Die Tiere und das Weib in der Offenbarung: Unterschied zwischen den Versionen

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(a. Das Weib und der Drache)
(a. Das Weib und der Drache)
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Das 12. und 13. Kapitel enthalten die Charakteristik der kämpfenden Mächte: sie beschreiben das Weib auf der einen Seite, den Drachen, das Tier und den falschen Propheten auf der andern. Alle diese Potenzen werden in neutestamentlich universellem Blick ihrem ganzen Dasein in der Welt- und Reichsgeschichte nach geschildert: das Gesicht geht nicht bloß in die Zukunft hinaus, sondern umfasst, zugleich um der Deutlichkeit und Charakteristik willen, je nach Umständen auch die Gegenwart und Vergangenheit (Vgl. Offb 17:10 <big> ἔπεσαν,  ἦλθεν ,οὔπω, ἦλθεν </big>). Zuerst schaut Johannes das Weib (Offb 12), und dieses haben wir daher vor allem ins Auge zu fassen. <br/><br/>
 
Das 12. und 13. Kapitel enthalten die Charakteristik der kämpfenden Mächte: sie beschreiben das Weib auf der einen Seite, den Drachen, das Tier und den falschen Propheten auf der andern. Alle diese Potenzen werden in neutestamentlich universellem Blick ihrem ganzen Dasein in der Welt- und Reichsgeschichte nach geschildert: das Gesicht geht nicht bloß in die Zukunft hinaus, sondern umfasst, zugleich um der Deutlichkeit und Charakteristik willen, je nach Umständen auch die Gegenwart und Vergangenheit (Vgl. Offb 17:10 <big> ἔπεσαν,  ἦλθεν ,οὔπω, ἦλθεν </big>). Zuerst schaut Johannes das Weib (Offb 12), und dieses haben wir daher vor allem ins Auge zu fassen. <br/><br/>
  
=====<big>a. Das Weib und der Drache</big>=====
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=====<big>Das Weib und der Drache</big>=====
  
 
Weib und Tier bilden offenbar den nämlichen Gegensatz, wie bei Daniel der Menschensohn und die Tiere. Darauf deutet schon die Örtlichkeit hin, wo die beiden Seher diese Gestalten schauen. Wie der Menschensohn Daniels vom Himmel kommt, so sieht Johannes das Weib (Offb 12:1) im Himmel; und wie die danielischen Tiere aus dem Meer aufsteigen, ebenso das Tier der Offenbarung (Offb 13:1). Beide Male tritt ferner das menschliche Wesen dem tierischen entgegen, nur bei Daniel in männlichere, bei Johannes in weiblicher Gestalt. Dass hiermit der Gegensatz des Gottes- und des Weltreiches bezeichnet ist, wissen wir. Daniel schaut aber den Messias, den Bräutigam oder Mann, weil er in jene Zeit hinausblickt, wo Christus sichtbar wiederkommen und sein Reich auf Erden errichten wird; Johannes, bei welchem hier jedenfalls, um vorläufig noch ganz allgemein zu sprechen, die Zeit vor der Parusie im Blickfeld steht, schaut das Weib, die Braut, die Gemeinde Gottes in der Welt. Wenn er diese in Gestalt eines W e i b e s schaut, so steht ja damit die Apokalypse nicht allein, sagt nichts Neues aus, sondern sie fasst nur den ganzen Sprachgebrauch des A. und N. T. zusammen. Derselbe beginnt schon im Pentateuch damit, dass der Abfall des Volkes Israel von Gott zu den Götzen als Hurerei bezeichnet wird und der heilige Ernst Gottes dagegen als Eifersucht, Ausdrücke, die zu ihrer Grundlage die Anschauung eines Ehebundes zwischen Gott und Israel haben, in welchem jener der Mann, dieses das Weib ist. (z. B. 2Mo 34:15.16; 3Mo 17:7: 3Mo 20:5.6: 4Mo 1433; 4Mo 15:39; 5Mo 31:16; 5Mo 32:16.21). Bei den Propheten findet sich diese Grundanschauung weiter ausgebildet und in manigfaltigster Anwendung durchgeführt: Brautwerbung,  Ehestand, Ehebruch, Scheidung, Witwenschaft usw. (Jes 1:21; Je 50:1; Jes 54:1ff.; Jer 2:2.20.23-25; Jer 3:1ff.; Hes 16 u. 23; Hos 1-3 u.ä.) Im N. T. nimmt sogleich der Täufer den Ausdruck wieder auf, indem er Jesus, den Messias, als den Bräutigam bezeichnet, der die Braut hat (Joh 3:29). Hier tritt also von vornherein Christus an Jehovas Stelle: in der Zeit der Erfüllung ist Jehova Jesus Christus geworden, wie sich das in seinem Namen <big> κύριος</big> (der Herr) ausprägt. Er selbst nennt  sich den Bräutigam (Mt 9:15) und hat in seinen Gleichnissen von den zehn Jungfrauen, von der königlichen Hochzeit und verwandten Aussprüchen dieselbe Anschauung weiter ausgeführt.  
 
Weib und Tier bilden offenbar den nämlichen Gegensatz, wie bei Daniel der Menschensohn und die Tiere. Darauf deutet schon die Örtlichkeit hin, wo die beiden Seher diese Gestalten schauen. Wie der Menschensohn Daniels vom Himmel kommt, so sieht Johannes das Weib (Offb 12:1) im Himmel; und wie die danielischen Tiere aus dem Meer aufsteigen, ebenso das Tier der Offenbarung (Offb 13:1). Beide Male tritt ferner das menschliche Wesen dem tierischen entgegen, nur bei Daniel in männlichere, bei Johannes in weiblicher Gestalt. Dass hiermit der Gegensatz des Gottes- und des Weltreiches bezeichnet ist, wissen wir. Daniel schaut aber den Messias, den Bräutigam oder Mann, weil er in jene Zeit hinausblickt, wo Christus sichtbar wiederkommen und sein Reich auf Erden errichten wird; Johannes, bei welchem hier jedenfalls, um vorläufig noch ganz allgemein zu sprechen, die Zeit vor der Parusie im Blickfeld steht, schaut das Weib, die Braut, die Gemeinde Gottes in der Welt. Wenn er diese in Gestalt eines W e i b e s schaut, so steht ja damit die Apokalypse nicht allein, sagt nichts Neues aus, sondern sie fasst nur den ganzen Sprachgebrauch des A. und N. T. zusammen. Derselbe beginnt schon im Pentateuch damit, dass der Abfall des Volkes Israel von Gott zu den Götzen als Hurerei bezeichnet wird und der heilige Ernst Gottes dagegen als Eifersucht, Ausdrücke, die zu ihrer Grundlage die Anschauung eines Ehebundes zwischen Gott und Israel haben, in welchem jener der Mann, dieses das Weib ist. (z. B. 2Mo 34:15.16; 3Mo 17:7: 3Mo 20:5.6: 4Mo 1433; 4Mo 15:39; 5Mo 31:16; 5Mo 32:16.21). Bei den Propheten findet sich diese Grundanschauung weiter ausgebildet und in manigfaltigster Anwendung durchgeführt: Brautwerbung,  Ehestand, Ehebruch, Scheidung, Witwenschaft usw. (Jes 1:21; Je 50:1; Jes 54:1ff.; Jer 2:2.20.23-25; Jer 3:1ff.; Hes 16 u. 23; Hos 1-3 u.ä.) Im N. T. nimmt sogleich der Täufer den Ausdruck wieder auf, indem er Jesus, den Messias, als den Bräutigam bezeichnet, der die Braut hat (Joh 3:29). Hier tritt also von vornherein Christus an Jehovas Stelle: in der Zeit der Erfüllung ist Jehova Jesus Christus geworden, wie sich das in seinem Namen <big> κύριος</big> (der Herr) ausprägt. Er selbst nennt  sich den Bräutigam (Mt 9:15) und hat in seinen Gleichnissen von den zehn Jungfrauen, von der königlichen Hochzeit und verwandten Aussprüchen dieselbe Anschauung weiter ausgeführt.  
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In den apostolischen Schriften begegnet sie uns ebenso: Paulus hat sie Eph 5:23-32 aufs Tiefste begründet und entwickelt, wobei er nachweist, wie auch wirklich schon die ursprüngliche Stiftung der Ehe im Paradis (1Mo 2) ein Typus auf Christentum  und Gemeinde gewesen (Vgl. D e l i t z s c h , Hoheslied, S. 186 ff.) Allee das fasst die Apokalypse in das eine Wort Weib (Offb 12:1) zusammen. Das Wesen des Weibes gegenüber dem Mann ist das Untertansein (Eph 5:22-24), das sich Hingeben, das Empfangen. Eben dies ist auch das Wesen des Menschen gegenüber Gott: er kann sich, wenn er seinem eigenen Wesen entsprechen will, lediglich untertänig und empfangend Gott gegenüber verhalten. Alle Autonomie des Menschengeistes ist prinzipielle Verkehrung seines Verhältnisses zu Gott. Dieses weibliche Verhalten des Menschen gegen Gott und göttliche Dinge ist es, was die Schrift Glauben nennt, und wovon sie das Empfangen der göttlichen Lebenskräfte abhängig macht. Auch ein kindliches Verhalten ist der Glaube: wir sind durch ihn Kinder Gottes (Gal 3:26). Was der Herr vom Wieder-Kind-werden sagt, was das ganze N. T. von der Gotteskindschaft lehrt, gehört auch wesentlich hierher. Die einzelne Seele ist Kind Gottes; die Gesamtheit der Kinder ist im Weibe eingeschlossen (vgl. Jes 54:1.3; Hes 16:20). So schließt der Ausdruck Weib nicht nur den unmittelbar verwandten Sprachgebrauch, sondern überhaupt alles in sich zusammen, was die Schrift über die Grundbeziehungen des Menschen zu Gott lehrt. Das Weib ist die Menschheit, sofern und soweit sie Gott zugehört. Darum wird von Christo, dem Sohne des Weibes, Offb 12:5 hervorgehoben, dass er ein m ä n n l i c h e r Sohn sei. Er ist wohl vom Weibe geboren und unter das Gesetz getan (Gal 4:4), er ist das eigentliche Resultat und Erzeugnis der alttestamentlichen Gemeinde, daher auch unter ihre Lebensordnungen gestellt; aber er ist dabei Gottes Sohn und steht als solcher der Gemeinde gegenüber wie der Mann dem Weibe. Der Mann, sagt Paulus 1Kor 11:7, ist Gottes Ebenbild und Herrlichkeit, das Weib aber ist des Mannes Herrlichkeit. Darum ist das weitere Kennzeichen des männlichen Sohnes, dass er mit eisernem Zepter weidet: er ist Herrscher und Hirte gegenüber der Herde, ebenso wie er männlich ist gegenüber dem Weibe. Dies ist der einfache Sinn des scheinbar pleonastischen Zusatzes "männliche" zu "Sohn".  
 
In den apostolischen Schriften begegnet sie uns ebenso: Paulus hat sie Eph 5:23-32 aufs Tiefste begründet und entwickelt, wobei er nachweist, wie auch wirklich schon die ursprüngliche Stiftung der Ehe im Paradis (1Mo 2) ein Typus auf Christentum  und Gemeinde gewesen (Vgl. D e l i t z s c h , Hoheslied, S. 186 ff.) Allee das fasst die Apokalypse in das eine Wort Weib (Offb 12:1) zusammen. Das Wesen des Weibes gegenüber dem Mann ist das Untertansein (Eph 5:22-24), das sich Hingeben, das Empfangen. Eben dies ist auch das Wesen des Menschen gegenüber Gott: er kann sich, wenn er seinem eigenen Wesen entsprechen will, lediglich untertänig und empfangend Gott gegenüber verhalten. Alle Autonomie des Menschengeistes ist prinzipielle Verkehrung seines Verhältnisses zu Gott. Dieses weibliche Verhalten des Menschen gegen Gott und göttliche Dinge ist es, was die Schrift Glauben nennt, und wovon sie das Empfangen der göttlichen Lebenskräfte abhängig macht. Auch ein kindliches Verhalten ist der Glaube: wir sind durch ihn Kinder Gottes (Gal 3:26). Was der Herr vom Wieder-Kind-werden sagt, was das ganze N. T. von der Gotteskindschaft lehrt, gehört auch wesentlich hierher. Die einzelne Seele ist Kind Gottes; die Gesamtheit der Kinder ist im Weibe eingeschlossen (vgl. Jes 54:1.3; Hes 16:20). So schließt der Ausdruck Weib nicht nur den unmittelbar verwandten Sprachgebrauch, sondern überhaupt alles in sich zusammen, was die Schrift über die Grundbeziehungen des Menschen zu Gott lehrt. Das Weib ist die Menschheit, sofern und soweit sie Gott zugehört. Darum wird von Christo, dem Sohne des Weibes, Offb 12:5 hervorgehoben, dass er ein m ä n n l i c h e r Sohn sei. Er ist wohl vom Weibe geboren und unter das Gesetz getan (Gal 4:4), er ist das eigentliche Resultat und Erzeugnis der alttestamentlichen Gemeinde, daher auch unter ihre Lebensordnungen gestellt; aber er ist dabei Gottes Sohn und steht als solcher der Gemeinde gegenüber wie der Mann dem Weibe. Der Mann, sagt Paulus 1Kor 11:7, ist Gottes Ebenbild und Herrlichkeit, das Weib aber ist des Mannes Herrlichkeit. Darum ist das weitere Kennzeichen des männlichen Sohnes, dass er mit eisernem Zepter weidet: er ist Herrscher und Hirte gegenüber der Herde, ebenso wie er männlich ist gegenüber dem Weibe. Dies ist der einfache Sinn des scheinbar pleonastischen Zusatzes "männliche" zu "Sohn".  
  
Als Sohn des Weibes ist er, wie er sich selbst nennt, des Menschen Sohn; als männlich ist er der Sohn des lebendigen Gottes, der selbst im Namen Gottes Bräutigam und Mann der Gemeinde wird, weil er vom Vater das Leben in sich selber hat (Joh 5:26). Außer ihm darf kein Mensch sich männlich nennen. Wenn die Menschen das Leben ins sich selbst zu haben wähnen, wenn sie von Gott sich losreißen, ihm trotzen, in Eigenmacht wider ihn sich erheben: so werden sie zum unvernünftigen T i e r e. Die stolze Naturkraft des Menschen ist nicht männlicher, sonder tierischer Art; es ist nichts anderes als die brutale Gewalt der Bestie. Das haben wir schon oben bei den danielischen Tieren gesehen. So ist also in dem Gegensatz zum Tier und Weib nicht etwa dies oder jenes Einzeln und Zufällige ausgesagt, sondern es sin die beiden Grundrichtungen der Menschheit, die Kinder des Lichts und die Kinder dieser Welt. Es gibt ein drittes: jeder muss entweder zum  Weib oder zum Tier gehören. Derselbe Gegensatz, dem wir überall im Evangelium und in den Briefen des Johannes begegnen, Gott und Welt, Licht und Finsternis, Wahrheit und Lüge, Leben und Tod, findet sich also auch in der Apokalypse, nur symbolisch eingehüllt in den Gegensatz von Weib und Tier: jenes ist, wie wir sehen werden, mit Gottes Sonne bekleidet, dieses ein Abbild des Teufels; dadurch wird die Parallele noch deutlicher. Und auch die Wahl der Symbole hat nichts Zufälliges oder Willkürliches, sondern gründet sich auf das innerste Wesen der weiblichen und tierischen Natur.
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Als Sohn des Weibes ist er, wie er sich selbst nennt, des Menschen Sohn; als männlich ist er der Sohn des lebendigen Gottes, der selbst im Namen Gottes Bräutigam und Mann der Gemeinde wird, weil er vom Vater das Leben in sich selber hat (Joh 5:26). Außer ihm darf kein Mensch sich männlich nennen. Wenn die Menschen das Leben ins sich selbst zu haben wähnen, wenn sie von Gott sich losreißen, ihm trotzen, in Eigenmacht wider ihn sich erheben: so werden sie zum unvernünftigen T i e r e. Die stolze Naturkraft des Menschen ist nicht männlicher, sonder tierischer Art; es ist nichts anderes als die brutale Gewalt der Bestie. Das haben wir schon oben bei den danielischen Tieren gesehen. So ist also in dem Gegensatz zum Tier und Weib nicht etwa dies oder jenes Einzeln und Zufällige ausgesagt, sondern es sin die beiden Grundrichtungen der Menschheit, die Kinder des Lichts und die Kinder dieser Welt. Es gibt ein drittes: jeder muss entweder zum  Weib oder zum Tier gehören. Derselbe Gegensatz, dem wir überall im Evangelium und in den Briefen des Johannes begegnen, Gott und Welt, Licht und Finsternis, Wahrheit und Lüge, Leben und Tod, findet sich also auch in der Apokalypse, nur symbolisch eingehüllt in den Gegensatz von Weib und Tier: jenes ist, wie wir sehen werden, mit Gottes Sonne bekleidet, dieses ein Abbild des Teufels; dadurch wird die Parallele noch deutlicher. Und auch die Wahl der Symbole hat nichts Zufälliges oder Willkürliches, sondern gründet sich auf das innerste Wesen der weiblichen und tierischen Natur.<br/><br/>
  
Der männliche Sohn
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Ist dem also, so werden wir nun im voraus erwarten, dass Weib und Tier das Gottes- und Weltreich nicht bloß in dieser oder jener Periode ihrer zeitlichen Entwicklung, sondern in völliger Allgemeinheit bezeichnen. Und wir werden das zumal dem Standpunkt der neutestamentlichen Apokalyptik gemäß finden, welcher nun durch Christum das ganze Geheimnis des göttlichen Liebesrates, die volle Universalität des Rückblicks und Vorbilds erschlossen ist, wie Paulus sagt, das Geheimnis Christi sei nunmehr völliger als in den Zeiten geoffenbart (?) seinen heiligen Aposteln und Propheten im Geist (Eph 3:5). Man wird daher zurückgehen müssen bis auf die Zeit, wo überhaupt der Gegensatz des Gottes- und Weltreiches in der Geschichte Gestalt zu gewinnen anfängt, wo also Israel und die Völkerwelt ausgesondert wird. Dass das Weib in dieser Allgemeinheit verstanden sein will, deutet auch der Text klar genug an. Es lässt sich nämlich  unter der '''G e b u r t des m ä n n l i c h e n S o h n e s''' auf ungezwungene Weise nichts anderes verstehen, als einfach das historische Faktum der Geburt Jesu Christi von Maria: nur er kann, wie wir gesehen, das Prädikat männlich für sich in Anspruch nehmen. Dafür spricht auch klar die unzweideutige Hervorhebung der beiden Umstände, von welchen das irdische Leben Jesu eingeschlossen ist, der Geburt samt den auf sie sich anschließenden teuflischen Mordanschlägen auf das neugeborene Kind des Herodes (V. 4) und sodann der Himmelfahrt samt dem Sitzen auf dem Thron Gottes (Offb 12:5, vergl. Offb 3:21). Es ist ein großartiger Kontrast, der hierin liegt: statt vom Teufel gefressen zu werden, wird das Kind auf  Gottes Thron erhoben. Man ahnt, wie sich hierin der Sieg über Teufel begründet, von welcher V. 7ff. ausführlicher die Rede ist.  
 
Ist dem also, so werden wir nun im voraus erwarten, dass Weib und Tier das Gottes- und Weltreich nicht bloß in dieser oder jener Periode ihrer zeitlichen Entwicklung, sondern in völliger Allgemeinheit bezeichnen. Und wir werden das zumal dem Standpunkt der neutestamentlichen Apokalyptik gemäß finden, welcher nun durch Christum das ganze Geheimnis des göttlichen Liebesrates, die volle Universalität des Rückblicks und Vorbilds erschlossen ist, wie Paulus sagt, das Geheimnis Christi sei nunmehr völliger als in den Zeiten geoffenbart (?) seinen heiligen Aposteln und Propheten im Geist (Eph 3:5). Man wird daher zurückgehen müssen bis auf die Zeit, wo überhaupt der Gegensatz des Gottes- und Weltreiches in der Geschichte Gestalt zu gewinnen anfängt, wo also Israel und die Völkerwelt ausgesondert wird. Dass das Weib in dieser Allgemeinheit verstanden sein will, deutet auch der Text klar genug an. Es lässt sich nämlich  unter der '''G e b u r t des m ä n n l i c h e n S o h n e s''' auf ungezwungene Weise nichts anderes verstehen, als einfach das historische Faktum der Geburt Jesu Christi von Maria: nur er kann, wie wir gesehen, das Prädikat männlich für sich in Anspruch nehmen. Dafür spricht auch klar die unzweideutige Hervorhebung der beiden Umstände, von welchen das irdische Leben Jesu eingeschlossen ist, der Geburt samt den auf sie sich anschließenden teuflischen Mordanschlägen auf das neugeborene Kind des Herodes (V. 4) und sodann der Himmelfahrt samt dem Sitzen auf dem Thron Gottes (Offb 12:5, vergl. Offb 3:21). Es ist ein großartiger Kontrast, der hierin liegt: statt vom Teufel gefressen zu werden, wird das Kind auf  Gottes Thron erhoben. Man ahnt, wie sich hierin der Sieg über Teufel begründet, von welcher V. 7ff. ausführlicher die Rede ist.  
  
Unter dem Weibe aber, die Jesum gebiert, ist nun natürlich die '''G o t t e s g e m e i n d e in ihrer alttestamentlichen G e s t a l t''' zu verstehen. Und wie könnte diese auch treffender bezeichnet werden als durch das Bild eines schwangeren, der Geburt mit Sehnsucht entgegen harrenden Weibes (V. 2)! Was der alten Väterschar höchster Wunsch und Sehnen war, was im alten Bunde verborgen lag als der immer mehr sich entfaltende, der Gemeine der Gläubigen immer heller zum Bewussstsein kommende  Keim eines höheren, männlichen, göttlichen Lebens, worauf alles angelegt war und hinstrebte, das ist jenes jesajanische: Uns ist ein Kind geboren, ein Sohn ist uns gegeben, welches Herrschaft ist auf seiner Schulter, und er heißet Wunderrat, starker Gott, Ewig-Vater, Friedefürst. Hat doch auch mich schon die Tochter Zion als Gebärerin in Kindesnöten geschaut (Mi 4:9.10; Mi 5:2). Auf die alttestamentliche Gemeinde zunächst weisen endlich auch die Embleme hin, die wir V.1 an dem Weib finden: sie ist mit der Sonne bekleidet, hat den Mond unter ihren Füßen und einen Kranz von zwölf Sternen um ihr Haupt. Denn diese drei Stücke erinnern an den Traum Josephs 1Mo 37:9.10. Dort deutet sie Jakob selbst auf sich, sein Weib und seine Söhne, also auf die alttestamentliche Gemeinde in ihrer damaligen Grundgestalt, wie dieselbe dem Zwölfstämmevolk sich für immer eingedrückt hat.  
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Unter dem Weibe aber, die Jesum gebiert, ist nun natürlich die '''G o t t e s g e m e i n d e in ihrer alttestamentlichen G e s t a l t''' zu verstehen. Und wie könnte diese auch treffender bezeichnet werden als durch das Bild eines schwangeren, der Geburt mit Sehnsucht entgegen harrenden Weibes (V. 2)! Was der alten Väterschar höchster Wunsch und Sehnen war, was im alten Bunde verborgen lag als der immer mehr sich entfaltende, der Gemeine der Gläubigen immer heller zum Bewussstsein kommende  Keim eines höheren, männlichen, göttlichen Lebens, worauf alles angelegt war und hinstrebte, das ist jenes jesajanische: Uns ist ein Kind geboren, ein Sohn ist uns gegeben, welches Herrschaft ist auf seiner Schulter, und er heißet Wunderrat, starker Gott, Ewig-Vater, Friedefürst. Hat doch auch mich schon die Tochter Zion als Gebärerin in Kindesnöten geschaut (Mi 4:9.10; Mi 5:2). Auf die alttestamentliche Gemeinde zunächst weisen endlich auch die Embleme hin, die wir V.1 an dem Weib finden: sie ist mit der Sonne bekleidet, hat den Mond unter ihren Füßen und einen Kranz von zwölf Sternen um ihr Haupt. Denn diese drei Stücke erinnern an den Traum Josephs 1Mo 37:9.10. Dort deutet sie Jakob selbst auf sich, sein Weib und seine Söhne, also auf die alttestamentliche Gemeinde in ihrer damaligen Grundgestalt, wie dieselbe dem Zwölfstämmevolk sich für immer eingedrückt hat. <br/>
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=====<big>Sonne, Mond und Sterne</big>=====
  
Sonne, Mond und Sterne
 
  
 
Aber damit ist freilich die Deutung dieser Embleme noch nicht erschöpft, es ist das nur der geschichtliche Anknüpfungspunkt für ihre Wahl. Warum das Weib  gerade mit der Sonne bekleidet ist, warum sie gerade den Mond unter ihren Füßen hat und die Sterne auf ihrem Haupt, das ist nun erst zu untersuchen.  Offenbar haben hier Sonne, Mond und Sterne eine symbolische Bedeutung. Die '''S o n n e''' ist das überirdische Licht, welches die Finsternis dieser Welt überwindet. Wie daher Gott selber Sonne heißt (Ps 84:12) und Christi Angesicht gleich der Sonne leuchtet (Offb 1:16): so heißt es auch von denen,welche den Herrn lieben schon Ri 5:31: sie seien wie der Aufgang der Sonne in ihrer Kraft, und Jesus verheißt den Gerechten, sie werden leuchten wie die Sonne in ihres Vaters Reich (Mt 13:43). Die Bekleidung mit der Sonne bezeichnet also die Gemeinde als Trägerin des überirdischen, göttlichen Lichtes in der Welt; es isst dasselbe wie wenn Offb 1:20 die Gemeinden als Leuchter, Lichtträger erscheinen: die sieben Gemeinden repräsentieren ja die Gesamtgemeinde, das Weib. Heißt es von Gott selber, er hülle sich in Licht wie in sein Kleid (Ps 104:2), so gilt dies in abgeleiteter Weise auch von dem Weib, welches gleich Christo das Licht der Welt genannt wird (Mt 5:14; Joh 8:12). Der '''M o  n d''' dagegen ist ein bloß irdisches Licht, welches in der Finsternis leuchtet, ohne sie überwinden zu können.  Die Verwandtschaft, welche kosmologisch zwischen Erde und Mond besteht, ist allenthalben im Altertum anerkannt, auch in den Mythologien, wo gewöhnlich dem männlichen Prinzip des Himmels, dem Sonnengott, ein weiblichen gegenübersteht, welches Mond- oder Erdgöttin zugleich ist (Vgl. K ö s t e r, Nachweis der Spuren der Trinitätslehre vor Christo S. 7). In der Apokalypse wird im Gegensatz zum Wesen des Gottesreiches, des Himmels, der sonne, das weltliche Wesen bezeichnet durch die drei Begriffe Meer, Erde, Mond. Wie Meer und Erde dem Himmel (Offb 12:12, Joh 3:12.31). so steht der Mond der Sonne gegenüber. Das '''M e e''' r ist das unruhige, mächtige Völkergewoge (Völker und Scharen und Heiden  und Sprachen Offb 17:15; vgl. Ps 65:8; Ps 89:10.11; Jes 8:7-9): aus ihm steigt das Tier hervor. (Offb 13:1; Dan 7:3). Die '''E r d e''' ist die schon befestigte, geordnete Völkerwelt mit ihrer Kultur und Weisheit: sie erzeugt den falschen Propheten (Offb 13:11), dessen Weisheit im Gegensatz zu der von oben herabkommenden irdisch ist (<big> σοφία σοφία</big> Jak 3:15).  
 
Aber damit ist freilich die Deutung dieser Embleme noch nicht erschöpft, es ist das nur der geschichtliche Anknüpfungspunkt für ihre Wahl. Warum das Weib  gerade mit der Sonne bekleidet ist, warum sie gerade den Mond unter ihren Füßen hat und die Sterne auf ihrem Haupt, das ist nun erst zu untersuchen.  Offenbar haben hier Sonne, Mond und Sterne eine symbolische Bedeutung. Die '''S o n n e''' ist das überirdische Licht, welches die Finsternis dieser Welt überwindet. Wie daher Gott selber Sonne heißt (Ps 84:12) und Christi Angesicht gleich der Sonne leuchtet (Offb 1:16): so heißt es auch von denen,welche den Herrn lieben schon Ri 5:31: sie seien wie der Aufgang der Sonne in ihrer Kraft, und Jesus verheißt den Gerechten, sie werden leuchten wie die Sonne in ihres Vaters Reich (Mt 13:43). Die Bekleidung mit der Sonne bezeichnet also die Gemeinde als Trägerin des überirdischen, göttlichen Lichtes in der Welt; es isst dasselbe wie wenn Offb 1:20 die Gemeinden als Leuchter, Lichtträger erscheinen: die sieben Gemeinden repräsentieren ja die Gesamtgemeinde, das Weib. Heißt es von Gott selber, er hülle sich in Licht wie in sein Kleid (Ps 104:2), so gilt dies in abgeleiteter Weise auch von dem Weib, welches gleich Christo das Licht der Welt genannt wird (Mt 5:14; Joh 8:12). Der '''M o  n d''' dagegen ist ein bloß irdisches Licht, welches in der Finsternis leuchtet, ohne sie überwinden zu können.  Die Verwandtschaft, welche kosmologisch zwischen Erde und Mond besteht, ist allenthalben im Altertum anerkannt, auch in den Mythologien, wo gewöhnlich dem männlichen Prinzip des Himmels, dem Sonnengott, ein weiblichen gegenübersteht, welches Mond- oder Erdgöttin zugleich ist (Vgl. K ö s t e r, Nachweis der Spuren der Trinitätslehre vor Christo S. 7). In der Apokalypse wird im Gegensatz zum Wesen des Gottesreiches, des Himmels, der sonne, das weltliche Wesen bezeichnet durch die drei Begriffe Meer, Erde, Mond. Wie Meer und Erde dem Himmel (Offb 12:12, Joh 3:12.31). so steht der Mond der Sonne gegenüber. Das '''M e e''' r ist das unruhige, mächtige Völkergewoge (Völker und Scharen und Heiden  und Sprachen Offb 17:15; vgl. Ps 65:8; Ps 89:10.11; Jes 8:7-9): aus ihm steigt das Tier hervor. (Offb 13:1; Dan 7:3). Die '''E r d e''' ist die schon befestigte, geordnete Völkerwelt mit ihrer Kultur und Weisheit: sie erzeugt den falschen Propheten (Offb 13:11), dessen Weisheit im Gegensatz zu der von oben herabkommenden irdisch ist (<big> σοφία σοφία</big> Jak 3:15).  
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Indem wir die zwölf Sterne mit auf die zwölf Apostel beziehen, so ist schon ausgesprochen, dass das Weib die Gemeinde nicht bloß in ihrer alttestamentlichen, sondern a u c h in ihrer n e u t e s t a m e n t l i c h e n Gestalt bezeichnet. So unmöglich es nach dem Bisherigen ist, nur die neutestamentliche Gemeinde oder die Kirche unter dem Weib zu verstehen, ebenso unmöglich ist es, nur an die alttestamentliche oder an Israel dabei zu denken. Denn Israel hat ja, wie wir aus  Dan 9 wissen, bald nach Christi Himmelfahrt aufgehört, die Gemeinde Gottes zu sein, und doch ist Offb 12:6.13ff. noch weiter vom Weib die Rede. Der Text bestätigt also wie nach rückwärts, so auch nach vorwärts, was wir oben als im Begriff des Weibes liegend gefunden haben, dass es die  Gemeinde Gottes  in der Welt in unbeschränkter Allgemeinheit und nicht bloß in dieser oder jener Periode ihrer zeitlichen Entwicklung bezeichne. Was wir nun nach der Himmelfahrt Christi zuerst vom Weib lesen, das ist V. 6, sie sei in die Wüste geflohen. '''W ü s t e''' ist hier offenbar wieder ein symbolischer Ausdruck, und wir haben zu untersuchen, was derselbe bedeute. Fragen wir zunächst den Zusammenhang und dann die übrige Schrift! Eine Flucht ist es, durch welche das Weib in die Wüste kommt. Das Woher dieser Flucht kann uns auch einen Wink über das Wohin geben. Sie flieht vor den Nachstellungen des Teufels, welche ihr durch Herodes, überhaupt durch die Juden bereitet werden. Wohin wird sie da fliehen? wohin ist sie bald nach Christi Himmelfahrt geflohen? Von den Juden zu den Heiden. Daher erhält Christus gerade hier das ihm auch sonst zukommende Prädikat (Offb 2:27f.; Offb 19:5; Ps 2:9), dass er alle Heiden weiden solle mit eisernem Zepter. Die Heiden sind ihm jetzt seit seiner Himmelfahrt als Wirkungskreis eröffnet; unter sie flieht seine von den Juden verfolgte Gemeinde (von Apg 8:1 an), da ist ihr von Gott aus ein Ort zur Unterkunft und Pflege bereitet (Offb 12:6.14).  
 
Indem wir die zwölf Sterne mit auf die zwölf Apostel beziehen, so ist schon ausgesprochen, dass das Weib die Gemeinde nicht bloß in ihrer alttestamentlichen, sondern a u c h in ihrer n e u t e s t a m e n t l i c h e n Gestalt bezeichnet. So unmöglich es nach dem Bisherigen ist, nur die neutestamentliche Gemeinde oder die Kirche unter dem Weib zu verstehen, ebenso unmöglich ist es, nur an die alttestamentliche oder an Israel dabei zu denken. Denn Israel hat ja, wie wir aus  Dan 9 wissen, bald nach Christi Himmelfahrt aufgehört, die Gemeinde Gottes zu sein, und doch ist Offb 12:6.13ff. noch weiter vom Weib die Rede. Der Text bestätigt also wie nach rückwärts, so auch nach vorwärts, was wir oben als im Begriff des Weibes liegend gefunden haben, dass es die  Gemeinde Gottes  in der Welt in unbeschränkter Allgemeinheit und nicht bloß in dieser oder jener Periode ihrer zeitlichen Entwicklung bezeichne. Was wir nun nach der Himmelfahrt Christi zuerst vom Weib lesen, das ist V. 6, sie sei in die Wüste geflohen. '''W ü s t e''' ist hier offenbar wieder ein symbolischer Ausdruck, und wir haben zu untersuchen, was derselbe bedeute. Fragen wir zunächst den Zusammenhang und dann die übrige Schrift! Eine Flucht ist es, durch welche das Weib in die Wüste kommt. Das Woher dieser Flucht kann uns auch einen Wink über das Wohin geben. Sie flieht vor den Nachstellungen des Teufels, welche ihr durch Herodes, überhaupt durch die Juden bereitet werden. Wohin wird sie da fliehen? wohin ist sie bald nach Christi Himmelfahrt geflohen? Von den Juden zu den Heiden. Daher erhält Christus gerade hier das ihm auch sonst zukommende Prädikat (Offb 2:27f.; Offb 19:5; Ps 2:9), dass er alle Heiden weiden solle mit eisernem Zepter. Die Heiden sind ihm jetzt seit seiner Himmelfahrt als Wirkungskreis eröffnet; unter sie flieht seine von den Juden verfolgte Gemeinde (von Apg 8:1 an), da ist ihr von Gott aus ein Ort zur Unterkunft und Pflege bereitet (Offb 12:6.14).  
  
Die Wüste wäre also das Heidenland; im Deutschen ist sogar das Wort dasselbe. Lässt sich nun aber diese vermutungsweise aus dem Zusammenhang gewonnene Bedeutung aus dem prophetischen Sprachgebrauch begründen? Bekanntlich heißt Kanaan als der Sitz alles leiblichen und geistlichen Segens Gottes das Land der Zierde, der Herrlichkeit (Jer 3:19; Hes 20:6.15; Dan 11:16.41; Dan 8:9). Dem gegenüber ist das Heidenland eine Wüste, weil es von der Lebenskraft und Lebensfülle Gottes verlassen ist. Wie im Land der Zierde Gott wohnt und sich offenbart, so hausen in der Wüste die Dämonen (Mt 12:43; Mk 1:13, 3Mo 16:21.22; Jes 34:14), die das Heidentum beherrschen (1Kor 10:20; Offb 9:20). Daher befindet sich Israel, indem es unter die Heiden nach Babel verbannt ist, in der Wüste (Jes 40.3; Jes 41:17-19; Jes 42:10-12; Jes 43:19.20 u. a.) Dieser Sprachgebrauch des zweiten Teiles Jesajas gründet sich auf eine Stelle im ersten Teil, welche auch für uns von hoher Bedeutung ist. Der Ausspruch über Babel, den wir (Jes 21:1-10) lesen, heißt ein Ausspruch über die Wüste des Meeres (vgl. D r e c h s l e r (Jes II, S. 108) und S c h m i e d e r (Propheten I, S. 87) zu Jes 21:1). Das babylonische Weltreich wird also hier Meereswüste oder, gemäß der oben angegebenen symbolischen Bedeutung des Meeres, Völkerwüste genannt. Die heidnische Welt in aller ihrer Pracht und Herrlichkeit ist doch ihrem wahren Wesen nach, weil ohne oder wider Gott, eine Wüste oder Einöde; daher ihr auch nur ihr natürliches, rechtmäßiges Geschick widerfährt, wenn sie wirklich verwüstet wird, was die Propheten oft mit großem Nachdruck hervorheben (Jes 13:19-22; Jes 14:22-23; Jes 34:1-15; Hes 29:3-12; Hes 35:3-15; Mal 1:3.4 u. a.). Die Stelle Jes 21. ist hier um so gewichtiger, weil die Apokalypse auch sonst auf sie zurückgehet, indem sie ihr das Wort entnommen hat: Gefallen, gefallen ist Babel (Offb 14:8K Offb 18:2); ja wir werden sehen, dass eben in der Wüste, in der Heidenwelt das Weib selbst zu Babel, zur Hure wird.  
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Die Wüste wäre also das Heidenland; im Deutschen ist sogar das Wort dasselbe. Lässt sich nun aber diese vermutungsweise aus dem Zusammenhang gewonnene Bedeutung aus dem prophetischen Sprachgebrauch begründen? Bekanntlich heißt Kanaan als der Sitz alles leiblichen und geistlichen Segens Gottes das Land der Zierde, der Herrlichkeit (Jer 3:19; Hes 20:6.15; Dan 11:16.41; Dan 8:9). Dem gegenüber ist das Heidenland eine Wüste, weil es von der Lebenskraft und Lebensfülle Gottes verlassen ist. Wie im Land der Zierde Gott wohnt und sich offenbart, so hausen in der Wüste die Dämonen (Mt 12:43; Mk 1:13, 3Mo 16:21.22; Jes 34:14), die das Heidentum beherrschen (1Kor 10:20; Offb 9:20). Daher befindet sich Israel, indem es unter die Heiden nach Babel verbannt ist, in der Wüste (Jes 40.3; Jes 41:17-19; Jes 42:10-12; Jes 43:19.20 u. a.) Dieser Sprachgebrauch des zweiten Teiles Jesajas gründet sich auf eine Stelle im ersten Teil, welche auch für uns von hoher Bedeutung ist. Der Ausspruch über Babel, den wir (Jes 21:1-10) lesen, heißt ein Ausspruch über die Wüste des Meeres (vgl. D r e c h s l e r (Jes II, S. 108) und S c h m i e d e r (Propheten I, S. 87) zu Jes 21:1). Das babylonische Weltreich wird also hier Meereswüste oder, gemäß der oben angegebenen symbolischen Bedeutung des Meeres, Völkerwüste genannt. Die heidnische Welt in aller ihrer Pracht und Herrlichkeit ist doch ihrem wahren Wesen nach, weil ohne oder wider Gott, eine Wüste oder Einöde; daher ihr auch nur ihr natürliches, rechtmäßiges Geschick widerfährt, wenn sie wirklich verwüstet wird, was die Propheten oft mit großem Nachdruck hervorheben (Jes 13:19-22; Jes 14:22-23; Jes 34:1-15; Hes 29:3-12; Hes 35:3-15; Mal 1:3.4 u. a.). Die Stelle Jes 21. ist hier um so gewichtiger, weil die Apokalypse auch sonst auf sie zurückgehet, indem sie ihr das Wort entnommen hat: Gefallen, gefallen ist Babel (Offb 14:8K Offb 18:2); ja wir werden sehen, dass eben in der Wüste, in der Heidenwelt das Weib selbst zu Babel, zur Hure wird. <br/><br/>
  
Babel und Ägypten
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=====<big>Babel und Ägypten</big>=====
  
 
Also die Flucht des Weibes in die Wüste ist nichts anderes als die Hinwegnahme des Reiches  Gottes von den Juden und seine Versetzung unter die Heiden (Mt 8:11.12.22.43; Apg 13:46.47; Apg 28:25-28). Es ist zwischen dem Land der Zierde und zwischen der Wüste ein ganz ähnlicher Gegensatz, wie ihn der Herr ausspricht in den Gleichnissen vom großen Abendmahl und der königlichen Hochzeit, wo die Einladung zuerst an die Angesehenen und auf ihren reichen Landgütern, die Juden, ergeht, dann aber, als diese nicht kommen wollen, an die Armen und Blinden und Lahmen und Krüppel auf den Gassen, ja an die Leute auf den Landstraßen und an den Zäunen draußen d. h. an die Heiden in ihrer Wüste (LK 14:16-24; Mt 22:2-10). Für diese Auffassung spricht endlich auch die Art, wie Offb 12:14 noch einmal von der Versetzung des Weibes in die Wüste die Rede ist. Statt: sie floh in die Wüste heißt es hier: es wurden ihr zwei F l ü g e l des großen A d l e r s gegeben, dass sie flöge in die Wüste. Das erinnert deutlich an 2Mo 19:1-4, wo Jehova zu dem aus Ägypten in die Wüste Sinai geführten Volk Israel sagt: Ihr habt gesehen, was ich Ägypten getan haben, und wie ich euch getragen habe auf Adlers Flügeln und habe euch  zu mir gebracht. Der Adlerflug geht also aus Ägypten in die Wüste, an den von Gott bereiteten Ort. Was wir aber in der Apokalypse unter Ägypten zu verstehen haben, das sehen wir aus der Stelle Offb 11:8, der einzigen, wo Ägypten in unserem Buch vorkommt. Dort wird die Stadt, wo der Herr gekreuzigt wurde, also Jerusalem, geistlich Sodom und Ägypten genannt, gerade so wie die untreue Kirche später Babel heißt. Jerusalem selbst also und Israel ist jetzt durch seine Feindschaft wider Christum Ägypten geworden, aus welchem die Gemeinde Gottes ausziehen muss, sowie vor Zeiten die alttestamentliche Gemeinde aus dem wirklichen Ägypten gezogen ist, und wie dereinst an das wahrhaftige Gottesvolk der Ruf ergehen wird, von Babel auszuziehen (Offb 18:4).
 
Also die Flucht des Weibes in die Wüste ist nichts anderes als die Hinwegnahme des Reiches  Gottes von den Juden und seine Versetzung unter die Heiden (Mt 8:11.12.22.43; Apg 13:46.47; Apg 28:25-28). Es ist zwischen dem Land der Zierde und zwischen der Wüste ein ganz ähnlicher Gegensatz, wie ihn der Herr ausspricht in den Gleichnissen vom großen Abendmahl und der königlichen Hochzeit, wo die Einladung zuerst an die Angesehenen und auf ihren reichen Landgütern, die Juden, ergeht, dann aber, als diese nicht kommen wollen, an die Armen und Blinden und Lahmen und Krüppel auf den Gassen, ja an die Leute auf den Landstraßen und an den Zäunen draußen d. h. an die Heiden in ihrer Wüste (LK 14:16-24; Mt 22:2-10). Für diese Auffassung spricht endlich auch die Art, wie Offb 12:14 noch einmal von der Versetzung des Weibes in die Wüste die Rede ist. Statt: sie floh in die Wüste heißt es hier: es wurden ihr zwei F l ü g e l des großen A d l e r s gegeben, dass sie flöge in die Wüste. Das erinnert deutlich an 2Mo 19:1-4, wo Jehova zu dem aus Ägypten in die Wüste Sinai geführten Volk Israel sagt: Ihr habt gesehen, was ich Ägypten getan haben, und wie ich euch getragen habe auf Adlers Flügeln und habe euch  zu mir gebracht. Der Adlerflug geht also aus Ägypten in die Wüste, an den von Gott bereiteten Ort. Was wir aber in der Apokalypse unter Ägypten zu verstehen haben, das sehen wir aus der Stelle Offb 11:8, der einzigen, wo Ägypten in unserem Buch vorkommt. Dort wird die Stadt, wo der Herr gekreuzigt wurde, also Jerusalem, geistlich Sodom und Ägypten genannt, gerade so wie die untreue Kirche später Babel heißt. Jerusalem selbst also und Israel ist jetzt durch seine Feindschaft wider Christum Ägypten geworden, aus welchem die Gemeinde Gottes ausziehen muss, sowie vor Zeiten die alttestamentliche Gemeinde aus dem wirklichen Ägypten gezogen ist, und wie dereinst an das wahrhaftige Gottesvolk der Ruf ergehen wird, von Babel auszuziehen (Offb 18:4).
  
Die Flucht oder der Flug der Gemeinde in die Wüste ist also ihre Errettung aus dem abtrünnigen Israel. Denn dass die F l u c h t und der F l u g nicht verschiedene Fakten sin, sondern nur zwei verschiedene Bezeichnung und vielleicht Stufen ein und derselben reichsgeschichtlichen Grundtatsache, geht wohl aus den Worten klar genug hervor. Ort und Zeit sind ja ganz die gleichen: es ist beide Male die Versetzung des Weibs in die Wüste, wo sie 1260 Tage oder 3 1/2 Zeiten (Jahre) an dem ihr von Gott bestimmten Ort genährt wird. Die Aufmerksamkeit des Johannes war durch den inzwischen geschauten und V. 7-13 erzählten Sturz des Drachen von dem Weibe abgelenkt worden und muss umso mehr noch einmal auf die Versetzung desselben in die Wüste zurückgelenkt werden, da der Übergang des Reiches Gottes zu den Heiden eine außerordentliche, gewaltige Tatsache ist. Wenn er nun statt des einfachen "Sie floh" sagt es wurden ihr  zwei Flügel des großen Adlers gegeben, damit sie fliege: so will er durch den Wechsel des Ausdrucks nur noch bestimmter hervorheben, dass dieser tiefe Einschnitt in die ganze Welt- und Reichsgeschichte nicht eine Sache menschlicher Willkür oder gar menschlicher Furcht und Zaghaftigkeit, sondern göttlichen Ratschlusses und göttlicher Veranstaltung gewesen sei (vgl. Apg 9-11).
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Die Flucht oder der Flug der Gemeinde in die Wüste ist also ihre Errettung aus dem abtrünnigen Israel. Denn dass die '''F l u c h t''' und der '''F l u g''' nicht verschiedene Fakten sin, sondern nur zwei verschiedene Bezeichnung und vielleicht Stufen ein und derselben reichsgeschichtlichen Grundtatsache, geht wohl aus den Worten klar genug hervor. Ort und Zeit sind ja ganz die gleichen: es ist beide Male die Versetzung des Weibs in die Wüste, wo sie 1260 Tage oder 3 1/2 Zeiten (Jahre) an dem ihr von Gott bestimmten Ort genährt wird. Die Aufmerksamkeit des Johannes war durch den inzwischen geschauten und V. 7-13 erzählten Sturz des Drachen von dem Weibe abgelenkt worden und muss umso mehr noch einmal auf die Versetzung desselben in die Wüste zurückgelenkt werden, da der Übergang des Reiches Gottes zu den Heiden eine außerordentliche, gewaltige Tatsache ist. Wenn er nun statt des einfachen "Sie floh" sagt es wurden ihr  zwei Flügel des großen Adlers gegeben, damit sie fliege: so will er durch den Wechsel des Ausdrucks nur noch bestimmter hervorheben, dass dieser tiefe Einschnitt in die ganze Welt- und Reichsgeschichte nicht eine Sache menschlicher Willkür oder gar menschlicher Furcht und Zaghaftigkeit, sondern göttlichen Ratschlusses und göttlicher Veranstaltung gewesen sei (vgl. Apg 9-11). Der erste Ausdruck benutzt als Typus die Flucht der Maria mit dem Jesuskinde nach Ägypten (Mt 2:13), der andere die Ausführung des Volkes Israel aus Ägypten. Wenn es nun aber nicht bloß im allgemeinen heißt, das Weib sei in die Wüste versetzt worden, wenn vielmehr gesagt wird, sie habe in der Wüste einen '''ihr von G o t t bereiteten O r t,''' so zeigt dies an, dass zunächst nur ein bestimmter Geil der Heidenwelt zur Aufnahme der Gemeinde bestimmt ist. Welches dieser Ort sei, können wir schon aus Daniel vermuten und erfahren es durch den weiteren Verlauf der Apokalypse. Es ist das vierte Weltreich, das in dem nunmehrigen Babel, in Rom seinen Sitz hat. Einen großartigen Kommentar hierzu gibt die Apostelgeschichte, indem sie die Wanderung der Kirche von Jerusalem nach Rom schildert. Dahin zielte die ganze Wirksamkeit des Apostels Paulus, deren Seele in seinem Brief an die Römer ausgedrückt ist, und welcher selbst für seine Person in der römischen Reichs- und Rechtsordnung Schutz fand. (Vgl. B a u m g a r t e n , Apostelgesch. II, 2 S. 164ff.)
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Übrigens sind  die Ausdrücke der Apokalypse wohl zu beachten. Die Heidenwelt soll die Gemeinde nicht n ä h r e n: was könnte auch die Wüste für Nahrung darbieten? Sondern die Wüste als soche gewährt nur eine äußere Zuflucht; in Bezug auf die Nahrung aber steht V. 14 unbestimmt das Passiv:

Version vom 3. Juni 2020, 19:19 Uhr

Abschrift des Buches: Der Prophet Daniel und die Offenbarung Johannis
in ihrem gegenseitigen Verhältnis betrachtet und in ihren Hauptstellen erläutert.

Verfasser: Karl August Auberlen (1854)
Verlag: Bachmaier's Buchhandlung, Basel

Inhaltsverzeichnis des Buches
Kapitel vorher:
Die Tiere und der Mensch


In Bearbeitung

Die Tiere und das Weib in der Offenbarung

Indem wir an die Apokalypse heranzutreten wagen, verhehlen wir nicht, was es heißt, über ein Buch das Wort zu erheben, welches in besonderem Sinn, sich die Offenbarung Jesu Christi nennt, die ihm Gott gegeben hat (Offb 1:1), und welches so reich an Geheimnissen ist, dass die Jahrhunderte und die erleuchtetsten Gottesmänner sich daran zerarbeitet haben. Die folgenden Blätter wollen nicht weiter sein als ein Versuch, den gleich Daniel (Dan 9:2) in der Schrift Forschenden zu Prüfung vorgelegt. Es geht wohl denen, welche die Apokalypse mit Geistesblicken betrachten, fast mit jeder Erklärung derselben so, wie es der Königin von Arabien gegangen ist, mit dem, was sie über Salomo vernommen hatte. Sie müssen denken: Siehe, es ist mir nicht die Hälfte gesagt; du hast mehr Weisheit und gutes, denn das ist, was ich gehört haben; selig sind deine Leute und deine Knechte, die allezeit vor dir stehen und deine Weisheit hören (1Kön 10:7.8). Auch bei unserer Erklärung wird es nicht anders sein. Es liegt in der Natur der Sache, dass die große Aufgabe nicht von einem Menschen oder Menschenalter gelöst werden kann; denn das buch ist der ganzen Gemeinde der Gläubigen für alle Jahrhunderte bis zur Wiederkunft Christi gegeben; und da erst die Erfüllung die volle Auslegung der Weissagung bringt, so ist es natürlich und notwendig, dass wir immer nur m Begriff einer Annäherung an das volle Verständnis sind. Aber eben weil das Werk so schwierig ist, so dürfen und sollen zur Lösung der heiligen Rätsel immer wieder neue Versuche gemacht werden, welche auf der schon gewonnenen Erkenntnis weiterbauen und das Unrein und Unrichtige der vorhandenen Meinungen ausscheiden. Da es nun unter den jetzt über die Apokalypse herrschenden Ansichten des Auszuscheidenden so viel gibt, dass manchen dadurch der Blick für die göttliche Autorität und Bedeutung des Buches gänzlich geraubt worden ist; so wollen wir einen solchen Versuch wagen. Was uns hierzu den Mut gibt, das ist insbesondere der Umstand, dass wir uns bei unserer Auffassung in Einigkeit wissen mit der übrigen Weissagung der Hl. Schrift, nicht nur mit Daniel und den andern alttestamentlichen Propheten, sondern auch mit den Weissagungen und der gesamten Weltanschauung und Geschichtsbetrachten Christi und der Apostel. Die Schriftanalogie, dieser Hauptgrundsatz der evangelischen Exegese, ist von doppelter Wichtigkeit bei einem Buch, das, wie allgemein anerkannt wird, die abschließende Zusammenfassung alle biblischen Weissagung bildet. Wie wir daher auf den Nachweis derselben schon bei Daniel bedacht gewesen sind, so werden wir diesen Gesichtspunkt noch mehr bei der Apokalypse festhalten, in der Hoffnung, unsere Arbeit werde dadurch an Überzeugungskraft wie an Interesse gewinnen

Zweites Kapitel

Es handelt sich nun hier, wo es die Parallelen mit Daniel gilt, nicht um die ganze Apokalypse, wohl aber um den wichtigsten, für die Gesamtauffassung entscheidenden Teil derselben, um den Abschnitt der mit dem 12. Kapitel beginnt. Denn dass das Verständnis des Buches vorzugsweise von der Erklärung der hier vorkommenden Symbole, des Weibes, der Hure und der beiden Tiere, abhängt, ist wohl keine Frage. Einen solchen einzelnen Teil herauszugreifen ist jetzt auch umso eher möglich geworden, seit die richtige Erkenntnis über die formelle Anordnung des Buches so ziemlich allgemeinen Eingang gefunden hat. Wie wir nämlich bei Daniel gesehen haben, dass im 2. und 7. und dann wieder im 8. und 11. Kapitel derselbe Gegenstand von verschiedenen Seiten beleuchtet wird, so findet auch in der Apokalypse ähnliches statt. Es sind, abgesehen von den einleitenden und abschließenden Abschnitten, Kap 1-3 und 20-22, welche uns einerseits auf den Standpunkt des Apokalyptikers, andererseits auf den der endlichen Vollendung des ganzen Ratschlusses Gottes stellen, drei Hauptgruppen, welche alle die Zeit zwischen diesen beiden Endpunkten oder, können wir im allgemeinen auch sagen, zwischen der ersten und zweiten Ankunft Christi, nur von verschiedenen Seiten, beleuchten: die sieben Siegel (Offb 4-8:1), die sieben Posaunen (Offb 8-11) und die sieben Zornschalen (Offb 12-19). Jede dieser Gruppen hat ihre eigentümliche Zugabe, welche bei den beiden ersten jeweils zwischen das sechste und siebte Siegen(Kap 78), zwischen die sechste und siebte Posaune (Offb 10:1-11:14) eingeschoben ist, während sie dagegen bei der dritten Gruppe die sieben Zornschalen nicht unterbricht, sondern ihnen teils vorangeht (Offb 12-14), teils nachfolgt (Offb 17-19). Wir haben es hier unserer Aufgabe gemäß nur mit der letzten Gruppe und zwar vorzugsweise mit Offb 12-13; Offb 17-19 zu tun, woran sich noch ein weiterer Blick auf die mit dem Messiasreich Daniels in Parallele stehenden Offb 20ff schließen muss.

Es folge nun, wie oben im zweiten Abschnitt, zuerst unsere eigene Auslegung und dann eine Darstellung und Kritik der abweichenden Hauptauffassung der Apokalypse, welchen gegenwärtig in Betracht kommt.

A. Auslegung von Offb 12ff.

I. Der offenbarungsgeschichtliche Ausgangspunkt

Es ist hier nicht der Ort, die schwierige Frage über die Abfassungszeit der Apokalypse näher zu erörtern. Ohne gerade darüber entscheiden und abschließen zu wollen, schicken wir nur die kurze Bemerkung voran, dass, so schwer allerdings das Zeugnis des Irenäus für die Abfassung unter Domitian wiegt, das Buch selber doch derjenigen Ansicht günstiger zu sein scheint, in welcher G u e r i c k e , T h i e r s c h, L u t t e r b e c k (Die neutestamentl. Lehrbegriffen II, 256) L ü c k e , B a u r u. a. übereinstimmen, dass es nämlich kurz vor Jerusalems Zerstörung geschrieben sei. Es ist bei manchen Unklarheiten im einzelnen doch im ganzen sehr wohlgelungen, was T h i e r s c h über die historische Konstellation sagt, aus welcher dasselbe hervorging (Die Kirche im apostol. Zeitalter, S. 230-253). Indessen werden die folgenden Bemerkungen auch bei der andern Meinung, die in neuerer Zeit von J. Chr. K. H o f m a n n , H e n g s t e n b e r g und E b r a r d vertreten wird, im wesentlichen ihre Geltung behalten.

Die Lage des Reiches Gottes auf Erden, welcher die Offb Joh. ihre Entstehung verdankt, hat mit derjenigen die größte Ähnlichkeit, aus welcher das Buch Daniels hervorgegangen ist. Dort ist die alttestamentliche, hier die neutestamentliche Gemeinde unter die Heiden zerstreut, dort ist Jerusalem durch Nebukadnezar, hier wird es durch Titus zerstört; dort ist die große Frage, was Israel, hier, was die Gemeinde Jesu Christi von den Weltmächten zu erfahren haben wird, in deren Bereich sie nun ganz und gar hineingestellt ist. Beide Apokalyptiker schauen in die Zeiten der Heiden hinaus; aber Daniel sieht in den ersten Jahrhunderten derselben eine nochmalige, wenn auch kümmerliche Wiederaufrichtung Israels und Jerusalems, die freilich mit einer grauenvollen Zerstörung endigen wird (Dan 9:24-27). Eben diese Zerstörung hat nun Johannes unmittelbar vor sich, und so ist jetzt das Reich Gottes vollends ganz ohne äußeren Halt und ohne Heimat auf Erden; es ist durch Paulus schon mitten in die Heidenwelt hineingepflanzt, die Juden stehen ihm bereits mit entschiedener Feindseligkeit gegenüber (Offb 29; Offb 3:9); die sieben kleinasiatischen Gemeinden, an welche die Apokalypse gerichtet ists (Offb 2 u. 3) sind der Hauptsache nach heidenchristliche Gemeinden, und sie repräsentieren die ganze Kirche. Jeder äußere Unterschied zwischen dem Reich Gottes und den Reichen dieser Welt ist mithin gefallen. Hieraus erklärt sich ein charakteristischer Unterschied der apokalyptischen Symbolik von der danielischen. Während beide zusammenstimmen in der Herabkunft des Menschensohnes am Ende der Weltzeit zum Gericht über die antichristliche Macht und zur Aufrichtung seines herrlichen Reiches, finden sich vorher bei Daniel nur Tiere, bei Johannes erblicken wir neben den Tieren auch noch das W e i b, welches nach ziemlich einstimmiger Annahme der Ausleger die Gottesgemeinde darstellt. In den danielischen Gesichten brauchte dieselbe noch nicht besonders symbolisiert zu werden, weil Israel schon durch äußeres nationale Grenzlinien gehörig von der Heidenwelt geschieden ist; jetzt dagegen, wo sich die Gemeinde gleich den Weltmächten im heidnischen Völkergewühl bewegt, wo die äußeren Unterschiede gefallen sind, ist es notwendig, dass sie in der Weissagung deutlich vom Weltwesen geschieden, dass der innere Wesensgegensatz zwischen Gemeinde und Welt ausdrücklich hervorgehoben werde, und so tritt jetzt das Weib dem Tier gegenüber. Eben daher wird, wie wir sehen werden, von dem Weib sogleich seine Übersiedlung aus Israel in die Heidenwelt berichtet.

Bei dieser Lage der Dinge erhebt sich nun die Frage, nicht bloß: wie steht es jetzt mit den Herrlichkeitsverheißungen, welche dem Gottesreich gegeben sind? sondern zuvor noch: in welches Verhältnis werden Gottesreich und Weltreich treten, da jenes in dieses übergegangen ist? Auf diese Frage hat die Gegenwart schon eine doppelte Antwort gegeben, die wir überall in unserm Buch durchklingen hören. Für's Erste dauert die Zeit noch fort, wo auf Erden die Mächte dieser Welt herrschen und das Gottesreich von ihnen niedergehalten und gedrückt wird. (vgl. Offb 1:10.13; Offb 3:10). Wohl thront jetzt Christus in königlicher und richterlicher Herrlichkeit im Himmel als Haupt und Schirmherr seiner Gemeinden (Offb 1:11-20); aber man muss im Geiste sein, um ihn zu schauen (V. 10); denn sein Leben ist noch in Gott verborgen, seine Stunde ist noch nicht gekommen, wo er seine große Kraft annimmt und herrscht und den Lohn gibt seinen Heiligen und verdirbt, die die Erde verderben (Offb 1117.18); noch immer müssen die Märtyrer schreien: Herr, du Heiliger und Wahrhaftiger, wie lange richtest du und rächest nicht unser Blut an denen, die auf der Erde wohnen! (Offb 6:9.10). Die Kirche ist noch eine leidende und streitende; das hat sie bereits erfahren müssen in der neronischen Verfolgung, wo die Weltmacht ihren ganzen bestialischen Grimm an ihr ausgelassen hat. Indem die Apokalypse auf diesem Hintergrund sich erhebt, wird sie zu einem Trostbuch für die Gemeinde der Gläubigen in allen ihr noch bevorstehenden Kämpfen mit den Mächten dieser Welt. Aber so wenig es Daniel nun mit Nebukadnezar oder auch mit Antiochus Epiphanes zu tun hat, so wenig Johannes nur mit Nero und den römischen Imperatoren: das wäre für die "Offenbarung Jesu Christi" ein viel zu beschränkter Horizont. Wie die Tiere Daniels von universeller Bedeutung sind, so noch mehr das T i e r der Apokalypse.

Doch auch auf eine andere Weise hat es die Kirche bereits erfahren müssen, dass sie noch in der ungöttlichen Welt ist. Nicht bloß von außen her, wird sie gedrückt von dem Reich dieser Welt, sondern auch in ihr eigenes Innere ist das Wesen derselben schon eingedrungen. Davon geben die Sendschreiben ein nur allzu reiches Bild. In dem Geistesleben der Gemeinden selbst ist bereit hin und wieder eine Erschlaffung eingetreten, so dass der Herr mehreren von ihnen das schwere Wort: Ich habe wider dich, zurufen und noch insbesondere bei den einzelnen rügen muss, Ephesus habe die erste Liebe verlassen, Sardes habe nur noch den Namen, dass es leben und sei tot, Laodizea sei weder kalt noch warm und halte sich selbst für eich und satt, statt sein Elend, seine Armut und Blindheit zu erkennen (Offb 2:4.5; Offb 3:1-3.15-19). Doch nicht bloß das: sondern es ist auch vom Heidentum und seiner falschen Gnosis aus Irrlehre und Verführung in die Kirche eingedrungen durch die Nikolaiten, die Anhänger der Lehre Bileams und der f a l s c h e n P r o p h e t i n Isebel, durch welche die Gläubigen zu heidnischer Weltförmigkeit und Zuchtlosigkeit, zur H u r e r e i, verführt werden (Offb 2:6.14.15.20-24).*)

*) Von judaistischer Irrlehre kommen in der Apokalypse keine unzweideutigen Spuren mehr vor. Nur die Lügenapostel (Offb 2:2) sind vielleicht dahin zu zählen. Die, welche sich Juden nennen sind Satans Synagoge (Offb 2:9; Offb 3:9), sind wirkliche, der Christengemeinde feindliche Juden. Vgl. d e W e t t e und H e n g s t e n b e r g zu diesen Stellen.

Diese inneren Zustände der Kirche zur Zeit des Johannes haben wir, wenn es sich um den historischen Hintergrund und Ausgangspunkt der Apokalypse handelt, so gut ins Auge zu fassen wie die Verfolgung von außen. Wie Paulus und Petrus (1Tim 4:1ff.; 2Tim 3:1ff; 2Petr 2:1ff.; 2Petr 3:3), so sieht auch Johannes die weitere Entwicklung dieses innerkirchlichen Verderbens voraus; daraus geht hervor, was er über die Hure und den falschen Propheten weissagt, und woran sich in seinem ersten Brief die Stellen Offb 2:18.22; Offb 4:3 in seinem zweiten V. 7 f. schließen. IN dieser Beziehung ist die Apokalypse ein Warnungsbuch für die Gläubigen wider weltförmiges Wesen in der Kirche und wider falsche Lehre. Auch bei Daniel findet sich in dieser Hinsicht eine Analogie, in dem Abfall mancher Israeliten vom Bunde Gottes, den er zur Zeit des Antiochus kommen sieht (Dan 11:30-32; Dan 12:10) und in dem noch stärkeren Abfall des ganzen Volkes bei der ersten Erscheinung des Messias (Dan 9:26.27). Doch tritt diese Stelle bei ihm natürlich weniger hervor: da er das Weib nicht ht, kann er auch die Hure nicht haben. Zu dem Pseudopropheten werden wir bei ihm in den klugen Augen des Antichrists die vorbereitende Analogie finden.

Das sind die drei Punkte in der Gegenwart des Johannes, an welche der Geist der Weissagung oder vielmehr Jesus Christus selbst, der zur Rechten Gottes erhöhte Heiland, seine Offenbarungen anknüpft: 1.) die Kirche ist in die Heidenwelt eingetreten und dringt immer weiter in sie ein. Aber indes sie dies tut, wird sie 2.) verfolgt und 3.) verführt, da das Heidentum in sie eindringt. Aus diesen Grundanschauungen hat sich uns schon ein vorläufiges, allgemeines Verständnis der Hauptgestalten unseres Buches, des Weibs, des Tiers, der Hure, des falschen Propheten angebahnt. Es ist nun zu zeigen, wie die Weissagung von hier aus die zukünftige Entwicklung der Welt und der Kirche schildert.

II. Die kirchen- und weltgeschichtliche Entwicklung

1. Kirche und Weltmacht

Das 12. und 13. Kapitel enthalten die Charakteristik der kämpfenden Mächte: sie beschreiben das Weib auf der einen Seite, den Drachen, das Tier und den falschen Propheten auf der andern. Alle diese Potenzen werden in neutestamentlich universellem Blick ihrem ganzen Dasein in der Welt- und Reichsgeschichte nach geschildert: das Gesicht geht nicht bloß in die Zukunft hinaus, sondern umfasst, zugleich um der Deutlichkeit und Charakteristik willen, je nach Umständen auch die Gegenwart und Vergangenheit (Vgl. Offb 17:10 ἔπεσαν, ἦλθεν ,οὔπω, ἦλθεν ). Zuerst schaut Johannes das Weib (Offb 12), und dieses haben wir daher vor allem ins Auge zu fassen.

Das Weib und der Drache

Weib und Tier bilden offenbar den nämlichen Gegensatz, wie bei Daniel der Menschensohn und die Tiere. Darauf deutet schon die Örtlichkeit hin, wo die beiden Seher diese Gestalten schauen. Wie der Menschensohn Daniels vom Himmel kommt, so sieht Johannes das Weib (Offb 12:1) im Himmel; und wie die danielischen Tiere aus dem Meer aufsteigen, ebenso das Tier der Offenbarung (Offb 13:1). Beide Male tritt ferner das menschliche Wesen dem tierischen entgegen, nur bei Daniel in männlichere, bei Johannes in weiblicher Gestalt. Dass hiermit der Gegensatz des Gottes- und des Weltreiches bezeichnet ist, wissen wir. Daniel schaut aber den Messias, den Bräutigam oder Mann, weil er in jene Zeit hinausblickt, wo Christus sichtbar wiederkommen und sein Reich auf Erden errichten wird; Johannes, bei welchem hier jedenfalls, um vorläufig noch ganz allgemein zu sprechen, die Zeit vor der Parusie im Blickfeld steht, schaut das Weib, die Braut, die Gemeinde Gottes in der Welt. Wenn er diese in Gestalt eines W e i b e s schaut, so steht ja damit die Apokalypse nicht allein, sagt nichts Neues aus, sondern sie fasst nur den ganzen Sprachgebrauch des A. und N. T. zusammen. Derselbe beginnt schon im Pentateuch damit, dass der Abfall des Volkes Israel von Gott zu den Götzen als Hurerei bezeichnet wird und der heilige Ernst Gottes dagegen als Eifersucht, Ausdrücke, die zu ihrer Grundlage die Anschauung eines Ehebundes zwischen Gott und Israel haben, in welchem jener der Mann, dieses das Weib ist. (z. B. 2Mo 34:15.16; 3Mo 17:7: 3Mo 20:5.6: 4Mo 1433; 4Mo 15:39; 5Mo 31:16; 5Mo 32:16.21). Bei den Propheten findet sich diese Grundanschauung weiter ausgebildet und in manigfaltigster Anwendung durchgeführt: Brautwerbung, Ehestand, Ehebruch, Scheidung, Witwenschaft usw. (Jes 1:21; Je 50:1; Jes 54:1ff.; Jer 2:2.20.23-25; Jer 3:1ff.; Hes 16 u. 23; Hos 1-3 u.ä.) Im N. T. nimmt sogleich der Täufer den Ausdruck wieder auf, indem er Jesus, den Messias, als den Bräutigam bezeichnet, der die Braut hat (Joh 3:29). Hier tritt also von vornherein Christus an Jehovas Stelle: in der Zeit der Erfüllung ist Jehova Jesus Christus geworden, wie sich das in seinem Namen κύριος (der Herr) ausprägt. Er selbst nennt sich den Bräutigam (Mt 9:15) und hat in seinen Gleichnissen von den zehn Jungfrauen, von der königlichen Hochzeit und verwandten Aussprüchen dieselbe Anschauung weiter ausgeführt.

In den apostolischen Schriften begegnet sie uns ebenso: Paulus hat sie Eph 5:23-32 aufs Tiefste begründet und entwickelt, wobei er nachweist, wie auch wirklich schon die ursprüngliche Stiftung der Ehe im Paradis (1Mo 2) ein Typus auf Christentum und Gemeinde gewesen (Vgl. D e l i t z s c h , Hoheslied, S. 186 ff.) Allee das fasst die Apokalypse in das eine Wort Weib (Offb 12:1) zusammen. Das Wesen des Weibes gegenüber dem Mann ist das Untertansein (Eph 5:22-24), das sich Hingeben, das Empfangen. Eben dies ist auch das Wesen des Menschen gegenüber Gott: er kann sich, wenn er seinem eigenen Wesen entsprechen will, lediglich untertänig und empfangend Gott gegenüber verhalten. Alle Autonomie des Menschengeistes ist prinzipielle Verkehrung seines Verhältnisses zu Gott. Dieses weibliche Verhalten des Menschen gegen Gott und göttliche Dinge ist es, was die Schrift Glauben nennt, und wovon sie das Empfangen der göttlichen Lebenskräfte abhängig macht. Auch ein kindliches Verhalten ist der Glaube: wir sind durch ihn Kinder Gottes (Gal 3:26). Was der Herr vom Wieder-Kind-werden sagt, was das ganze N. T. von der Gotteskindschaft lehrt, gehört auch wesentlich hierher. Die einzelne Seele ist Kind Gottes; die Gesamtheit der Kinder ist im Weibe eingeschlossen (vgl. Jes 54:1.3; Hes 16:20). So schließt der Ausdruck Weib nicht nur den unmittelbar verwandten Sprachgebrauch, sondern überhaupt alles in sich zusammen, was die Schrift über die Grundbeziehungen des Menschen zu Gott lehrt. Das Weib ist die Menschheit, sofern und soweit sie Gott zugehört. Darum wird von Christo, dem Sohne des Weibes, Offb 12:5 hervorgehoben, dass er ein m ä n n l i c h e r Sohn sei. Er ist wohl vom Weibe geboren und unter das Gesetz getan (Gal 4:4), er ist das eigentliche Resultat und Erzeugnis der alttestamentlichen Gemeinde, daher auch unter ihre Lebensordnungen gestellt; aber er ist dabei Gottes Sohn und steht als solcher der Gemeinde gegenüber wie der Mann dem Weibe. Der Mann, sagt Paulus 1Kor 11:7, ist Gottes Ebenbild und Herrlichkeit, das Weib aber ist des Mannes Herrlichkeit. Darum ist das weitere Kennzeichen des männlichen Sohnes, dass er mit eisernem Zepter weidet: er ist Herrscher und Hirte gegenüber der Herde, ebenso wie er männlich ist gegenüber dem Weibe. Dies ist der einfache Sinn des scheinbar pleonastischen Zusatzes "männliche" zu "Sohn".

Als Sohn des Weibes ist er, wie er sich selbst nennt, des Menschen Sohn; als männlich ist er der Sohn des lebendigen Gottes, der selbst im Namen Gottes Bräutigam und Mann der Gemeinde wird, weil er vom Vater das Leben in sich selber hat (Joh 5:26). Außer ihm darf kein Mensch sich männlich nennen. Wenn die Menschen das Leben ins sich selbst zu haben wähnen, wenn sie von Gott sich losreißen, ihm trotzen, in Eigenmacht wider ihn sich erheben: so werden sie zum unvernünftigen T i e r e. Die stolze Naturkraft des Menschen ist nicht männlicher, sonder tierischer Art; es ist nichts anderes als die brutale Gewalt der Bestie. Das haben wir schon oben bei den danielischen Tieren gesehen. So ist also in dem Gegensatz zum Tier und Weib nicht etwa dies oder jenes Einzeln und Zufällige ausgesagt, sondern es sin die beiden Grundrichtungen der Menschheit, die Kinder des Lichts und die Kinder dieser Welt. Es gibt ein drittes: jeder muss entweder zum Weib oder zum Tier gehören. Derselbe Gegensatz, dem wir überall im Evangelium und in den Briefen des Johannes begegnen, Gott und Welt, Licht und Finsternis, Wahrheit und Lüge, Leben und Tod, findet sich also auch in der Apokalypse, nur symbolisch eingehüllt in den Gegensatz von Weib und Tier: jenes ist, wie wir sehen werden, mit Gottes Sonne bekleidet, dieses ein Abbild des Teufels; dadurch wird die Parallele noch deutlicher. Und auch die Wahl der Symbole hat nichts Zufälliges oder Willkürliches, sondern gründet sich auf das innerste Wesen der weiblichen und tierischen Natur.

Der männliche Sohn

Ist dem also, so werden wir nun im voraus erwarten, dass Weib und Tier das Gottes- und Weltreich nicht bloß in dieser oder jener Periode ihrer zeitlichen Entwicklung, sondern in völliger Allgemeinheit bezeichnen. Und wir werden das zumal dem Standpunkt der neutestamentlichen Apokalyptik gemäß finden, welcher nun durch Christum das ganze Geheimnis des göttlichen Liebesrates, die volle Universalität des Rückblicks und Vorbilds erschlossen ist, wie Paulus sagt, das Geheimnis Christi sei nunmehr völliger als in den Zeiten geoffenbart (?) seinen heiligen Aposteln und Propheten im Geist (Eph 3:5). Man wird daher zurückgehen müssen bis auf die Zeit, wo überhaupt der Gegensatz des Gottes- und Weltreiches in der Geschichte Gestalt zu gewinnen anfängt, wo also Israel und die Völkerwelt ausgesondert wird. Dass das Weib in dieser Allgemeinheit verstanden sein will, deutet auch der Text klar genug an. Es lässt sich nämlich unter der G e b u r t des m ä n n l i c h e n S o h n e s auf ungezwungene Weise nichts anderes verstehen, als einfach das historische Faktum der Geburt Jesu Christi von Maria: nur er kann, wie wir gesehen, das Prädikat männlich für sich in Anspruch nehmen. Dafür spricht auch klar die unzweideutige Hervorhebung der beiden Umstände, von welchen das irdische Leben Jesu eingeschlossen ist, der Geburt samt den auf sie sich anschließenden teuflischen Mordanschlägen auf das neugeborene Kind des Herodes (V. 4) und sodann der Himmelfahrt samt dem Sitzen auf dem Thron Gottes (Offb 12:5, vergl. Offb 3:21). Es ist ein großartiger Kontrast, der hierin liegt: statt vom Teufel gefressen zu werden, wird das Kind auf Gottes Thron erhoben. Man ahnt, wie sich hierin der Sieg über Teufel begründet, von welcher V. 7ff. ausführlicher die Rede ist.

Unter dem Weibe aber, die Jesum gebiert, ist nun natürlich die G o t t e s g e m e i n d e in ihrer alttestamentlichen G e s t a l t zu verstehen. Und wie könnte diese auch treffender bezeichnet werden als durch das Bild eines schwangeren, der Geburt mit Sehnsucht entgegen harrenden Weibes (V. 2)! Was der alten Väterschar höchster Wunsch und Sehnen war, was im alten Bunde verborgen lag als der immer mehr sich entfaltende, der Gemeine der Gläubigen immer heller zum Bewussstsein kommende Keim eines höheren, männlichen, göttlichen Lebens, worauf alles angelegt war und hinstrebte, das ist jenes jesajanische: Uns ist ein Kind geboren, ein Sohn ist uns gegeben, welches Herrschaft ist auf seiner Schulter, und er heißet Wunderrat, starker Gott, Ewig-Vater, Friedefürst. Hat doch auch mich schon die Tochter Zion als Gebärerin in Kindesnöten geschaut (Mi 4:9.10; Mi 5:2). Auf die alttestamentliche Gemeinde zunächst weisen endlich auch die Embleme hin, die wir V.1 an dem Weib finden: sie ist mit der Sonne bekleidet, hat den Mond unter ihren Füßen und einen Kranz von zwölf Sternen um ihr Haupt. Denn diese drei Stücke erinnern an den Traum Josephs 1Mo 37:9.10. Dort deutet sie Jakob selbst auf sich, sein Weib und seine Söhne, also auf die alttestamentliche Gemeinde in ihrer damaligen Grundgestalt, wie dieselbe dem Zwölfstämmevolk sich für immer eingedrückt hat.

Sonne, Mond und Sterne

Aber damit ist freilich die Deutung dieser Embleme noch nicht erschöpft, es ist das nur der geschichtliche Anknüpfungspunkt für ihre Wahl. Warum das Weib gerade mit der Sonne bekleidet ist, warum sie gerade den Mond unter ihren Füßen hat und die Sterne auf ihrem Haupt, das ist nun erst zu untersuchen. Offenbar haben hier Sonne, Mond und Sterne eine symbolische Bedeutung. Die S o n n e ist das überirdische Licht, welches die Finsternis dieser Welt überwindet. Wie daher Gott selber Sonne heißt (Ps 84:12) und Christi Angesicht gleich der Sonne leuchtet (Offb 1:16): so heißt es auch von denen,welche den Herrn lieben schon Ri 5:31: sie seien wie der Aufgang der Sonne in ihrer Kraft, und Jesus verheißt den Gerechten, sie werden leuchten wie die Sonne in ihres Vaters Reich (Mt 13:43). Die Bekleidung mit der Sonne bezeichnet also die Gemeinde als Trägerin des überirdischen, göttlichen Lichtes in der Welt; es isst dasselbe wie wenn Offb 1:20 die Gemeinden als Leuchter, Lichtträger erscheinen: die sieben Gemeinden repräsentieren ja die Gesamtgemeinde, das Weib. Heißt es von Gott selber, er hülle sich in Licht wie in sein Kleid (Ps 104:2), so gilt dies in abgeleiteter Weise auch von dem Weib, welches gleich Christo das Licht der Welt genannt wird (Mt 5:14; Joh 8:12). Der M o n d dagegen ist ein bloß irdisches Licht, welches in der Finsternis leuchtet, ohne sie überwinden zu können. Die Verwandtschaft, welche kosmologisch zwischen Erde und Mond besteht, ist allenthalben im Altertum anerkannt, auch in den Mythologien, wo gewöhnlich dem männlichen Prinzip des Himmels, dem Sonnengott, ein weiblichen gegenübersteht, welches Mond- oder Erdgöttin zugleich ist (Vgl. K ö s t e r, Nachweis der Spuren der Trinitätslehre vor Christo S. 7). In der Apokalypse wird im Gegensatz zum Wesen des Gottesreiches, des Himmels, der sonne, das weltliche Wesen bezeichnet durch die drei Begriffe Meer, Erde, Mond. Wie Meer und Erde dem Himmel (Offb 12:12, Joh 3:12.31). so steht der Mond der Sonne gegenüber. Das M e e r ist das unruhige, mächtige Völkergewoge (Völker und Scharen und Heiden und Sprachen Offb 17:15; vgl. Ps 65:8; Ps 89:10.11; Jes 8:7-9): aus ihm steigt das Tier hervor. (Offb 13:1; Dan 7:3). Die E r d e ist die schon befestigte, geordnete Völkerwelt mit ihrer Kultur und Weisheit: sie erzeugt den falschen Propheten (Offb 13:11), dessen Weisheit im Gegensatz zu der von oben herabkommenden irdisch ist ( σοφία σοφία Jak 3:15).

Der M o n d steht höher als Meer und Erde, er ist ein Licht am Himmel; aber er gehört doch ganz zur Erde, gehört noch dem Erdenwesen an, er vermag die Finsternis nicht wirklich zu durchbrechen und in Tag zu verwandeln. So stellt er wohl die Beziehungen des Weltwesens zur überirdischen Welt, die kosmische Religion, das Heidentum dar. Also die Welt mit ihrer physischen Macht, mit ihrer Kultur, mit ihrer Religion wird durch die drei Symbole Meer, Erde, Mond dargestellt. Wenn nun das Weib mit der Sonne bekleidet ist und den Mond unter seinen Füßen hat: so ist die Gemeinde damit bezeichnet als die Trägerin des wahren, überweltlichen Lichtes, der göttlich geoffenbarten Religion, welche die falsche, weltliche Religion das Heidentum, unter sich hat als besiegt und überwunden, sowie Christo alle seine Feinde zum Schemel seiner Füße gelegt werden sollen (δεξιῶν μου ποδῶν Ps 110:1; Mt 22:44; 1Kor 15.25 = ὑποκάτω τῶν ποδῶν Offb 12:1; vgl. Röm 16:20: Gott wird den Satan unter eure Füße zertreten): Die S t e r n e endlich sind uns aus der Apokalypse und aus Daniel wohl bekannt als die Träger des göttlichen Lichtes; daher nehmen sie bei dem Weib die dem Mond entgegengesetzte Stelle am Haupt ein, daher ist auch die Tätigkeit des Teufels vor allem gegen die Sterne gerichtet (Offb 12:4). Sterne heißen Offb 1:20 die Gemeindeengel; ewiger Sternenglanz wird Dan 12:3 den Lehrern verheißen, und Dan 8:10 wird Israel, das den Herrn der Heerscharen zu seinem Gott hat, das Sternenheer des Himmels genannt. Die zwölf Stämme dieses Israel sind die zwölf Sterne, deren Kranz das Haupt des Weibes umgibt. Und diese heilige Zwölfzahl wiederholt sich dann in der Zahl der zwölf Apostel, ,welche das Fundament der neutestamentlichen Gemeinde bilden, und welche nicht nur Mt 19:28, sondern auch in der Apokalypse selbst (Offb 21:12-14) zu den zwölf Stämmen des Bundesvolkes in Beziehung gesetzt werden. Dort bezeichnet sie der Herr als die künftigen Herrscher über die zwölf Geschlechter Israels; hier entsprechen den Namen der zwölf Stämme, welche auf den Toren des neuen Jerusalems geschrieben sind, die der zwölf Apostel des Lammes, welche auf den Gründen der Gottesstadt stehen. Diese letztere Stelle kann der unsrigen einfach zur Erklärung dienen. Denn da das neue Jerusalem selbst auch das Weib heißt (Offb 21:2.9.10), so haben wir unter dem Weib mit den zwölf Sternen nichts anderes zu verstehen als unter der Stadt mit ihren zwölf Toren und Gründen: dies ist nur die verklärte Gemeinde, jenes noch die streitende.

Indem wir die zwölf Sterne mit auf die zwölf Apostel beziehen, so ist schon ausgesprochen, dass das Weib die Gemeinde nicht bloß in ihrer alttestamentlichen, sondern a u c h in ihrer n e u t e s t a m e n t l i c h e n Gestalt bezeichnet. So unmöglich es nach dem Bisherigen ist, nur die neutestamentliche Gemeinde oder die Kirche unter dem Weib zu verstehen, ebenso unmöglich ist es, nur an die alttestamentliche oder an Israel dabei zu denken. Denn Israel hat ja, wie wir aus Dan 9 wissen, bald nach Christi Himmelfahrt aufgehört, die Gemeinde Gottes zu sein, und doch ist Offb 12:6.13ff. noch weiter vom Weib die Rede. Der Text bestätigt also wie nach rückwärts, so auch nach vorwärts, was wir oben als im Begriff des Weibes liegend gefunden haben, dass es die Gemeinde Gottes in der Welt in unbeschränkter Allgemeinheit und nicht bloß in dieser oder jener Periode ihrer zeitlichen Entwicklung bezeichne. Was wir nun nach der Himmelfahrt Christi zuerst vom Weib lesen, das ist V. 6, sie sei in die Wüste geflohen. W ü s t e ist hier offenbar wieder ein symbolischer Ausdruck, und wir haben zu untersuchen, was derselbe bedeute. Fragen wir zunächst den Zusammenhang und dann die übrige Schrift! Eine Flucht ist es, durch welche das Weib in die Wüste kommt. Das Woher dieser Flucht kann uns auch einen Wink über das Wohin geben. Sie flieht vor den Nachstellungen des Teufels, welche ihr durch Herodes, überhaupt durch die Juden bereitet werden. Wohin wird sie da fliehen? wohin ist sie bald nach Christi Himmelfahrt geflohen? Von den Juden zu den Heiden. Daher erhält Christus gerade hier das ihm auch sonst zukommende Prädikat (Offb 2:27f.; Offb 19:5; Ps 2:9), dass er alle Heiden weiden solle mit eisernem Zepter. Die Heiden sind ihm jetzt seit seiner Himmelfahrt als Wirkungskreis eröffnet; unter sie flieht seine von den Juden verfolgte Gemeinde (von Apg 8:1 an), da ist ihr von Gott aus ein Ort zur Unterkunft und Pflege bereitet (Offb 12:6.14).

Die Wüste wäre also das Heidenland; im Deutschen ist sogar das Wort dasselbe. Lässt sich nun aber diese vermutungsweise aus dem Zusammenhang gewonnene Bedeutung aus dem prophetischen Sprachgebrauch begründen? Bekanntlich heißt Kanaan als der Sitz alles leiblichen und geistlichen Segens Gottes das Land der Zierde, der Herrlichkeit (Jer 3:19; Hes 20:6.15; Dan 11:16.41; Dan 8:9). Dem gegenüber ist das Heidenland eine Wüste, weil es von der Lebenskraft und Lebensfülle Gottes verlassen ist. Wie im Land der Zierde Gott wohnt und sich offenbart, so hausen in der Wüste die Dämonen (Mt 12:43; Mk 1:13, 3Mo 16:21.22; Jes 34:14), die das Heidentum beherrschen (1Kor 10:20; Offb 9:20). Daher befindet sich Israel, indem es unter die Heiden nach Babel verbannt ist, in der Wüste (Jes 40.3; Jes 41:17-19; Jes 42:10-12; Jes 43:19.20 u. a.) Dieser Sprachgebrauch des zweiten Teiles Jesajas gründet sich auf eine Stelle im ersten Teil, welche auch für uns von hoher Bedeutung ist. Der Ausspruch über Babel, den wir (Jes 21:1-10) lesen, heißt ein Ausspruch über die Wüste des Meeres (vgl. D r e c h s l e r (Jes II, S. 108) und S c h m i e d e r (Propheten I, S. 87) zu Jes 21:1). Das babylonische Weltreich wird also hier Meereswüste oder, gemäß der oben angegebenen symbolischen Bedeutung des Meeres, Völkerwüste genannt. Die heidnische Welt in aller ihrer Pracht und Herrlichkeit ist doch ihrem wahren Wesen nach, weil ohne oder wider Gott, eine Wüste oder Einöde; daher ihr auch nur ihr natürliches, rechtmäßiges Geschick widerfährt, wenn sie wirklich verwüstet wird, was die Propheten oft mit großem Nachdruck hervorheben (Jes 13:19-22; Jes 14:22-23; Jes 34:1-15; Hes 29:3-12; Hes 35:3-15; Mal 1:3.4 u. a.). Die Stelle Jes 21. ist hier um so gewichtiger, weil die Apokalypse auch sonst auf sie zurückgehet, indem sie ihr das Wort entnommen hat: Gefallen, gefallen ist Babel (Offb 14:8K Offb 18:2); ja wir werden sehen, dass eben in der Wüste, in der Heidenwelt das Weib selbst zu Babel, zur Hure wird.

Babel und Ägypten

Also die Flucht des Weibes in die Wüste ist nichts anderes als die Hinwegnahme des Reiches Gottes von den Juden und seine Versetzung unter die Heiden (Mt 8:11.12.22.43; Apg 13:46.47; Apg 28:25-28). Es ist zwischen dem Land der Zierde und zwischen der Wüste ein ganz ähnlicher Gegensatz, wie ihn der Herr ausspricht in den Gleichnissen vom großen Abendmahl und der königlichen Hochzeit, wo die Einladung zuerst an die Angesehenen und auf ihren reichen Landgütern, die Juden, ergeht, dann aber, als diese nicht kommen wollen, an die Armen und Blinden und Lahmen und Krüppel auf den Gassen, ja an die Leute auf den Landstraßen und an den Zäunen draußen d. h. an die Heiden in ihrer Wüste (LK 14:16-24; Mt 22:2-10). Für diese Auffassung spricht endlich auch die Art, wie Offb 12:14 noch einmal von der Versetzung des Weibes in die Wüste die Rede ist. Statt: sie floh in die Wüste heißt es hier: es wurden ihr zwei F l ü g e l des großen A d l e r s gegeben, dass sie flöge in die Wüste. Das erinnert deutlich an 2Mo 19:1-4, wo Jehova zu dem aus Ägypten in die Wüste Sinai geführten Volk Israel sagt: Ihr habt gesehen, was ich Ägypten getan haben, und wie ich euch getragen habe auf Adlers Flügeln und habe euch zu mir gebracht. Der Adlerflug geht also aus Ägypten in die Wüste, an den von Gott bereiteten Ort. Was wir aber in der Apokalypse unter Ägypten zu verstehen haben, das sehen wir aus der Stelle Offb 11:8, der einzigen, wo Ägypten in unserem Buch vorkommt. Dort wird die Stadt, wo der Herr gekreuzigt wurde, also Jerusalem, geistlich Sodom und Ägypten genannt, gerade so wie die untreue Kirche später Babel heißt. Jerusalem selbst also und Israel ist jetzt durch seine Feindschaft wider Christum Ägypten geworden, aus welchem die Gemeinde Gottes ausziehen muss, sowie vor Zeiten die alttestamentliche Gemeinde aus dem wirklichen Ägypten gezogen ist, und wie dereinst an das wahrhaftige Gottesvolk der Ruf ergehen wird, von Babel auszuziehen (Offb 18:4).

Die Flucht oder der Flug der Gemeinde in die Wüste ist also ihre Errettung aus dem abtrünnigen Israel. Denn dass die F l u c h t und der F l u g nicht verschiedene Fakten sin, sondern nur zwei verschiedene Bezeichnung und vielleicht Stufen ein und derselben reichsgeschichtlichen Grundtatsache, geht wohl aus den Worten klar genug hervor. Ort und Zeit sind ja ganz die gleichen: es ist beide Male die Versetzung des Weibs in die Wüste, wo sie 1260 Tage oder 3 1/2 Zeiten (Jahre) an dem ihr von Gott bestimmten Ort genährt wird. Die Aufmerksamkeit des Johannes war durch den inzwischen geschauten und V. 7-13 erzählten Sturz des Drachen von dem Weibe abgelenkt worden und muss umso mehr noch einmal auf die Versetzung desselben in die Wüste zurückgelenkt werden, da der Übergang des Reiches Gottes zu den Heiden eine außerordentliche, gewaltige Tatsache ist. Wenn er nun statt des einfachen "Sie floh" sagt es wurden ihr zwei Flügel des großen Adlers gegeben, damit sie fliege: so will er durch den Wechsel des Ausdrucks nur noch bestimmter hervorheben, dass dieser tiefe Einschnitt in die ganze Welt- und Reichsgeschichte nicht eine Sache menschlicher Willkür oder gar menschlicher Furcht und Zaghaftigkeit, sondern göttlichen Ratschlusses und göttlicher Veranstaltung gewesen sei (vgl. Apg 9-11). Der erste Ausdruck benutzt als Typus die Flucht der Maria mit dem Jesuskinde nach Ägypten (Mt 2:13), der andere die Ausführung des Volkes Israel aus Ägypten. Wenn es nun aber nicht bloß im allgemeinen heißt, das Weib sei in die Wüste versetzt worden, wenn vielmehr gesagt wird, sie habe in der Wüste einen ihr von G o t t bereiteten O r t, so zeigt dies an, dass zunächst nur ein bestimmter Geil der Heidenwelt zur Aufnahme der Gemeinde bestimmt ist. Welches dieser Ort sei, können wir schon aus Daniel vermuten und erfahren es durch den weiteren Verlauf der Apokalypse. Es ist das vierte Weltreich, das in dem nunmehrigen Babel, in Rom seinen Sitz hat. Einen großartigen Kommentar hierzu gibt die Apostelgeschichte, indem sie die Wanderung der Kirche von Jerusalem nach Rom schildert. Dahin zielte die ganze Wirksamkeit des Apostels Paulus, deren Seele in seinem Brief an die Römer ausgedrückt ist, und welcher selbst für seine Person in der römischen Reichs- und Rechtsordnung Schutz fand. (Vgl. B a u m g a r t e n , Apostelgesch. II, 2 S. 164ff.)

Übrigens sind die Ausdrücke der Apokalypse wohl zu beachten. Die Heidenwelt soll die Gemeinde nicht n ä h r e n: was könnte auch die Wüste für Nahrung darbieten? Sondern die Wüste als soche gewährt nur eine äußere Zuflucht; in Bezug auf die Nahrung aber steht V. 14 unbestimmt das Passiv: