes 23:15-18 von Tyrus, Nah 3:4 von Ninive. Diese beiden Stellen kommen aber nicht in Betracht gegen die zahllose Menge anderer, denen sie nachgebildet sind, wo die Hurerei den Abfall der Gottesgemeinde zur Welt bezeichnet. Es ist natürlich dass die Apokalypse auch auf jene anspielt (Offb 17:1.2; Offb 18:3), eben weil sie einmal das Bild der Weltstadt auf die Kirche anwenden will; aber wäre es an sich schon verkehret, den Sprachgebrauch unseres Buches, in welchem sich doch zugestanderermaßen der der ganzen Prophetie zusammenfasst, nach zwei vereinzelten Stellen bestimmen zu wollen, so wird dies vollends unmöglich durch den nachgewiesenen Zusammenhang der Hure und des Weibes, worin wir alle die prophetischen Stimmen über die zur Hure gewordene alttestamentliche Gemeinde widerhallen hören.

Schon oben, als der Begriff des Weibes entwickelt wurde, hat sich gezeigt, dass der Ausdruck huren der ursprüngliche, pentateuchische ist, aus welchem sich erst nach und nach die Anschauung vom Ehebund zwischen Jehova und seinem Volke und somit auch die Idee des Weibes bildete. Und hier in der Apokalypse sollten Weib und Hure gar nichts miteinander zu schaffen haben? Man darf sich nur solche Grundstellen wie Jer 2 und 3; Hes 16 und 23; Hos 1-3, die in der ganzen Prophetie nachklingen, vergegenwärtigen, um zu sehen, was der prophetische Begriff der Hurerei ist. Diesen Begriff nimmt Jesus selber wieder auf, wenn er das Gott entfremdete Israel ein böses und ehebrecherisches Geschlecht nennt (Mt 12:39; Mt 16:4; Mk 8:38). Vor allem aber ist hier natürlich der Sprachgebrauch der Apokalypse selbst entscheidend. Die Hurerei kommt Offb 2:14.20 in Verbindung mit dem Götzenopferfleisch zunächst wohl im eigentlichen Sinne vor, der aber V. 21 in den geistlichen übergeht, welcher V. 22 offen hervortritt, wo auch z. B. D e W e t t e und H e n g s t e n b e r g, welche unsere Deutung der Hure nicht teilen, das Ehebrechen (??) von dem Bruch des mit Gott in Christo geschlossenen Bundes, von der Verbreitung der Irrlehren erklären. Außerdem werden Offb 14:4 kurz vor erstmaliger Nennung der Hure (V. 8), als sollte die rechte Deutung diese Begriffs absichtlich vorbereitet werden, die 144000 als solche bezeichnet, die sich mit Weiber nicht befleckt haben und Jungfrauen sind. Dieser Ausdruck, der den Auslegern viel zu schaffen gemacht hat, erhält seine einfache Erklärung durch den Gegensatz zu der V. 8 genannten Hurerei Babylons: es wird hier die reine, verklärte Kirche der unreinen, ihrem Gericht entgegengehenden gegenübergestellt als keusche Jungfrau der Hure, ebenso wie Paulus zu den Korinthern sagt, er hoffe sie dereinst als keusche Jungfrau (παρθένον ἁγνὴν) Christo darzustellen (2Kor 11:2; vgl. Eph 5:25-27), oder wie wir vorhin Jeremia die Jungfrauenschaft Israels seinen Hurengräueln gegenüberstellen sahen. Der Ausdruck "Sie sind mit Weibern nicht befleckt" gründet sich auf die auch Offb 2:14 berücksichtigte Grundstelle 4Mo 25:1ff., wo der Zusammenhang der leiblichen und geistlichen Hurerei in den moabitischen Weibern sich darstellt. Sonst redet unser Buch, außer Offb 9:21, niemals von Hurerei; und was es also für einen Begriff von derselben hat, kann nicht zweifelhaft sein.

6.) Damit hänt nun die gegensätzliche Parallele zusammen, in welcher B a b e l und N e u j e r u s a l e m stehen. Beide sind Städte, beide heißen Weib, nur jenes Hure, dieses Braut (Offb 17:1.3.5; Offb 21:9). Ist nun Neujerusalem anerkanntermaßen in erster Linie die verklärte Gemeinde, so muss Babel ebenfalls die Gemeinde sein in ihrer Verweltlichung.

7.) Womöglich noch deutlicher ist die gegensätzliche Beziehung, welche Offb 19:1-9 zwischen der H u r e und dem W e i b des L a m m e s stattfindet. Dieselbe Stimme vielen Volkes im Himmel, welche V. 1-5 Gott preist über dem an der Hure vollzogenen Gericht, frohlockt V. 6-7 darüber, dass nun die Hochzeit des Lammes gekommen sei und sein Weib sich bereitet habe. Nachdem die falsche Kirche in ihrem irdisch prachtvollen Hurenschmuck von Purpur und Scharlach, Gold, Edelsteinen und Perlen (Offb 17:4) gerichtet ist wird der wahren Kirche das weiße Byssusgewand angelegt, welches durch sein Glanz (??) den Triumph der Überwinder (Offb 3:5), durch seine Reinheit (??) ihre Unschuld und Gerechtigkeit darstellt. Das (??) der Hure ist zur (δικαιώματος) des Weibes geworden (vgl. denselben Gegensatz Röm 5:16.18): die Heiligen, die das Gericht über die Hure aussprachen und verlangten (Offb 18:20), die an den Sünden derselben sich nicht beteiligen wollten und dafür ihr Leben ließen (Offb 18:24; Offb 19:2), sind jetzt gerechtfertigt, ihres "bisher verkannten und gekränkten, nun aber offenbar gewordenen guten Rechtes, ihrer von Gott ihnen zuerkannten Gerechtigkeit teilhaftig geworden, jene Krone der Gerechtigkeit, wie Paulus (2Tim 4:8) dieselbe Sache mit einem andern Bild nennt. (Vgl. D e l i t z s c h, Hoheslied, S. 227f.) So lange die falsche Kirche stand, konnte die wahre nicht offenbar werden; jetzt da die Hure gefallen ist, triumphiert das Weib. Man kann nicht klarer sagen, was die Hure sei.

8.) Zu dem allem kommt der oben entwickelte, in dem Wort G e h e i m n i s, das die Hure an der Stirne trägt, liegende Grund.

WAs nun die Sache selbst betrifft, die Weissagung von dem Verderben und der Verweltlichung der Kirche, so findet sie ihre Erklärung in vielen a l t - und n e u t e s t a m e n t l i c h e n A n a l o g i e n. Um mit diesen letzteren zu beginnen, so hat schon Jesus in den auf die Kirchengeschichte hinaus zielenden Gleichnisse (Mt 13) wenigstens so viel angedeutet, dass wenn einmal das Evangelium seiner Bestimmung gemäß die ganze Welt zu seinem Acker mache, wenn das Reich Gottes als Netz in das große Völkermeer geworfen sei, die Kirche keine reine, sondern eine aus Guten und Bösen gemischte sein werde. Die eschatologische Rede Mt 24. ferner, in welcher der Herr die Zerstörung Jerusalems und seine Parusie, also das Gericht über Israel und über die Christenheit zusammen schaut, hat zur Voraussetzung die Grundanschauung, dass die neutestamentliche Gemeinde ebenso zur Hure, zur bösen ehebrecherischen Art werden werde, wie es die alttestamentliche geworden ist, und hebt nun einzelne Kennzeichen diesen Hurenwesens hervor: gegenseitiges Misstrauen, Lieblosigkeit, Verrat ((V. 10.12), Zerklüftung der Parteien (V. 23.26), Irrlehre (V. 11.24). Und daran schließen sich dann die apokalyptischen Blicke in die Zukunft der Kirche. Paulus, Petrus und Johannes sprechen es besonders in ihren späteren Lebensjahren, je mehr sie das heidnische gnostische Verderben in die Kirche eindringen sehen, immer bestimmter aus, dass derselben in den zukünftigen und besonders in den letzten Tagen (ἐν ὑστέροις καιροῖς 2Tim 4:1; 2Petr 2:1-3 ἐν ἐσχάταις ἡμέραις 2Tim 3:1; 2Tim 4:3; 2Petr 3:3 vgl. 1Jo 2:18) schwere Zeiten des Abfalls und der Verführung bevorstehen. Paulus vergleicht die der Wahrheit Widerstrebenden mit den ägyptischen Zauberern Jannes und Jambres (2Tim 3:(), Petrus mit Sodom und dem heidnischen Propheten Bileam (2Petr 2:6.15), und welche die Grundlage dazu bilden, dass die abgefallene Kirche geradezu als Weltstadt erscheint. wir haben auf diese Analogie der anderweitigen apostolischen Weissagung schon oben hingewiesen, als vom geschichtlichen Ausgangspunkt unseres Buches die Rede war, und zugleich gezeigt, wie dieses selbst in seinen Sendschreiben das bereits in die Kirche eingerissene Verderben zeichnet, und zwar mit dem Wort Hurerei und Ehebruch, deren weitere Entwicklung uns nun die babylonische Hure vor Augen stellt.

Ebenso musste bereits hin und wieder auf die a l t t e s t a m e n t l i c h e Antecedention und Analogien hingewiesen werden, worauf auch Petrus aufmerksam macht (2Petr 2:1). Dass Israel; das Weib Jehovas, zur Hure geworden ist, das ist ja eigentlich der Grund, dass es überhaupt Prophetie gibt. Dem Verderben des Volkes werden die Propheten gegenüber gestellt; Bußpredigten, Gerichtsverkündigungen, Heilsweissagungen machen den Inhalt aller Prophetie aus. Darum beginnen die drei großen Propheten, wie das Buch der zwölf kleinen mit Hervorhebung der Hurerei Israels (Jes 1.; Jer 1-3; Hes 2.; Hos 1-3). Aber diese ist doch viel älter als die Prophetie, sie ist eigentlich so alt wie das Volk selbst: schon in der Wüste hat Israel sich an fremde Götter gehängt, und der Ausdruck huren ist, wie gesagt, früher hervorgetreten als der Ausdruck Weib. Es liegt eine so furchtbare Größe der Sünde darin ausgesprochen, dass es nur noch etwas größeres gibt, nämlich Gnade (Röm 5:20), ddie sich gleichwohl zu den Sündern herunterlässt, gleichwohl des eigenen Sohnes nicht verschont. Die Hure ist also im Grunde so alt wie das Weib, sowie die sichtbare und die unsichtbare Kirche kaum jemals schlechthin identisch waren. Es gab eine Zeit der ersten, bräutlichen Liebe für Israel, von der z. B. Jeremia (Jer 2:2.3) zu sagen weiß, die Zeit des Auszugs aus Ägypten und der Beginn der ersten Liebe für die christliche Kirche (Offb 2:4), die apostolische, zumal in ihren früheren Jahrzehnten, welche auch die ägyptischen und die ersten Wüstenzeiten sind nach Offb 11:8, Offb 12:6.14. Aber bald, bald fing das Hurenwesen an. Israel als Volk im Großen wurde abtrünnig, Hure, und das Häuflein der echten, gläubigen Israeliten, da Weib, war jederzeit nur wie der Kern in der Schale verborgen. Dies deutet auch die Apokalypse selbst an, indem sie Offb 17:9 die Hure auf allen sieben Weltreichen sitzen lässt, also der Begriff derselben ebenso wie den des Weibes auf das A. T. ausdehnt. Die Propheten beschreiben uns an den angeführten Stellen, namentlich Hes 16 und 23, wie Israel schon mit den ältesten Weltreichen Ägypten, Assyrien, Babel, schändlich gehurt haben. Ähnlich ging es im Neuen Bund. Offb 12 ist die christliche Urzeit geschildert, wo das abgefallene Israel noch die Hure und die junge Christengemeinde das Weib war, jene Zeit der ersten Liebe unter den Christen, wo noch so ziemlich die ganze Kirche dem Herrn treu anhing. Bald aber drang das Hurenwesen in die christliche Kirche selbst ein, so dass diese im Ganzen nun Kap. 17 nicht mehr den Anblick des Weibes, sondern der Hure, der großen Babylon darbietet, in welcher das Volk oder Weib des Herrn verborgen ist (Offb 18:4).

Staat und Kirche

Es tritt uns hier ein b i b l i s c h e r G r u n d g e d a n k e entgegen, den wir schon an einem früheren Ort angedeutet haben, und der zum Verständnis der Prophetie und Geschichte von Wichtigkeit ist. Gott hat der Menschheit im Großen für ihre Entwicklung die beiden wesentlichen Gemeinschaftsformen des Staates und der Kirche angewiesen, letztere in zweifacher Form, zuerst noch in der alttestamentlichen, mit Volk und Staat verbunden, dann in der neutestamentlichen, geistesfreien. Staat und Kirche sind edle Gottesgaben, jene eine Natur- und Schöpfungsgabe, die andere eine Offenbarungsgabe. Aber diese Gottesordnungen erreichen nur an einer kleinen Zahl von Menschen ihre ursprüngliche Absicht; im ganzen werden sie durch die Sünde entweiht und entstellt: die Staaten fallen dem Tier, die Kirche fällt dem Hurenwesen anheim. Dennoch bestehen sie fort unter der göttlichen Geduld bis ihre Aufgabe erfüllt ist, dass unter dem Schutz des Staates unter der Pflege der Kirche, aber auch unter dem Druck ihrer schlechten Verwalter die Gemeinde der Auserwählten, das echte, keusche Weib Christi gesammelt werde. Diesem Kern dienen Tier und Hure als Schale, diesem Tempel Gottes als Baugerüst. Wenn aber der Kern ausgewachsen und der Bau fertig ist, dann wird die Schale zerschlagen und das Gerüst zertrümmert; und wer nicht zum Tempel gehört, kommt unter dem zusammenbrechenden Gerüst um. So wird es einst, wenn das Gericht über Babel kommt, heißen: Gehet aus von ihr mein Volk (Offb 18:4)!

So trat, als das alttestamentliche Bundesvolk gerichtet wurde, aus den Trümmern Israels und Jerusalems die junge Christengemeinde hervor (vgl. Mt 24:15ff.) Wir können denselben Gesichtspunkt noch weiter zurück verfolgen. Der Gegensatz von Gottes- und Weltreich existierte auch schon in der alten vorsintflutlichen Welt, nur in anderer Form. Es stand weder die Kirche, wie im Neuen Bund, noch die der Gottesstaat, wie im Alten Bund, der Welt gegenüber, sondern es stand Familie gegen Familie. Die Kainiten waren das Tier, die Setiten das Weib. Aber auch das setitische Geschlecht wurde zur Hure, und nach Noah mit seinem Haus war ein frommer Mann von gutem Wandel und führte ein göttliches Leben zu seinen Zeiten. Daher brach das Gericht über Setiten und Kainiten zugleich herein, und nur Noah mit den Seinen wurde gerettet. Der gerettete Rest ist dann aber zugleich der Same für eine neue Zeit und Welt: so Noah für die Weltgeschichte, die Judenchristen mit den Aposteln an der Spitze für die Kirchengeschichte, die einst aus Babel ausgehende Brautgemeinde für das tausendjährige Reich (Offb 20:4). Nur sind es immer höhere Entwicklungsstufen des Menschendaseins, welche so aus den Gerichten hervorgehen: im ersten Fall ist es die natürliche, im zweiten die geistliche, im dritten die verklärte Menschheit. Dies ist der reichsgeschichtliche Grundgedanke, den z. B. Petrus ausführt (2Petr 2:5), wobei er dem Noah noch Lot beigesellt, bei dessen Ausgang aus Sodom sich dasselbe Grundgesetz im Kleinen verwirklichte, wie auch der Herr selbst (Lk 17:26ff.) Noah und Lot in ähnlicher Weise zusammenstellt. Es ist der gleiche Grundgedanke, den die Prophetie ausspricht mit ihrem Schear jaschub (Jes 7:3; Jes 10:20-23; Jes 6:10-13; Jes 1:9; Zeph 3:12.13), und den Paulus wieder aufnimmt (Röm 9:27-29; Röm 11:1-10), wenn er von dem Samen und Rest nach der Wahl der Gnade redet, welcher allein gerettet werden soll, wäre auch Israel so zahlreich, wie der Sand am Meer; der gleiche Grundgedanke mit welchem wir da A.T. schließen und das N.T. beginnen (Mal 3:16-21; Mt 3:12): die Spreu, die um den Weizen herum war, wird mit Feuer verbrannt, aber der Weizen, der Kraft und Leben in sich hat, in Gottes Scheunen gesammelt.

Nach diesen Betrachtungen werden wir nun die Schilderungen, welle die Offb 17. und 18 von der abgefallenen Kirche macht, verstehen können. Es ist dabei nur stets im Auge zu behalten, dass es sich von vorn herein um das G e r i c h t des lebendigen, heiligen Gottes über dieselbe handelt (Offb 17:1; Offb 18:2.6.20.21); dieses Gericht geht aber nicht nach menschlichen Maßstäben, sondern nach göttlichen, welche so hoch über den menschlichen sind wie der Himmel über die Erde (Jes 55:8.9; Röm 11:33). Geistlich geht es zu in diesem Gericht πνευματικὸς (1Kor 2:13-15); was in geistlichem Sinne zu Sodom, Ägypten oder Babel gehört, das wird verurteilt. Gott, der seine ganze Gnade, der das Blut seines Sohnes an die Kirche verwendet hat, kann und muss auch von ihr wiederum eine reine, völlige Hingabe verlangen, eine durchgängige Verleugnung der Welt (vgl. Hebr 11:7 δι’ ἧς κατέκρινεν τὸν κόσμον καὶ τῆς κατὰ πίστιν). Darum ebenso groß wie seine Liebe war, so groß ist nun sein Zorn; so freigebig er mit seinen Erbarmungen war, so genau nimmt er's nun im Gericht. Diese absolute Scheidung von Licht und Finsternis, von Reich Gottes und Welt, von Weib und Tier, welche der Heilige macht, ist uns fremd, zumal in der gegenwärtigen Zeit. Darum ist für uns das Verständnis der Apokalypse so schwer.

Der Schlüssel zu derselben ist nach Offb 5:9 das Kreuz, - durch welches mir die Welt gekreuzigt ist und ich der Welt (Gal 6:14). Der Grundfehler unserer christlichen Theorie und Praxis aber ist die Vermischung von Reich Gottes und Welt, welche die Hl. Schrift Hurerei nennt. Deswegen verstehen wir den göttlichen Eier wider dieselbe nicht. es fehlt uns der schärfte Geistesblick für die Kirchen- und Christensünden, für unsere eigenen Sünden. Daher meinen wir, die Donnerworte des 17. und 18 Kapitels können nicht auf die Kirche, sie müssen auf die Weltstadt gehen. Ach, dass uns der Blick geschenkt würde, mit welchem die Propheten, die Apostel und Jesus, der Sünderfreund, selber die Kirche ihrer Zeit betrachteten! Die Pharisäer waren bekanntlich keine gar so schlimmen Leute Leute, sie hatten in ihrer Art einen Eifer für göttliche Dinge, und doch,mit welch furchtbarem Ernst straft sie der Herr! Die Propheten traten zum großen Teil unter so trefflichen Königen auf wie Hiskia und Josia, und doch, welche gewaltigen Buß- und Gerichtspredigten vernehmen wir aus ihrem Munde! Die Irrlehrer und Verführer, mit denen es die Apostel zu tun hatten, waren weit nicht so gefährlicher, schwerster Art wie unsere heutigen, und doch, in welchen Worten zeugen Paulus und Johannes, Petrus und Judas wider sie! Die Sünde ist in Gottes Augen viel ärger als in der Menschen Augen. Am ärgsten aber ist die Sünde derer, an die Gott seine besondere Gnade gewendet hat, die Gottes Wort haben und wissen, die ihm zu dienen berufen sind (Lk 12:47.48). Das weltliche Treiben der Kirche ist das aller Weltlichste und profanste. Darum vereinigt die Apokalypse in ihrer Beschreibung Babylons nicht nur die Hauptzüge der Sünden Israels, sondern auch der Heiden, wie sie sich bei den Propheten finden. Darum verweilt sie ausführlicher bei der Schilderung der Gräuel und des Gerichts der Hure als des Tiers. Darum wird der ganze, mit Offb 17:1 beginnende Abschnitt unter den Gesichtspunkt des Gerichts der großen Hure gestellt. Darum ist endlich im Himmel auch eine ganz besondere Freude über ihren Fall, mehr als über den der beiden Tiere (s. Offb 18:20 - Offb 19:5).

Die falsche Kirche und Christenheit

Die Grundsiganatur der falschen Kirche liegt in dem Wort H u r e (Offb 17:1). Sie behält ihre menschliche, ihre weibliche Gestalt, sie wird nicht Tier; sie bewahrt die Form der Gottseligkeit, aber die Kraft verleugnet sie (2Tim 3:5). Ihr rechtmäßiger Eheherr, Jehova-Christus, und die Freuden und Güter seines Hauses, die unsichtbaren und zukünftigen, sind ihr nicht mehr ihr Ein und Alles, sondern sie läuft dem sichtbaren und eitlen Weltwesen in seinen manigfaltigen Formen nach. Gröber tritt die Hurerei hervor, wo die Kirche selbst eine weltliche Macht sein will, Politik und Diplomatie tritt, sich unheiliger Mittel für heilige Zwecke bedient, Fleisch zu ihrem Arm macht, mit Schwert oder Geld missioniert, durch sinnlichen Kultus die Gemüter fesseln will, sich von den Großen der Erde als Zeremonienmeisterin brauchen lässt, den Fürsten oder dem Volk, den Toten oder den Lebenden schmeichelt, kurz, wo die Kirche, gleich Israel, immer bei einer weltlichen Macht gegen die andere Hilfe sucht. Das Huren braucht jedoch nicht immer auf diese gröbere Weise zu geschehen, sondern es gilt auch hier, was der Herr sagt: Wer ein Weib ansieht, ihrer zu begehren, der hat schon mit ihr die Ehe gebrochen in seinem Herzen (Mt 5:28). Sobald die Kirche vergisst, dass sie in der Welt sein soll, wie Christus in der Welt war, als Kreuzträgerin und Pilgerin, sobald sie vergisst, dass die Welt für sie gekreuzigt und gerichtet ist, sobald sie derselben in ihrem Herzen wieder Realität zugesteht, sie als eine Macht anerkennt, vor deren Zorn sie sich fürchtet, um deren Beifall sie buhlt, mit der sie eine Vermittlung anstrebt, deren Ehre und Gut, deren Genüsse, deren angenehme Existenz ihr wünschenswert erscheinen, mit deren Weisheit, Bildung, Wissenschaft Geist sie dem Wort der Wahrheit gegenüber kokettiert: sodann ist schon der Ehebruch geschehen.

Dieses sich Einlassen mit der Welt, sich Einleben in die Welt, sich Tragenlassen von der Welt macht das Wesen der Hurerei aus. Daher dasselbe gar nicht besser bezeichnet werden konnte als dadurch, dass das W e i b auf dem T i e r sitzt (Offb 17:3.7.9). Als das mit der Sonne bekleidete Weib soll die Kirche ihr Licht, das ja von selber leuchtet, in der Finsternis scheinen lassen; einem Sauerteig gleich soll sie die Menschheit von innen heraus durchdringen; nicht durch Heer oder Kraft, sondern durch meinen Geist, spricht der Herr Zebaoth (Mal 4:6): das ist ihre Losung. Die Hure ist hiervon das Gegenteil. Statt an Christo, ihrem königlichen Haupt, allein zu hängen, stützt sie sich auf die Häupter des Tieres (Offb 17:9); statt mit dem himmlischen Glanz der Sonne, hat sie sich nun mit dem irdischen Purpur und Scharlach, von Gold und Edelsteinen und Perlen geschmückt (Offb 17:4); statt den Leidenskelch ihres Herrn zu trinken, hat sie einen goldenen Taumelkelch voll Gräuel und Unreinigkeiten in ihrer Hand (V. 4). Wer sich daher über eine solche Kirche freut und über ihren Untergang in Klagen ausbricht, das sind nicht etwa die lebendigen Christen, die Heiligen, sondern es sind die Großen und Reichen dieser Welt, die K ö n i g e , die mit ihr Hurerei getrieben haben, die K a u f l e u t e und S c h i f f s h e r r e n, die von der Kraft ihrer Geilheit reich geworden sind (Offb 17:2; Offb 18:3:9-19). Welch ein Kontrast gegen das: Sehe an, liebe Brüder, euren Beruf: nicht viele Weise nach dem Fleisch, nicht viele Gewaltige, nicht viel Edler sind berufen; hat nicht Gott erwählet die Armen auf dieser Welt? (1Kor 1:26; Jak 2:5). Welch ein Kontrast auch zwischen der Wehklage der Welt beim Fall der Hure und zwischen ihrer Freude beim Tod der zwei Zeugen, wovon es Offb 11:10 heißt: Und die auf Erden wohnen, werden sich freuen über ihnen und frohlocken und einander Geschenke senden; denn diese zwei Propheten quälten die auf Erden wohnen.

Die Hurenkirche hat den Königen und Machthabern dieser Welt nicht weh getan, hat sie nicht gestraft für ihre Sünden, sondern ihnen den Weg in den Himmel leicht und bequem gemacht; sie hat ihnen als Zaum gedient zur Niederhaltung der Völker, hat sich als Mittel zur Herstellung der Autorität, der Ruhe und Ordnung ihnen empfohlen und von ihnen brauchen lassen. Kein Wunder, dass die Könige klagen über ihren Fall. (Offb 18:9.10). Den Kauf- und Schiffsherren war die Kirche ebenfalls bequem als Erhalterin des Friedens, unter dessen Schutz Handel und Wandel gedieh und sich Geld im Vollauf verdienen ließ (Offb 18:11-13). Doch nicht nur das, sondern sie hat auch gegen den irdischen Sinn, gegen das Wohlleben und den Luxus, aus dem die Handelsleute ihren Gewinn ziehen, nicht laut genug ihre Zeugenstimme erhoben, vielmehr hat sie es sich selbst wohl sein lassen in dieser Welt und ihren Freuden und Genüssen; statt der Schafe hat sie die Wolle gesucht; statt angetan zu sein mit Geist und Kraft aus der Höhe und stets auf das himmlische Kleinod hinzuweisen und auf die zukünftige Stadt, die wir suchen, hat sie das Fleisch gepflegt und in ihrem Hurenputz sich gefallen; sie hat durch ihre Salzlosigkeit und durch ihren eigenen Erdensinn das Sündenleben und die Fäulnis der Welt gemehrt und gefördert, statt ihnen entgegen zu wirken (Offb 18:14-19; Offb 19:2 ἔφθειρεν τὴν γῆν).

Die H e i l i g e n dagegen, die wahren Zeugen Jesu, die Apostel und Propheten samt dem ganzen Himmel freuen sich über den Fall Babels; sie selbst haben dieses Gericht längst von Gott erfleht; denn von i h r e m B l u t e ist die H u r e trunken (Offb 17:6: Offb 18:20.24; Offb 19:2). Die Hure im N. B.. hat dieselben Blutschulden auf sich wie die im A.B.; denn auch Jerusalem hat ja die Propheten getötet und die Gesandten Gottes gesteinigt, auch die Juden haben Christum und seine Jünger in den Bann getan und ermordet, in der Meinung, sie tun Gott einen Dienst damit (Mt 23:29-37; Mt 21;35-39; Joh 16:1-4). Wir dürfen hier nicht bloß an einen Huss denken, an die Waldenser, die englischen Märtyrer und dgl. auch nicht bloß an das, was noch kommen kann; sondern es gilt hier auch das Wort: Wer seinen Bruder hasst, der ist ein Totschläger (1Jo 3:15). Wo irgend lebendige Christen von den Leitern der Kirche aus geheimer oder offener Abneigung gegen die Wahrheit zurückgesetzt und gedrückt werden, wo eine falsche Theologie den Glauben aus den Herzen der Jugend reißt, wo ein Seelsorger im Stillen im Lande aus Widerstreben gegen ihre Kreuzgestalt preisgibt und zurückstößt, wo wir irgend uns sträuben oder schämen, die Schmach der Knechte Christi mitzutragen: da ist ein Mord an den Heiligen Gottes geschehen.

Dies ist der Charakter der Hure; und so ist die Kirche nicht etwa nur da und dort in vereinzelten Erscheinungen, sondern so ist sie allenthalben in der Welt, es isst damit die ganze Christenheit gemeint, sowie einst ganz Israel zur Hure geworden war. Die wahren Gläubigen sind als unsichtbare Kirche in ihr verborgen und zerstreut. Man kann nicht sagen: da und da ist die Hure, da und da nicht; so wenig man sagen kann: Siehe, hier ist Christus oder da (Mt 24.23). Die Grenzen zwischen Hure und Weib sind keine lokalen, auch keine konfessionellen, überhaupt keine äußerlich zu ziehenden; sondern es muss geistlich geschieden und gerichtet werden. Den Weizen von der Spreu auch äußerlich loszumachen, das wird erst Sache des richtenden Gottes sein. Diese Allgemeinheit des Hurenwesens deutet die Apokalypse an, wenn sie sagt: die Hure s i t z e auf den v i e l e n W a s s e r n, welche Völker und Scharen und Heiden und Sprachen bedeuten; oder auch: es seien alle Erdenbewohner, alle Völker von dem Wein ihrer Hurerei verdorben (Offb 17:1.15.2; Offb 14:3; Offb 19:2) Diese äußere Ausdehnung über die ganze Welt und jene innere Gleichstellung mit der Welt, die Weltlichkeit der Kirche nach Umfang und nach Inhalt fasst alle darin zusammen, dass sie den Namen der Weltstadt B a b y l o n trägt. Es ist der Wille des Herrn, dass die ganze Welt mit dem Samen seines Wortes bestreut, dass alle Völker zu Jüngern gemacht werden durch Taufe und Predigt (Mt 13:38; Mt 28:19): wie die Sonne die ganze Erde beleuchtet, so soll auch das mit der Sonne bekleidete Weib, ihr Licht und Leben überall hinbringen.

Johannes schaut auch, wie wir gesehen haben und noch ferner sehen werden, sehr bestimmt die äußere Christianisierung der Könige und Nationen. Aber dass diese Christianisierung eben nur eine äußerliche ist, dass das Weib, indem sie die Welt umfasst, sich auch wieder buhlerisch von ihr umfassen lässt, das macht, dass ihre Universalität oder Katholizität nicht die von Jerusalem ist, die wir nach der Weissagung (z. B. Jes 2:2-4) zu hoffen haben, sondern die Universalität Babels. Jerusalem und Babel, über welches letztere namentlich auch Jer 50 und 51 zu vergleichen, sind die beiden großen, welthistorischen Gegensätze, die in den Städten ihren konkreten Ausdruck finden. Wir haben hierüber schon oben geredet, wo aus Anlass von Dan 9:25 die Bedeutung Jerusalems entwickelt werden musste. Auch in der Offb steht Babel Jerusalem gegenüber, nur nicht dem irdischen, sondern den neuen, himmlisch verklärten Jerusalem. Das Weib hat in den Zeiten des Neuen Bundes keine Stadt auf Erden, weil es eben die zukünftige sucht (Hebr 13:14); es hat nur einen Ort in der Wüste (Offb 12:6.14). Die Hure aber hat sich, gleich Kain der die erste Stadt erbaute (1Mo 4:18) behaglich und sicher auf Erden niedergelassen; und nicht nur diese oder jene Stadt, sondern geradezu die Weltstadt hat sie für sich in Besitz genommen. Indem die Kirche immer tiefer in die Heidenwelt eindrang bis ins Herz derselben, ist sie selbst heidnisch geworden; sie hat die Welt nicht mehr überwunden (1Jo 5:4), sondern sich von ihr überwinden lassen; statt dieselbe auf ihre göttliche Höhe emporzuheben, ist sie selbst ins weltliche, fleischliche, irdische Wesen herabgesunken; wie die heidnischen Volksmassen, so drang auch der heidnische Weltgeist unbekehrt, ohne durch den Kreuzestod hindurchgedrungen zu sein, in die Kirche ein.

So hat einst die heidnische Isebel und der Heide Bileam, statt sich zu dem Gott Israels zu bekehren, vielmehr das heilige Volk zum Götzendienst verführt. Indem dies in den Sendschreiben, der Apokalypse auf die Kirche angewendet wird (Offb 2:4.20), bereitet sich hierin wie der Ausdruck Hure, so auch schon der Ausdruck Babylon vor. Weiter dient zur Anbahnung dieses Ausdrucks namentlich die bereits betrachtete Stelle Offb 11:8, wo Jerusalem geistlich Sodom und Ägypten heißt. Dem entspricht, wie wir wissen, bei Paulus der Vergleich der Verführer Jannes und Jambres, bei Petrus ebenfalls mit Sodom und Bileam, - lauter Ausdrücke, welche das Herabsinken des Christlichen ins Heidnische darstellen. Eben dahin gehört es, wenn der Herr selbst und die Propheten des A. B. dem Volk Israel wiederholt vorhalten, es sei so schlimm, ja noch schlimmer geworden als die Heiden, als die Weltstädte Tyrus und Sidon, Ninive, Sodom und Gomorra (Mt 11:20-24; Mt 24:41; Jes 1:10; Jer 2:10; Jer 18:18; Hes 5:5-7; Hes 16:45-52). Hierdurch verliert nun vollends der Grund sein Gewicht, welchen man gegen unsere Auffassung der Hure von dem oben erwähnten Umstand hernehmen könnte, dass auch Tyrus und Ninive ausnahmsweise einem diesen Namen erhalten. In dem zuletzt angeführten Kapitel Hesekiels, das wir schon für den Begriff der Hure so wichtig gefunden haben, findet sich auch für die Benennung Babylons die stärkste Analogie, wenn es V. 3 von Jerusalem heißt: Dein Ursprung und deine Geburt ist aus der Kanaaniter Lande, den Vater ein Amoriter und deine Mutter eine Hetiterin. Nach dem allem werden wir es vollkommen begreifen, dass die abgefallene Kirche den Namen der Weltstadt trägt.

Fragt man nun nach der kirchengeschichtlichen Erfüllung des Gesichts von der babylonischen Hure, so ist dieselbe also weder bloß in der katholischen Kirche noch bloß in der Staats- und Massenkirche zu suchen, wie jenes von einseitig protestantischem, dies von separatistisch-sektiererischem Standpunkt aus geschieht. Wir Protestanten haben wahrlich Ursache genug an unsere eigene Brust zu schlagen; darum verlassen wir aber doch unsere Kirche nicht in voreiliger und eigenmächtiger Herbeiziehung des Wortes Offb 18:4: Gehet aus von ihr, mein Volk, wo wenig Jesus die israelitische Kirche seiner Zeit verlassen hat; denn auch die kleinste Sekte ist vom Hurenwesen auf Dauer nicht frei. Die ganze Christenheit in der Mannigfaltigkeit ihrer Kirchen und Sekten bildet die Hure; und es gilt da eben nur wieder das apokalyptische Grundwort recht zu fassen: Hier ist Geduld und Glaube der Heiligen. "Die Hure ist nicht die Stadt Rom allein, auch nicht allein die katholische Religion, auch nicht eine andere mit Ausschluss der anderen; sondern alle zusammengenommen, auch die unseres, kurz die ganze geistlose und des Lebens Jesu leere Christenheit, die sich Christin nennt und hat weder Christi Sinn noch Geist. Sie heißt Babel d. .i. ein Verwirrung; denn die falsche Christenheit, zerteilt in sehr viele Religionen und Sekten, ist eine wahre und eigentliche Verwirrerin; aber in allen Religionen, Parteien und Sekten der ganzen Christenheit lebt und steckt die wahre Jesusgemeinde, welche das mit der Sonne bekleidete Weib ist. Die verdorbene, ausgeartete Christenheit ist eine Hure, die ihre Sache nur für das Fleisch, für das Wohlergehen des tiersinnlichen Menschen einrichtet, die allen falschen Geistern und Geisteseinflüssen offen steht und sich preisgibt, die es mit dem Natur- und Weltgeist hält." (Joh. Mich. H a h n; Briefe und Lieder über die Offb in seinen Schriften, 5 Bd. Tüb 1820; S 182ff.)

Darum bleibt es aber doch wahr, dass die katholische d. h. die römische und griechische Kirche noch in einem viel tieferen Sinne Hure ist als die evangelische. Babylon ist zu den Zeiten des Johannes in R o m geworden; dass es so verstanden sein will, isst wohl nach Offb 17:18 klar. Nun ist freilich Rom nicht gemeint im äußerlichen, geschichtlich-geographischen Sinn, sondern wie eben der mystische Name Babel andeutet, im prophetischen Sinn als Zentralpunkt der Weltmacht, als Trägerin des Weltgeistes. Aber gerade dieser Geist des römischen Weltreiches ist in die Kirche eingedrungen und hat aus ihr im Okzident von Rom aus einen nach falscher Weltherrschaft trachtenden Kirchenstaat gemacht, im Orient von Byzanz aus eine unter die Weltmacht geknechtete Staatskirche, an beiden Orten ein von dem unsichtbaren Geisteswesen des Evangeliums abgefallene und in die Elemente des Weltwesens (Gal 4:4; Kol 2:2.20) zurückgesunkene Weltkirche. Die katholische Kirche ist daher nicht bloß ihrem Versand, sondern auch ihrem Prinzip nach hurerisch; sie hat den traurigen Vorzug, die Hure, die Metropole der Hurerei, die Mutter der Huren (Offb 17:5) zu sein.; sie ist es auch, die vorzugsweise sich rühmt: Ich sitze als eine Königin und bin keine Witwe und Leid werde ich nicht sehen (Offb 18:7). Die evangelische Kirche dagegen ist ihrem Prinzip, ihren Glaubensgrund nach ein keusches Weib; die Reformation war eine Reaktion des Weibes gegen die Hure.*)

*) Vielleicht sucht mancher evangelisch Denkende, der sich der göttlichen Wahrheit seines Bekenntnisses freut, in der Apokalypse eine Andeutung der Reformation. Eine solche findet sich auf direkte Weise nicht; denn Johannes hat keine Kirchengeschichte zu schreiben, sondern die sie beherrschenden Faktoren und Grundrichtungen zu zeichnen. Aber indem wir uns überall hingewiesen sehen auf die Parallele der neutestamentlichen Entwicklung des Gottesreiches mit der alttestestamentlichen, können wir uns auf dem Wege der Analogie über die Stellung und Bedeutung der Reformation im Ganzen dieser Entwicklung einigermaßen orientieren. Sie entspricht wohl der nachexilischen Reformation Israels unter Serubabel und Josua, unter Esra und Nehemia. Vor dem Exil war das Volk Gottes der Hurerei anheim gefallen und dafür in die Gefangenschaft dahingegeben worden, Ebenso die mittelalterliche Kirche; spircht man doch selbst von einer babylonische Gefangenschaft der Päpste, und hat Luther über die babylonische Gefangenschaft der Kirche geschrieben. Nach dem Exil stellt Esra das Gesetz wieder her; es war nicht sowohl eine neue, originelle Offenbarung, was jetzt hervortrat, als ein Zurückgehen auf das ursprüngliche, mosaische Gotteswort. Ebenso ging die Reformation auf da N. T. und die Urkirche zurück. Die israelitische Reformation wurde aufgehalten und angefeindet durch die früheren, aus jüdischem und heidnischem Blut gemischte Bevölkerung des Landes, durch die Samariter. Wer sieht nicht in ihrem Bild der die Reformation bekämpfende, katholische Kirche? Gleichwohl kam die Reformation unter dem Schutz der Weltmacht zustande, die Juden hatten das reine volle Gotteswort, sie waren die Träger der göttlichen Wahrheit in dieser Zeit, und es gab in Kraft derselben immer gläubige Seelen, die treu das Gesetz hielten und auf den Trost Israels warteten; aber im Ganzen waren es dennoch kümmerliche Jahrhunderte bis zur Erscheinung des Herrn hin, die geistigen Leiter des Volkes spalteten sich in die Parteien der buchstäblichen Pharisäer und der rationalistischen Sadduzäer, und in der großen Mehrheit der Nation war kein relig�iöses Leben. Ist das nicht ein Bild der evangelischen Kirche? Die Samariter mit ihrer Vermischung des Jüdischen und Heidnischen, Göttlichen und Menschlichen, mit ihrem Zurückbleiben in geistiger und geistlicher Hinsicht (Vgl. Joh 4:22) bilden zu den Juden einen ähnlichen Gegensatz wie früher das Reich Israel zum Reich Juda, und wie jetzt die Katholiken zu den Protestanten. Am Hurenwesen aber hatten beide Anteil, und in das hereinbrechende Gericht wurden beide gleichmäßig hineingezogen. Denn dass es da nicht auf die Reinheit der Lehre und des Bekenntnisses bloß ankommt, das zeigen die Pharisäer, denen der Herr so sehr das Zeugnis reiner Lehre gibt, dass er von ihnen zum Volk zu seinen Jüngern spricht: Alles, was sie euch sagen, dass ihr halten solltet, das haltet und tut's (Mt 23:3), ,woran er dann aber die ernsteste Strafpredigt wider sie knüpft. - Auch in der vorsindflutlichen Urzeit finden wir einen ähnlichen Wendepunkt, welche Henoch bezeichnet, der siebte unter den zehn von Adam bis Noah herab reichenden Erzvätern. Ohne Träger einer neuen Offenbarung zu sein, betritt er auf exemplarische Weise den Weg des Heils und wird ein ernster Prediger der Wahrheit. (1Mo 5:21-24; Jud 1:14.15).

Noch ist das Geheimnis Babylons nicht völlig ausgetragen, und wir wissen nicht, welche Entwicklungen das falsche Kirchentum noch nehmen wird, bis es den Kulminationspunkt erreicht hat, der es reif zum Gericht macht. Aber B e n g e l , dem bei allen Fehlgriffen seiner Auslegung im Einzelnen doch eine tiefe am prophetischen Wort geschärfte Ahnungsgabe verliehen war, hat vielleicht nicht Unrecht gehabt, wenn er meinte, Rom werde noch einmal emporkommen. Auch der griechisch-russische Katholizismus wird wohl noch ein Wort mitzureden haben. Die hurerischen, weltförmigen Elemente in allen Kirchen und Sekten streben dem Katholizismus zu und machen ihm Bahn. So mag er noch einmal zur Macht gelangen. Aber auch sonst gilt es, auf alle Zeichen der Zeit zur achten, die eine Vermischung der Wahrheit und Lüge, des Weltlichen und Christlichen in irgendeiner Weise bekunden, und sich davor zu hüten. So viel ist jedenfalls gewiss: im Moment des Triumphs brechen die weltlichen und weltfreundlichen Mächte zusammen, während das Volk Gottes im Moment ihres Erliegens zur Rettung und Sieg erhoben wird. Dafür ist Christi Kreuz und Auferstehung Bürge.

Die geheilte Todeswunde und Rückkehr des Tieres

Wie das Weib, so erscheint auch das Tier im 17. Kap in veränderter Gestalt, und wir haben es deswegen hier auch noch einmal ins Auge zu fassen. Dasselbe hat ebenfalls in der christlichen Zeit eine Entwicklung durchgemacht und ist jetzt zum Gericht reif. Sehen wir zunächst zu, ob unsere Weissagung von jener Entwicklung etwas andeutet. In dieser Beziehung muss hier noch einmal ins 13. Kapitel zurückgegriffen werden, wie zur Deutung der Tierhäupter früher aus dem 13. ins 17. Kapitel vorgegriffen werden musste. Da findet sich zugleich eine Antwort auf die Frage, die uns bei Daniel übrig blieb, ob denn die Weissagung der Christianisierung der Weltmacht, wie wir sie tatsächlich im römisch-deutschen Reich finden, gar keine Erwähnung finde.

Wir haben nämlich bis jetzt absichtlich einen Zug in dem Bild der Weltmacht übergangen, welcher im 13. Kapitel wiederholt und nachdrücklich hervorgehoben wird. Johannes sieht eines von den H ä u p t e r n des T i e r e s wie g e s c h l a c h t e t zum T o d e, aber seine T o d e s w u n d e ward g e h e i l t (Offb 13:3.12.14). Diese einem der Weltreiche beigebrachte Todeswunde erinnert an das, was Daniel (Dan 7:4) in Bezug auf den König von Babel schaute: da wurden dem Löwen die Flügel ausgerissen und er empfing die aufrechte Stellung und das Herz eines Menschen. Wir wissen, dass hiermit die Demütigung des hochfliegenden Stolzes Nebukadnezars und seine Bekehrung zu dem lebendigen Gott dargestellt ist. Eine ähnliche Veränderung geht nun mit einem der apokalyptischen Tierköpfe vor sich. Zwar wird er nicht etwa in ein Menschenhaupt verwandelt, doch wird er tödlich verwundet und also unschädlich gemacht. Das Weltreich, welches unter diesem Kopf gemeint ist, bekehrt sich nicht wirklich zu dem lebendigen Gott, so dass es menschlichere Art bekäme, wie Nebukadnezar; aber es entfaltet auch seinen tierisch brutalen, widergöttlichen Charakter nicht so wie die sechs anderen, es lebt sein antichristliches Wesen vorübergehend ab. Es scheint wie geschlachtet zum Tode, und man macht mit Recht darauf aufmerksam, dass dieser Ausdruck ohne Zweifel absichtlich gewählt sei, um das Tier in äußere Ähnlichkeit mit dem Lamme zu stellen, welches Johannes (Offb 5:6) ebenfalls sieht. Wie das zweite Tier durch seine Hörner (Offb 13:11), so gleicht das erste durch seine Todeswunde dem Lamme. Man darf also selbst vom Tierwesen, von der eigentlichen Weltmacht nicht erwarten, dass es sich in bloß heidnischer Weise fortentwickeln werde bis ans Ende, sonder es wird ein Christo ähnliches Aussehen gewinnen, es wird äußerlich christianisiert werden; ja es wird zeitweise ganz getötet, gar nicht mehr vorhanden zu sein scheinen, ohne dass es doch zu sein und Tier Tier zu sein aufgehört hat.

Welches Weltreich nun hier gemeint sei, lässt sich unschwer erraten. Wir haben hier dieselbe Grundtatsache der christlichen Geschichte von Seiten des Tieres dargestellt, welche Johannes Offb 12:15.16 von Seiten des Weibes aus schaute. Der Teufel führt in den Stämmen der Völkerwanderung eine neue Weltmacht gegen die Gottesgemeinde ins Feld; aber bald wurden die undisziplinierten Horden an christliche Zucht und Ordnung, Bildung und Sitte gewähnt und legten damit ihren antichristlichen Charakter ab; die Erde half dem Weibe, indem sie den Wasserstrom verschlang; das siebente Haupt des Tieres empfing die Todeswunde. Die sechs ersten Weltreiche waren heidnisch gewesen; und wenn auch das römische noch am Abend seines Bestehens das Christentum annahm, so konnte das doch die hereinbrechende Macht nicht aufhalten: was seit Konstantin geschah, hatte nur den Zweck, die Christianisierung der germanischen Welt zu ermöglichen und anzubahnen, der Erde den Mund zu öffnen, dass sie den Wasserstrom verschlingen konnte. Erst das siebte Reich also ist ein christliches Weltreich geworden; und das ist der Sinn der Todeswunde, durch welche dem Tier in diesem Stadium seiner Entwicklung seine tierische Macht genommen wird, dass es nicht mehr ist. Denn es leuchtet ein, dass das Geschlachtetsein zum Tode und das N i c h t s e i n des Tieres, von welchem (Offb 17:8.11) der Engel spricht, identische Begriffe sind; jeder Kopf bezeichnet ja das ganze Sein des Tieres zu einer bestimmten Zeit. Eben hieraus geht aber auch hervor, dass unter dem verwundeten Haupt kein anderes verstanden werden kann als das siebte. Denn auf da Nichtsein des Tieres folgt nichtsmehr als sein Wiederkehr aus dem Abgrund, welche der Heilung der Wunde entspricht, und dann sogleich der Gang ins Verderben, das Gericht (Offb 17:8); folglich ist es unmöglich, dass auf den verwundeten und wieder geheilten Kopf noch andere Köpfe folgen können, und mithin muss derselbe der letzte, siebte sein. Eben hierfür spricht auch die auf den siebten Kopf bezogene Bemerkung Offb 17:10: wenn er kommt, so muss er eine k l e i n e Z e i t bleiben. Man könnte dies zwar nach Analogie der Stellen Offb 12:12 (er hat wenig Zeit) Offb 22:7.20 (ich komme bald), aus der Nähe der Parusie Christi erklären und von der ganzen Dauer des siebten Reiches verstehen; aber einfacher ist es, das "eine kleine Zeit bleiben" mit der Todeswunde zu kombinieren und daran zu denken, dass die germanischen Völker als heidnische, tierische, antichristliche nur kurz bleiben sollen, dass der siebte Kopf bald seine Wunde erhalten soll. Der zum Tode verwundete Tierkopf also ist der christliche Staat samt der christlichen Kultur.