Wird das Abendland untergehen?

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Abschrift des Heftes: Wird das Abendlang untergehen?
Friedrich Malessa, (1946)

Buchdruckerei H. Wolf, Öhringen (Württ.) 2. Auflage 1952

Siehe weitere Abschriften

Vorwort zur 2. Auflage

Die anhaltende Nachfrage nach dieser Schrift veranlasst uns, sie erneut aufzulegen. Seit dem Erscheinen der 1. Auflage im Herbst 1949 ist die Frage nach dem Schicksal des Abendlandes, das zugleich unser eigenes Schicksal ist, noch brennender geworden, zeigt doch die politische und wirtschaftliche Entwicklung der letzten Jahre nur allzu deutlich, dass das Abendland sich in der Auflösung befindet. Darüber können auch gewisse Anzeichen, die scheinbar das Gegenteil beweisen, nicht hinwegtäuschen. Fast alle Fortschritte und deren Tempo werden von der Furcht diktiert. Aberglauben, Hoffnungslosigkeit und Selbstsucht haben dem Dasein jeden Sinn genommen. Am Ende steht die Auswegslosigkeit, die Verzweiflung. Mehr oder weniger sind alle Lebensgebiete von Untergangsstimmung erfüllt.

Sollen wir uns einfach damit abfinden? Die vorliegende Schrift ist ein Versuch, dem Ursprung des Abendlandes, seiner Aufgabe innerhalb der Völkerwelt, und seiner Bestimmung nachzugehen, sowie die Zeichen der Zeit zu deuten. Mit der Beantwortung dieser Fragen möchte der Verfasser lediglich der Wahrheit dienen. Das ermuntert uns dazu, ihm die Gelegenheit zu bieten, seine Stimme abermals zu erheben. Möge sie nicht überhört werden.

W ü s t e n r o t , Pfingsten 1952
D e r V e r l a g

Wird das Abendland untergehen?

Großes Aufsehen erregte Oswald Spengler mit seiner Darlegung: „Der Untergang des Abendlandes“. Als Geschichtsphilosoph versuchte er nachzuweisen, dass das Abendland aufgrund seiner überspitzten kulturellen und zivilisatorischen Entwicklung sein Ende finden wird.

Viele sind durch Spengler hellhörig geworden. Andere haben lebhaft widersprochen. Im allgemeinen ist Spenglers Feststellung infolge der abendländischen Scheinblüte bald in Vergessenheit geraten. - Dinge, die auf sich warten lassen, werden unwichtig.

Der Mann, der Deutschlands Geschicke in kurzer Zeit so verhängnisvoll gestaltete und das deutsche Volk in den Abgrund führte, hat in einer seiner Kulturreden gegen Spengler Stellung genommen und behauptet, er werde es ihm beweisen, dass das Abendland nicht untergehen, sondern die Führung übernehmen wird! - Der Beweis ist ausgeblieben.

Durch das umwälzende Geschehen der letzten Jahre ist Spenglers Prophezeiung erneut wichtig geworden. Wichtig nicht nur den Geschichtsphilosophen, sondern auch den Christen. Auch sie sind stark interessiert, weil sie vielfach der Meinung sind, dass mit dem Abendland die ganze Welt steht oder fällt.

Christen ziehen die Bibel zu Rate. Für sie ist die „Himmelreichs-Philosophie“ maßgebend. Wenn diese mit der Geschichtsphilosophie übereinstimmt, dann ist das ganze Anliegen doppelt wichtig.

So soll in dieser Abhandlung über die Abendlandsfrage allein die Bibel zu Worte kommen. Wir sind davon überzeugt, dass sie eine genaue Antwort geben wird, und wollen sie antworten lassen, indem wir an sie die Frage richten: Wird das Abendland untergehen?

Das Abendland

Zunächst ist es wichtig, den Begriff A b e n d l a n d zu klären. Die Benennung „Abendland“ ist älter als die Abendländer im allgemeinen wissen. Rund 2000 Jahre vor unserer Zeitrechnung erhielt Jakob eine Weisung, wonach seine Nachkommen auch „gegen den Abend“ wohnen werden. „Und der Herr stand oben darauf (auf der Leiter) und sprach: Ich bin der Herr Abrahams, deines Vaters Gott und Isaaks Gott; das Land, darauf du liegst, will ich dir und deinem Samen geben. Und dein Same soll werden wie der Staub auf Erden, und du sollst ausgebreitet werden gegen Abend, Morgen, Mitternacht und Mittag; und durch dich und deinen Samen sollen alle Geschlechter auf Erden gesegnet werden“ (1Mo 28:13.14). Seit jener Zeit besteht das Abendland.

Weiter ist zu berücksichtigen, dass das Abendland von einem bestimmten Ort aus gesehen wurde. Beer-Seba und Haran sind genannt (1Mo 28:10). Das waren Orte in Palästina. Von da ist in der Sonnenuntergangsrichtung das Abendland festgestellt. Somit gewann das Abendland nicht nur eine nominelle, sondern vornehmlich eine geographische Bedeutung. Das Abendland ist für alle Zeiten und für alle Erdteile zu einem allgemeingültigen geographischen Begriff geworden.

Diese geographische Bestimmung des Abendlandes ist nicht nur im Geographischen begründet. Jakob wollte und sollte bei seinem Erlebnisbericht nicht nur geographische Kenntnisse vermitteln, sondern er hat anzeigen wollen, dass in den genannten Himmelsrichtungen bestimmte Menschen wohnen werden. Das Sesshaftwerden bestimmter Menschen war die Veranlassung zur Benennung der Kontinente nach ihren Himmelsrichtungen. Menschen, die in alle Himmelsrichtungen verteilt wurden, erhielten ihren kontinentalen Namen: Abendländer, Morgenländer, Mittagsländer, Mitternachtsländer.

Wir erkennen, dass es die Menschheit betreffende Gründe sind, die den Ländern ihre Bestimmung gegeben haben. Die Menschheitsfrage ist hier ausschlaggebend. Menschheitsordnungen, Menschheitsgeschichte sind hier grundlegend zu berücksichtigen.

Die Menschheitsgeschichte

Wir werden uns darum mit der biblischen M e n s c h h e i t s g e s c h i c h t e kurz zu befassen haben.

Die heutige Menschheit hat ihren Anfang in Noah (1Mo 6:10). Aus seinen drei Söhnen erstanden die drei Völkerfamilien: Semiten, Hamiten, Japhetiten. Diese Menschheitsgruppen sind in ihrer Eigenart bis auf den heutigen Tag klar zu erkennen.

Festzustellen ist die kontinentale Verteilung der Völkergruppen. Die Semiten erhielten nach der Verheißung das Morgenland als Erbe. In und um Asien ist die ganze semitische Völkerfamilie gruppiert. Die Hamiten wohnen zum größten Teil im Mittagsland. Das ist das „heiße“ Land, das Tropenland. Die Japhetiten wohnen im Abendland. Das ist Europa mit dem Herzstück Deutschland!

Die Charakterisierung der Völkergruppen ist uns am deutlichsten in Noahs Fluch- und Segensspruch angedeutet: „Verflucht sei Kanaan und sei ein Knecht aller Knechte unter seinen Brüdern! Gelobt sei der Herr, der Gott Sems; und Kanaan sei sein Knecht! Gott breite Japhet aus und lass ihn wohnen in den Hütten des Sem; und Kanaan sei sein Knecht!“ (1Mo 9:25-27). Dieser „Spruch“ Noahs ging haargenau in Erfüllung und behält bis zum Ende der Menschheitstage seine unumstrittene Gültigkeit. Er kennzeichnet die Völkergruppen in ihrer rassischen, kulturellen, sozialen und religiösen Unterscheidung. Sehen wir sie uns in Kürze an.

Die Hamiten

Die H a m i t e n sind die „M i t t a g s l ä n d e r“*. Sie sind tropenbestimmt. Das „Mittagsland“ hat sie physisch und auch geistig geprägt. Sie sind „dunkel“ dem Leibe und dem Geiste nach.

*Ham bedeutet: warm, hitzig, verbrannt, schwarz.

Ihre kulturelle Haltung zeigt stark die tropische Einwirkung. Die „Mittagssonne“ hat sie zur Untätigkeit verurteilt. Sie lagern viel im „Schatten“ in den „Zelten“ und haben weniger Verlangen nach kultureller Betätigung, als vielmehr den Trieb zum ausschweifenden Geschlechtsleben. Die Sexualfrage hat Ham den Fluch eingebracht (1Mo 9:22).

Ihre soziale Haltung ist gleichfalls tropenbestimmt. Sie kommen mit ihrem Sozialismus kaum über ihre „Hütte“, das heißt über ihre Familie oder Sippe hinaus. Ihr soziales Leben ist in der Hauptsache familiär.

Gleicherweise ist auch ihre nationale und völkische Haltung. Sie sind viele Völker in einem Volk. Selten reicht ihr völkisches Bestreben weit über ihre Wohnstätte hinaus. Darum sind sie kraftlos und der Willkür anderer Völker ausgesetzt. Sie werden ausgenutzt, ausgebeutet, unterdrückt, versklavt. Sie sind Sklaven. Wir können sie mit einem Wort kennzeichnen: S k l a v e n t r ä g e r !

Dem entspricht ihre religiöse Haltung. Ihre kultische Ordnung ist verworren. Genauso verworren ist auch ihre religiöse Denkweise. Die Größe der Verworrenheit bestimmt die Größe der Religion. Die Summe der religiösen Denkrichtungen gibt dem ganzen kultischen Leben das Gepräge. Es kann vorkommen, dass alle Dinge, die das Denken ausfüllen, zum religiösen Inhalt erhoben werden. Was Wunder, wenn sogar das Sexualleben kultisch bewertet wird!

Die Semiten

Die S e m i t e n sind die „M o r g e n l ä n d e r“* Sie sind von der Morgensonne gekennzeichnet. Sie schauen den „Aufgang der Sonne“. Sie richten ihren Blick zum „anbrechenden Licht“. Sie lassen sich von „jenen Welten“ bestimmen. Sie sind transzendent orientiert. Die „himmlischen Dinge“ haben bei ihnen den Vorrang. Sie fragen nach der überirdischen Bestimmung. Sie suchen die Verklärung der irdischen Verhältnisse von „oben“ her. Sie fragen nach den „lichtvollen“ Einwirkungen. Sie fragen nach den Offenbarungen. Mit einem Wort: Sie sind die O f f e n b a r u n g s t r ä g e r !

*Sem bedeutet: Name, namhaftig, Namensgedächtnis, Ruf, Ruhm.

Das kultische Leben hat bei ihnen den Vorrang. Sie leben das aus, was Noah für sie zu sagen hatte: „Gelobt sei der Herr, der Gott Sems“. Der Semiten Gott ist d e r Gott; nicht ein Gott. Sie bleiben in der Gottheitslehre die Bestimmenden. Ihre Gottesauffassung ist auch den anderen Völkergruppen, sonderlich den Japhetiten, richtungsweisend. Die gesamte Religionslehre stammt grundsätzlich „aus den Hütten Sems“. Die Semiten sind zweifellos die Träger der Gottesoffenbarung!

Auf kulturellem Gebiet hat der Kult den Vorrang. Kultisch ist die semitische Kultur. Dementsprechend ist ihre nationale und völkische Haltung. Man kann sagen: Kultisch ist ihr Volksleben und ihr Volksanspruch. Sie leben als Volk unter der Führung Jehovas. Ihr Jehova hat sein Volk; und das ist das semitische Volk. Dieses sein Volk ist das Volk der Völker. Alle Völker haben ihre Ausrichtung von diesem Volk. Der Führungs- und Herrschaftsgedanke beherrscht dieses Volk. Theokratie (Gottesherrschaft, Priesterreich) ist das Ziel ihrer völkischen Entwicklung. Darum huldigen die Semiten dem theokratischen Prinzip!

Das soziale Leben bewegt sich gleichfalls auf dieser Linie. Die Semiten sind untereinander „Brüder“* Sie lassen ihr Leben für die Brüder. Sie stehen füreinander ein bis zur letzten Möglichkeit. Darum ist ihnen die soziale Frage weniger eine Frage, sondern vielmehr eine Tat! Sozialismus ist für sie kein Problem, kein Schlagwort, kein Verhandlungsgegenstand, sondern das Feld der höchsten Betätigung. Darum gibt es unter den Semiten aufs Ganze gesehen weniger sozial Bedürftige, als vielmehr sozial Bediente. Solidarität ist ihr Lebensgrundsatz!

* Bei der vorliegenden Volksgruppenbewertung ist das im Zentrum des Semitentums stehende Judenvolk sonderlich berücksichtigt worden. Dieser Zweig der Semiten steht heute im Mittelpunkt des Welturteils und ist bei aller Diskussion ausschlaggebend. Wenn hier die Solidarität der Semiten so stark unterstrichen wird, so betrifft das zunächst die Semiten im Judentum. Die Solidaritätsfrage der Gesamtsemiten ist eine Zukunftsfrage, die auch gelöst werden wird. Das Semitenproblem tritt augenblicklich ins akute Stadium ein. Die Regelung der Landesgrenzen wird die Regelung der Stammesgrenzen nach sich ziehen. Eins nach dem anderen.
Gleichfalls ist in dieser Abhandlung auch bei der Beurteilung der Japhetiten an die zentrale und ausschlaggebende Nation gedacht worden. Alle übrigen Japhetiten, die weltweit verbreitet sind, bleiben bei der Beurteilung nicht im zentralen Blickfeld.

Die Japhetiten

Die J a p h e t i t e n sind die „A b e n d l ä n d e r*“ Die Prägung der Japhetiten ist „abendländisch“. Ihr „Tagewerk“ ist vollbracht. Sie sind in jeder Tätigkeit an der Spitze. Sie haben die vollendete Arbeit.

Die japhetitische Kultur ist ebenfalls „abendländisch“, d. h. sie ist die späteste, darum auch die abgeklärteste, die wertvollste. Sie hat den Vorrang. Sie hat Weltgeltung. - Noahs Segensspruch besagt: „Gott mache Japhet weit“. Mit diesem Satz ist die ganze Größe und Weite der Kultur angedeutet. Die Japhetiten sind die K u l t u r t r ä g e r !

In sozialer Hinsicht sind die Japhetiten die letzten, darum auch die gründlichsten. Ihr Sozialismus trägt die höchste Ausprägung. Im Abendland ist der Sozialismus volkserfassend, darum umfassend und führend.

Die völkische Haltung der Japhetiten ist ebenfalls im „vollbrachten Tagewerk“. Sie hat die höchste Ausbildung. Sie ist äußerst national. Der Nationalismus geht oft über alles. Der abendländische Nationalismus gewinnt nicht selten kultische Werte.

Darum ist der Kult der Abendländer sehr „abendländisch“. Er ist im „Feierabend“. Er ist „fertig“ - „Aus den Hütten Sems“ ist hergeleitet der Mystizismus (Wunderglaube); aus dem Nationalsozialismus ist hergeleitet die Säkularisation (Verweltlichung). Darum diese merkwürdige gläubig-ungläubige Mischung der abendländischen Religion.

Das Resultat der Entwicklung

Der Überblick über die gesamte Menschheitsgeschichte zeigt eindeutig das Resultat der Entwicklung. Mit einigen Sätzen stellen wir fest:

Die H a m i t e n haben ihre Lebensgeschichte unter der „sengenden Sonne“. Wie das Erdreich in den Tropen im Frühjahr eine prächtige Vegetation entfaltet um sie im Sommer verdorren zu lassen, so ist die hamitische „Familie“ nach einem imposanten Anfang in der Glut der Lebensgeschichte zu einem unbeachtlichen, zertretenen Gebilde verkümmert. Das Resultat der hamitischen Lebensgeschichte ist sklavische Abhängigkeit von anderen Völkern. Noahs Wort: „Knecht aller Knechte“ hat grundlegende Bedeutung.

Die S e m i t e n stehen mit ihrer Lebensgeschichte unter der „aufgehenden Sonne“. Wenn gleich sie der „Morgenreif“ in der Entwicklung hier und da stark gehindert hat, so bleibt doch die Tatsache, dass die Semiten für ihren Lebenslauf den „Tag“ noch vor sich haben. Die Semiten haben noch eine große und lange Zukunft. Die Missgunst anderer Völker ändert an dieser Tatsache nichts. Noahs Wort: „Gott breite Japhet aus und lasse ihn wohnen in den Hütten des Sem“ wird sehr wahrscheinlich auch für die „verklärte Zukunft“ große Bedeutung haben.

Die J a p h e t i t e n sind Menschen des Abends. Mit dem Abend hat es eine zweifache Bewandtnis. Zunächst ist eine Reife in der Entwicklung festzustellen. Am Abend ist das Werk vollbracht. Der höchste Wert ist erreicht. Aber es ist schließlich auch das Ende da. Feierabend! Weiter will es und soll es nicht gehen. Der Tag ist beendet. Die Nacht tritt ein. Schluss mit aller Strebsamkeit! Noah wird Recht behalten: „Gott breite Japhet aus und lasse ihn wohnen in den Hütten Sems“. Die Reihenfolge ist wohl zu beachten: erst Ausbreitung, hernach Wohnung in den Hütten Sems.

Was ist also das Gesamtresultat! Am Ende der M e n s c h h e i t s g e s c h i c h t e übernimmt S e m die F ü h r u n g ! So lautet die Verheißung, so wird auch die Erfüllung sein!

Wenn das der Fall ist, so werden die Befehlsstellen und Machtzentren an den Wohnort der Semiten verlegt werden müssen. Die Verlagerung der „Regierung“ vom Okzident nach dem Orient muss demnach eintreten.

Der Zug ins Morgenland

Somit haben wir uns im weiteren mit dem Z u g ins M o r g e n l a n d zu befassen. Eine tiefgreifende Zeiten- und Geschichtswende haben wir festzustellen.

Wir wollen uns darüber im klaren sein, dass nicht die ganzen Semiten den Zug nach dem Morgenland durchführen werden, sondern nur ein Zweig der semitischen Völkergruppe. Das ist der Zweig, der welt- und heilsgeschichtlich von größter Bedeutung ist. Es sind die aus den Semiten kommenden Juden, schließlich die Israeliten. Dem Semiten Jakob ist die Verheißung gegeben worden: „Das Land, darauf du liegst, will ich dir und deinem Samen geben.“ Jakob, der Vater Israels, empfängt für seine persönliche Nachkommenschaft das eigentliche Morgenland. Von da ab gehört Israel ins Morgenland mit der zentralen Stadt Jerusalem und dem heiligen Berg Zion. Das Morgenland, verankert in den Begriffen Jerusalem und Zion, ist für Israel die Heimat!

Doch warum der Zug in die Heimat? War und ist Israel nicht in der Heimat? Seit wann nicht und warum nicht? Dem Vater Israels ist gesagt worden, dass sein Same ausgebreitet werden soll gegen Abend, Morgen, Mittag und Mitternacht, d. h.: in alle Welt. Zweck der Ausbreitung ist: „Durch dich sollen gesegnet werden alle Geschlechter auf Erden“ (1Mo 28:13.14). Israel ist der Offenbarungsträger. Wie weit der einzelne Israelit ein Offenbarungsträger wurde, und wie weit ganz Israel in den Zeiten der Offenbarungsträger sich bestätigte, sei dahingestellt. Sehr oft ist Israel auch zum Fluch geworden. Und doch wird trotz allem Israels Auftrag gelten: Offenbarungsträger in aller Welt.

Nun kommt der Augenblick, dass Israel aus aller Welt gesammelt und geführt werden muss in seine Heimat. Nun setzt der Zug nach dem Morgenland ein. Fortan erhält Israel die Bestimmung, der Offenbarungsträger in der Heimat und aus der Heimat zu sein. Die Aufgabe in der weiten Welt ist erfüllt. Jetzt ersteht die Aufgabe an der weiten Welt. Die Fremdlingsschaft ist beendet, die Heimkehr hat begonnen.

Für die Heimkehrer sorgt nicht nur die Sehnsucht des israelitischen Herzens. Dafür sorgen auch unzählige Verhältnisse und Menschen. Einen entscheidenden Beitrag hierzu hat Hitler geliefert. Auch er war Mittel zum Zweck. - Die Mittel, die die Heimkehr Israels beschleunigen helfen, sind manchmal sehr brutal. Doch was tut’s, wenn nur der Zweck erreicht wird. Auf den Zweck kommt es an.

Nach Osten ausgerichtet

So wurde Israel sehnsuchtsmäßig und auch führungsmäßig in allem und zu allen Zeiten „gegen den Morgen“ ausgerichtet. Israel baute den Tempel mit allen seinen wesentlichen Einrichtungen nach dem Osten (Hes 47:1-3). Die ganze Volkshaltung war nach Osten ausgerichtet. Selbst die Grabstätten wurden nach dem Osten angelegt. Die brennende Sehnsucht Israels ging nach dem geliebten Zion (Jes 30:19; Jes 35:10; Jer 31:6). Das heilige Land ist das große Erbe (Jes 57:13; Dan 2:44; Dan 7:27). Unauslöschlich ist das Morgenland den Israeliten in Herz und Sinn geprägt.

Die Stunde der Heimkehr ist da*! Die Juden (eigentlich Israeliten) befassen sich ganz ernsthaft und energisch mit der Wiederherstellung des jüdischen Staates. Der Zug ins Morgenland hat tatkräftig eingesetzt. Die Heimfahrten haben begonnen: Sogar Schwarzfahrten werden gewagt und unter großer Lebensgefahr durchgeführt.

* Diese Abhandlung ist im Sommer 1946 verfasst und an verschiedenen Plätzen vorgetragen worden. Die hier erwähnten, auf Sammlung der Juden in Palästina hinweisenden Geschehnisse, sind indes markant bewiesen worden. Nunmehr ist nicht mehr von der Heimkehr der Juden zu reden, sondern von dem Dasein des jüdischen Staates. Israel ist als Nation proklamiert worden.
Die Proklamation hatte mindestens drei wichtige Merkmale:
1. Das Vakuum der Proklamation.
2. „I s r a e l“ wurde proklamiert. Ob dieser Name den Begriff „Ganz-Israel“ irgendwie darstellen soll?
3. Das Proklamation erhielt Felsengrund, indem Russland und Amerika sofort rückhaltlos ihre Zustimmung gaben.
So war es möglich, dass Israel im Augenblick wie eine Sphynx politisch und strategisch berückend in Erscheinung trat. So war es möglich, dass die für Israel notwendigen Atempausen in Form von Waffenruhen nach Bedarf befohlen werden konnten. So war es möglich, dass die immerhin respektablen vereinigten Staaten Arabiens samt Ägypten bald ins Hintertreffen geraten mussten. - Es begann die Maßregelung Ismaels; und das nicht nur von den eigenen Hausgenossen (1Mo 21:9-21). - So war es möglich, dass der aufsehenerregende Mord an dem aller Welt sympathischen und edlen, aber nicht ganz gefügigen Grafen Bernadotte so bald vergessen wurde. So war es möglich, dass der dramatische Abschuss der fünf englischen Flugzeuge als ein bedauerlicher Zwischenfall verbucht, und zum Anlass der beschleunigten Staatsanerkennung Israels von Seiten Englands wurde. So war es möglich, dass in der so kurzen Zeit die bedeutenden Staaten der Welt Israel de facto anerkannten. Sollten die weiteren Möglichkeiten nicht gleichfalls in Erfüllung gehen? Wer will das verhindern?

Führende Männer der gegenwärtigen Weltpolitik stellen offen fest, dass das Palästinaproblem das größte Problem der Weltgeschichte geworden ist. Es geht um die Sondierung der Rechtsfrage: Haben die längst ausgewanderten Juden noch Anspruch auf Palästina, oder die längst eingewanderten Araber? Wessen Heimat ist Palästina? Diese Rechtsfrage hat auch schon unliebsame Veränderungen, ja sogar blutige Auseinandersetzungen hervorgerufen. Noch ist das Problem nicht gelöst. Ehrlich gemeinte Vorschläge, wie „Teilung Palästinas“, werden gegeben, aber sowohl von den Juden, als auch von den Arabern entschieden abgelehnt.

Teilung? Was bedeutet in diesem Falle Teilung? Verzicht! Wer will verzichten? Wer wird verzichten? Die Lösung durch Teilung ist keine Endlösung. Das von Gott gegebene „Erbe“ darf nicht geteilt werden. Die Juden setzen sich mit dem Einsatz ihres Lebens für das ungeteilte Erbe ein. - An dem Gelingen braucht wohl nicht gezweifelt zu werden. Dafür wird schon das Weltjudentum sorgen!

Der Zug nach dem Morgenland ist nicht mehr aufzuhalten. Zu stark ist das durch mancherlei Verhältnisse veranlasste Heimweh der Juden. Doch nicht allein das, sondern auch, weil die „Stunde“ da ist! Die Stunde des Morgenlandes hat geschlagen. Dieses göttliche Signal kann niemand mehr zum Schweigen bringen. Es tönt fort.

Das Land der Zukunft

Die Lösung der Morgenlandfrage hat Eile. Und genauso wie sie eilig gelöst werden soll, so muss sie auch gründlich gelöst werden; denn das M o r g e n l a n d ist das L a n d der Z u k u n f t !

In Dan 2:44 und Dan 7:27 lesen wir: „Aber zur Zeit solcher Königreiche wird der Gott des Himmels ein Königreich aufrichten, das nimmermehr zerstört wird; und sein Königreich wird auf kein anderes Volk kommen. Es wird alle diese Königreiche zermalmen und zerstören; aber es wird ewiglich bleiben. - Aber das Reich, Gewalt und Macht unter dem ganzen Himmel wird dem heiligen Volk des Höchsten gegeben werden, dessen Reich ewig ist, und alle Gewalt wird ihm dienen und gehorchen.“ Eigenartig ist diese biblische Weissagung. Empörend für die anderen Völkergruppen. Diese Empörung hat sich bereits in mancherlei Judenhass kundgetan. Zu ändern ist aber daran nichts! Israel hat die Verheißung, nicht nur allein das Land zu empfangen, sondern auch als Volk anderen Völkern zum Segen gesetzt zu werden. „Durch dich sollen gesegnet werden alle Geschlechter auf Erden“.

Damit ist die große Tatsache festgestellt, dass die endgültige Weltführung dem israelitischen Volke vorbehalten bleibt. Dieses Weltführervolk wird sein glorreiches Reich im Morgenland haben. Das Morgenland wird Weltgeltung erhalten!

Wenn aber das Morgenland die Zentrale der Weltregierung werden wird, was soll dann mit dem Abendland geschehen? Wird es daneben bestehen? Das ist nicht anzunehmen. Die Führung kennt und duldet keine Dublette. Das Abendland gerät ganz gründlich ins Hintertreffen. Die für die Abendländer sehr bittere Konsequenz heißt:

Untergang des Abendlandes!

Wahrhaftig, das ist für die stolzen und selbstbewussten Abendländer eine niederschmetternde Feststellung. Sollte diese Feststellung vielleicht nur Theorie sein? Um hier klar sehen zu können, ist es nötig, die gegenwärtigen Verhältnisse des Abendlandes unvoreingenommen und nüchtern anzuschauen. - Bei dieser Beobachtung wollen wir die Tatsache nicht aus dem Auge lassen, dass das Herzstück des Abendlandes Deutschland ist. Die Vorgänge des Herzens sind ausschlaggebend für den ganzen Körper. Der Blick auf Deutschland klärt die Gesamtlage.

Wir erinnern uns der Prophezeihung Noahs: „Gott breite Japhet aus.“ In der Tat ist Japhet sehr weit ausgebreitet gewesen; mehr noch in der Qualität als in der Quantität. Die Japhetiten hatten auf allen Gebieten die Führung. Führend waren sie in ihrer Kultur, führend in der Kunst, führend in der Technik, führend in der Industrie, führend in der Chemie, führend in der Medizin, führend sogar in der Theologie, nachdem sie in den „Hütten Sems“ die Gottesoffenbarung empfangen haben. Was auch genannt werden mag, in allem waren die Abendländer die unbestrittenen Führer.

Hier drängt sich uns die Frage auf, die auch immer wieder gestellt wird: Lassen sich Völker mit solchen hervorragenden Führerqualitäten verdrängen? Ist das überhaupt möglich? Der Blick auf das heutige Abendland klärt die Frage eindeutig. - Vergessen wir nicht, das Herzstück des Abendlandes sonderlich zu beachten.

Das Abendland in Demontage

Die „ausschlaggebende“ Industrie wird systematisch über die Grenzen des Abendlandes verlegt. Erfinder und Wissenschaftler werden „umgesiedelt“. Vorhandene Naturschätze werden für neue Verwertungen zur Verfügung gestellt. Die Wirtschaft des Abendlandes wird mit aller Energie gefördert, damit der vorgesehene Ertrag am neuen Bestimmungsort nutzbar gemacht werden kann. Zu gleicher Zeit wird das Wirtschaftsleben sehr stark gedrosselt, damit die Eigenkraft sich nicht über das vorgesehene Maß erhebe. Erfindungen sind sehr erwünscht; ihre Patentierung wird allerdings anderweitig vorgenommen. Die abendländischen Kulturbringer sind der außerabendländische Kulturdünger geworden. - Es will schon was heißen, wenn offiziell der Welt bekannt gegeben wird, dass durch die deutschen Erfinder und Wissenschaftler die ausländische Technik um 10 Jahre vorgetrieben wurde.

Der Untergang des Abendlandes ist zu offensichtlich, so dass er nicht mehr verschleiert werden kann und darf. Der Zeitpunkt der Untergangsbewegung ist klar. Das Ende des zweiten Weltkrieges hat den Sturz besiegelt. Das Kriegsende ist der Anfang des Untergangs.

Wo ist nunmehr die Führung? Dem Abendland offenbar entglitten! Wo ist sie? Sie ist zunächst unsichtbar, sie ist in der „Schwebe“. Wenn z. B. vom Schachbrett eine wichtige Figur an eine andere Stelle gesetzt werden soll, so schwebt sie eine gewisse Zeit in der Luft. Wo sie war, weiß man. Wo sie gesetzt werden soll, weiß allein der Schachmeister. Inzwischen ist die Figur in der Umsetzung. So ist es gegenwärtig mit der Weltführung. Wo sie war, weiß man. Wo sie gegenwärtig ist, kann niemand sagen, weil sie in der Umsetzung begriffen ist. Wo sie sein wird, weiß allein der „Meister“. Wünsche, Prophezeiungen und Vermutungen der „Beobachter“ bleiben ohne Einfluss auf die vorsätzliche Planung des Meisters. Auch gut oder schlecht gemeinte Eingriffe der Beobachter bleiben ohne Erfolg. „Was er sich vorgenommen, und was er haben will, das muss doch endlich kommen, zu seinem Zweck und Ziel.“

Wir entsinnen uns, dass die Bibel die zukünftige Führung dem Morgenland zugedacht hat. Das in der Menschheitsgeschichte merkwürdige Volk Israel wird nach dieser Bestimmung in das Morgenland gesetzt. Beachten wir aber, dass Israel ins Morgenland gesetzt wird, nicht im allgemeinen Sinne, sondern im besonderen Sinne. Israel gehört ins Herzstück des Morgenlandes: Palästina! Der gesamte Körper des Morgenlandes erhält vom Herzen seine Direktionen. Genau wie auch das Abendland zum Herzstück - Deutschland - seine Bedeutung hat.*

* Merkwürdige Vorgänge: Deutsche mit Berlin im Zentrum des Abendlandes: Juden mit Jerusalem im Zentrum des Morgenlandes. Vertreter der Japhetiten (Kulturträger) und Vertreter der Semiten (Offenbarungsträger) polar auf der gleichen Linie. Diese Tatsache macht uns die lange deutsch-jüdische Berührung verständlich. Die Weltgeschichte zeigt zur Genüge solche Berührungspunkte. In den meisten Fällen war das Treffen dieser beiden Volksgruppen von aufsehenerregender Art, mal gewinnend, mal abstoßend. Immer aber war das Verhältnis von endgeschichtlicher Bedeutung. Juden und Deutsche tragen für die gesamte sich zuspitzende Weltgeschichte die größte Verantwortung. Wohl ohne Übertreibung kann gesagt werden: Juden und Deutsche machen die Endweltgeschichte.
"Berlin - Jerusalem im prophetischen Blickfeld". So lautet ein Vortrag, den ich im Herbst 1948 wiederholt gehalten habe. Sofern sich genügend Interesse zeigen wird, kann auch die Abhandlung veröffentlicht werden.

Biblische Morgenland-Weissagung

Soll die biblische Morgenland-Weissagung in Erfüllung gehen, dann muss das „weltweite“ Volk im Morgenland gesammelt werden. Israel muss das „gelobte Land“, das „Land, wo Milch und Honig fließt“, einnehmen. Sind für diesen Vorgang Anzeichen vorhanden? Ja!

Im großen Rahmen gesehen, kann bestimmt gesagt werden, dass nunmehr Asien im Mittelpunkt aller Weltinteressen steht. Angrenzende Länder und Meerengen sind viel umstrittene Objekte geworden. Gebiete mit „flüssigen Naturschätzen“ sind äußerst begehrenswert geworden. Das „verheißene“ Land steht im Brennpunkt aller Beratungen. Die Beratungen nehmen nie dagewesene Bedeutung an. Das Orientproblem ist das größte Problem geworden, weil davon nicht nur die Existenz einiger Völker abhängt, sondern die Neugestaltung der Welt. Die Diskussion um Palästina hat weltumspannende Bedeutung gewonnen. Diese Diskussion ist nicht mehr abzuschwächen, weil die Zentrale der Weltregierung schnellstens bestimmt werden muss. Die Zentrale der Weltregierung fehlt. Das Fehlen drängt zur Erledigung. Hieraus ergibt sich eine Zwangsläufigkeit ohnegleichen.

Dass bei solchen weltbewegenden „Verhandlungen“ die Meinungen der Partner hart aufeinanderstoßen, ist verständlich. Wie könnte es auch anders sein. Dass diese „Verhandlungen“ viel Zeit beanspruchen, ist ebenfalls verständlich. Die Härte und die Länge der Verhandlungen entsprechen der Größe des Verhandlungsgegenstandes. Zwei Länder bleiben dabei in fieberhafter Spannung: Das Abendland und das Morgenland. Das Abendland ringt um die entfliehenden Besitztümer; das Morgenland ringt um die aufzurichtenden Machtwerte. Abendländer und Morgenländer sind in der Krisis. Die Bewohner der anderen Erdteile hantieren an den in der Krisis befindlichen Patienten zum Teil teilnahmsvoll, zum Teil teilnahmslos herum und verrichten dabei notwendige Handlangerdienste. Alle dienen dem einen großen Zweck:

Aufrichtung der Weltherrschaft!

Zweifellos geht es nunmehr um die Aufrichtung der Weltherrschaft. Bis dahin ging es um die Führerstellung in der Welt, die durch hervorragende Fähigkeiten erworben wurde. Jetzt geht es um die diktatorische Herrscherstellung, die erzwungen werden muss.

Das große Merkmal des Endweltgeschehens ist die Konzentration der Weltmacht und der Weltregierung in einer Person. Personell wird die Endweltherrschaft geartet sein. Dieser Vorgang ist in der Ausreife. Der Weltdiktator ist im Anmarsch*!

* Bei diesem Gedankengang wird immer interessant gefragt: „Welche Nation stellt den Antichristen?“ Auf diese Frage komme ich eingehend in meiner weiteren Schrift: „Der Antichrist, sein Wesen, Werk und Ende“ (S. Seite 32) zu sprechen. Hier sei nur die Tatsache vermerkt, dass in der kommenden morgenländischen Machtzentrale nicht der Russe oder der Amerikaner regieren wird, sondern der Jude, gestützt auf die ideellen und materiellen Kräfte der Länder, die ihm zu dieser konzentrierten Macht verholfen haben. Die morgenländische Konzentration des Geistes mit der Materie geht jetzt vor sich.

Diese Entwicklung ist notwendig, denn sie ist eine Vorbereitung für das nachfolgende Reich Christi. Christus wird den Antichristus ablösen. Zwar wird diese Ablösung wiederum radikal polar sein. Entgegengesetztes Wesen wird offenbar. Aber es ist die Aufeinanderfolge zweier Weltreiche, die sich in der absoluten personellen Zusammenfassung gleich sind. Sehr beachtlich ist die Tatsache, dass das Vorausgehende immer dienlich, darum dem Nachfolgenden in vielem ähnlich ist.

Das Mitternachtsland

Bei dieser Schau dürfen wir das M i t t e r n a c h t s l a n d nicht übersehen. Es wurde schon als das Wohnland der Israeliten erwähnt, erhält aber seine eigentliche Bedeutung erst am Ende. Das Mitternachtsland ist in der Tat das Land der Mitternacht. Es liegt im tiefen Dunkel, ist völlig verschleiert, ist ganz geheimnisvoll, liegt hinter einem eisernen Vorhang, durch den niemand schauen kann.

Von „Mitternacht“ kommt die grimmige Kälte. In Hi 37:9 lesen wir: „Von Mittag her kommt Wetter, und von Mitternacht Kälte“. Diese bildliche Darstellung ist sehr sinnreich und von großer Bedeutung.

Vom Mitternachtsland kommt das größte Unglück. Jeremia schreibt: „Und es geschah des Herren Wort zum andernmal zu mir und sprach: Was siehest du? Ich sprach: Ich sehe einen heiß siedenden Topf von Mitternacht her. Und der Herr sprach zu mir: Von Mitternacht wird das Unglück ausbrechen über alle, die im Lande wohnen. Denn siehe, ich will rufen alle Fürsten in den Königreichen gegen Mitternacht, spricht der Herr, dass sie kommen sollen, und ihre Stühle setzen vor den Toren zu Jerusalem, und rings um die Mauern her und vor alle Städte Judas. - Fliehet ihr Kinder Benjamin aus Jerusalem und blaset die Trompete auf der Warte Thekoa, und werft auf das Panier über der Warte Beth-Cherem! Denn es gehet daher ein Unglück von Mitternacht und ein großer Jammer. - Siehe, es wird ein Volk kommen von Mitternacht, und ein groß’ Volk wird sich erregen vom Ende der Erde, die Bogen und Lanzen führen. Es ist grausam und ohne Barmherzigkeit; sie brausen daher wie ein ungestümes Meer und reiten auf Rossen, gerüstet wie Kriegsleute, wider dich, du Tochter Zion. Wenn wir von ihnen hören werden, so werden uns die Fäuste entsinken; es wird uns angst und weh werden wie einer Gebärerin. Es gehe ja niemand hinaus auf den Acker, niemand gehe übers Feld; denn es ist allenthalben unsicher vor dem Schwert des Feindes.“ (Jer 1:13-15; Jer 4:6; Jer 6:1.22-25). Das sind klare Worte eines großen Propheten, dessen Zukunftsreden immer noch in Erfüllung gingen.

Die Unglücksbringer waren damals die Chaldäer. Es ist jedoch zu beachten, dass das prophetische Wort im zeitgeschichtlichen und endgeschichtlichen Sinne zu verstehen ist. Das, was damals Israel im kleinen Maßstabe widerfuhr, wird über das letzte Israel im vollen Ausmaß hereinbrechen*.

*Man lese diesbezüglich Hes 38 aufmerksam durch und benütze neben der Lutherbibel auch andere Übersetzungen.

Obgleich zu Zeiten das Mitternachtsland den Israeliten eine Wohnstätte war, denn sie hatten die Aufgabe der Gottesoffenbarung allenthalben, so bleibt es doch das Land des Dunkels, der Kälte und des Unglücks.

Was haben Christen zu erwarten?

Was bleibt bei dieser Gesamt-Schau uns Abendländern zu erkennen übrig? Ein fürchterliches Ungeheuer greift nach uns! Es will uns vernichten. Es stellt unsere Existenz in Frage! Fragen über Fragen tauchen auf: Wer waren wir einst? Was sind wir heute? Was steht uns bevor? Lohnt sich’s noch zu leben? Muss uns in Anbetracht dessen nicht die Verzweiflung packen?

„Wenn aber dieses anfängt zu geschehen, so sehet auf und erhebet eure Häupter, darum dass sich eure Erlösung naht“! (Lk 21:28). Übersehen wir nicht die große Heilandsmahnung: Dann erhebet eure Häupter! So soll unsere äußere und innere Haltung sein! Darum weg den Blick von der leidvollen Erde, hin den Blick nach oben! Wir wollen die Maulwurfsnatur ablegen und die Adlernatur anlegen. Wir wollen nicht wühlen im Schmutz der „Erde“, sondern uns aufschwingen zu den kristallklaren, lichtvollen Höhen. Wir wollen lernen mit Paulus zu sprechen: „Unser Bürgertum ist in den Himmeln“ (Phil 3:20.21).

Christen warten heute mehr denn je auf den Tag der vollen Erlösung. Der Tag der vollen Erlösung kommt! Die Vorbereitung für diese volle Erlösung geschieht jetzt. Jetzt geht vor sich die „Lösung“. Er - löst sein Volk jetzt von den verhängnisvollen Bindungen, damit er es binden kann an sein ewiges Reich.

Christen werden darum ein zwiefaches Maß von Erlösungs-Leiden auf sich nehmen müssen: Zuerst sind es die allgemeinen Lösungs-Leiden, die der Welt auferlegt sind, und dann sind es die besonderen Lösungs-Leiden, die den Gläubigen um Jesu Willen aufgetragen sind.

Diese Lösungs-Leiden wollen wir nicht zu umgehen suchen, sie sind unumgänglich und sind uns heilsam. Möge dabei die Erkenntnis des Hebräerbriefes uns eigen werden:

„Gedenket aber an die vorigen Tage, in welchen ihr, nachdem ihr erleuchtet waret, erduldet habt einen großen Kampf des Leidens, und zum Teil selbst durch Schmach und Trübsal ein Schauspiel wurdet, zum Teil Gemeinschaft hattet mit denen, welchen es also geht. Denn ihr habt mit den Gebundenen Mitleiden gehabt und den Raub eurer Güter mit Freuden erduldet, als die ihr wisset, dass ihr bei euch selbst eine bessere und bleibende Habe im Himmel habt. Werfet euer Vertrauen nicht weg, welches eine große Belohnung hat. Geduld aber ist euch not, auf dass ihr den Willen Gottes tut und die Verheißung empfanget. Denn 'noch über eine kleine Weile, so wird kommen, der da kommen soll, und nicht verziehen. Der Gerechte aber wird des Glaubens leben. Wer aber weichen wird, an dem wird meine Seele kein Gefallen haben.‘ Wir aber sind nicht von denen, die da weichen und verdammt werden, sondern von denen, die da glauben und die Seele erretten“ (Hebr 10:32-39).