Zur biblischen Beurteilung von Gegenwart und Zukunft

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Abschrift des Buches: Zeitenwende
Eine Bibelhilfe aus dem Danielbuch

Verfasser: Georg Thaidigsmann (Pfarrer in Waldbach)
Verlag: Wilhelm Fehrholz Baden-Baden (1947)

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Inhaltsverzeichnis
Einführung
I. Die Wende zur Zeit Daniels
II. Das Vorbildliche an der Haltung Daniels
III. Die Prophetie Daniels

2. Teil:
Daniels Wort zur christlichen Zeitwende

IV. Zur biblischen Beurteilung von Gegenwart und Zukunft

Deren Grundzüge mit praktischen Schlussfolgerungen

Am Schriftwort wird die Frage nach der Gegenwart wach. Wie ist die letztere zu verstehen? Eine Antwort bis in die Einzelheiten hinein kann nicht gegeben werden. Der Einzelverlauf des weiteren Geschehens ist der Macht Gottes und seines Christus vorbehalten. Aber d i e Antwort wird gegeben werden dürfen: Die Gegenwart ist eine Zeit w e n d e ; noch besser gesagt: eine Zeit e n wende. Das vierte Weltreich, von dem Daniel gesprochen hat, ist schon längst an der Reihe. Wahrscheinlich geht es seinem Höhepunkt und Ausgang entgegen. In der Offenbarung des Johannes ist nur noch von einem verhältnismäßig kurz währenden weiteren 7. Tierkopf die Rede. Es ist wohl möglich, dass darunter die Erweiterung der seitherigen Weltreiche zu einem zusammenhängenden Welt g a n z e n zu verstehen ist, das aber nicht mit dem Reich Gottes verwechselt werden darf, sondern unter der Wirkung des „Fürsten dieser Welt“ steht. Es wurde schon als ein Hauptmerkmal des gegenwärtigen Geschehens bezeichnet, dass es sich zu W e l t geschehen erweitert hat. W i e der Fortgang des Geschehens weiter verläuft, das hängt von der Regierung Gottes ab, die auch das Wirken des Fürsten dieser Welt umfasst und in das große Endziel aller Wege Gottes einordnet. W i e l a n g e es währen wird, bis die Reiche dieser Welt - um mit einem Wort aus der Offenbarung des Johannes zu reden - unseres Gottes und seines Christus geworden sind, das ist menschlichem Blick verborgen. Worauf es noch m e h r ankommt als auf vollständige E i n b l i c k e , das ist die richtige S t e l l u n g zu dem allem. Die besteht im Warten und Bereitsein. Das Warten umfasst eine doppelte Haltung in sich: einmal die Bereitschaft auf einen r a s c h e n Übergang, auf der anderen Seite das A u s h a r r e n , wenn Gottes Stunde verzieht. „Wartet u n d eilet auf die Zukunft des Tages des Herrn!“ (2Petr 3:12). Im einzelnen gilt es: wirken, solange es Tag ist; die Zeit auskaufen; zunehmen im Glauben, Lieben und Hoffen; Gott und den Herrn Christus m e h r fürchten und lieben als alles andere; nicht aufgeben in den Dingen dieser Weltzeit, weder in den Befürchtungen noch in den Hoffnungen; bei allem tätigen in der Welt stehen, und Zeit sich inwendig von beiden loslösen lassen; bereit werden, den Kreuzesweg zu gehen und zu leiden; fröhlich sein in Hoffnung, geduldig in Trübsal, anhalten im Gebet; und die ganz große Liebe sich schenken lassen für den engeren und weiteren Umkreis u n d nach oben. Zum Schluss ein Wort des Apostels Paulus, das mit dem Fortschreiten der Zeit noch mehr Gültigkeit hat als damals: „Das sage ich euch, liebe Brüder, die Zeit ist zusammengeballt. Weiter ist das die Meinung: die da Frauen haben, dass sie seien, als hätten sie keine; die da weinen, als weinten sie nicht; die sich freuen, als freuten sie sich nicht; und die kaufen, als besäßen sie es nicht; und die die Welt gebrauchen, dass sie dieselbe nicht missbrauchen; denn das ganze Gefüge dieser Welt ist im Vergehen begriffen. (1Kor 7:29-31).

„Hebet eure Häupter empor, darum dass sich eure Erlösung naht!“ (Lk 21:28).

„V o n ihm, d u r c h ihn und z u ihm sind alle Dinge, Ihm sei Ehre in Ewigkeit!“ (Röm 11:36):*

Anmerkung 46:

Randbemerkungen zu Gegenwart und Zukunft
* Die vorstehenden Bemerkungen waren absichtlich kurz gehalten und mündeten in praktische Schlussfolgerungen aus. Und doch drängt die äußere und innere Not der Zeit zu weiterem Forschen. Ein solches sei versucht in den folgenden Randbemerkungen.

Die d e u t s c h e Gegenwart als Mahnmal der Endzeit

Zunächst einiges zur d e u t s c h e n Gegenwart, und zwar, wie die letztere ein Mahnmal ist für uns selber wie für die Welt. Es sei ausdrücklich gesagt, dass ein solcher Versuch eine h e r z b e w e g e n d e Sache ist, und dass es ein V e r s u c h ist. Es gibt ja auch ein n e u g i e r i g e s Forschen in den Zeiten, das k e i n e Verheißung hat. Und wie leicht kann sogar ernsthaftes Forschen daneben greifen! Aber gerade drangvolle Zeiten legen das Forschen nahe.

Psalm 77:7

So ging es dem Verfasser des 77. Psalms: „mein Geist muss forschen“. Was Asaph im Blick auf das alttestamentliche Gottesvolk gefragt hat, das dürfen wir angesichts der deutschen Not der Gegenwart in abgestuftem Maß gleichfalls fragen. Unsere Not ist ebenfalls nicht nur äußerer, sondern ebenso innerer Art und reicht bis in die letzten Tiefen. „Wird der Herr ewiglich verstoßen und seine Gnade mehr erzeigen? Ist’s denn ganz und gar aus mit seiner Güte und hat die Verheißung ein Ende? Hat Gott vergessen, gnädig zu sein und seine Barmherzigkeit vor Zorn verschlossen?“ (Ps 77:8-10). Eine Erkenntnis die sich dem Psalmisten bei seinem Forschen aufschloss und tief einprägte war die: „Gott, dein Weg ist heilig!“ (Ps 77:14).

Eine Jahrwoche in der jüngsten deutschen Vergangenheit

Ja, so ist es ! Auch der Weg, den Gott mit unserem d e u t s c h e n Volk und mit dessen Gliedern gegangen ist und geht, ist heilig. Was hat Deutschland erlebt? Einen Z u s a m m e n b r u c h ! Es ist bereits der zweite in wenigen Jahrzehnten. Aber der jetzige ist ungleich größer und greift viel tiefer als der im Jahr 1918. Im Frühjahr 1945 kam der zweite Weltkrieg zum Abschluss, in dessen Mittelpunkt Deutschland handelnd und leidend gestanden ist. Das war nicht nur der Abschluss des Krieges selber, sondern das Ende eines Regierungssystems, wie es Deutschland vorher noch nie erlebt hatte. Ist 1945 aber nur der Schlussstrich unter das Jahr 1 9 3 3 ? Darf oder muss nicht gesagt werden: bis zu einem gewissen Grad auch der Abschluss der g a n z e n seitherigen deutschen Geschichte?

Eine Beobachtung hat sich dem Verfasser aufgedrängt, die er zum Nachforschen vorlegt. In der Weissagung Daniels hat im Blick auf die Endzeit die Jahrwoche eine große Bedeutung, und zwar mit deren Teilung in zwei Hälften von je 3 1/2 Jahren. In einem solchen Zeitraum mit der gleichen Zweiteilung war der letzte Abschnitt der deutschen Geschichte eingebettet. Ob das nicht ein Wink ist, dass Gott seinen heiligen Gang auch durch die d e u t s c h e Geschichte gemacht hat? Kann vielleicht noch m e h r gesagt werden: dass nämlich das deutsche Geschehen der letzten Jahre in gewissem Maß ein Auftakt war zum E n d geschehen, ohne dass damit die zeitliche Entfernung bis zu letzteren benannt werden soll?

Aber inwiefern kann in Blick auf den letzten Abschnitt der deutschen Geschichte von einem Zeitraum von s i e b e n Jahren gesprochen werden, wo doch der Krieg eine nicht ganz s e c h s jährige Dauer gehabt hat? Um das aufzuzeigen, ist ein näheres Eingehen auf den jüngsten Abschnitt der deutschen Geschichte erforderlich, so schmerzlich auch ein solche Rückerinnerung sein mag.

W a s kam 1945 zum Abschluss? Der zweite Weltkrieg. Ja, aber noch m e h r : die neue Entwicklung Deutschlands seit 1933, die unter dem inneren und äußeren Regiment e i n e s Mannes stand, der aus unbekannten Tiefen zu schwindelnder Höhe emporstieg. Wohl waren diese 12 Jahre Deutschlands die Fortsetzung seiner f r ü h e r e n Geschichte; aber trotzdem waren sie etwas völlig N e u e s. In die Geschichte Deutschlands bestimmend e i n g e g r i f f e n hat dieses Neue am 30. Januar 1933. Zwölf Jahre nachher erfolgte der ebenso sichtbare Zusammenbruch dieses Neuen, wieder spürbar bis ins letzte Dorf. Genau nach zwölf Jahren war das „tausendjährige Reich“ zusammengebrochen. Auch „zwölf“ ist eine heilige Zahl. Gottes Weg ist heilig!

Die Jahre nach 1933 wurden zunächst verwendet zur völligen i n n e r e n Umgestaltung Deutschlands, und zwar nicht nur in der Regierungsform, sondern bis hinein in die Empfindungsweise, in das Denkgefüge, in die Willenshaltung und in die Lebensgestaltung. Die Schrecken der Konzentrationslager gab es bereits damals; sie waren freilich wenig bekannt. Aber e i n Wort, nämlich das Wort „Kirchenkampf“, sagt gerade genug und bringt schmerzhaft in Erinnerung, w a s in Deutschland vor sich ging, trotz des Worts vom „positiven Christentum. Aber das neue Regiment griff nicht nur nach der S e e l e des d e u t s c h e n Menschen, sondern auch nach a u ß e n , ins Weite. Die Hintergründe waren damals noch nicht so sichtbar, wie sie heute offen daliegen. Aber in E r s c h e i n u n g trat der Griff nach außen schließlich doch. Im Frühjahr 1938 wurde Österreich einverleibt. Hintendrein ist offenbar geworden, dass das der e r s t e Griff ins Weite war. Wohl scheint der 1. September 1939 als der Tag des Kriegsbeginns den großen Einschnitt zu bilden. Aber der Kriegsausbruch war nur eine F o l g e erscheinung des genannten Griffs in die Weite. Die Zeit von Frühjahr 1938 an war eine Zeit unerhörten Gelingens: es seien nur die Namen genannt: Österreich, Tschechoslowakei, Polen, Dänemark, Norwegen, Holland, Belgien, Frankreich, Jugoslavien, Griechenland, Kreta: Schlag auf Schlag! Schon schien es, als ob auch Russland in einem Blitzkrieg bezwungen wäre. Es wurde bereits in diesem Sinn davon gesprochen. Tatsächlich stand im Herbst 1941 die deutsche Heeresmacht nicht nur vor Petersburg und Moskau, sondern auch am Schwarzen Meer bis in die Nähe des unteren Dons. Und gleichzeitig war der Vormarsch in Nordafrika gelungen bis vor die Tore Ägyptens. Die Voraussetzungen schienen gegeben, um den ganzen Orient zu umfassen, und zwar von zwei Seiten her, von Russland aus und über Ägypten hinüber. Das Tor nach Asien schien sich zu öffnen.

Da hat Gott H a l t geboten,und zwar durch sein unmittelbares Eingreifen. Gedacht ist an den furchtbaren Winter 1941/42, der früher als sonst begann, bereits im Herbst, und der in mancher Hinsicht dem Winter 1812/13 zu vergleichen ist, durch den 130 Jahre vorher dem Übermut eines anderen Eroberers Halt geboten war. Da trat der Spruch Gottes in Kraft, der Hi 38:11 aufgezeichnet ist. Der wurde zwar zunächst im Blick auf das W e l t meer gesprochen, dessen Wellen Gottes Schöpferwort bei der Schöpfung Halt geboten hat. Aber er gilt auch vom V ö l k e r meer und ebenso von stolzen H e r r s c h e r n, die die Welt überfluten wollen: „Bis h i e r her sollst du kommen und n i c n t weiter! Hier sollen sich l e g e n deine stolzen Wellen!“ Frühjahr 1938 bis Herbst 1941: 3 1/2 Jahre!

Nun ging das Geschehen den umgekehrten Gang. Im Süden gelang es nicht, den Riegel vor Ägypten aufzustoßen. Im Osten wurden zwar im Frühjahr 1942 einige empfindliche Rückschläge vom Winter her im großen und ganzen ausgeglichen; und im Sommer 1942 schien der Vormarsch in Russland unaufhaltsam weiterzugehen. Aber nicht erst Stalingrad kennzeichnet die Wende auch im Osten, sondern bereits die neue Taktik Russlands, das sich den Einkreisungen zu entziehen verstand und den Gegenschlag vorbereitete. Im Herbst 1941 war das System der Blitzkriege, der Überraschungen, der Einkreisungen zu Ende gegangen. Stalingrad war nicht der B e g i n n der Wende. Was seit jener Zeit geschehen ist, das ist noch zu deutlich in Erinnerung: der Rückzug aus Russland, der Rückschlag vor Ägypten samt dem Gegenangriff in Tunis, Sizilien und Italien; der Verlust des Balkans, die Luftoffensive über Deutschland, das Gelingen der langverspotteten Invasion im Westen, und der Endkampf um Deutschland von Osten und Westen! Und die Dauer dieser rückläufigen Bewegung? Vom Herbst 1941 bis Frühjahr 1945: 3 1/2 Jahre! 3 1/2 Jahre von Sieg zu Sieg; 3 1/2 Jahre von Verlust zu Verlust bis zum bitteren Ende! Die vielen Toten, das ganze Heer gefangen, die Verwüstungen und das Elend der Städte, das namenlose Leid! A u c h eine Jahrwoche.

Lernzeit für Deutschland und die deutsche Christenheit

Dass Deutschland aus dem allem l e r n e n muss, ist sicher. Über die p o l i t i s c h e Lektion ist in diesem Zusammenhang nicht zu sprechen, wohl aber darüber, was die C h r i s t e n h e i t Deutschlands lernen muss!

Das war ein Eingreifen G o t t e s ! Wohl hat Gott als Mittel dazu M e n s c h e n hände benutzt. Aber das schließt nicht aus, dass hinter den Menschenhänden s e i n e Hand waltet. Menschen waren s e i n e W e r k z e u g e.

Was wir erlebt haben, das war in seiner Art ein Stück E n d zeit, das im letzten Jahrzehnt unversehens über uns hereingebrochen ist, und dessen furchtbaren Ernst wir nur langsam begriffen haben. Zwar wird zu erwarten sein, dass die e i g e n t l i c h e Endzeit sich nicht auf e i n z e l n e Länder beschränken, sondern das G a n z e der Menschheit umfassen werde. Aber das schließt nicht aus, dass manches Volk und Land schon im voraus die Endzeit bis zu einem gewissen Grad auskosten muss. Dass Endzeitartiges im christlichen Deutschland zu solchem Einfluss und zu solcher Macht gelangen konnte, das ist ein G e r i c h t s zeichen Gottes. Dass das Unheimliche nicht g a n z ausreifen und sich nicht in g r ö ß e r e Weiten erstrecken durfte, das ist ein Zeichen des E r b a r m e n s Gottes mitten im Gericht. Was wir erlebt haben, war wohl Deutschlands U n heilswoche. Aber sie kann zum Heil ausschlagen, w e n n unser Volk, und zuerst die C h r i s t e n h e i t in ihm, auf den unüberhörbaren Ruf Gottes eingeht.

Was wir erlebt haben, das ist das T i e r wesen in der z w e i fachen Gestalt, wie sie Offb 13 beschrieben ist, als p o l i t i s c h e Macht und als aufgedrungene G e i s t e s strömung, die der politischen Macht Hilfsdienste geleistet hat mit lockendem Zwang. Gedacht ist an den Drang zur neuen „Weltanschauung“, in deren Mittelpunkt ein fast religiöser Glaube an „den“ „Führer“ stand. So entstand eine Art Messianismus, dessen Ursprung aber aus der Tiefe stammte. Die neue „Weltanschauung“ wusste zu reden wie ein Lamm und holte ihre Worte sogar aus der Bibel, indem sie von „Glauben“, „Bekenntnis“, „Gemeinschaft“, „Gott“ und vom „tausendjährigen Reich“ sprach. Aber unter dem Deckmantel dieser Worte wurde das Gegenteil bezweckt und durchzusetzen versucht.

In Offb 3:10 ist die Rede von einer Stunde der Versuchung, die kommen werde über den ganzen Erdkreis, zu versuchen die da wohnen auf Erden. Was das bedeutet, das haben wir in Deutschland erlebt. Wie wurde die Probe bestanden? Viele h a b e n sie bestanden, manche mit dem Opfer ihres Lebens. Unzählige, auch solche, die nicht einmal protestierten, wurden gequält und umgebracht. Im großen ganzen haben die Kirchen den Ernst erkannt. Ein Zeichen davon war die Schwere des „Kirchenkampfes“. Trotzdem ist es gut, darin keinen Grund zum Stolz zu zu sehen. Auch die Christenheit Deutschlands muss sich an die Brust schlagen. Die Stellen, wo es unmöglich war, einzuwilligen, wurden nicht immer erkannt. Das Bekenntnis: „da kann ich nicht mehr mittun!“ wurde oft versäumt, zum Teil aus Mangel an Erkenntnis, zum Teil aus unrichtigem Schriftverständnis, zum Teil in verkehrter Anpassung, zum Teil aus Mangel an Mut. Nun hat uns Gottes Regierung noch einmal Gelegenheit zur Buße gegeben und zum klaren Gang in seinem Wort. Das ist Gericht und Gnade in e i n e m ! Werden wir es lernen? Die Versuchung in der Art des letzten Jahrzehnts ist zwar zu Ende gegangen. Aber n e u e Versuchungen werden kommen. Sie werden zwar wahrscheinlich von anderen Ansatzpunkten und von anderer Seite ausgehen. Aber es ist wichtig, sie rechtzeitig als V e r s u c h u n g e n zu erkennen. „Wachet und betet, dass ihr nicht in Versuchung fallet!“ (Mt 26:41).

Lektionen für die ganze Christenheit und die Gemeinde Jesu

Es wird gut sein an diesem Punkt noch länger zu verweilen. Aber zu diesem Zweck ist weiter auszuholen. Es isst ein Rückblick erforderlich noch über die Reformationszeit zurück bis in die ersten Jahrhunderte der Christenheit. Die letzteren ist schon verhältnismäßig bald in eine viel zu enge Bindung an Welt und Zeit eingegangen und hat nicht genügend die Mahnungen der Bibel beachtet: „Suchet, was d r o b e n ist!“ (Kol 3:1); „lasst uns (von allem w e g sehen und a u f sehen auf Jesum, den Anfänger und Vollender des Glaubens“ (Hebr 12:2); „Selig sind die Knechte, die der Herr, wenn er kommt, ,wachend findet!“ (Lk 12:37), „Die Krone der Gerechtigkeit wird denen zuteil werden, die seine Erscheinung lieb gehabt haben“ (2Tim 4:8). Die Abzweigung der Christenheit von diesen Regeln der Schrift ist in E r s c h e i n u n g getreten zur Zeit des römischen Kaisers Konstantin, als der letztere nach den furchtbaren Zeiten der Verfolgung der Christenheit anerkannte als Fundament des Staatswesens und ihr im Staatsganzen nicht nur Duldung gewährte, sondern ihr eine bevorzugte Stelle einräumte. Dass Konstantin das tat, das rührte vom Erbarmen des Herrn her, der seine Gemeinde aus dem Ofen des Elends herausführte und ihr eine Atempause gewährte. Aber diese Befreiung aus ä u ß e r e r Not wurde auf i n n e r e m Gebiet zur einer großen Versuchung für die Christenheit. Ihre seitherige Bahn war durch das K r e u z bezeichnet worden. Nun wurde ihr A n e r k e n n u n g und Ehre und bevorzugte Stellung v o r der Welt und i n der Welt zuteil. Vorher war sie die Gemeinde gewesen, die auf das Reich G o t t e s g e w a r t e t hatte. Nun wurde sie die Kirche des r ö m i s c h e n Reichs und übernahm vieles von dessen Organisation und Methoden, allerdings in kirchlichen Formen. Die Christenheit war w e l t fähig geworden, das Tor zur Welt hatte sich geöffnet. Im Laufe der Zeit schickte sie sich sogar an, in der Welt eine H e r r s c h e r stellung einzunehmen. Dass ihr trotzdem auch in dieser Zeit viel Christliches geblieben ist, ,und dass die abendländische Völkerwelt durch sie gesegnet worden ist, das bleibt unbestritten. - Auch der Kirchenerneuerung vor vierhundert Jahren ist es nicht gelungen, die Bindungen an Welt und Zeit abzustreifen. Auch die damals entstandenen Kirchen blieben gebunden an menschliche Organisationen. Ud manche Gruppen und Splitter und Kreise haben in der Zugehörigkeit zu ihrer Organisation mehr oder minder eine Verbürgerung des Heils gesehen und sie als solche gepriesen und angeboten. Gerade kleinere Gruppen sind dieser Versuchung erlegen und haben ihre Glieder und die von ihnen Geworbenen an s i c h s e l b e r gekettet, statt ihnen den Weg zu bahnen zu J e s u s, als dem Herrn der Gemeinde.

Was ist überhaupt die Christenheit, wenn sie im biblischen Sinn verstanden wird? Nichts anderes als die Gemeinde Jesu, über die e r die alleinige Verfügung hat, in die auch er allein Menschen eingliedern kann durch die Wirkung und Verleihung des Heiligen Geistes. In diesem Sinn besteht die Christenheit nicht aus menschlichen Organ i s a t i o n e n , seien diese auch noch so wertvoll; vielmehr ist die Christenheit ein Organ i s m u s , der sein Leben und seine Wirkungsmöglichkeit und seinen Wirkungsauftrag und Wirkungsbereich vom Herrn selber bekommt. Gewiss darf jedes Glied der Gemeinde diejenige Kirche und Gruppe lieb haben, die ihm zur Erkenntnis und zur Aneignung des Heils behilflich war, und darf innerhalb derselben dienen.selbst wenn sie Mängel und Schatten aufweist. Es darf sogar gesagt werfen, dass bis zu einem gewissen grad hinter den Besonderheiten, ja sogar hinter den Einseitigkeiten, Entgleisungen und Verzerrungen von Kirchen und Gruppen ein Rest nicht unwichtiger Gotteswahrheiten verborgen ist, die von anderen Gruppen übersehen oder nicht genügend beachtet werden. Es ist deshalb gut, wenn die verschiedenen Kirchen und Gruppen der Christenheit nicht übereinander urteilen und einander nicht verdammen; selbst dann nicht, wenn sie ernste Einwände gegeneinander zu erheben haben. Tatsächlich hat ja auch die jüngstvergangener Zeit Deutschlands gelehrt, dass es Bekenner und Märtyrer nicht nur im eigenen Lager gegeben hat, sondern bei anderen ebenfalls. Aber die ernsten Seiten a l l e r kirchlichen Organisationen dürfen a u c h nicht übersehen werden, dass sie nämlich in Gefahr sind, sich mit der ä u ß e r e n Zugehörigkeit ihrer Glieder zu ihnen und mit ä u ß e r e n Formen zu begnügen und darüber den Herrn der Kirche und die Zuwendung zu i h m er in z w e i t e Linie setzen. Ferner: dass sie sich mehr als gut ist, an Welt und Zeit anpassen, um ihre Existenz und Wirksamkeit zu erhalten, ,zu sichern und durchzusetzen. Die Gemeinde Jesu steht ü b e r allen Organisationen; sie ist das Beste i n allen Organisationen, sie ist deren Rückgrat. Der Gemeinde Jesu gehört man nicht an kraft der Mitgliedschaft in einer Kirche und Gruppe, sondern kraft der durch den Heiligen Geist vermittelten und besiegelten Zugehörigkeit zum Herrn der Kirche. Das Verhältnis der Gemeinde Jesu zu a l l e n kirchlichen Organisationen und Gruppen kann so beschrieben werden: sie ist viel e n g e r als alle miteinander und gleichzeitig viel w e i t e r als alle.

Ob der Gemeinde Jesu nicht in zunehmendem Maß der K r e u z e s w e g verordnet ist, je mehr es dem Ausgang des Zeitlaufs entgegengeht? Darum werden auch die christlichen Kirchen und Gruppen, wenn sie auf der Bahn der Gemeinde Jesu bleiben wollen, sich dem Keuzesweg nicht entziehen können. Der Kreuzesweg schließt nicht nur die Bereitschaft in sich, äußeren und inneren Druck auf sich zu nehmen, sondern auch die andere, in mancher Hinsicht noch schwerere Bereitschaft zum Verzicht auf Kraftentfaltung, Größe, Zahl, Ehre, Geltung und Einfluss. Dass die letztgenannten Werte auch den Kirchen als etwas Wichtiges, ja Notwendiges erschienen, das ist menschlich wohl verständlich. Aber gerade wenn die Befriedigung solcher Bedürfnisse mit Eifer gesucht wird, dann ist das Tor offen für das Eindringen des Geistes der W e l t. Denn gerade d i e s e Werte werden von der W e l t geschätzt. Auf solche Weise können sogar Kirchen und Gruppen a l l m ä h l i c h sich a n t i christlichem Geist aufschließen, mit der langsam eintretenden Folge, dass sie diesem Geist schließlich erliegen oder sogar ihm dienstbar werden. Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Kirchen schweren Proben entgegengehen, die von verschiedenen Ausgangspunkten her, in verschiedenen Formen, in mancherlei Weise, mit Lockungen oder Drohungen, versteckt oder offen an sie herantreten werden. Das gilt nicht nur den Kirchenleitungen, sondern auch den gliedern der Kirchen selber Es wurde schon darauf hingewiesen, dass in der Offenbarung des Johannes wohl von einer unzählbar großen S c h a r die Rede ist, die am Thron Gottes Heimatrecht hat, dass aber kirchliche O r g a n i s a t i o n e n nicht sichtbar werden, jedenfalls nicht solche, die sich mit der Gemeinde Jesu gleichsetzen könnten Freude an Erfolg und Macht, an Größe und Zahl, an Ehre und Geltung, auch der Ersatz des persönlichen Glaubens durch die Unterordnung unter Lehrnormen und der Ersatz des Gehorsams gegen den Herrn durch Befolgung von noch so wertvollen kirchlichen Regeln, Normen und Gesetzen ist für die Gemeinde Jesu, und damit auch für die Kirchen, die auf der Bahn der Gemeinde Jesu bleiben wollen, eine ganz gefährliche Sache.

Es kann manchem Glied einer Kirche oder christlichen Gruppe zum Bewusstsein kommen, dass in seinem Kreis etwas nicht stimmt. Soll mann nun einem solchen den Rat geben, die Zugehörigkeit zu seiner Kirche oder Gruppe aufzugeben und sich an eine andere christliche Organisation anzuschließen? Wenn von einem solchen Wechsel das H e i l erwartet wird, s o ist mit demselben in k einer Weise geholfen. Das Richtig wird vielmehr sein, i n n e r h a l b der bisherige Zugehörigkeit die Eingliederung in die Gemeinde Jesu durch den Herrn und seinen Geist zu begehren und festzuhalten und aus dieser u n m i t t e l b a r e n Verbundenheit mit der oberen Welt dar aus innerhalb des b i s h e r i g e n Kreises zu dienen mit der Gabe, die jedem Glied der Gemeinde Jesu anvertraut wird, und dies solange, wie man dazu Möglichkeit und Raum bekommt. Aber das ist gut, wenn je des Glied einer Kirche,welche sie auch sein mag, lerne über den eigenen Kirchturm hinüberzuschauen und über die kirchlichen Zäune hinwegzublicken, in der Gewissheit, dass die Gemeinde Jesu w e l t weit ist und dass das Reich Gottes sich n o c h weiter erstreckt; ferner in der Hoffnung, dass der Herr der Kirche Mittel und Wege wisse, um a l l e zu sich zu ziehen (Joh 12:32), auf allerlei Weise, zu seiner zu zu ihrer Zeit.

Vom weiteren Gang des W e l t g e s c h e h e n s

Die vorstehenden Erwägungen gingen von der jetzigen Lage Deutschlands aus. Das ganze schwere Geschehen der Jahre 1933- 1945 trat vor die Seele, mit der daran sich anschließenden Frage, was daraus zu lernen sei, besonders für die christlichen Kirchen und Gruppen in Deutschland. Abe d i e Frage wurde noch nicht besprochen: wie kam der ganze unheilvolle Weg Deutschlands zustande? D a mit ist die Frage nach nicht beantwortet, dass auf e i n e n Mann und auf seinen unheilvollen Einfluss auf die von ihm Beauftragen und auf das Volksganze einschließlich seiner Jugend hingewiesen wird. Auch dieser eine Mann und seine Beauftragten handelten nicht nur aus e i g e n e m Ermessen heraus. Sie standen unter einem ü b e r i r d i s c h e n Einfluss, den wir letzten Endes als dämonisch bezeichnen müssen. Ob ihnen das zu B e w u s s t s e i n gekommen ist und in welchem Maß, wer will das sagen? Ihre Schuld wird damit nicht bestritten. Wer sich dämonischen Einflüssen unterstellt und ihnen dienstbar wird, hat damit eine Schuld auf sich geladen. Aber die, die ihren Willen von solchen Männern beeinflussen l a s s e n , sind ebenfalls nicht ohne Schuld. Es ist damit ein Gebiet berührt, angesichts dessen man sich vor Gottes Angesicht beugen muss. Das Normale ist, dass jeder Mensch offen ist für G o t t und sein Wort und seinen Geist. Aber für die Einflüsse aus der u n h e i m l i c h e n Welt ist der Mensch ebenfalls zugänglich. Sogar der f r o m m e Mensch ist von solcher Beeinflussung nicht ausgeschlossen. Ein Blick in die Passionsgeschichte möge das zeigen. In der Nacht des Verrats griff eine unheimliche Hand aus der Tiefe sogar nach Jesus, nur dass sie keine Handhabe fand. Aber das Grauen, das der Herr im Garten Gethsemane auszukosten hatte, ist wohl nicht nur aus der Vorausempfindung seiner Passion zu erklären, sondern aus dem Unheimlichen, dem er sich nach des Vaters Willen nicht entziehen durfte. Nach seinen Jüngern hat diese Hand ebenfalls gegriffen. Bei denen waren Handhaben vorhanden. Am ernstesten war der Griff nach Judas. Dem hatte es der Satan vorher ins H e r z gegeben, ihn zu verraten. Als Judas auch gegen die letzte Warnung des Meisters sich verschloss, da „fuhr der Satan in ihn“, d. h. er hat sich seiner bemächtigt und seinen Willen vollständig in Beschlag genommen. Solche Einflüsse waren auch in Deutschland am Werk. Ob und inwieweit die verantwortlichen Männer wussten, w e r ihren Willen beeinflusste, das können Menschen nicht entscheiden. Das weiß allein der Herzenskenner. Was ein m e n s c h l i c h e s G e r i c h t tun kann, das ist nur die Verurteilung und Bestrafung der T a t. Wir in Deutschland haben allen Grund, uns vor den Einflüssen aus der Tiefe zu fürchten und mit allem Ernst die sechste Bitte zu bitten: „Führe und nicht in Versuchung!"

Zwar ist durch das Kreuz Christi a l l e r menschliche Ruhm zunichte geworden. Wer einmal erfasst hat, was am Tag von Golgatha geschehen ist, der kann sich s e l b e r nicht mehr rühmen. Aber wir in D e u t s c h l a n d wollen uns das vor Gottes Angesicht noch in b e s o n d e r e m Maß sagen lassen. Wir glaubten, auf manches stolz sein zu dürfen. Zwar war uns in den letzten Jahrhunderten politische Größe fast ganz versagt. Aber auf unsere Wissenschaft und Kunst und auf unsere Technik waren wir doch ein wenig stolz. Sogar darauf, wenigstens wir Evangelischen, dass wir das Volk der Reformation waren. Gott hat uns klein gemacht. Damit ist mehr gemeint als nur der Verlust von politischer Größe. Auf e i n e n Punkt ist schon mehrfach hingewiesen worden: dass nämlich inmitten unseres Volkes, durch deutsche Hände, wenn auch zum allergrößten Teil ohne unser Wissen und Wollen, ein großer Teil des jüdischen Volkes qualvoll das Leben hat lassen müssen. Das nimmt uns vor Gott jeden Ruhm. Gewiss: Gottes Hand hat sich auf das alte Gottesvolk in den letzten zwei Jahrtausenden schwer gelegt; nicht in erster Linie, weil es seinen Sohn verstieß, sondern weil es nachher als Ganzes auch das Evangelium zurückwies und bekämpfte. Aber M e n s c h e n haben nicht zu richten. Und wer sich zum Vollstrecker des Gerichts G o t t e s macht, der maßt sich ein Amt an, unter dem er selber zugrunde gehen muss.

Noch etwas Weiteres haben wir in Deutschland als Christen gelernt und müssen es noch mehr lernen, dass nämlich alles seine Z e i t hat - und dann v e r g e h t. Wie sind am Ende des ersten Weltkriegs die Kronen gerollt, auch von ehrwürdigen gekrönten Häuptern! Wie ist Leid und Sterben in ungezähltem Maß über unser Volk und seine Familien hereingebrochen! Wie sind unsere Städte mit ihrer alten Kultur zusammengesunken und verwüstet, so dass man die früheren Zeiten oft nur mühsam sich ins Gedächtnis zurückrufen kann! „Die Welt v e r g e h t mit all ihrer Lust!“ (1Jo 2:17) „Es ist nur E i n e r ewig und an allen Enden!“

Mögen die Christen a n d e r e r Völker und Länder dieses Empfinden ihrer deutschen Mitchristen auch ein wenig nachfühlen? Gewiss: der Krieg hat auch bei ihnen große Verheerungen herbeigeführt. Aber aufs Ganze gesehen haben sie solche eingreifende Erlebnisse wie ihre deutschen Mitchristen n i c h t machen müssen. Aber es ist gut, wenn j e d e r Christ es zu Herzen nimmt, dass a l l e s Irdische der Vergänglichkeit unterworfen ist und dem Gericht Gottes entgegengeht.

Ausweitung und gleichzeitig Rückkehr zum Ausgangspunkt

Aber von der Gegenwart ist nun auch auf die Z u k u n f t hinauszuschauen, und hinüber zu dem in der ganzen Schrift angekündigten A u s g a n g des jetzigen Zeitlaufs. Es ist ja nur mit Grauen und Weh auszudenken, was in Deutschland und in der Welt vorgegangen wäre, wenn Gottes Regierung einen Sieg Deutschlands in dem von seinen Führern erhofften Ausmaß zugelassen hätte. Gott hat nun der Welt noch eine Atempause geschenkt. Aber auch in dieser Pause geht das Bangen der Völker vor dem, was noch kommen mag, weiter. Wie lange es noch währen wird bis unser Zeitlauf zu Ende gegangen ist, das kann niemand sagen. Auch b e g r ü n d e t e Vermutungen sind noch keine G e w i s s h e i t. Insofern bleibt das Wort des Herrn in Kraft: „Den Tag und die Stunde weiß niemand!“ (Mt 24:36). Bis jetzt ist etwas da, w a s aufhält, und einer d e r aufhält! (2Thes 2:6.7). Was würden wir darum geben, wenn wir wüssten, was Paulus damals der jungen Gemeinde in Thessalonich über das alles in den wenigen Wochen gesagt hat, da er bei ihnen weilte“ Wir können nur Vermutungen darüber anstellen, was er mit dem „Aufhaltenden“ gemeint hat. Aber seien wir dankbar, dass es etwas Aufhaltendes und einen Aufhaltenden g i b t , und kaufen wir die Zeit aus! Auch d a s Aufhaltenden oder d e r Aufhaltende wird, wie Paulus gesagt hat, zu seiner Zeit aus der Mitte getan werden. D a n n wird das Weltgeschehen r a s c h seinem Ausgang entgegeneilen. Dann wird k e i n Verzug mehr sein (s. diesen Ausdruck Offb 10:6).

Aus der a k t i v e n Beteiligung am Weltgeschehen ist D e u t s c h l a n d nun ausgeschaltet. Ob und wie die in der W e l t vorhandenen Spannungen sich lösen oder entladen werden, das ist dem Blick verborgen. Was im Blick auf die Zukunft gesagt werden kann, das ist wohl etwas Doppeltes, das auf den ersten Anblick sich zu widersprechen scheint. Das Geschehen wird wohl w e l t w e i t werden, in noch größerem Maße als seither. Aber gleichzeitig wird es wieder zu seinem Ausgangspunkt z u r ü c k kehren, nämlich nach dem O r i e n t. Dort hat die Menschheitsgeschichte begonnen.

Dort begann zur Zeit des ältesten Babels der erste große Versuch, eine Menschheitszusammenfassung ohne Gott zustande zu bringen. Dort ist das Heilige Land. Dort ist Jerusalem, „die Stadt des großen Königs“. Dort begannen die neuen Weltreichsversuche, die zur Zeit Daniels im Reiche Nebukadnezars einen Höhepunkt erreichten. Dann ist die Vorherrschaft der Welt hinüber gewandert in den Mittelmeerraum und hat von dort nach Europa gegriffen, und die europäischen Völker haben ihre Hand auf alle Erdteile und Länder gelegt. Seit geraumer Zeit ist auch Europa nicht mehr der einzige Schwerpunkt des Weltgeschehens. Es gibt noch einen zweiten Schwerpunkt, nämlich Amerika.

Babel

Aber ob der Schwerpunkt des Weltgeschehens nicht w a n d e r n wird, ja nach Gottes Rat wandern m u s s, wieder dem Orient zu? Der letztere ist der Mittelpunkt des großen Kontinentalblocks. Jerusalem ist der Mittelpunkt des G o t t e s reiches. Ob aber der Orient nicht noch einen z w e i t e n Weltmittelpunkt erhalten wird als Hauptstadt des letzten großen antichristlichen Weltreichs? Im prophetischen Wort des Alten Testaments und in der Offenbarung des Johannes spielt „Babel“ eine große Rolle. Dass es bereits in zwei Formen geschichtliche Wirklichkeit bekommen hat, das ist schon mehrfach ausgesprochen worden, nämlich in 1Mo 11 und zur Zeit Nebukadnezars. Die Propheten Israels haben über Babel das Gericht angekündigt, wonach es zur „ewigen“ Wüste werden müsse. Versteht man das Wort „ewig“ im Sinn von endloser Dauer, dann wäre der Gedanke unvermeidlich, dass es ein d r i t t e s Babel n i c h t mehr geben könne. Es wird aber nicht unbekannt sein, dass das Wort „ewig“ in der Sprache der Schrift nicht immer die Bedeutung von endloser Dauer hat. Man vergleiche hierzu die zur Zeit der alten Könige übliche Grußformel: „Der König lebe e w i g l i c h !“ Der Sinn dieses Satzes bedeutet nicht, dass der König nicht s t e r b e n möge, sondern nur, dass ihm eine s e h r l a n g e Lebenszeit gewünscht werde. Deshalb ist das prophetische Wort von der „e w i g e n“ Verwüstung Babels nicht so zu verstehen, dass diese Verwüstung n i e m a l s ein Ende haben werde. Tatsächlich hat es ja, wie in einer früheren Anmerkung schon ausgeführt wurde, zum Zeit der Apostel in Babylonien eine sehr große Judenschaft gegeben. Und jene Gegend ist in den Zeiten der arabischen Herrschaft die Residenz der Kalifen gewesen. Es sei auch darauf hingewiesen, dass das „Babel“ der Endzeit von Johannes selber als die große W e l t hauptstadt bezeichnet wird (Offb 17:18).

Nun soll keineswegs bestritten werden, dass das Wort „Babel“ auch eine s i n n b i l d l i c h e Bedeutung haben kann. Unsere württembergischen Väter haben es vielfach auf die entartete Christenheit der Endzeit gedeutet. Andere haben im Wort „Babel“ einen Decknamen gesehen für Rom. Es ist nicht ausgeschlossen, dass auch d i e s e Deutungen zu Recht bestehen. Die Frage ist nur die, ob sie die e i n z i g möglichen sind, ob nicht n e b e n ihnen im Anschluss an die Erklärung des Johannes (Offb 17:18) die Deutung auf eine Wiedererstehung des früheren Babels das Natürliche ist. Wäre es so, dann hätte Babel d r e i Formen: neben dem ältesten und mittleren Babel müsste man von einem noch ausstehenden Babel reden. Wenn die Weissagung sich in dieser Welse verwirklichen w ü r d e , dann hätte der Orient am Schluss des jetzigen Zeitlaufs z w e i Mittelpunkte: Jerusalem und Babel, jenes der Mittelpunkt des Gottesreichs, dieses der Mittelpunkt des letzten großen widergöttlichen Weltreichs. Seit Nebukadnezars Zeit war Babel verkörpert in a l l e n großen Weltstädten, in a l t e r Zeit beispielsweise in Rom und Konstantinopel. Die m o d e r n e n Welthauptstädte können ebenfalls mit „Babel“ zusammen gesehen werden. Eine jede solche hat einen geschichtlichen Beitrag zu dem „Babel“ von Offb 17 und Offb 18 geliefert. Verwunderlich wäre es aber nicht, wenn bei einer weiteren Zusammenfassung des Weltgeschehens der Ruf nach einem neuen W e l t mittelpunkt wach würde. Babel war seinerzeit am Euphrat gelegen. Es ist merkwürdig, dass gerade der Euphrat in der Offenbarung des Johannes im Blick auf die letzten großen Weltbewegungen mehrfach genannt wird. Manche der heutigen Großstädte haben eine verhältnismäßig k u r z e Geschichte. Es sei beispielsweise darauf hingewiesen, dass nach dem ersten Weltkrieg in kurzer Zeit die jüdische Großstadt Tel Aviv in der Nähe von Jaffa entstanden ist. Die heutige Technik verfügt über genügend Mittel, um in kurzer Zeit eine Welthauptstadt herzustellen. Ein solches Babel und Jerusalem wären vollendete Gegensätze. Wäre dieses Babel die Residenz des Antichristen, dann wäre sein Kriegszug gegen Jerusalem voll verständlich. Ebenso verständlich wäre aber auch die überragende Bedeutung, die dem Fall Babels in der Offenbarung des Johannes zugeschrieben wird. Es ist freilich schon manchmal als verwunderlich angesehen worden, dass die Offenbarung diesen Fall Babels auf die Völker und auf den Antichristen selber zurückführt. Aber so sehr die Völker auf ihre Großstädte stolz sind, so haben sie doch auch die Empfindung, dass die Überentwicklung des in den Städten zusammengefassten Kulturlebens für sie keinen Segen, sondern einen Fluch bedeutet. Darum wäre es nicht zu verwundern, wenn die Menschheit schließlich an ihrer Überkultur in ihrer letzten Welthauptstadt und an den von dort ausgehenden Verderbensströmen einen Ekel bekäme und auf diese Weise selber ihre Vernichtung herbeiführen würde, zumal dann, wenn Gott sie damit beauftragt, ohne dass sie selber es weiß.

Ob das Wort der Offenbarung von „Babel“ t a t s ä c h l i c h in der vorstehend beschriebenen Weise verwirklicht werden wird, das wagt der Verfasser nicht zu sagen. Was seither ausgeführt wurde, das ist ein Deutungs v e r s u c h ; und dieser Versuch ist unabhängig von dem schon vorher ausgesprochenen Gedanken, dass das seitherige Geschehen sich noch weiter zum W e l t geschehen ausweiten werde. Vielleicht darf der Schluss gewagt werden: die Gegenwart fällt noch in den Ausgang des sechsten Tierkopfes, der durch den Sammelnamen „Rom“ mit seiner langen Geschichte bezeichnet werden kann. Der kurzdauernde siebte Kopf des Tiers würde dann auf eine Organisation der g e s a m t e n Menschheit hindeuten mit der Richtung auf das Antichristentum zu. Der achte Tierkopf dagegen würde die Zeit in sich fassen, die durch den Namen „Babel“ ihr sichtbares und spürbares Gepräge erhält, ob nun unter „Babel“ eine Stadt oder ein widergöttliches Gebilde oder beides zusammen zu verstehen ist. In diesem achten Kopf ersteht wieder eine frühere G e s t a l t des „Tiers“ , und gleichzeitig gelangt in demselben das „Tier“ s e l b e r zu seiner Vollreife. Zur Zeit Nebukadnezars hat das mittlere Babel über Jerusalem gesiegt. Das neue Babel sucht Jerusalem endgültig zu stürzen. Aber was fällt, das ist nicht Jerusalem, sondern Babel, und zwar, wie die Offenbarung sagt, nicht unmittelbar durch G o t t e s Hand, sondern durch die Völkerwelt s e l b e r , der ihr eigener Gang zum Überdruss und Ekel geworden ist. Das einzige, woran die Welt genesen kann, das ist „Jerusalem“, des großen Königs Stadt, die Verkörperung des Gottesreichs unter dem wiedergekommenen Herrn, noch auf dieser j e t z i g e n armen Erde; in vollendeter Gestalt freilich in der n e u e n Welt, in welcher das schon jetzt bestehende obere oder himmlische Jerusalem verpflanzt werden soll, wenn das Reich Gottes von seiner irdischen Gestalt übergehen wird in die Zeit der Vollendung.

Grundsätzliches zum Verständnis der Offenbarung

Im vorstehenden war viel vom l e t z t e n B u c h d e r B i b e l die Rede. Es seien nun zum Schluss noch einige Gedanken dazu ausgesprochen. Nicht in dem Sinn, als ob damit die vielen Auslegungen dieses Buchs um eine neue vermehrt werden sollten, sondern um g r u n d s ä t z l i c h e Erwägungen zum Verständnis dieses Buches darzubieten. Wer sich mit den vielen Auslegungen der Offenbarung des Johannes beschäftigt hat, könnte durch die Verschiedenartigkeit derselben geradezu verwirrt werden und in Zweifel geraten, ob eine einigermaßen einheitliche Auslegung überhaupt möglich sei. Denen, die unter einem solchen Eindruck leiden, darf gesagt werden: das Licht, das aus dem letzten Buch der Bibel ausstrahlt, ist so vielseitig, dass es von einem einzelnen Ausleger gar nicht ganz aufgenommen werden k a n n. Es ist der Gemeinde Jesu a l l e r Zeiten zum Forschen und zur Hilfe gegeben, nicht nur einigen wenigen. W e r auch darin forscht aus glaubendem und fragendem Herzen heraus, darf darin frohe und ernste Wahrnehmungen machen. Darum hat j e d e r , der nicht neugierig, sondern brennenden Herzens sich mit diesem Buch beschäftigt, einen Gewinn davon, selbst dann, wenn er manche Partien und Stellen nicht oder nicht richtig versteht. Das Verständnis dieses Buchs ist im Laufe der Jahrhunderte gewachsen. Das tiefernste Geschehen der letzten Jahrzehnte hat zu diesem wachsenden Verständnis viel beigetragen. Mit dem Fortschreiten der Zeit dem Ausgang entgegen wird vieles noch klarer werden, was jetzt noch dunkel ist oder nur geahnt werden kann.

Auslegungmöglichkeiten

Die seither aufgekommenen Auslegungen oder Deutungsversuche lassen sich in vier Hauptgruppen einteilen. Viel hat für sich die sogenannte r e i c h s geschichtliche Deutung, die in der Offenbarung des Johannes den großen Kampf zwischen dem Gottesreich und der Macht der Finsternis beschrieben sieht, bis zu seinem schließlichen Austrag. Bei dieser Deutung hat dieses Buch im Grunde genommen nur ein e i n z i g e s Thema, und beleuchtet dasselbe von verschiedenen Ansatzpunkten aus. Eine andere Deutung ist die sogenannte z e i t geschichtliche. Diese geht von dem Gedanken aus, dass dieses Buch seinen damaligen e r s t e n Lesern etwas Besonderes zu sagen gehabt habe. Sie sucht es also aus den Verhältnissen zur Zeit des J o h a n n e s zu verstehen, gibt aber gern zu, dass sein Zielpunkt das k o m m e n d e Reich Gottes war. Beispielsweise hat ein Ausleger der Offenbarung, der sie zeitgeschichtlich verstand, die Tierköpfe von Offb 17 in den römischen Kaisern bis zur Zeit des Johannes gesehen und hat das Wort „Babel“ als einen Decknamen für „Rom“ verstanden. Eine dritte Gruppe von Auslegern sieht im letzten Buch der Bibel eine prophetische Vorausdarstellung der Kirchengeschichte bis zum Anbruch des Reiches Gottes (k i r c h e n geschichtliche Auffassung). Bei dieser Auffassung werden die letzten zwei Jahrtausende Stück für Stück in den einzelnen Partien des Buches wiedergefunden, vom ersten Siegelgesicht an bis zum letzten Zornschalengericht. Sogar die sieben Sendschreiben werden machmal von Auslegern dieser Gruppe nicht als Brief an Gemeinden zur Zeit des Johannes aufgefasst, sondern als Vorausdarstellungen von kirchengeschichtlichen Zeiträumen. Es ist bei diesen Deutungen viel Ansprechendes und Wertvolles ausgesprochen worden. Aber ohne Künsteleien ging es auch nicht ab, und noch weniger wurde eine Einheitlichkeit der Auslegung erzielt. Die vierte Auslegungsmöglichkeit nennt man die e n d geschichtliche. Das will so viel besagen, dass der Blick des Johannes von Offb 6 an dem Ausgang des jetzigen Zeitlaufs zugewandt gewesen sei. So hat beispielsweise eine sehr wertvolle Auslegung innerhalb dieser Gruppe das erste Siegelgesicht vom Reiter auf dem weißen Roß in der Missionsgeschichte der letzten zwei Jahrhunderte verwirklicht gesehen.

Muss nun zwischen den Auslegungsmöglichkeiten im g r o ß e n und ebenso zwischen den vielen E i n z e l auslegungen eine W a h l getroffen werden, aus der Erwägung heraus, dass doch nur e i n e Auslegung die richtige sein könne? Nein! Bis zu einem gewissen Grad hat j e d e Auffassung Berechtigung, wenngleich wohl gesagt werden kann, das die endgeschichtliche Deutung dem Sinn des Buches am meisten entsprechen wird. Nur d i e Bitte wird ausgesprochen werden dürfen, es möge niemand s e i n e Einzelauslegung als die a l l e i n mögliche ansehen und anpreisen; und es möge jeder, der sich mit diesem Buch beschäftigt, bereit sein, seine Auffassung korrigieren zu lassen. Denn dieses Buch hat einen viel ernsteren Zweck, nämlich die Befestigung seiner Leser im ausharrenden G l a u b e n.

Einordnung in die G e s a m t prophetie

Im folgenden sei auf einige Punkte hingewiesen, deren Beachtung für das Verständnis wichtig ist. Die Offenbarung des Johannes ist der Abschluss der g a n z e n biblischen Prophetie. Darum muss sie auch im Rahmen der G e s a m t prophetie verstanden werden. Das bedeutet, dass das weissagende Wort der Apostel in den B r i e f e n , das prophetische Wort des H e r r n selber, aber ebenso das Wort der a l t t e s t a m e n t l i c h e n Propheten dabei nicht außer acht gelassen werden darf. Besonders stark sind die Beziehungen zum D a n i e l buch. Das geht namentlich aus Offb 13 und Offb 17 hervor. Die Prophetie der Schrift beleuchtet sich g e g e n s e i t i g. Praktisch bedeutet das so viel, dass beispielsweise von Daniel zu Johannes, und dann wieder von Johannes zu Daniel hinübergeschaut werden muss; ferner dass Mt 24 mit der Offenbarung und die Offenbarung mit Mt 24 verglichen werden muss. - Was weiter nicht außer acht gelassen werden darf, das ist die Sonderstellung I s r a e l s , dessen Berufung durch seinen langdauernden Unglauben nicht aufgehoben worden ist. Das hat Paulus in Röm 11 ausdrücklich bezeugt. Gerade dieses letztgenannte Kapitel muss in die Offenbarung des Johannes eingebaut werden. Eine Auslegung der letzteren, die daran v o r ü b e r gehen würde, würde fehlgehen. - Noch ein dritter, sehr wichtiger Gesichtspunkt sei genannt. Seit Johannes die Offenbarung erhalten hat, ist die Regierung Gottes nicht stillgestanden, sondern durch fast zwei Jahrtausende weitergegangen. Die letzteren standen im Zeichen einer G o t t e s geschichte, der freilich eine U n h e i l s geschichte zur Seite ging. Darum muss die Offenbarung des Johannes im Licht der G e s c h i c h t e gelesen und verstanden werden, wie umgekehrt der Sinn des Geschehens erst aus dem p r o p h e t i s c h e n Wort sich erschließt. So gibt der seitherige Geschichtsgang Licht zum Verständnis der Offenbarung, wie wiederum die letztere den Geschichtslauf beleuchtet. Die Beachtung der genannten drei Gesichtspunkte erleichtert das Verständnis des letzten Buchs der Bibel und scheidet manche Fehlerquellen aus.

Verhüllung und Enthüllung

In diesem Zusammenhang möge die Rede kommen auf eine Besonderheit der Offenbarung des Johannes, die sie übrigens mit den prophetischen Schriften des Alten Testaments, und besonders mit dem Daniel gemeinsam hat: sie ist großenteils nicht in der normalen Redeweise geschrieben, wo die einzelnen Worte eine bestimmte, klar erkennbare Bedeutung haben, sondern in B i l d e r n , die erst der D e u t u n g bedürfen, wenn der Sinn der Prophetie erkannt werden soll. Gerade diese Besonderheit ist der Hauptgrund, weshalb das letzte Buch der Bibel so verschieden verstanden worden ist und wird.

Nicht j e d e Prophetie ist in Bildersprache geschrieben. So ist beispielsweise die Ausführung des Paulus über die letzten großen Ziele Gottes 1Kor 15:21-28 in ganz k l a r e n Sätzen ohne Bild gegeben. Was ist nun wohl der Grund, weshalb das letzte Buch der Bibel in solchem Ausmaß B i l d e r sprache verwendet? E i n Grund mag der gewesen sein, dass manches am weissagenden Wort absichtlich bis zu einer gewissen Zeit hat verhüllt bleiben sollen, und zwar für Freund und Feind. Noch nach dreijähriger Unterweisung an seine Jünger hat der Herr am Vorabend seiner Passion gesagt: „Ich hätte euch noch viel zu sagen, aber ihr könnt es jetzt noch nicht tragen.“ Es ist wohl möglich, dass auch Johannes selber, wie früher Daniel, vieles von dem, was er in Bildern zu sehen bekam, in seiner eigentlichen Bedeutung noch nicht verstand. Ebenso ist es wohl möglich, dass auch die e r s t e n Leser der Offenbarung nicht imstande gewesen wären, den g a n z e n Inhalt dieses Buches, so wir w i r ihn jetzt schon begreifen, zu ertragen. In diesem Sinn ist die teilweise V e r h ü l l u n g der Prophetie durch die Bildersprache unter dem Zeichen der Freundlichkeit Gottes gestanden, ähnlich wie der Herr am Tag seiner Himmelfahrt auf eine Frage der Jünger nur eine z u r ü c k h a l t e n d e Antwort gegeben hat. Aber nicht nur die erste C h r i s t e n h e i t , sondern noch weniger die M a c h t h a b e r der damaligen Welt haben dieses Buch schon verstehen sollen. Hätten sie es verstanden, so wären sie wohl gegen die Christenheit noch mehr eingeschritten, als sie es in den Verfolgungszeiten sowieso taten. So hat die Verhüllung durch die Bildersprache auch zum S c h u t z der Gemeinde dienen müssen. In dieser Hinsicht ist beispielsweise ein Gedanke, den namentlich die zeitgeschichtliche Auffassung der Offenbarung vertritt, nicht ohne weiteres zu verwerfen, dass nämlich das Wort „Babel“ sinnbildlich zu verstehen sei, oder wenigstens sinnbildlich verstanden werden d ü r f e. Wahrscheinlich haben die ersten Leser des Buches unter „Babel“ das kaiserliche Rom verstanden, von dem sie seit Neros Zeit schwer bedrängt waren; auch zur Zeit, das die Offenbarung des Johannes entstand. Wahrscheinlich wird ihre Abfassungszeit etwa in das Jahr 95 nach Christi Geburt fallen, in die Zeit des Kaisers Domitian, der ebenfalls ein Verfolger der Christenheit war, nur in milderem Maße. Dass Johannes sein Buch auf der Insel Patmos geschrieben hat, rührt vielleicht davon her, dass er wegen seines Christenstands und als Führer der Gemeinden dorthin verbannt worden war. Tatsächlich ist ja auch das kaiserliche Rom durch die von ihm in das römische Reich hinausströmenden Verderbensmächte zu einer „Hure“ geworden, die einen unheimlichen verführerischen Einfluss auf, die im römischen Reich zusammengefasste, Völkerwelt ausgeübt hat. Ebenso trifft auf Rom auch die Bemerkung in Offb 17:9 wortwörtlich zu, dass es auf sieben „Bergen“ sitze. Wäre nun alles, was in den Kapiteln Offb 14, Offb 17 und Offb 18 von B a b e l ausgesagt wird, mit dem jedermann verständlichen Wort „Rom“ bezeichnet worden, dann hätte ein Bekanntwerden dieses Buchs in den Regierungskreisen Roms für die Christenheit schlimme Folgen haben können. -

Der e i g e n t l i c h e Grund aber für die Bildersprache der Offenbarung wird wahrscheinlich ein anderer sein. Worüber die Offenbarung Kunde zu geben hatte, das war die o b e r e , jetzt schon vorhandene Welt Gottes und das k o m m e n d e Reich und die n e u e Welt; und ebenso die dem Reich Gottes v o r a n gehenden, jetzt noch kaum vorstellbaren schweren Ereignisse und Zustände. Um das darzustellen, dazu reicht unser jetziges Begriffs- und Sprachvermögen n i c h t aus. V o l l s t ä n d i g kann es also mit den Mitteln unserer jetzigen irdischen Sprache gar nicht wiedergegeben werden. Und doch hat es ausgesprochen werden s o l l e n. Da gab es e i n e n Ausweg, nämlich das schwer B e s c h r e i b bare wenigstens a n zudeuten. Das Mittel hierfür ist die gleichnisweise und bildhafte Rede. Die letztere ist nicht erst in der Offenbarung des Johannes verwendet worden, sondern schon in den alttestamentlichen, prophetischen Schriften. Mit jenen Propheten hat Gott nicht nur g e r e d e t, er hat sie auch vieles s e h e n lassen. Das erstere wird meistens so eingeleitet: „So s p r i c h t der Herr!“ Was sie s e h e n durften, nennt man ein „Gesicht“. Sowohl unser Auge, wie auch unser Wort kann nur mit dem Sichtbaren und zeitlichen Auge arbeiten. Darum bleibt auch das prophetische Wort in unserem irdisch-zeitlichen Stand immer noch ein S t ü c k werk (s. 1Kor 13:9). Deshalb heißt es in jenem Kapitel auch im Blick auf die Prophetie: „Wenn aber kommen wird das V o l l k o m m e n e , dann wird das Stückwerk aufhören“ (1Kor 13:10). Es sei in diesem Zusammenhang auch darauf hingewiesen, dass der Herr in seinen irdischen Tagen genötigt war, die Geheimnisse des Himmelreichs in G l e i c h n i s s e n darzustellen. Und sogar wenn er sich in klaren Worten aussprach, hatte er noch die Empfindung von etwas Gleichnishaftem in seiner Rede. Darum hat er noch am letzten Abend zu den Jüngern gesagt (Joh 16:25): „Solches habe ich in S p r i c h w ö r t e n zu euch geredet; es kommt aber die Zeit, da ich euch f r e i heraus verkündigen werde von meinem Vater.“

Was seither gesagt worden ist, das ist nun auf zwei Ausdrücke anzuwenden, die einen großen Teil des ganzen Buches bestimmen, nämlich auf die Ausdrücke „Siegel“ und „Posaunen“. Was ist damit gemeint? Was die „Siegel“ besagen sollen, das ist aus Offb 5 zu entnehmen. Dort berichtet Johannes, wie dem erhöhten Herrn eine mit Siegeln verschlossene Schriftrolle in die Hand gegeben wurde, die nur Er selber öffnen konnte. Die Öffnung erfolgte durch Ablösung der Siegel.

Es ist nun die Frage, was der I n h a l t der Schriftrolle war. Die meisten Ausleger der Offenbarung nehmen als deren Inhalt die Ereignisse b i s zur Wiederkunft Christi an, und denken sich den Verlauf so, dass bei der Ö f f n u n g der Siegel der Inhalt der Schriftrolle v e r w i r k l i c h t werde. Ob aber die Schriftrolle nicht das Reich Gottes s e l b e r und das n e u e Werk Gottes zum Inhalt hatte? D a rauf geht doch das ganze Sehnen der Christenheit! Was v o r der Wiederkunft Christi geschehen muss, das ist nur die V o r a u s s e t z u m g für das Offenbarwerden des Königs, und für die Aufrichtung des Reiches Gottes. Das muss freilich a u c h geschehen. Aber es ist noch nicht das E n d e und das Z i e l der Wege Gottes. Das war auch in der Weissagung Daniels das Wichtigste, nämlich die Aufrichtung des Reiches G o t t e s nach dem Sturz der Reiche dieser W e l t. Dass das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit des V a t e r s offenbar werde, und zwar in Ewigkeit n a c h dieser irdischen Welt und Zeit, d a s ist der Zielpunkt des Vaterunsers. Worin wir jetzt noch leben, das ist die a l t e Schöpfung und eine alternde, dem Vergehen entgegen reifende Welt. Wonach wir ausschauen, das ist der k o m m e n d e König und das k o m m e n d e Reich. Das ist ja gerade der e i g e n t l i c h e Inhalt des letzten Buches der Bibel, wie es bereits in dessen ersten Versen beschrieben ist.

Zum Verständnis der Siegelgesichte

Wenn der Inhalt der Schriftrolle in d i e s e r Weise verstanden werden darf und muss, dann sind die Vorgänge bei der Öffnung der Siegel zwar etwas Notwendiges, aber nicht das Wesentliche am Ratschluss Gottes. Namentlich für das siebente und letzte Siegel ergibt sich dann eine andere Auffassung, als sie sonst üblich ist. Meist fasst man unter dem siebten Siegel den Inhalt der sieben Posaunen- und Zornschalengesichte, also das drangvolle Endgeschehen vor dem Kommen des Königs und des Reichs. Bei dieser Auffassung ist es aber schwer verständlich, inwiefern schon bei der Öffnung des s e c h s t e n Siegels von so eingreifenden Ereignissen im ganzen Naturbestand die Rede ist, dass man beinahe versucht ist, darunter nicht nur die v o r l a u f e n d e n Gerichte v o r dem tausendjährigen Reich zu verstehen, sondern auch das Vergehen der ganzen alten Schöpfung beim j ü n g s t e n Gericht miteinzuschließen. N ö t i g ist das letztere zum Verständnis des im sechsten Siegelgesicht Besagten allerdings nicht u n b e d i n g t ; denn in Offb 16:17-21 wird ausdrücklich bezeugt, dass schon in der Zeit unmittelbar v o r der Wiederkunft Christi unheimliche Veränderungen im Weltbestand zur Seite gehen werden. Dazu stimmt auch, was Mt 24:29-31 gesagt wird. Was weiter beim sechsten Siegelgesicht ausgesprochen wird, vom bangen Harren der Großen und Kleinen, das liegt auf der Linie von Lk 21:26. Doch wird auch durch solche Hinweise der unmittelbare Eindruck kaum verwischt werden können, dass im sechsten Siegel beschrieben ist, wie einmal beim j ü n g s t e n Gericht der ganze Bau der jetzt noch bestehenden Welt in Trümmer gehen wird.

Wenn einmal das sechste Siegel vom Buch des Ratschlusses Gottes entfernt ist, dann ist dieses Buch geöffnet. Wenn es vollends ganz geöffnet ist, dann k a n n das n e u e Werk Gottes beginnen. Die kurze Bemerkung in Offb 8:1 von der Stille, die bei der Eröffnung des letzten Siegels im Himmel entstand, kann von der Anbetung verstanden werden, die auch an anderen Stellen der Offenbarung berichtet wird, sobald der Ausblick auf das letzte große Gotteswerk sich auftut. S o verstanden sind die Posaunen und Zornschalengesichte nicht eine Entfaltung des s i e b t e n Siegels, sondern gehören noch in die ersten s e c h s hinein, vielleicht in die Zeit des fünften und sechsten Siegels.

Ist diese Auffassung richtig, dann ist auch die Stellung des siebten Kapitels im Ganzen der Offenbarung eine andere, als man für gewöhnlich annimmt. In den meisten Auslegungen sieht man im siebten Kapitel ein Z w i s c h e n gesicht, d. h. eine Vorwegnahme von Ereignissen, die eigentlich erst in die Zeit des siebten Siegels und in ein späteres Kapitel gehören. Dagegen innerhalb der weiter oben beschriebenen Auffassung schließt sich der Inhalt des siebten Kapitels u n m i t t e l b a r an die sechs Siegelgesichte an, indem im siebten Kapitel das Ergebnis der vorlaufenden Gerichte Gottes für sein Reich beschrieben wird. Dieses Ereignis ist ein doppeltes: eine fest bestimmte große Schar aus dem erstberufenen Gottesvolk, und eine unzählbare Menge aus der Völkerwelt, beides zusammen der Same Gottes, aus dem das Reich Gottes auf Erden und in der neuen Welt erwächst.

Die eben entwickelte Auffassung vom Sinn der Siegelgerichte ermöglicht auch ein Verständnis dafür, über welchen Zeitraum sich die letzteren erstrecken. Wahrscheinlich füllen sie die g a n z e Zeit zwischen der Urgemeinde und der Wiederkunft Christi, freilich so, dass das, was die g a n z e Zeit ausfüllt, sich gegen den Schluss v e r s t ä r k t ; und so, dass der Inhalt des fünften und sechsten Siegels mehr in das S c h l u s s s t ü c k des jetzigen Zeitlaufs gehört. Im ganzen Zeitraum seit dem Kommen des Heiligen Geistes reiten die vier Reiter über die Erde. Die Völkerwelt wird in zunehmendem Maß die Botschaft des Evangeliums zuteil. Das letztere tritt, wenn auch unter vielen Hemmungen, einen Siegeslauf über die Rede an. Aber es hat noch nicht den Frieden, und das Wohlbefinden und das Leben zur Folge, das eigentlich zum Evangelium gehört. Vielmehr bleiben noch die Kriege mit zunehmender Gestalt und Gewalt, ferner Hungersnöte und großes Sterben in mancherlei Formen. Und dies deshalb, weil das Evangelium in diesem Zeitlauf noch nicht ganz durchdringen kann, weil das Reich des Fürsten dieser Welt und die Reiche dieser Welt selber noch nicht dem Reich Gottes gewichen sind. Vielmehr wird das Schlussstück des jetzigen Zeitlaufs den Widerstand gegen das Reich Gottes vermehren, und das wird sich in einer neuen Märtyrerwelle ausprägen. Die Märtyrer aus früheren Zeiten sollen erst zusammen mit den späteren zur Vollendung gelangen (5. Siegelgesicht). Über dem allem geht der Zeitlauf dem Gericht Gottes entgegen, und der Weltbau wird zu zittern beginnen, so dass die Völker und ihre Herrscher sich in ihrer Angst vor dem Zorn Gottes verbergen möchten (6. Siegelgesicht). Dass aber auch die schwersten Zeiten eine reiche Ernte für das Reich Gottes zustande bringen, und zwar aus beiden Teilen der Menschheit, nämlich dem Volk Israel und der Völkerwelt, das zeigt das siebte Kapitel, das auf die ersten sechs Siegelgesichte folgt.

Von hier aus sei hinübergeblickt zum prophetischen Wort des Herrn in Mt 24. Dort finden sich für die Zeit vor dem neuen Offenbarwerden Christi die gleichen Merkmale: Kriege, Hungersnöte, Seuchen, Erdbeben, Hass der ganzen Völkerwelt gegen die Gemeinde Jesu, weltweite Verkündigung der frohen Botschaft, und Erschütterung des ganzen Naturlaufs. Aber ebenso ist ausgesprochen, dass das alles zwar geschehen müsse, dass es aber noch nicht das E n d e oder das Z i e l der Wege Gottes sei. Das letztere tritt erst mit dem Wiederkommen des Christus in Erscheinung. In Lk 21:26 ist noch von der bangen, furchtvollen Erwartung der Leute die Rede angesichts der großen Zeichen am Himmel und auf Erden, wie sie im sechsten Siegelgesicht ebenfalls beschrieben ist. Auch in Lk 21 findet sich der Gedanke: das alles muss z u v o r geschehen; aber der e i g e n t l i c h e Inhalt des Ratschlusses Gottes ist das noch n i c h t ; der letztere fasst in sich das Kommen des K ö n i g s und das Kommen der R e i c h s.

Das Besondere der Posaunengerichte

Seither war von den „Siegeln“ und deren Bedeutung die Rede. Was ist nun mit den „P o s a u n e n“ gemeint? Die „Posaunen“-gesichte nehmen ja innerhalb der Offenbarung des Johannes einen großen Raum ein: sie erstrecken sich vom 8. bis zum 18. Kapitel. Wieder müssen wir fragen, in welchen Zusammenhängen der Bibel von Posaunen gesprochen wird. Dort geben sie einerseits Alarmzeichen, die das Näherrücken oder das unmittelbare Bevorstehen von e r n s t e n Ereignissen ankündigen. Auf der anderen Seite wird der Trompetenstoß als Zeichen für das Kommen von f r o h e n Dingen verwendet, z.B. für das Inkrafttreten des sogenannten Halljahrs. Ob die Posaunengesichte nicht in diesem Sinn als die unüberhörbaren Zeichen dafür zu verstehen sind, dass einesteils Gottes Gerichte über den ganzen verkehrten Lauf der seitherigen Geschichte beginnen, und dass andererseits der König des Reichs und mit ihm das Reich selber vor der Tür stehe? So war vor der ersten Ankunft des Königs und vor dem ersten noch stillen Anbruch des Reichs, Johannes der Täufer eine lebendige Posaune. Denn er hatte zu verkündigen: „Nun steht das Reich Gottes vor der Tür, und sein König kommt!“ Seither ist zwar die Botschaft vom Reich durch fast zwei Jahrtausende weitergeklungen im Wort der Boten Jesu und der nachfolgenden Generationen seiner Gemeinde; und es war auch seither schon begleitet von einer Gotteswirkung, indem der Heilige Geist diese Botschaft in der Welt und in den Herzen bekräftigte. Aber die Zeit rückt näher, wo das Kommen des Reiches in K r a f t und das Kommen des Königs in H e r r l i c h k e i t mit Posaunenschall, unter Trompetenstößen angekündigt wird, d. h. durch die unüberhörbaren Zeichen der vorlaufenden Gerichte, wie sie in den Posaunen- und Zornschalengesichten dargestellt sind. Herausgefordert werden diese Gerichte Gottes dadurch, dass am Ende der Zeit die Empörung der Menschheit gegen Gott auf ihren Höhepunkt gelangen wird. Denn da wird der falsche Fürst dieser Welt den Versuch machen, das Kommen des Reiches Gottes auf diese Erde unter dem Christus G o t t e s zu verhindern durch die Aufrichtung eines w i d e r göttlichen Reiches, unter dem von ihm bestellten f a l s c h e n Christus, nämlich dem A n t i christ. So sind es drei Gegenstände, die durch die Trompetenstöße eingeleitet und eingeläutet werden: die letzte Anspannung des Satans zur Durchführung s e i n e s Weltziels, die Antwort G o t t e s in Gerichten von zunehmender Schwere und die letzten Schritte Gottes zur Vorbereitung s e i n e s Reichs.

Es ist nun merkwürdig, dass innerhalb der Posaunengesichte die Zeitdauer von 3 1/2 Jahren fünfmal wiederkehrt: Offb 11:2 und Offb 13:5 in 42 Monaten, Offb 11:3 und Offb 12:6 in 1260 Tagen und Offb 12:14 mit 1 + 2 + 1/2 Zeiten = Jahren. Was merkwürdig daran ist, das ist einmal die W i e d e r h o l u n g dieser Zahl (ähnlich wie Offb 20:1-6 die Zeitdauer 1000 Jahre sechsmal wiederkehrt); ferner die Bezeichnung der gleichen Zeitdauer auf d r e i e r l e i Arten, nämlich in Jahren, Monaten und Tagen. Der Schluss wird wohl nicht zu umgehen sein, dass die genannte Zeitdauer nicht sinnbildlich, sondern wortwörtlich zu verstehen sei. Übrigens sind hier die fünfmal 3 1/2 Jahre nicht zusammenzuzählen, als ob es sich um eine Gesamtdauer von 17 1/2 Jahren handeln würde; vielmehr ergibt ein eingehender Vergleich der beiden Kapitel Offb 11 und Offb 12, dass von z w e i mal 3 1/2 Jahren die Rede ist. Das ergibt, um mit Daniel zu reden, eine Jahrwoche; und zwar, wie schon früher davon die Rede war, die letzte in welcher die Erlösung Israels zustande kommt, d. h. seine Zurüstung und Befähigung zum Dienst Gottes bei der Aufrichtung seines Reichs.

Ob aber die genannten sieben Jahre nur für die Kapitel Offb 11-13 gelten und nicht vielmehr die g an z e Zeit der Posaunen- und Zornschalengesichte umfassen? Die Wahrscheinlichkeit dieser Vermutung ergibt sich aus folgenden Umständen: Nach Offb 11:14 geht mit den ersten 3 1/2 Jahren das zweite „Wehe“, bzw. die sechste Posaune zu Ende. In der genannten Zeit haben die beiden großen Gotteszeugen in Jerusalem ihren Dienst auszurichten am e r s t berufenen G o t t e s volk. Sie sollen aber auch in die W e l t hinauswirken durch Wunderwirkungen besonderer Art, die der Welt als Plagen fühlbar werden, und die deren Hass gegen die beiden Zeugen hervorrufen. Die den beiden Männern zugeschriebenen Plagen (Offb 11:6.10) haben eine solche Ähnlichkeit mit den Plagen der ersten vier Posaunengesichte (Offb 8:7-11), dass der Schluss naheliegt, die letzteren seien durch die beiden Zeugen vermittelt. In Offb 8:3-5 ist übrigens ausdrücklich ausgesprochen, dass in den Posaunengesichten die flehentlichen Bitten der irdischen Gemeinde Jesu mit wirksam werden. Um den ausgesprochen Gedanken noch etwas zu verdeutlichen: die genannten beiden Zeugen scheinen Männer zu sein, wie einst Mose und Aaron, als dieselben gemeinsam vor dem ägyptischen König standen, und als auf ihr Wort die zehn großen Plagen über Ägypten hereinbrachen; wie die beiden Zeugen Elias und Elisa, die neben ihrer aufrichtenden und zurechtbringenden Tätigkeit auch gewaltige S t r a f wirkungen in die Welt hinaus zu vollbringen hatten. Die Zweizahl der Zeugen hat weiter ihr Vorbild in dem Täufer und Jesus, die zwar im Zeichen der Gnade kamen, und deshalb kein Feuer vom Himmel regnen ließen, die aber inmitten ihrer Frohbotschaft trotzdem Zeugen des Gerichtes Gottes gewesen sind. Ein weiteres Vorbild für die beiden Zeugen sind Petrus und Paulus, denen ebenfalls gewaltige Zeichen geschenkt wurden, freilich im Dienst der Gnade, die aber gleichfalls hinausschauen lehrten auf die letzten Gerichtszeiten.

Ist eine solche Zusammenschau von Offb 8-11 richtig, dann geht das dort Beschriebene in der ersten Hälfte der letzten Jahrwoche vor sich. Die ersten vier Posaunengesichte erfolgen wohl verhältnismäßig rasch hintereinander. Sie sind gefüllt mit gewaltigen Eingriffen Gottes in das Gebiet der i r d i s c h e n Natur und der H i m m e l s welt, aber immer noch in gemäßigter Form. Schlimmer ist das, was beim fünften Trompetenstoß vor sich gehen soll, nämlich die Öffnung der unheimlichen U n t e r welt mit einer unerträglichen fünf Monate währenden Plage für alle, die nicht Gottes Eigentum sind; und der im sechsten Posaunengesicht, bzw. im zweiten „Wehe“ angekündigte Krieg, der die ganze Menschheit, namentlich die in Asien hinter dem Euphrat, mobilisiert. In dieser Zeit mag das Aufkommen des Antichrists anzusetzen sein, der am Ende der ersten Hälfte der letzten Jahrwoche den Kriegszug gegen Jerusalem antreten soll, bei dem die zwei Zeugen umgebracht werden und infolgedessen die heilige Stadt 42 Monate lang zertreten werden soll.

Offenbarung 10 - 12

In diesem Zusammenhang ist eine besondere Besinnung nötig über Offb 10-12. Diese drei Kapitel gehören zusammen. Ihr Inhalt füllt wohl die k l e i n e Buchrolle, die dem Johannes zur Anneignung (zum „Essen“) übergeben wurde, und die gleichzeitig einen süßen u n d bitteren Geschmack hatte. Um diese drei Kapitel zu verstehen, muss man auf verschiedene Winke achten, die das Verständnis erleichtern. Freilich bleiben auch dann noch eine Reihe Fragen übrig, die jetzt noch nicht mit Sicherheit beantwortet werden können. In Offb 10 ist die Rede von einem Engel von gewaltiger Größe, der ein neues Geschehen einzuleiten hatte. Beachtenswert ist die Stellung, die dieser Engel einnahm. Es war schon davon die Rede, dass Johannes die Offenbarung auf der Insel Patmos erhalten hat. Um die Stellung des Engels zu verstehen, ist ein Blick auf die Landkarte ratsam, wie sie von Patmos her aussieht. Johannes sah, wie der Engel mit dem rechten Fuß auf dem Meer stand, und mit dem linken auf dem kleinasiatischen Festland. Bei dieser Stellung war sein Gesicht nach Südosten gerichtet. Dort liegt, von Patmos aus gesehen, das Heilige Land. - Bei jenem Gesicht hat Johannes auch gewaltige Donnerschläge gehört und wahrgenommen, was dieselben bedeuteten. Er wollte das Geschehene aufschreiben, durfte es aber nicht. Auf diese Weise entsteht eine Lücke für das Verständnis des Endgeschehens. Aber ob nicht die Blickrichtung des Engels auf das Heilige Land wenigstens gewisse Winke gibt? Der Gedanke wird wohl nicht fehlgreifen, dass, was Johannes nicht schreiben durfte, Geschehnisse im Heiligen Land zum Inhalt hatte. Dass d o r t noch mancherlei geschehen muss, bis die Verhältnisse für das biblisch bezeugte Ende reif geworden sind, das wurde schon mehrmals angesprochen.

W i r haben von den eingreifenden Geschehnissen in Palästina schon vieles sehen dürfen; namentlich das, dass durch das Ergebnis des ersten Weltkriegs dort im nahen Osten eine völlig neue Lage entstanden ist, die aber ihrerseits wieder überreich ist an neuen Spannungen, deren Ausgleich noch nicht wahrzunehmen ist. Wohl ist das Recht des jüdischen Volkes auf das Land seiner Väter auch von den Weltmächten anerkannt. Aber die Araber wollen das Land, das sie seit 1300 Jahren innehaben, nicht aufgeben. Und doch ist die Sammlung Israels aus allen Völkern und ihre Rückkehr in das Land der Väter durch das prophetische Wort in Aussicht gestellt. Es ist wohl möglich, dass das, was Johannes nicht aufschreiben durfte, mit den genannten Dingen im Zusammenhang steht. Ein Hauptstück in diesem Geschehen mag wohl das Verschwinden des mohammedanischen Heiligtums in Jerusalem sein. Denn was Johannes in Offb 11 wahrnahm, das war nicht ein f r e m d e s Heiligtum, sondern ein neuer Tempel G o t t e s .

Es ist schon manchmal gefragt worden, ob Johannes im genannten 11. Kapitel überhaupt von einem n e u e n Tempel spreche; ob sein weissagendes Wort nicht vielmehr auf die Zerstörung des a l t e n Tempels im Jahr 70 nach Christi Geburt hinweise? Aber in Offb 11:1.2 ist nicht von der Zerstörung des g a n z e n Tempels die Rede, wie sie im Jahre 70 erfolgt ist. Und außerdem müsste das letzte Buch der Bibel schon v o r dem Jahre 70 geschrieben worden sein, wenn es weissagend auf dieses Jahr hingewiesen hätte. Diese f r ü h e Abfassung des letzten Buchs der Bibel ist aber ganz unwahrscheinlich angesichts des Zeugnisses von Kirchenvätern, die es mit der Zeit des Kaisers Domitian in Beziehung bringen. Auch diese Umstände machen es sehr wahrscheinlich, dass das Wort vom Tempel in Offb 11 w e i t hinausschaut auf eine Zeit, die sogar für u n s in der Zukunft liegt.

Weiter oben war schon einmal von Mt 24 die Rede. An dessen zweiten Abschnitt von Mt 24:15-28 entstehen die gleichen Fragen. Die meisten Ausleger sehen in den genannten Versen einen Hinweis auf die Geschehnisse des jüdischen Krieges, der im Jahre 70 nach Christi Geburt zur Zerstörung Jerusalems und des Tempels geführt, und der ein namenloses Elend des jüdischen Volkes zur Folge gehabt hat. D a s s der Herr in den Tagen seiner Passion auf dieses bittere Ende Jerusalems hingeblickt und hingewiesen hat, das ist sicher. Deshalb hat er beim Einzug in Jerusalem geweint (Lk 19:41-44). Deshalb hat er auf dem Weg n ach Golgatha zu den weinenden Frauen gesagt, nicht i h n sollten sie beklagen, sondern sich selbst und ihre K i n d e r. Denn über die letzteren brach das Gericht herein, welches das Volk vor dem Palast des römischen Statthalters in so grauenhafter Weise auf sich und seine Kinder herabgerufen hat. Ebenso ist es sicher, dass Jesus bei der großen Abrechnung mit Jerusalem, am Dienstag vor seinem Sterben, die Verwüstung und völlige Zerstörung des Tempels vorausgesagt hat. (Mt 23 und Mt 24:2). Wenn nun das in Mt 24:15ff. Gesagte n o c h einmal von den Ereignissen des Jahres 70 gehandelt hat, so müsste es als eine W i e d e r h o l u n g der früheren Weissagung angesehen werden und als ein R ü c k griff auf dieselbe, nachdem in den Versen vorher schon die Geschehnisse bis zum E n d e des Zeitlaufs im voraus dargestellt sind. Aber die a n d e r e Möglichkeit besteht ebenfalls zu Recht, ja hat sogar größere Wahrscheinlichkeit, dass der Herr in den Versen Mt 24:15-28 viel w e i t e r hinausgeschaut hat, und dass dementsprechend die genannten Verse den Zusammenhang nicht u n t e r b r e c h e n, sondern ihn w e i t e r führen. Mit anderen Worten: ob nicht Mt 24:15-28 eine Parallele ist zu Offb 11? Oder, besser gesagt: ob nicht Offb 11 zurückgreift auf die Weissagungen des Herrn in Mt 24:15-28? Was für d i e s e Auffassung von Mt 24:15ff. noch weiter spricht, das ist der Hinweis, dass die Not des jüdischen Volkes zu jener Zeit eine Höhe erreichen werde, die sie mit keiner anderen Notzeit vergleichbar mache. Dass die Not des Jahres 70 ungewöhnlich groß war, das ist sicher. Sie war größer als das Elend bei der Eroberung Jerusalems unter Nebukadnezar. Aber was über das jüdische Volk in den letzten zwei Jahrtausenden und in der Gegenwart gekommen ist, und was zur Zeit des Antichrists noch kommen mag, das mag wohl noch schlimmer sein, als was im Jahr 70 über Israel hereingebrochen ist. Was weiter für diese Auffassung spricht, das ist der Umstand, dass die in Mt 24:29ff. beschriebenen E n d ereignisse unmittelbar vor dem neuen O f f e n b a r w e r d e n Christi g e r a d l i n i g an die Verse Mt 24:15-28 angeschlossen sind.

Wenn man Offb 11 im G e s a m t rahmen des prophetischen Worts und zugleich mit dem Blick auf den ganzen seitherigen Geschichtsverlauf zu verstehen sucht, dann wird der Schluss nicht mehr zu umgehen sein, dass die sogenannte z e i t geschichtliche Auffassung dieses Kapitels dem Sinn der Weissagung nicht entspricht, dass vielmehr nur dessen e n d geschichtliche Deutung ihr gerecht wird.

Wie ist das Verhältnis von Offb 11:1.2 zu Offb 11:3-14 zu verstehen? F o l g t das zuletzt Genannte dem Erstgenannten, wie es zunächst den Anschein hat? Ein Durchdenken des ganzen Kapitels macht es wahrscheinlich, dass die ersten Verse des Kapitels ein V o r griff sind: sie stellen das E r g e b n i s dar, das n a c h dem Wirken der beiden Zeugen durch das Eingreifen des Antichrists zustande kommen wird. Ein solcher Vorgriff findet sich auch an anderen Stellen der Offenbarung. So ist beispielsweise der Fall Babels erst in Offb 18 beschrieben. Aber schon Offb 14 ertönt die Botschaft, dass es gefallen sei.

Besondere Schwierigkeiten für das Verständnis bietet Offb 12. Was ist mit dem dort genannten Weib gemeint? Was ist unter der „Entrückung“ ihres Sohnes zu verstehen? Was unter dem Bergungsort des Weibes? Dass eine nicht richtige Auslegung unter Umständen ernste Auswirkungen haben kann, das lässt sich aus der Geschichte nachweisen. So haben fromme christliche Kreise aus dem letzten und vorletzten Jahrhundert sich dadurch bewegen lassen, nach Südrussland und ins Heilige Land auszuwandern. Sie sahen im letzteren den Bergungsort und meinten, in Südrussland ihm wenigstens näher zu sein. Dieser wirklich fromme Kreis hat sich in der Auslegung wahrscheinlich geirrt. Aber es ist wunderbar, dass auch die praktischen Folgen dieser irrigen Auslegung unter Gottes Leitung und Regierung standen, die sogar Irrgänge gutzumachen, und im Rahmen seiner großen Pläne zu verwerten weiß. Denn was diese gewissenhaften und fleißigen Auswanderer in Südrussland, in der Saronengegend bei Jaffa und am Karmel bei Haifa geleistet haben, das war und ist nicht umsonst. Es ist aber sehr wahrscheinlich, dass unter dem „Sonnen“weib von Offb 12 nicht die v ö l k e r christliche Gemeinde Jesu zu verstehen ist, sondern das zu seinem König umgekehrte I s r a e l. Darauf deutet der in Offb 12:7 genannte Engelfürst „Michael“ hin, der in Dan 10:21; Dan 12:1 ausdrücklich als I s r a e l s Schachwalter vor Gott bezeichnet wird. Dann ist es aber wahrscheinlich, dass Offb 12 eng mit Offb 11 zusammengehören, und das dort vom Neuwerden Israels Gesagte weiterführt. Wie diese Vorgänge im einzelnen zu verstehen sind, das hängt von zwei weiteren Fragen ab, nämlich was man unter dem „männlichen Sohn“ (Offb 12:5) und unter den zwölfmal Zwölftausend, bzw. den Hundertvierundvierzigtausend zu verstehen hat. Es gibt eine Auslegung, die unter dem männlichen Sohn des Weibes Jesus versteht, weil auf ihn zutrifft, dass er zum Thron Gottes erhöht worden ist. Ob aber innerhalb des G e s a m t rahmens der Weissagung ein solcher R ü c k griff auf den A n f a n g der Frohbotschaft wahrscheinlich ist, das ist fraglich. Es ist wohl möglich, dass unter dem „Sohn“ nicht eine E i n z e l person zu verstehen ist, sondern eine aus dem Ganzen Israels hervorgehende S c h a r , der eine besondere Höhe des Glaubens und des ganzen Charakters eigen ist. Ist das richtig, dann entsteht wieder die Frage, ob sich die genannte Schar von den Hundertvierundvierzigtausend unterscheide oder ob sie mit ihr gleichzusetzen sei. V i e l l e i c h t ist das letztere der Fall. Denn in Offb 14:3 hat Johannes die Hundervierundvierzigtausend vor dem T h r o n Gottes gesehen, und von dem „männlichen Sohn“ hat er ebenfalls die Entrückung zum Thron Gottes ausgesagt (Offb 12:5).

Das Schlussstück des seitherigen Geschichtsgangs

Unter Berücksichtigung dieser in der Weissagung enthalten Winke ist v i e l l e i c h t folgendes Gesamtbild für die Kapitel Offb 10-12 denkbar. Die zwölf Stämme werden - w o h e r sie kommen, das lässt sich nicht sagen - wieder in das Land ihrer Väter zurückkehren. Dort wird - unter welchen Verhältnissen, das lässt sich bis jetzt wieder nicht sagen - der Tempel neu aufgebaut. Ob das der in Hes 40ff. beschriebene ist, das lässt sich nicht mit Bestimmtheit sagen. Möglicherweise gehört der letztgenannte erst in die Zeit des tausendjährigen Reichs. Aber eine bereits bekehrte Gemeinde ist dieses zurückgekehrte Volk noch nicht. Was sie zur Heimkehr veranlasst hat, das mögen zum Teil ganz andere Gesichtspunkte gewesen sein als eine inwendige Umstellung. Jerusalem wird wird in Offb 11:8 noch eine unheilige Stadt genannt, was mit dem Beinamen „Sodom“ und „Ägypten“ ausgedrückt wird. Es kann sich auch aus eigener Kraft nicht selber bekehren. Vielmehr geht es nach dem Schriftwort: "Bekehre D u mich Herr, d a n n bin ich bekehrt; hilf D u mir, dann ist mir geholfen“ (Jer 31:18). Aber vorbereitet hat Gott die Wende durch die Bereitstellung Israels mit dessen langer Heilandslosigkeit, mit den vielen Enttäuschungen, mit dem Unbefriedigtsein innerhalb aller Dinge und Schätze dieser Welt und Zeit. Nun wird er ihm zwei mit dem Heiligen Geist in besonderem Maß ausgerüstete Männer schenken, die er auch mit einem ungewöhnlich großen Maß von Kraftwirkungen ausstattet Sie werden seine und seines Sohnes Zeugen sein in der Heiligen Stadt und an heiliger Stätte. Jeder Versuch, sie zu beseitigen, wird scheitern, solange ihr Auftrag noch nicht ganz ausgeführt ist. Solche Versuche werden aus der Völkerwelt heraus erfolgen, aber nicht gelingen. Erst wenn die Stunde gekommen ist, wird dem gegen Jerusalem heranziehenden Antichristen ihre Beseitigung gelingen. Noch nach ihrem Tod sollen sie geschändet werden, indem ihnen sogar das Begräbnis verweigert wird. Und auf der ganzen Erde wird ein Jubel anheben ob der Beseitigung der beiden „Plagegeister“. Übrigens merkwürdig: zur Zeit des Johannes gab es noch keinen Telegraphen und noch kein Telefon und noch weniger einen Rundfunk. Die Beförderung von Nachrichten erforderte viel Zeit. Und trotzdem hat Johannes gesagt: in der kurzen Zeit von 3 1/2 Tagen, während deren die Leichname der beiden Zeugen unbeerdigt daliegen, werde ihr Fall in der ganzen Welt bekannt und gefeiert werden. Jetzt in der Zeit des Fernhörens und Fernsehens wundern wir uns über eine solche Weissagung nicht mehr; aber früheren Generationen mag dieser besondere Zug in der Weissagung von Offb 11 unverständlich gewesen sein. - Aber die beiden Zeugen dürfen eine Auferstehung und Himmelfahrt erleben wie ihr Meister. Dies und ein gleichzeitiges großes Erdbeben hilft zur Geburt des n e u e n Israels. Und das ist nun der Augenblick, der im Himmel gefeiert wird als der Tag der „Machtübernahme“.

Damit ist die Zeit der letzten und siebten Posaune gekommen, in der das antichristliche Reich auf seinen Höhepunkt gelangt, und damit zugleich gerichtsreif wird. Israel ist nun wieder in sein richtiges Verhältnis zu Gott zurückgeführt. Vorher war es seinem Bundesgott untreu geworden wie eine ihrem Mann entlaufene Frau. Aber nun, nachdem sie wieder zu Gott zurückgefunden hat, erstrahlt sie in ihrer ganzen, ursprünglich von Gott gewollten, Schönheit. So wird sie zur Mutter eines Sohnes, dessen Merkmal die Männlichkeit in besonderem Maße ist aus ihr geht eine Schar, eine Auswahl hervor, vielleicht die zwölfmal Zwölftausend die „ihr Leben nicht lieb haben bis in den Tod“ und die den Satan überwinden „durch des Lammes Blut und durch das Wort ihres Zeugnisses.“ (Offb 12:11). Sie müssen also zwar durch den Antichristen ihr Leben lassen, dessen Heer Jerusalem seit dem Tod der beiden Zeugen besetzt hält. Aber ihre Treue ist der Grund, weshalb der Satan nun kein Recht mehr hat, Israel vor dem Thron Gottes zu verklagen. Und die israelitische Endgemeinde, aus der jene Auswahl hervorgegangen ist, wird dem gewaltigen Angriff des Satans entzogen, der sie ebenfalls zu vernichten sucht, aber ergebnislos. Sie wird irgendwo („in der Wüste“) durchgerettet durch die zweite Hälfte der letzten Jahrwoche. Nun wendet sich der Zorn des „Drachen“ den „übrigen von ihrem Samen“ zu (Offb 12:17), die „Gottes Wort halten und das Zeugnis Jesu Christi haben“ (Offb 12:17).

Wer sind diese „übrigen“? Die nächstliegende Deutung ist die, dass damit die Gemeinde Jesu aus der V ö l k e r welt gemeint sei. Denn auf sie passt die Kennzeichnung, dass sie die Gebote Gottes halte und das Zeugnis Jesu habe, ob nun das letztere so viel bedeutet, dass der Herr sie als ihm zugehörig anerkenne, oder dass sie selber ihn innerhalb der Völkerwelt bezeugen. Und sie sind, obwohl der V ö l k e r welt zugehörig, trotzdem A b r a h a m s Söhne, nämlich glaubensmäßig, und haben darum auch teil an der dem Vater des Glaubens gegebenen Verheißung (Gal 3:29).

Von dem Kampf des „Tiers“ gegen die v ö l k e r christliche Gemeinde Jesu (die „Heiligen“ genannt) ist nun die Rede in Offb 13-18, die den zweiten Teil der letzten Jahrwoche umfassen (Offb 13:5). Zu Beginn zwar zunächst auf den Teil des antichristlichen Weltreichs, aber die Beschreibung des „Tiers“ geht unvermerkt über in die Beschreibung seines letzten Herrschers, wie auch seines Auftraggebers aus der Tiefe, dem innerhalb der Welt göttliche Verehrung zuteil wird, die durch einen Zutreiber, das „andere“ Tier, den „falschen Propheten“, durch Kraftwirkugen aus der Hölle den Völkern beigebracht (suggeriert) wird, gleichzeitig mit Locken und mit Zwang, sofern jedem, der sich nicht an der göttlichen Verehrung des Tiers beteiligt, und der die letzte nicht durch die Anlegung eines Zeichens öffentlich bekundet, die Existenzmöglichkeit beschnitten oder gar abgeschnitten wird. Tätlicher Widerstand gegen dieses System verfällt dem Gefängnis und dem Schwert. Standhalten kann nur „Geduld und Glauben der Heiligen“ (Offb 13:10). Aber auch diese geistliche Waffenrüstung bewahrt nicht vor dem ä u ß e r e n Unterliegen. Denn „ihm ward gegeben, die Heiligen zu überwinden“. Der ganze Kampf geht unter gotteslästerlichen Formen vor sich. Aber die a l s o sterben, werden selig gepriesen (Offb 14:13). In Offb 16:6 und Offb 18:24 wird ausgesprochen, dass in dieser Zeit viel Märtyrerblut fließen werde.

Auch in dieser Kapitelreihe ist eine Reihe von Winken zum Verständnis enthalten, die freilich wieder neue Fragen wecken, die noch nicht alle befriedigend gelöst werden können. Eine solche Frage ist die, was mit „Babel“ gemeint sei. Darüber wurde bereits gesprochen. Was ist unter den Tier k ö p f e n zu verstehen? Was soll damit gesagt sein, dass das „Tier“ zur Zeit des Johannes „gewesen war, aber nicht mehr war, aber wieder erstehen werde“? Was ist gemeint mit der „Wunde des Tiers“, bzw. des Tierkopfes, die wieder heil werden, und das Erstaunen der Welt hervorrufen soll? Besonders viele Fragen haben sich an die in Offb 13:18 genannte Zahl „666“ geheftet. Was soll diese Zahl bedeuten? Inwiefern ist sie die „Zahl des Menschen“? - Der Sinn kann auch sein: eine „Menschheits“zahl. Man kann über alle diese Fragen Vermutungen anstellen, und es gibt solche, denen ein hoher Grad von Wahrscheinlichkeit zukommt. Aber Reste von Unsicherheit, was der e i g e n t l i c h e Sinn solcher Aussagen sei, bleiben doch zurück. Doch was tut das? Der Sinn des großen G an z e n ist klar. Die g r o ß e n Züge des Endgeschehens sind jetzt schon hell beleuchtet. Der Fortgang der Regierung Gottes wird ja vieles noch deutlicher machen und aufhellen. Es ist auch wohl möglich, dass manches Rätselwort sich in m e h r fachem Sinn erfüllen wird, ähnlich wie der Regenbogen in vielen Farben leuchtet.

In welche Maß hat die jüngste Geschichte Deutschlands auf manches in diesen Kapiteln ein Licht geworfen! z. B.: dass dem letzten großen Weltherrscher ein falscher Prophet in die Hände arbeiten wird: man denke an den ganzen Propagandaapparat des Dritten Reichs! Dass ein Nichtmitmachen in der Endzeit die Wurzeln der Existenz bedrohen wird - wie nahe lag im letzten Jahrzehnt die Versuchung, sich seine Existenz durch das Parteibuch zu sichern! Dass das letzte antichristliche Weltreich und sein Herrscher göttliche Herkunft und Ehrung beanspruchen werden: was der Führer des „Dritten Reichs“ beansprucht hat, und wie das „Dritte Reich“ in Deutschland hat beurteilt werden sollen, das war davon nicht weit entfernt. Dass in der Endzeit der Kampf gegen die Gemeinde Christi entbrennen werde: zwar dürfen wir die „Bekenntnisfront“ nicht kurzerhand der Gemeinde Christi gleichsetzen, so wenig wir vielen „deutschen Christen“ Glauben und ehrliches Wollen abstreiten dürfen - , aber das Wort „Kirchenkampf“ und die Formen, in denen der Kampf gegen die Bekenntnisfront geführt worden ist, das alles sagt genug. Auf der einen Seite ist es zum Erschrecken, in welchem Maß die Endzeit bereits in die Gegenwart hereingeragt hat, und zwar gerade auf deutschem Boden. Aber auf der anderen Seite ist es ein Zeichen der Barmherzigkeit Gottes, dass der Christenheit in Deutschland und damit auch der Christenheit der Welt ein derartiger Anschauungsunterricht gegeben worden ist über die Proben, die in der Zukunft und in der eigentlichen Endzeit noch bevorstehen. Unsere Zeit ist Lernzeit. Selig, wer lernen mag und will, damit ihn die kleinen und großen kommenden Proben nicht unvorbereitet überfallen!

Die zweite Hälfte der letzten Jahrwoche wird den Höhepunkt des Antichristentums darstellen. Aber eine gottverlassene Zeit wird sie trotzdem nicht sein. Die auf der Erde Ringenden und Leidenden haben den Aufblick zur Schar derer, die bereits überwunden haben: zu den Überwindern aus I s r a e l (Offb 14:1-5) und Offb 15:1-4 zu den Überwindern, die wohl aus der V ö l k e r w e l t stammen. Und durch die Welt wird in jener Zeit der Ruf Gottes gehen mit eindringlicher Gewalt, in letzter Stunde zur Gottesfurcht aufrufend (Offb 14:6.7), den Sturz der Weltmacht und der Welthauptstadt im voraus bezeugend (Offb 14:9-11). Gleichzeitig wird Mut gemacht zum Sterben, das durch den Zuspruch des Heiligen Geistes, und durch den Hinweis auf die selige Ruhe der Überwinder erleichtert wird (Offb 14:13). Ebenso wird durch den Hinweis auf die Sichel und die Hippe darauf hingedeutet, dass die Zeit der Not nur kurz währe, weil die Weltgeschichte nun der Ernte entgegenreife und die Zeit der großen Weinlese gekommen sei (Offb 14:14-20).

So birgt die kommende letzte Zeit eine doppelte Ernte in sich: was reif wird, das ist nicht nur das U n h e i m l i c h e am Menschheitsgang und die s c h l i m m e Saat, sondern ebenso die Ernte für G o t t e s Reich. Jene letzte Zeit wird die Zeit „d e r“ großen Trübsal sein. Trübsale gab es zu allen Zeiten. Von i h n e n wird in der Schrift d i e große Trübsal unterschieden (Dan 12:1; Offb 7:14). Es sei ausdrücklich bemerkt, dass es dort in Offb 7 nicht heißt: sie sind aus „g r o ß e r“ Trübsal gekommen, sondern: aus „d e r“ großen Trübsal. Aber gerade in der Zeit dieser großen Trübsal soll die unzählbar große Schar von Überwindern aus a l l e n Völkern zustande kommen, eine Art Erstlingsbeute des Herrn noch aus der Zeit v o r seinem neuen Offenbarwerden.

Die Stufen des R e i c h e s G o t t e s

Der letzte Abschnitt der zweiten Hälfte der letzten Jahrwoche wird ausgefüllt sein von den Gerichten Gottes, die den ganzen seitherigen Lauf der Welt abschließen. Johannes hat diese Gerichte in den Zornschalengesichten von Offb 16 wahrgenommen. Von den Posaunengesichten unterscheiden sich die letzteren dadurch, dass sie unerbittlich streng sind und keine Schonung mehr kennen. Sie wirken sich aus am Leib aller derer, die sich dem „Tier“ unterstellt haben. Sie verderben das Weltmeer vollständig. Sie machen das Trinkwasser nahezu ungenießbar. Sie lassen von der Sonne eine unerträgliche Hitze ausstrahlen. Bei der fünften Zornesschale wird die Regierung des letzten Weltherrschers erschüttert. Die sechste Zornesschale ist vielleicht so zu verstehen, dass der Weltherrscher versucht, seine erschütterte Stellung wieder zu festigen, indem er alle Völker, namentlich die hinter dem Euphrat in Asien, zum letzten, großen Kriegszug gegen das Heilige Land aufbietet, aber damit zugleich seine endgültige Vernichtung der letzten Welthauptstadt durch die antichristliche Heeresmacht unter der Anführung ihres eigenen Herrschers, der damit seine eigene Residenz zerstört, und gleichzeitig zu unheimlichen Veränderungen auf der Erdoberfläche führt. Dies alles ist in Offb 16 beschrieben. Die Zerstörung Babels wird in Offb 17 und Offb 18 noch einmal in ausführlicher Form beschrieben. Das letzte Ende des antichristlichen Reichs und seines Herrschers ist im zweiten Teil in Offb 19 beschrieben: beide fallen, und zwar ohne Schlacht, beim Wiederkommen des Herrn in Begleitung des ganzen „Heers des Himmels“. Bei diesem Zusammenstoß geht das ganze antichristliche Heer zugrunde, während der Antichrist selber und sein Prophet lebend dem „Feuersee“ übergeben werden. Mit dem Wiederkommen des Herrn ist vom Buch des Ratschlusses Gottes das letzte Siegel entfernt. Das Buch ist nun offen. Und nun kann, ohne Hemmung durch widergöttliche Mächte, Gottes Weltplan durchgeführt werden auf d i e s e r Erde u n d in der n e u e n Welt. Dieses Werk Gottes wird sich stufenweise entfalten. Seine Anfangsgestalt wird es im Reich Gottes auf E r d en haben.

Offb 10:1-6 spricht sechsmal von einer tausendjährigen Dauer des letzteren. Gerade diese Wiederholung mag ein Anzeichen dafür sein, dass diese Zeitdauer wortwörtlich, und nicht sinnbildlich zu verstehen ist. Ohne darauf Wert zu legen, darf vielleicht noch ein weiterer Gedanke ausgesprochen werden. Diese Zeitangaben beziffern sich bis auf Christi erstes Kommen auf annähernd vier Jahrtausende. Seither sind nahezu zwei Jahrtausende vergangen. Der Eindruck gewinnt zunehmend an Stärke, dass die Zeit dem Abschluss entgegengehe. Ob dieser Abschluss allerdings gerade etwa auf das Ende der beiden christlichen Jahrtausende fallen werde, das lässt sich nicht sagen. Wenn aber dieser Abschluss v e r h ä l t n i s m ä ß i g nahe w ä r e , dann würde die Dauer der menschlichen Geschichte bis zum neuen Offenbarwerden Christi annähernd sechs Jahrtausende umfassen. Das sind Jahrtausende, die den Werktagen gleichen mit ihrer Mühsal, und die nach einer Ergänzung rufen durch einen Sabbat Gottes. Sollte das tausendjährige Reich das S a b b a t jahrtausend sein? In der alten Christenheit waren solche Gedanken verbreitet. Es sei noch ausdrücklich beigefügt, dass den eben ausgesprochenen Gedanken G e w i s s h e i t n i c h t zukommt. Es liegt bereits an der G r e n z e des christlichen Forschens. Darum wäre es auch nicht gut, sich auf einen solchen Gedanken f e s t zulegen und von i h m aus das Leben gestalten zu wollen. Aber eine Aufmunterung und Mahnung zum Bereitsein könnte von solchen Gedanken doch ausgehen. Das seitherige Geschehen, wie es nun seit Jahrtausenden weitergegangen ist bis zur Gegenwart, wird nicht uferlos in der gleichen Weise weitergehen, wie es schon oft geträumt worden ist, früher namentlich - noch vor den Erschütterungen der beiden großen Weltkriege - in der Form des wohlgemuten Entwicklungsgedankens. Aber ausgestorben sind solche Erwartungen, dass die menschliche Geschichte, wenn auch unter tiefgreifenden Veränderungen, doch in der seitherigen Form in weite Fernen weitergehen werde, auch heute noch nicht. Dem gegenüber weiß ein Christ aus dem Wort Gottes, dass das ganze seitherige Weltgeschehen über kurz oder lang nicht naturmäßig, sondern gottgewollt seinem gerichtlichen A b s c h l u s s entgegengeht.; genau so, wie das Einzelleben nicht unbeschränkt von Jahr zu Jahr weiterläuft, sondern ebenfalls zu seiner Zeit abgeschlossen werden wird, und wenn es erst in hohem Alter wäre. Aber der Abschluss des einzelnen Menschenlebens kann auch schon früher eintreten und manchmal erschütternd rasch.

Über das tausendjährige Reicht selber sei nur so viel gesagt, dass das Wesentliche daran das Regiment des wiedergekommenen Herrn sein wird, während das satanische Regiment zwar noch nicht beseitigt, wohl aber ausgeschaltet ist. Vollziehen wird sich das Regiment des Königs Christus in Erweisungen voller Gnade, aber gleichzeitig in scharfer Zuchtübung gegenüber der auch im Reich Gottes auf Erden noch nicht ausgeschalteten menschlichen Sünde. „Er wird sie weiden mit e i s e r n e m Stab“ (Ps 2:9). Seine Helfer bei der Ausübung seiner Königsherrschaft werden sein: das nun willig auf seine Berufung eingehende erstberufene Gottesvolk und die verklärte, bzw. aus dem Tod erstandene Gemeinde der Überwinder. Siehe dazu auch die erste Hälfte von Offb 19. Aber am Schluss des tausendjährigem Reiches soll noch einmal der frühere Fürst dieser Welt auf kurze Zeit Wirkungsmöglichkeit erhalten (Offb 20:7). Da wird es sich zeigen, dass die Sünde in der Welt noch nicht ausgestorben ist, und dass der Satan in der langen Zeit seiner Ohnmacht seinen Sinn nicht geändert hat. Damit ist erwiesen, dass die ganze seitherige Welt, auch in der Form des Reiches Gottes auf Erden, nicht e w i g bestehen kann. Sie muss deswegen durch das Feuer des l e t z t e n Gerichtes hindurch. Damit wird die Bahn frei für die n e u e Schöpfung Gottes, von der in den beiden letzten Kapiteln der Offenbarung die Rede ist. Manche Andeutungen in diesen beiden Kapiteln lassen ahnen, das auch in der neuen Schöpfung noch Heilungen nötig und möglich sind. Deshalb muss, um hier ein Wort des Apostels Paulus über E n d vollendung aus 1Kor 15 anzuführen, das Werk Christi so lange weitergehen, bis alle „Feinde“ Gottes aufgehoben und überwunden sind. „Der l e t z t e Feind, der aufgehoben wird, ist der T o d“ (1Kor 15:26). Dann erst wird das Christuswerk v o l l endet sein, und dann kann er sein Amt als restlos ausgeführt in des Vaters Hände zurückgeben, „auf dass Gott sei alles in allem“ (1Kor 15:28). Dann erst ist das Reich Gottes v o l l e n d e t. Dann erst kann die „Ewigkeit im vollen Sinn des Worts anheben. Dann erst sind die „Zeiten“, nicht nur die kleinen, sondern auch die großen, bis in die neue Schöpfung hineinreichenden Zeit r ä u m e abgeschlossen, und nun kann die ewige Anbetung Gottes anheben.

Schlusswort

Von diesen letzten großen Ausblicken mögen die Gedanken noch einmal zurückgehen auf die Gegenwart. Dass in die letzter bereits Enndzeitartiges hereinragt, das wurde schon an manchen Punkten gezeigt. Einige Besonderheiten dürfen noch angeführt werden, nicht in dem Sinn, als Offenbarung vorläge, aber doch in dem Sinn, als ob denselben bereits die e i g e n t l i c h e Erfüllung von Worten der Offenbarung vorläge, aber doch in dem Sinn, dass darin eine V o r stufe der Erfüllung offenbar wird. Offb 6:4: „Der Friede wurde genommen von der Erde“ - wie sehnt sich die ganze Welt nach Frieden und müht sich darum, ihn zu finden und zu sichern: den Seelenfrieden, den Frieden im Innern der Völker und den Völkerfrieden selber! Etwas aus den Posaunengesichten: Offb 8:8 berichtet Johannes, er habe etwas wie einen großen Berg mit Feuer brennend vom Himmel herabstürzen sehen. Eine Ahnung davon, was das in sich schließen könnte, haben wir bereits bekommen in der Zeit der Bombennächte, und noch mehr beim Fallen der zwei Atombomben, die den zweiten Weltkrieg vollends abgeschlossen haben. Offb 8:9: „Der dritte Teil der Schiffe wurde verderbt“: was ist geschehen durch den U-bootkrieg! Offb 9:1ff: da sah Johannes die Hölle offen. Haben wir nicht schon manchmal unter dem Eindruck gestanden, dass die Hölle buchstäblich l o s sei! „Die Städte der Völker fielen“. (Offb 16:19): in welchem Maß sind in diesem Krieg die Städte gefallen! - Auch die genannten Tatsachen sind ein Beitrag zum Endgeschehen. Aber Gott sei Dank, dass seine Gnade in dem Herrn Christus mächtiger ist als alle menschliche Sünde (Röm 5:20), und dass seine Barmherzigkeit sich rühmen wird wider das Gericht (Jak 2:13)!

Endzeitartiges in der Gegenwart

Mit einigen letzten Worten seien die vorstehenden Randbemerkungen zum Abschluss gebracht. Sie gingen aus von der Lage Deutschlands; nicht nur von der äußeren, dass es ein unter der Niederlage, und dem Druck stehendes Volk ist, sondern noch mehr von der inneren, dass es nämlich zu einem Volk geworden ist, das sich nur mit Mühe noch zurechtfindet, und das unter einer großen Schuld steht, über die es sich erst vollends klar werden muss, damit es den Weg findet zur Buße, zur Vertiefung und zu neuer Aufrichtung durch den Herrn aller Welt, der auch sein Herr ist, und der sich in seiner Geschichte, zumal in seiner inneren, schon überreich erzeigt hat durch die Jahrhunderte hindurch. Ja, aber warum muss gerade D e u t s c h l a n d in solcher Lage sein und darin ausharren? - Es ist, nur in abgestuftem Maß, eine ähnliche Frage wie die, die auf dem Gemüt des Paulus lag im Blick auf sein eigenes Volk, siehe Röm 9-11. „Wer hat des Herrn Sinn erkannt, oder wer ist sein Ratgeber gewesen?“ (Röm 11:34). Mit kleinen zeitgebundenen Auskünften lässt sich eine solche Frage nicht beantworten. Sie wird nur im Rahmen des ganzen biblisch beleuchteten Menschheitsgangs einigermaßen verständlich. Hierzu noch einige Gedanken, aber nur zur E r w ä g u n g , ohne den Anspruch, damit eine Lösung der dringenden Frage darzubieten.

Brennpunkte des Weltgeschehens

Es war schon von den drei Menschheitsgruppen die Rede, und die Frage wurde bereits gestreift, ob nicht im Licht der Gesamtgeschichte gesehen das d e u t s c h e Volk innerhalb der japhethitischen Völkergruppen eine Art Schlüsselstellung einnehme (nicht als ob es vor anderen Völkern etwas voraus hätte) und das j a p a n i s c h e innerhalb der hamitischen; die Schlüsselstellung nicht nur innerhalb der semitischen Gruppe, sondern im Menschheitsganzen überhaupt, nimmt I s r a e l ein als Volk der Wahl Gottes, den die Berufung dieses Volkes nicht gereut trotz dessen langen Unglaubens gegenüber seinem König, der der Sohn des lebendigen Gottes ist.

Auch das a r a b i s c h e Volk hat als das Israel nächst verwandte Volk an der genannten Schlüsselstellung innerhalb der Weltgeschichte einen Anteil. Ob von hier aus nicht ein gewisser Einblick sich auftut zum Verständnis dafür und zum Stillewerden darüber, dass gerade D e u t s c h l a n d handelnd und leidend seit einem Dritteljahrhundert im Brennpunkt der Weltgeschichte steht. „Handelnd und leidend““: es sei noch hinzugefügt: schuldig geworden, wenn auch ohne u n m i t t e l b a r e s Wissen und Wollen. Auch d i e Geschichtstatsache steht von diesem Standort aus in einer gewissen Beleuchtung, inwieweit gerade J a p a n es ist, das in der neueren Zeit die Geschichte Ostasiens und der Welt so tief beeinflusst hat. Und nicht weniger die andere Tatsache, dass das Volk der Wahl Gottes, in solchem Maße aus seinem Verschwundensein unter der Völkerwelt herausgeholt, und zu einem Angelpunkt des Weltgeschehens geworden ist, leidend und handelnd und wartend.

Wenn der Gedanke von der Schlüsselstellung nicht nur Israels und der Araber, sondern in abgestuftem Maße auch Deutschlands und Japans richtig ist, dann ist die weitere Wahrnehmung erklärbar, dass diese Völker in besonderem Maße auch Zielpunkt der s a t a n i s c h e n Welt geworden sind, die sich gerade i h r e r zu bemächtigen, und sie sich dienstbar zu machen gesucht hat und sucht. Wer besonders begnadigt ist, steht, wenn er nicht betet und wacht, in besonderem Maße in der Versuchung und in der Gefahr zu fallen.

Aber die anderen Völker, in erster Linie die Weltvölker, die kleinen aber ebenfalls, erleben in ihrer Weise gleichfalls Gottes Gnade und satanische Versuchung, wenn die letzteren auch in anderen Formen, zu anderer Zeit und von anderen Ansatzstellen aus an sie herantreten mag.

Der Ernst des Gerichts und die Größe des Erbarmens

Ein weiterer Gedanke: Gottes Werk ist noch nicht am Ende. Beides ist ganz ernst zu nehmen: Seine G e r i c h t e , die i n n e r h a l b des Einzel- und Völkerlebens, die E n d gerichte, das j ü n g s t e Gericht, die Gerichte n a c h dieser Welt und Zeit. Es ist eine gefährliche Sache, an diesen Gerichten auch nur das Geringste abzubrechen, umso mehr, als wir ja in diesen Gerichten d r i n stehen. Aber Gottes E r b a r m e n ist ebenfalls nicht am Ende. Ja, seine Gerichte müssen seinem Erbarmen den Boden bereiten. Darum Furcht und Glauben! B e i d e s , nicht nur das eine oder das andere! Furcht a l l e i n erstickt den Glauben; Glauben ohne Furcht macht oberflächlich und leichtsinnig. Immer Gott fürchten, damit du glauben kannst und glauben lernst, für dich und die Deinen, für dein Volk und für die Welt, für die Lebenden und für die Abgerufenen!

Zum Schluss einige Verse aus der Schweizer Ausgabe des Losungsbüchleins 1946:


Es ist ein Wort ergangen,
das geht nun fort und fort
und stillt der Welt Verlangen,
wie sonst kein ander Wort.
Lauf, Wort, mit allen Winden
durch jedes Volk und Land,
dass sich die Völker finden,
so wie das Wort sie fand.


Wir stehn im letzten Kampf und Strauss,
wo Tod und Leben ringen.
Drum bleibet treu und haltet aus,
sonst kann’s uns nicht gelingen.
Es stürzt die Welt, die alte, ein
nur Jesu Christi Reich allein
ersteht auf ihren ihren Trümmern.


Zuletzt wird doch die Gnade siegen;
zuletzt wird auch der Hölle Macht
besiegt zu Jesu Füßen liegen,
der die Erlösung hat vollbracht.
Er stellt die Welt erneut ins Licht
vor seines Vaters Angesicht.


Wir hängen unsere Herzen nicht
an Väter und Regierer.
Nur Er ist unsere Zuversicht
und Herr und Haupt und Führer.


Das soll er noch mehr werden und es bleiben in Ewigkeit!