Scheinbare Widersprüche bezüglich des Reiches

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Abschrift des des Buches:
Das tausendjährige Königreich Christi auf Erden
von Heinz Schumacher (1964)

Paulus Verlag Karl Geyer, Stuttgart

Inhaltsverzeichnis
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3. Scheinbare Widersprüche bezüglich des Reiches

Welche Schriftworte in den Evangelien scheinen der alttestamentlichen Schau vom Reich zu widersprechen?

Bereits der letzte Punkt e) des vorangegangenen Abschnittes wirft die Frage nach einem solchen Widerspruch auf. Aber auch andere Worte Jesu in den Evangelien könnten als nicht vereinbar mit gewissen Voraussagen der alttestamentlichen Propheten erscheinen. Existieren solche Widersprüche nun wirklich, oder sind es scheinbare Widersprüche? - soviel steht jedenfalls fest: Falls gewisse Vorstellungen des AT auf keinen Fall mit gewissen Worten Jesu in Einklang stehen, haben wir nicht die Worte Jesu zugunsten des AT aufzugeben, sondern die alttestamentliche Schau der Botschaft des Herrn unterzuordnen. Dann träfe das Wort des Hebräerbriefes auch für die alttestamentlichen Reichspropheten zu: „Was aber alt wird und veraltert, ist dem Verschwinden nahe.“ (Hebr 8:13). - Wo liegen nun die scheinbaren oder wirklichen Widersprüche, und nötigen sie uns tatsächlich, aus dem großartigen Gemälde, das Psalmisten und Propheten vom Reich des Messias zeichnen, gewisse Striche auszustreichen oder zu verdecken, oder gar das Ganze zugunsten einer neuen Schau vom Reich (was für einer? -) fallenzulassen?

Folgende Fragen seien hier kurz untersucht:

a) Wie können Jerusalem und Israel noch eine besondere Rolle im messianischen Reich spielen, wenn doch das Reich nach Mt 21:43 auf einen anderen Heilsträger übergeht?
b) Wie kann Israel zu Beginn des messianischen Reiches Vergeltung an seinen Feinden üben, wenn doch der Herr in der Bergpredigt von Seinen Jüngern Feindesliebe und Vergebung fordert?
c) Geht es dem Herrn nicht doch um ein rein geistiges Reich im Himmel, da Er doch einen Glauben fordert, der nicht sieht, statt politischer Macht Demut und Kindeswesen und statt Herrschaft über die Völker Barmherzigkeit und Sanftmut?
d) Schließen nicht die Worte Jesu in Lk 17:20.21 und Joh 18:36 ein irdisches Friedensreich Jesu für immer aus?
e) War die Verklärung Jesu dazu bestimmt, den Jüngern eine Illusion zu nehmen?
f) Wie können auch unbekehrte Völker am messianischen Reich teilnehmen und darinnen missioniert werden, wenn doch nach Joh 5:3.5 nur Wiedergeborene, Neugezeugte ins Reich eingehen?

Zum Teil sind diese Fragen und auch die Antworten in den bisherigen Ausführungen schon angeklungen. Der Klarheit und Übersicht halber werden sie hier nochmals kurz berührt.

a) Die Rolle Jerusalems und Israels

Wie können Jerusalem und Israel noch eine besondere Rolle im messianischen Reich spielen, wenn doch das Reich nach Mt 21:43 auf einen anderen Heilsträger übergeht?

Diese Frage hat uns schon beschäftigt und wird uns weiter unten noch beschäftigen. Hier mag der Hinweis genügen, dass Mt 23:39; Apg 15:14-17; Offb 7:1-8; Offb 11.; Offb 20 und vor allem Röm 11 den klaren Beweis erbringen, dass Israels Verwerfung als Heilsträger Gottes nur eine zeitweilige ist.

b) Vergeltung an Israels Feinden

Wie kann Israel zu Beginn des messianischen Reiches Vergeltung an seinen Feinden üben, wenn doch der Herr in der Bergpredigt von Seinen Jüngern Feindesliebe und Vergebung fordert?

Bei der Betrachtung des Verhältnisses Israels zu den Völkern im Tausendjährigen Reich nach den Worten der Propheten stand uns die Tatsache vor Augen, dass das Volk Israel (wohl vor allem zu B e g i n n des Millenniums, vielleicht aber auch noch i n ihm, wo immer in den mReihen der noch unerneuerten Menschen aufs neue Judenhass oder Christushass aufkommen will) an seinen Feinden V e r g e l t u n g s g e r i c h t e s vollstrecken wird. Stehen diese nicht im Widerspruch zur Ethik (Sittenlehre) der Bergpredigt, sonderlich zu Mt 5:38-41?

Ein unvereinbarer Gegensatz bestünde dann, wenn Israel die Gerichte an den Völkern aus einer Gesinnung des H a s s e s heraus vollstrecken würde, oder wenn umgekehrt die Liebe, wie Jesus sie lehrt, alle Gerichtshandlungen ausschlösse. Beides ist jedoch nicht der Fall. Wenn wirklich - wie die Propheten übereinstimmend weissagen - Israel zu Beginn des messianischen Reiches durch den Heiligen Geist Gottes eine tiefgreifende innere Erneuerung erfährt, dann können auch seine Gerichtsmaßnahmen an den Nationen nie und nimmer Äußerungen fleischlicher Rachegelüste und menschlich-satanischen Hasses sein; es kann sich dann nur um die gehorsame Vollstreckung von Gerichten handeln, die Gott über die Völker verhängt. - Dass Gott nie etwas von uns Menschen verlangt, das Er selber nicht in vorbildlicher Weise befolgt, ist einleuchtend. Wenn nun Gott, der in Seinem Wesen Liebe und nur Liebe ist (1Jo 4:8.16) und somit auch das höchste Vorbild der Feindesliebe, dennoch Seine Feinde nach alt- und neutestamentlicher Aussage schlägt und richtet - um sie dadurch zur Erkenntnis Seiner Macht, zum Zerbruch ihrer stolzen Selbstherrlichkeit und schließlich zum Heilsverlangen und zur Rettung zu führen. *42 -, dann schließt also die göttliche Feindesliebe harte Gerichtsschläge nicht aus, sondern ein. Für einen weichlich-sentimentalen Liebesbegriff ist hier allerdings kein Platz, und viele „Christen“ werden ihre Vorstellung vom „lieben Gott“ und „lieben Heiland“ einmal gründlich revidieren müssen. Jesu Gebot der Feindesliebe meint also keinen Verzicht auf Gericht und Vergeltung - darauf verzichtet Er selber auch nicht (vgl. Mt 25:31-46; 2Thes 2:8; Offb 19:11-21 u. v. a.) -, sondern das Vorherrschen der Liebe i m Gericht. So gesehen sind auch die Gerichtsschläge Israels zu Beginn des Königreiches Jesu Christi und in diesem keine „Lieblosigkeiten“ sondern Bestätigungen jener göttlichen Liebe, die schlägt, um zu heilen, und richtet, um zu retten.

*42 Näheres darüber sagt der Verfasser in seinem Buch: „Das biblische Zeugnis von der Versöhnung des Alls“ (270 Seiten, Paulus-Verlag), besonders in dem Abschnitt „Die göttliche Wegbereitung (die Gerichte): 1. Allgemeine Schriftaussagen über Sinn und Zweck, Ziel und Ende des göttlichen Richtens; 2. Biblische Aussagen über bestimmte göttliche Gerichte; 3. Der innere Vorgang im Gericht“.

c) Ein rein geistiges Reich?

Geht es dem Herrn nicht doch um ein rein geistiges Reich im Himmel, da Er doch einen Glauben fordert, der nicht sieht, statt politischer Macht, Demut und Kindeswesen, und statt Herrschaft über die Völker Barmherzigkeit und Sanftmut?

Diesen Einwand kann nur erheben, wer den grundsätzlichen Unterschied nicht bedenkt, der zwischen diesem und dem kommenden Äon besteht. J e t z t wandeln wir im Glauben und nicht im Schauen (2Kor 5:7); jetzt sind diejenigen glückselig zu preisen, die ohne zu schauen dennoch vertrauen (Joh 20:29); d a n n aber darf die Gemeinde (1Jo 3:2 u.a.), s c h a u e n. Denn Glaube, der in der Bibel stets mit Vertrauen des Herzens bedeutet*43, und Schauen schließen einander nicht aus. Es gibt sogar einen Glauben,der aus dem Schauen erwächst (Joh 10:38; Joh 20:25.29a). So kam auch Saulus von Tarsus durch Schauen zum Vertrauen an den Herrn, als Vorbild für die ebenfalls schauensmäßigen Bekehrungen im Tausendjährigen Reich. -

*43 Man vergleiche hierzu die Schrift "Kämpfe den guten Kampf des Vertrauens!“ vom gleichen Verfasser, in welcher der Vertrauenskampf (Glaubenskamp) alttestamentlicher Gestalten, der Jünger Jesu, des Herrn selbst und der Gemeinde heute dargestellt wird („Für Leben und Glauben“, Heft 11, 44 S. Paulus-Verlag)

Demut, Kindeseinfalt, Barmherzigkeit und Sanftmut sind im jetzigen bösen Äon keine günstigen Vorbedingungen zu politischer Karriere; in jenem Äon aber sollen gerade die Demütigen, Sanftmütigen und Barmherzigen das Erdreich besitzen und beherrschen (vgl. Mt 5 und die alttestamentliche Prophetie), was Zucht und selbst hartes Gericht, wo es unumgänglich notwendig ist, jedoch so wenig überflüssig macht wie eine gute Erziehung die Strafe.

d) Irdisches Friedensreich

Schließen nicht die Worte Jesu in Lk 17:20.21 und Joh 18:36 ein irdisches Friedensreich Jesu für immer aus?

Beide Worte sind lange und gründlich missverstanden worden. Luthers Übersetzung der ersteren Stelle „Das Reich Gottes ist inwendig in euch“ hat zu ihrem Missverstehen wesentlich beigetragen. Das griechische „entos hymoon“ in Lk 17:21 kann an dieser Stelle nur den Sinn haben: inmitten von euch, in eurer Mitte, unter euch - wie auch die meisten Übersetzungen sagen, andernfalls hätte der Herr den Pharisäern, Seinen Gegnern, zugestanden, dass in ihrem Innern das Reich Gottes sei! Der Sinn des Wortes war vielmehr der, dass in der Person Jesu das Reich mitten unter sie getreten war. Es ist und bleibt an Seine, des Königs, Person geknüpft! Daher solle man denen nicht trauen, die das Kommen des Reiches von gewissen Beobachtungen ableiteten (Lk 17:22.23) (wie manche Bewegungen aus gewissen Beobachtungen immer wieder Termine für den Anbruch des Tausendjährigen Reiches errechnen wollten); vielmehr werde Christi Reichsaufrichtung so unübersehbar sein wie ein großer, leuchtender, sich weithin sichtbar über den ganzen Himmel erstreckender Blitz (Lk 17:24).

Und wenn der Herr in Joh 18:36 bezeugt, Sein Reich sei nicht von dieser Welt (wörtlich: nicht aus diesem Kosmos), so ist das ebensowenig eine Verzichterklärung auf ein irdisches Weltreich. Der Herr bringt lediglich zum Ausdruck, dass Sein Reich nicht von unten her, aus dieser Welt heraus, also mitmenschlichen Mitteln und Methoden, unter irdischer Gewaltanwendung, zustande komme. Es ist vielmehr „von oben her“, wie Er selbst „von oben“ ist (Joh 8:23). Es wird, wenn er kommt, vom Himmel her, von Gott her aufgerichtet, durch göttliche Macht und Kraft, und nicht von der Welt, von den Menschen her (vgl. Dan 2:34.35.44.45).

e) Jesu Verklärung

War die Verklärung Jesu dazu bestimmt, den Jüngern eine Illusion zu nehmen?

Dieser Behauptung begegnete der Verfasser vor Jahren in einer Bibelstunde Das Erscheinen und Verschwinden göttlicher Pracht und Herrlichkeit sowie der alttestamentlichen Gestalten Mose und Elia auf dem Verklärungsberge habe den Jüngern ein Abschiednehmen bedeuten sollen: Nehmt Abschied von dem schönen Traum von einem irdischen Herrlichkeitsreich - was bleibt, ist Jesus allein“ (Vgl. Mt 17:8: „Sie sahen niemand als Jesum allein.“)

Wir erkannten bereits, dass Petrus in seinem zweiten Brief 2Petr 1:16-19, den gegenteiligen Schluss zieht: für ihn war der Berg der Verklärung nicht das Ende der alttestamentlichen Prophetie als einer schönen Illusion, sondern ihre Bestätigung und Bekräftigung. Nun, da sie durch Verwandlungswunder und Vaterwort erhärtet war, glaubte er ihrem Zeugnis erst recht; und seither dürfen auch wir dem gesamtprophetischen Zeugnis der Bibel um so freudiger trauen.

f) Sind auch unbekehrte Völker im Reich?

Wie können auch unbekehrte Völker am messianischen Reich teilnehmen und darinnen missioniert werden, wenn doch nach Joh 3:3.4 nur Wiedergeborene, Neugezeugte ins Reich eingehen?

Wir wiesen bereits darauf hin, dass für die Herrscher und die Bürger des Reiches der Himmel verschiedene Eintrittsbedingungen gelten. Von den ersteren wird naturgemäß mehr verlangt als von den letzteren. Israel (und auf ihre Weise auch die Gemeinde) soll einmal im Königreich Christi Herrscherfunktion ausüben; dazu ist es aber erforderlich, dass es von neuem geboren ist. Wie aus Mt 25:31-46; Mt 5:1-10; Mt 18:4 u. a. Stellen hervorgeht, wird dies von den Bürgern nicht verlangt; sie müssen sich aber durch Demut und Sanftmut, Barmherzigkeit, Wahrheitsliebe, Gottesfurcht, Friedfertigkeit usw. als solche ausgewiesen haben, die Heil und Recht suchen. -

Mit großer Freude stellen wir fest, dass auch nicht einer der aufgezeigten Widersprüche ein echter Widerspruch ist, der uns zwänge, alttestamentliche Aussagen zugunsten neutestamentlicher Zeugnisse fallen zu lassen. Es bleibt dabei, dass auch nicht ein Jota von Gesetz und Prophetie hinfällig wird, sondern alles sein genaue Erfüllung findet (Mt 5:17.18; Lk 24:44; Apg 3:21; 2Petr 1:16-19).

4. Wann kommt das Reich?

Welche Schriftworte in den Evangelien sagen etwas aus über die zeitliche Nähe oder Ferne und über die Dauer des Reiches?

Es gehört zum Wesen der gefallenen menschlich-fleischlichen Natur, dass sie u n g e d u l d i g ist. Ihr genügt es nicht zu wissen, d a s s ein bestimmtes Ereignis kommt; mit stürmischem Verlangen begehrt sie auch zu erfahren, w a n n es eintritt. Dies gilt ganz besonders für die Ereignisse von so umfassender und umwälzender Bedeutung wie das Hereinbrechen des verheißenen Königreiches. Nicht erst, als der auferstandene Herr sich anschickte, gen Himmel zu fahren, und die Jünger Ihn fragten, ob Er in d i e s e r Z e i t das Königreich Israel wiederherstelle, sondern schon seit Beginn ihrer Jesusnachfolge brannte die Frage nach dem „Wann“ der Reichsaufrichtung mit zunehmender Heftigkeit in ihren Herzen. Welche Antworten hat nun der Herr auf diese Frage gegeben?

Wir sahen bereits, dass die Evangelienworte, die von der N ä h e des Reiches der Himmel sprechen, nicht in erster Linie z e i t l i c h zu verstehen sind. In Jesus von Nazareth war das Reich g e i s t l i c h und p e r s o n e n h a f t angebrochen. Die Person des Königs war zum Greifen nahe, und in Seinem Jüngerkreis begann Er Sein Königtum zu verwirklichen: Er machte sie mit den Grundsätzen Seines Reiches vertraut, suchte in ihren Herzen eine wahrhaft reichsmäßig Gesinnung zu erwecken und tat in ihrer Mitte jene „Wunder“, die im Reiche keine Wunder mehr sein werden, sondern der normale Zustand. So bildete Er sie aus für ihre hohe Berufung, einmal die Minister Seines Reiches zu sein (Mt 19:28). Gleichsam im Exil dieses bösen Äons stellte der König Seine Regierung zusammen, gab ihr in der Bergpredigt die Verfassung, das „Grundgesetz“, bildete Seine Mitregenten aus und erprobte (in den „Wundern“ und „Zeichen“) Seine Macht. Alles dies geschah in der Blickrichtung aufs kommende Reich, und die Jünger warteten mehr oder weniger ungeduldig auf das Startzeichen zur Übernahme der Regierungsgewalt, während ihr Herr von Anfang an den Weg des Kreuzes vor sich sah. Nach dem Brotwunder von Joh 6 war die Menge in freudiger Erregung schon bereit, Ihn zum König auszurufen (Joh 6:15). Er aber entzieht sich ihrem Verlangen, und vor Pilatus bezeugt Er (Joh 18:36), dass Sein Königtum nicht von dieser Welt her, mit Mitteln irdischer Gewaltpolitik, aufgerichtet wird, sondern von oben her, von Gott her. Dennoch will die fleischliche Ungeduld immer wieder das Reich gewalttätig herbeizwingen: Judas mag den Christus, wie etliche Ausleger annehmen, durch seinen Verrat haben zwingen wollen, Seine Passivität und Verborgenheit endlich aufzugeben und sich als Richter und König vor den heranrückenden Söldnern und allem Volk zu offenbaren; Petrus greift zum Schwert, um die kriegerische Entwicklung in gang zu setzen. Christus aber bleibt nach außen hin der Passive. Er leidet, duldet, schweigt, stirbt. Als die Auferstehungsberichte und die Erscheinungen des wiedererweckten Herrn bei den Jüngern die Enttäuschung darüber v e r j a g t haben, beleibt es gleichwohl ihre Frage: W a n n kommt das R e i c h?

Diese Einstellung der Jünger und der Volksmengen brachte es mit sich, dass sie die Botschaft Jesu von der N ä h e des Reiches wohl doch auch z e i t l i c h auffassten, wenn sie auch vom Herrn nicht so gemeint war. So mag es tatsächlich im Jüngerkreis eine N a h e r w a r t u n g des R e i c h e s (in zeitlichem Sinne) gegeben haben. War diese Naherwaratung aber aufgrund der Lehre ihres Herrn wirklich berechtigt?

Es werden uns in den Evangelien einige Worte des Herrn überliefert, die man je und dann als Voraussagen großer zeitlicher Nähe des Reiches aufgefasst hat. Diese Stellen seien im Folgenden zuerst in Betracht gezogen. (Einige von ihnen haben wir bereits berührt und brauchen ihre Bedeutung hier nur kurz zu wiederholen.) Andere Stellen zeigen aber eine Zwischenzeit zwischen Jesu damaligem Auftreten in seinem Volk und Seinem Kommen als König auf. Auch diese müssen wir ins Auge fassen. Schließlich spricht es der Herr an anderer Stelle unumwunden aus, dass Er selbst den Termin für den Reichsbeginn nicht kennt und nicht bestimmt, sondern allein der Vater.

a) Voraussagen zeitlicher Nähe

Worte in den Evangelien, die man als Voraussagen zeitlicher Nähe des Reiches aufgefasst hat.

Nach Mt 10:23 hat Jesus Christus Seinen zwölf Jüngern bei der Aussendung zu ihrer ersten Missionsreise, auf welcher sie nicht zu den Nationen, sondern nur zu den „verlorenen Schafen des Hauses Israel“ Mt 10:6 gehen sollten, geboten und verheißen: „Wenn sie euch aber verfolgen in dieser Stadt, so fliehet in die andere; denn wahrlich ich sage euch: i h r werdet mit den S t ä d t e n Israels n i c h t zu E n d e sein (fertig geworden, zum Abschluss gekommen sein), b i s der S o h n des M e n s c h e n gekommen s e i n wird.“ Albert Schweitzer und seine theologischen Nachfolger die Vertreter einer freigeistigen sogenannten „Konsequenten Eschatologie“, nehmen dieses Wort zum Anlass, Jesus selbst ein „Enttäuschungserlebnis“ zuzusprechen - als nämlich Seine Jünger von ihrer Missionsreise später zurückgekehrt seien, ohne dass die Parusie des Menschensohnes da war (siehe Anmerkung 30), während Erich Grässer wieder einmal die Echtheit und Ursprünglichkeit dieses Jesuswortes in Zweifel zieht, wie so oft in seinem Buche „Das Problem der Parusieverzögerung in den synoptischen Evangelien und in der Apostelgeschichte“. Andere erklären das Wort Mt 10:23b im Zusammenhang mit Vers Mt 10:23a so, dass Jesus habe sagen wollen, Seine Jünger würden auf ihrer F l u c h t gar nicht alle Städte Israels erschöpfen können, ehe der Menschensohn da sei (Gr/137; Mi/78), oder: es werde ihnen bis zu dem angegebenen Zeitpunkt nicht an einer israelitischen Stadt fehlen, welche ihnen unter den Verfolgungen seitens ihrer Volksgenossen als Zufluchtsstätte dienen wird (Mi/78). W. Michaelis aber deutet dieses Wort des Herrn so: „Jesus gibt ihnen zu bedenken, dass die Bekehrung Israels dann noch viel schwieriger sei und erst am Jüngsten Tage beendet sein werde“*44.

*44 Prof. Wilh. Michaelis sagt im Zusammenhang in dem Aufsatz „Die große Enttäuschung“ in „Irreführung der Gemeinden?“ (Erweiterter Sonderdruck aus „Der Kirchenfreund“, 76. Jg. Nr 15/16): „Hierzu (nämlich zu der von Prof. Martin Werden in Anlehnung an Albert Schweitzers behauptete Auffassung, Jesus habe bei der Rückkehr der Jünger von der ersten Missionsreise die erste Enttäuschung Seiner ‚Naherwartung‘ erlebt) ist zu sagen, dass diese Enttäuschung über die Rückkehr der Jünger n i r g e n d s in den Evangelien auch nur angedeutet ist (hätten die Jünger das Wort Mt 10:23b) im Sinne Werners verstehen müssen, so hätten sie ja vermutlich nur den einzigen Schluss ziehen können, gar nicht zu Jesus zurückzukehren, sondern den Abschluss ihrer Tätigkeit immer aufs neue hinauszuzögern).. Im übrigen ist Mt 10:23b gar nicht in erster Linie eine Ankündigung des Kommens des Menschensohns. Von diesen ist erst im Nebensatz die Rede. D er Hauptsatz kündigt den Jüngern an, dass sie mit den Städten Israels nicht vor der dann im Nebensatz genannten Parusie ‚zu Ende kommen‘? Mt 10:23b gibt sich als Begründung für Mt 10:23a; es heißt in der Einleitung ausdrücklich: ‚ D e n n wahrlich, ich sage euch‘ (Luther hat das ‚denn‘ leider nicht übersetzt). Mt 10:23b ist somit Jesu Begründung dafür, dass die Jünger im Fall der Verfolgung in die nächste Stadt fliehen sollen. Oder genauer: Mt 10:23b begründet, warum die Jünger nicht etwa auf den Gedanken kommen dürfen, die Mahnung von Mt 10:23a nicht befolgen zu wollen. Jesus rechnet damit, dass die Jünger, statt zu fliehen, es vielmehr als ihre Pflicht ansehen könnten, auch unter Verfolgung ihre Verkündigung am Ort ihres Leidens um jeden Preis fortzusetzen in der, wie Er ihnen zu verstehen gibt, irrigen Meinung, es müsse ihnen die Gewinnung Israel auf diese Weise doch noch möglich sein. Dem gegenüber sagt ihnen Jesus, es sei ein Irrtum, wenn sie glaubten, durch eine Nichtbeachtung Seiner Mahnung von Mt 10:23a könnten sie Israel bekehren, die Bekehrung sei viel schwieriger, als sie zunächst dächten; mit der Bekehrung ganz Israels (um diese handelt es sich und nicht um das Aufsuchen aller Ortschaften) würden sie bis zur Parusie nicht zu Ende kommen, bzw. erst bei der Parusie würde Israels Bekehrung erreicht werden (vgl. Röm 11:15)“ (Parusie bedeutet Kommen, Ankunft)

Hier scheint uns die richtigste Deutung dieses Wortes zu liegen, die auch den Worten des Herrn im Zusammenhang vom Mt 10 durchaus entspricht: Christus sagt Seinen Aposteln von vornherein, ihre Missionsauftrag werde auf Ablehnung und Verfolgung stoßen; beides höre vor dem Kommen des Menschensohnes, also vor der Aufrichtung des Tausendjährigen Reiches nicht auf, so dass sie, die Apostel, und die nach ihnen in Israel Missionierenden (sie wird man in der Anrede „ihr“ in Mt 10:23b vielleicht mit eingeschlossen sehen dürfen) eine Bekehrung G e s a m t i s r a e l s in diesem Äon überhaupt nicht erwarten sollten! So verstanden sagt Mt 10:23 nichts aus über ein baldiges Kommen des Christus auf den Wolken des Himmels zur Reichsaufrichtung, sondern drückt eher das Gegenteil aus: Die Missionsarbeit an den „verlorenen Schafen vom Hause Israel“ wird so mühsam sein, es werden so viele Widerstände und so starke Anfeindungen kommen, dass ihr am Tage meines herrlichen Erscheinens noch nicht mit dieser Anzahl fertig seid!

Ein weiteres Wort Jesu, das man immer wieder anführt, um zu beweisen, Jesus habe Sein Kommen in Macht und Herrlichkeit noch zu Lebzeiten Seiner Zeitgenossen, der damaligen Generation der Juden, in Aussicht gestellt, lautet:

“Wahrlich, ich sage euch: Dieses Geschlecht wird n i c h t vergehen, bis alles dieses geschehen ist“ (Mk 13:30; Mt 24:34; Lk 21:32).

Der Bultmann und Albert Schweitzer (trotz einiger abweichender Äußerungen) nahestehende Theologe Erich Grässer vertritt die Ansicht (Gr/128ff.), der Ausdruck „dieses Geschlecht“ (griech. genea hautä = hebr. haddor hazzäh) können hier nur den Sinn haben: die gleichzeitig Geborenen, also die damals lebende Generation, die Zeitgenossen Jesu. Alle Versuche, ihn anders zu deuten und eta das jüdische Volk überhaupt darunter zu verstehen, seien unberechtigt und stellte nur den Versuch dar, „Jesus vor einem Irrtum zu bewahren“. Doch würden „die Versuche, das Wort in seinem Aussagegehalt als war zu retten, anhalten“. Ließe man hingegen den Satz sagen, was er sagt, so sei er durch den tatsächlichen Geschichtsverlauf als unglaubwürdig enthüllt worden. „Die Zeitgenossen Jesu sind gestorben, und das Ende kam nicht.“ - Im übrigen zweifelt Grässer wieder einmal an, ob hier überhaupt ein ursprüngliches Jesuswort vorliegt.

Der Verfasser dieses Buches ist seinem Herrn von Herzen dankbar, dass er vor einer s o l c h e n Stellung gegenüber Gottes Offenbarung in Seinem Wort bewahrt geblieben ist. Er hält die biblischen Schreiber nicht für Leute, die nach eigenem Ermessen mit raffiniert ausgeklügelten Dichtungen und Mythen ihr „Evangelium“ bereichert haben, um es ihnen Volksgenossen schmackhaft zu machen. Er glaubt nicht und kann nicht glauben, dass die Evangelisten ihrem Herrn Weissagungen in den Mund gelegt haben, die E r nie gesagt. Da ihm die Irrtumslosigkeit Jesu feststeht, braucht er keine Versuche zu unternehmen, „den Aussagegehalt“ eines Jesuswortes „als wahr zu retten“. Er ist die Wahrheit! Und Sein Wort ist ohne Lug und trug und giftige Beimischungen. Wäre es anders, dann gäbe es für den Glauben überhaupt keinen festenHalt, keinen Grund, keine Stütze mehr. („Wenn Dein Wort nicht mehr soll gelten, worauf soll der Glaube ruhn?“) Dieses dankbare gläubige Wissen, dass Sein Wort wahr und fest und unumstößlich ist, vermag aber nur der festzustellen, der denselben Geist, der heiligen Männern Gottes die biblischen Schriften eingab, auch selbst innewohnend empfangen hat. Zwar sieht auch er durchaus noch Fragen und Schwierigkeiten in den biblischen Texten (mögen sie nun den Textbefund, das sprachliche Verständnis, die rechte Auslegung oder Anwendung betreffen), aber er versucht diese nie und nimmer in einer Misstrauenshaltung zum Herrn und zu den biblischen Schreibern zu lösen. (Näheres hierüber entnehme man dem Aufsatz des Verfassers „Was bedeutet und die Bibel?“ in dem Heft „Wie soll ich meine Bibel lesen?“ von E. F. Ströter und H. Schuhmacher, das als 6. Heft der Schriftenreihe „FÜR LEBEN UND GLAUBEN“ im Paulus-Verlag erschienen ist).

Was bedeutet: „Diese Generation?"

Hören wir dem gegenüber, was Prof. W. Michaelis zu dem Wort Mk 13:30 (und Parallelen) zu sagen hat (Mi/30-32).

„Das Wort Mk 13:30 klingt ganz so, als wolle Jesus sagen, dass die damals lebende Generation nicht ausgestorben sein werde, bis der Jüngste Tag eintrete. Jedoch: Diese auf den ersten Blick allein möglich erscheinende Auslegung ist k e i n e s w e g s sicher. Einmal ist zu fragen, was mit ‚d i e s alles‘ gemeint ist. Gemeint sein kann eigentlich nicht das Mk 13:26 genannte Kommen des Menschensohnes am Jüngsten Tage, sondern nur die im unmittelbar vorangehenden Vers Mk 13:29 gemeinten Vorereignisse. Wenn es dort heißt: ‚Also auch ihr, wenn ihr sehet, dass solches geschieht, so wisset, dass es nahe vor der Tür ist‘, so wird der Ausdruck ‚solches‘ in Mk 13:30 in den Ausdruck ‚dies alles‘ wieder aufgenommen. Der Ausdruck ‚solches‘ aber bezieht sich ganz deutlich n i c h t auf den Jüngsten Tag Mk 13:26 ...Mithin greift Mk 13:29 noch über Mk 13:26 zurück, und es müssen mit ‚solches‘ Endereignisse gemeint sein, die erkennen lassen, dass das Kommen des Menschensohnes am Jüngsten Tage ‚nahe vor der Tür ist‘. Diese Wendung aber ‚nahe vor der Tür‘ ist ihrerseits zu allgemein gehalten, als dass mit Bestimmtheit der Schluss gezogen werden dürfte, dass ein Geschlecht, das ‚dies alles‘ erlebt und somit erkennen kann, dass der Jüngste Tag ‚nahe vor der Tür ist‘, nun auch den Jüngsten Tag selbst noch unbedingt erleben müsste ...

Nun aber gibt auch der Ausdruck: ‚dies G e s c h l e c h t‘ zu Fragen Anlass. Was ist damit gemeint? Bedeutet ‚Geschlecht‘ hier wirklich Generation in dem sinn, dass man daraufhin die durchschnittliche Lebensdauer heutiger oder damaliger Rechnung zugrunde legen dürfte? Das griechische Wort (genea) k a n n diese Bedeutung haben und hat sie oft auch in der Bibel. Jedoch ist bemerkenswert, dass ‚Geschlecht‘ einmal Bezeichnung des jüdischen Volkes sein kann (so in der griechischen Übersetzung des AT 5Mo 32:5; Ps 94:10; vgl. etwa auch Mt 12:41) und dass es im NT oft die Zuhörer Jesu bezeichnet (z.B. Mt 11:16; Lk 17:25). Darf man, weil die Zuhörer Jesu doch auch Juden waren, schließen, dass ‚Geschlecht‘ für Jesus überhaupt e i n e besondere B e z e i c h n u n g des j ü d i s c h e n Volkes war, so dass wir auch Mk 13:30 an das jüdische Volk zu denken hätten? Der Zusammenhang legt es freilich nicht nahe, insofern vor und nach diesem Wort nicht ausdrücklich vom jüdischen Volk die Rede ist. Müsste die Auslegung sich doch in dieser Richtung bewegen, so würde das Wort etwa besagen, dass das jüdische Volk Bestand haben werde bis zum Jüngsten Tage. Dies könnte als Verheißung gemeint sein. Doch wäre das nicht wahrscheinlich im Vergleich mit sonstigen Stellen, die die jüdischen Zeitgenossen und Zuhörer Jesu als ‚Geschlecht‘ bezeichnen. Es könnte aber vielleicht auch ein Gerichtswort sein und besagen, dass sie in der Eigenart, die sie als ‚arges Geschlecht‘ (Mt 13:45), als ‚ungläubiges Geschlecht (Mk 9:19) oder ähnlich ausweist, verharren werden bis zum Jüngsten Tage.

Dass ‚Geschlecht‘ sich auf das Menschengeschlecht im allgemeinen ohne besondere Einschränkung auf das jüdische Volk beziehen sollte, ist unwahrscheinlich. Zar kann ‚Geschlecht‘ im NT auch diese Bedeutung haben (deutlich Phil 2:15), doch handelt es sich dabei um Aussagen, die erst in der Zeit nach dem Tode Jesu, in der Zeit der Einbeziehung der Heiden in die Missionsarbeit gemacht sind. Wohl aber wäre zu erwägen, ob der Ausdruck nicht die allgemeinere Bedeutung ‚A r t‘ haben kann, die er öfter aufweist, wie denn auch Luther mitunter ‚Art‘ übersetzt hat (z.B. Mt 12:39). Dann wäre gemeint, dass diese Art, nämlich das verkehrte und ungläubige und ehebrecherische Wesen der Menschen anhalten werde bis zum Jüngsten Tage.“ (Soweit W. Michaelis)*45

*45 Auf das Volk der Juden hat seinerzeit Prof. Auberlen unser Wort bezogen: „Dass Israel fortbesstehen wird durch die ganze Gemeindezeit hindurch, während welcher das Zeugnis von Christo bis ans Ende der Erde (Apg 1:8), also unter die Heiden dringt, das hat Jesus selber vorausgesagt Mt 24:34: ‚Dies Geschlecht wird nicht vergehen, bis dass es alles geschehe.‘ Das vielumstrittene ‚dies Geschlecht‘ heißt hier wirklich nicht die gegenwärtige Generation, sondern das ungläubige Judenvolk.“ (Au)

Wieder ganz anders deutet der Judenchrist Dr. Georges Kahn unser Wort. er sieht in der Gründung des Staates Israel im Jahre 1948 das in Mt 24 geweissagte „Ausschlagen des Feigenbaumes“ und bezieht den Ausdruck „diese Geschlecht“ auf die „Feigenbaum-Generation“, also die seit Mai 1948 heranwachsende Generation. D i e s e Generation werden nicht vergehen, bis dass alles geschehen sei! (GH 1961/102-103).

Welche der letztgenannten Auslegungen man nun auch bevorzugen mag, so steht doch eines fest: Sie beweisen, dass auch Mk 13:30 (und Parallelen) nicht in dem Sinne verstanden werden müssen, als hätte unser Herr Sein glorreiches Wiederkommen und das Hereinbrechen des Reiches für die Zeit der damals lebenden jüdischen Generation vorausgesagt. Ein Misstrauen gegen die geistgeleiteten biblischen Schreiber oder gar gegen den Herrn selbst aber scheidet für den Glauben ohnehin aus.

Das Mt 16:28; Mk 9:1 und Lk 9:27 überlieferte Jesuswort: „Wahrlich, ich sage euch: Es sind etliche von denen, die hier stehen, welche den Tod n i c h t schmecken werden, bis sie den Sohn des Menschen haben kommen sehen in Seinem Reiche (Seinem Königtum, Seiner königlichen Würde)“ (so nach der Mt-Fassung) haben wir bereits weiter oben in Betracht gezogen. Es war uns dort unmöglich, in dieser Voraussage etwas anderes zu erblicken als einen Hinweis Jesu auf das wenige Tage später sich ereignende Verklärungswunder auf dem Berge, wohin Er einige, nämlich drei Seiner Jünger, mitnahm. Dort erschien Er ihnen in Seiner kraftvollen „basileia“, Seiner Reichsherrlichkeit, Seiner Königswürde. Auch dieser Ausspruch des Herrn besagt also n i c h t, dass Sein Reich zu Lebzeiten wenigstens noch e i n i g e Seiner Jünger in Erscheinung trete, Was einige Seiner Nachfolger noch in ihrem Leibesleben schauen durften, war nicht das m e s s i a n i s c h e Reich s e l b s t, sondern eine Probe davon „auf Tabors Höhen.“

Schließlich hat man auch die Stelle Joh 21:20-23 mit einer „Naherwartung“ des Wiederkommens Jesu in Verbindung gebracht. Tatsächlich „hatte sich um Johannes die Meinung gebildet, er werde aufgrund einer besonderen Verheißung Jesu noch den Jüngsten Tag erleben“ (Mi/49). So hatte man vielleicht gemeint und gehofft, wenn schon nicht alle Jünger mehr zu Lebzeiten das Erscheinen des Reiches erlebten, so doch wenigstens der greise Johannes. Dass dies jedoch ein Missverständnis war, zeigt bereits der biblische Text, indem er korrigierend darauf hinweist, dass der Herr das nicht gesagt habe.

Somit kommen wir zu dem Ereignis, dass auch nicht e i n e einzige S t e l l e in den Evangelien klar und unzweideutig ein schnelles, nahes, frühes Hereinbrechen des Königreiches Christi auf Erden verheißt.

Was aber wissen die vier Evangelisten über einen zeitlichen Abstand, eine gewisse Ferne, eine Zwischenzeit bis zum Erscheinen des Reiches zu berichten?

b) Voraussagen zeitlicher Ferne

Worte in den Evangelien über einen zeitlichen Abstand und eine gewisse Ferne des Reiches.

Hier ist als erstes das Gleichnis von den zehn Jungfrauen (Mt 25:1-13) zu nennen. Es unterscheidet sich von anderen Gleichnissen und Wachsamkeitsforderungen Jesu dadurch, dass das falsche Verhalten der törichten Jungfrauen n i c h t darin liegt, dass sie einschlafen (denn sie schlafen alle ein, die ist also offensichtlich n i c h t der Vergleichspunkt!), sondern darin, dass sie keinen Ölvorrat mit sich führten, um auch dann noch Licht zu haben, als der Bräutigam v e r z o g (Mt 25:5) und nach der Verzugszeit um Mitternacht endlich kam. Die Klugheit der einen bestand also darin, für eine längere W a r t e - und A n m a r s c h z e i t rechtzeitig Vorsorge getroffen zu haben, die Dummheit der anderen darin, sich nur auf eine kurze Zeit- und Wegstrecke eingestellt zu haben. Es geht also um ein B e r e i t s e i n auf l a n g e Sicht, da man sonst nicht durchhält bis ans Ende - das will dies Gleichnis uns lehren.

Zwar wird dem Wort „Der Bräutigam v e r z o g“ (Mt 25:5) von den Auslegern recht verschiedene Bedeutung zugemessen. Die einen halten es für ursprünglich völlig unbetont (so Jeremias und Michaelis), andere meinen im Gegenteil, hier liege der springende Punkt. Wir meinen jedenfalls, diese für die Zeitfrage im NT so bedeutsame Wort (griech. chronizein = „sich Zeit lassen, auf sich warten lassen“), dass siech außer in Mt 25:5 noch in Mt 24:48 (Parallele Lk 12:45); Lk 1:21 und Hebr 10:37 findet (neben bradynein = langsam sein, in die Länge ziehen, 2Petr 3:9 und 1Tim 3:15), nicht als nebensächlich abtun zu dürfen. Der Herr selbst sagt hier voraus (ob mit mehr oder weniger Betonung, sei dahingestellt), dass Er „verzieht“, bevor Er als der Bräutigam Israels und in übertragenem Sinn als der Bräutigam einer jeden bräutlich auf Ihn wartenden Seele (2Kor 11:2) erscheint, und dass man sich als ein „kluger“ Nachfolger deshalb für eine längere Wartezeit mit Öl und Licht, mit Geist und Wort, bevorraten soll!

Diese Gleichnis rückt also das Kommen des Bräutigams, d. h. das Erscheinen Jesu zur Hochzeit und Reichsaufrichtung, in eine gewisse F e r n e. Eine Wartezeit, eine Verzugszeit muss durchstanden werden. Über die Länge dieser Wartezeit wird allerdings nichts mitgeteilt (Aus dem zeitlichen Abstand zwischen dem [abendlichen] Aufbrechen der Jungfrauen und dem Kommen des Bräutigams um Mitternacht sollten keine Schlüsse gezogen oder Berechnungen versucht werden.)

Die Worte Hebr 10:37 („Noch über ein gar Kleines, und der Kommende wird kommen und nicht verziehen“) und 2Petr 3:9 („Der Herr zieht die Verheißung nicht in die Länge, wie es etliche für einen Verzug achten“) widersprechen Mt 25:5 nicht. Die erste Stelle sagt, dass es „über ein Kleines“ k e i n e n Verzug mehr gibt - bis dahin aber besteht eine, wenn auch in den Augen des Glaubens kleine, Wartezeit! Und Petrus will auch nicht sagen, der Herr komme sofort; er weist nur darauf hin, dass die Verheißung Seines Kommens sich (von Gott aus gesehen) termingerecht, zur vorgesehenen Zeit und Stunde erfüllen werde. Darüber hinaus gebe es keine Verlängerung! Im übrigen aber habe Gott ganz andere Zeitmaßstäbe als wir (vgl. 2Petr 3:8), wie überhaupt Seine Gedanken höher sind als unsere Gedanken und Seine Wege als unsere Wege (Jes 55:8.9).

Vom Verziehen

Vom „Verziehen“ Christi spricht auch das Gleichnis Mt 24:45-51 (Parallele Lk 12:42-46), das dem soeben betrachteten vorausgeht, hier im Bilde eines Herrn, der fortreist und bis zu seinem Wiederkommen Knechte über sein Gesinde setzt. (Andeutungsweise ist hier bereits von einer Z w i s c h e n z e i t bis zum Kommen des Fortgereisten die Rede; wir werden diesen Gedanken in anderen Zusammenhängen noch deutlicher ausgesprochen finden.) Von dem bösen Knecht heißt es hier: Er sagt in seinem Herzen: M e i n Herr v e r z i e h t zu k o m m e n (Luther: Mein Herr kommt noch lange nicht), und fängt an, seine Mitknechte zu schlagen, und isst und trinkt mit dem Trunkenen. Ob der Herr durch längeres Ausbleiben dem ungetreuen Verwalter Anlass gab zu seiner Rede: „Mein Herr verzieht zu kommen“, oder ob es von Anfang an dessen Vermutung (oder gar Hoffnung) war, wird nicht näher erläutert. Jedenfalls benutzt der Knecht das (nach seiner Meinung noch lange währende ) Fernsein des Herrn zu Untreue und Ausschweifung, ähnlich wie einst die Israeliten, als Mose bei seinem Aufenthalt auf dem Berg Sinai „verzog, von dem Berg herabzukommen“, wo er die Gesetzestafeln von Gott empfing (2Mo 32), in Untreue und Götzendienst und sündhafte Belustigung willigten, und wie es sich auch in der „Christenheit“ immer wieder bewahrheitet, dass eine misstrauische, ungläubige Einstellung zu den Verheißungen der Wiederkunft Christi vielfach Untreue im Wandel, Lieblosigkeit und Rauschzustand nach sich zieht. Plötzlich aber kommt der Herr - viel zu früh für den ungetreuen Knecht, der mit dieser Rückkehr noch gar nicht rechnet! Und so, wie das Erscheinen des Herrn für den treuen und klugen Knecht Lob und vermehrte Verantwortung und erweiterten Aufgabenbereich bedeutet, so für den ungetreuen Entzug seiner Aufgaben, Zorn und Gericht.

Die Mahnung dieses Gleichnisses hat also die umgekehrte Tendenz, zielt in die entgegengesetzte Richtung, wie die Mahnung des Gleichnisse von den zehn Jungfrauen. Dort bestand die Torheit der törichten darin, sich die Zeit oder den Weg bis zur Begegnung mit dem Bräutigam zu kurz vorzustellen, so dass ihre Lampen verloschen. Der böse Knecht hingegen rechnet durchaus mit einem Verzug seines Herrn, aber mit einem z u l a n g e n Verzug. (Ob er wohl überhaupt noch mit einer Rückkehr seines Herrn ernsthaft rechnete? Wahrscheinlich nicht, sowenig wie viele heutige „Christen“.) Außerdem zieht er, was noch schwerer wiegt, aus seiner Vermutung einer langen Verzugszeit die falsche Folgerung: nicht die, die nun erst recht treu und anhaltend wachsam zu sein sondern die, das Fernsein seinen Herrn für ein Ichleben und Genussleben zu „nutzen“.

Die Aussagen beider Gleichnisse ergänzen sich also und lauten zusammengefasst: Wir dürfen und sollen mit einer Verzugszeit des Herrn rechnen und uns für eine längere Wartezeit durch Wort und Geist rüsten, keinesfalls aber mit einer allzu langen oder endlosen Wartezeit! In dieser Wartezeit kommt es im übrigen nicht darauf an, wie lange sie währt, sondern entscheidend ist allein, wie wir sie nutzen! Denn unser Wandel in dieser Zeit entscheidet darüber, ob der kommende Herr uns mit Lob und Anerkennung und vermehrten Aufgaben beschenken kann, oder uns als Ungetreue und Törichte dem Gericht überliefern und uns auch noch das wenige nehmen muss, was wir haben.

Von einem fortreisenden und dann wiederkommenden Herrn und von Treue oder Untreue seiner Knechte in der Zeit seiner Abwesenheit spricht auch das Gleichnis Mt 25:14-30 (Parallele Lk 19:11-27), in ähnlicher Weise, nur noch ausführlicher als das soeben betrachtete. Beachtlich ist besonders der Zusammenhang nach Lukas: Nach Lk 19:11 hat der Herr dieses Gleichnis erzählt, „weil Er nahe bei Jerusalem war und sie (die Jünger) meinten, dass das Königreich Gottes alsbald in sichtbare Erscheinung treten sollte“. Zu dieser Auffassung enthält das Gleichnis eine Korrektur, indem es sagt, dass der Herr, ein hochgeborener mann, erst in ein fernes Land ziehen und dort ein Reich für sich empfangen muss, ehe er wiederkommen kann (Lk 19:12), ja, Matthäus schreibt sogar ausdrücklich (Mt 25:19), dass der Herr, der seinen Knechten verschiedene Talente austeilt, erst „nach langer Zeit“ zurückkehrt und Rechenschaft fordert, Hier ist also ganz deutlich von einer Z w i s c h e n z e i t, sogar von einer l a n g e n Zwischenzeit die Rede, in welcher der Herr in einem fernen Lande ein Königreich empfängt, die Knechte aber Gelegenheit haben, mit den anvertrauten Talenten (oder: Pfunden) zu wuchern. W i e l a n g e die Zeit der Abwesenheit des Herrn dauert, wird allerdings auch hier nicht gesagt. Auch nach diesem Gleichnis ist das Entscheidende nicht die Länge der Zeit, sondern das Verhalten der Knechte, ihre Treue oder Untreue, ihr freudig-aktives Wirken für ihren Herrn oder ihr misstrauisch-passives Abseitsstehen. - Bei einer Deutung des Gleichnisses (die wir aber im einzelnen hier aus Raumgründen nicht ausführen möchten) darf man unter dem Fortreisen des Herrn sicherlich die Himmelfahrt Christi, unter der Rückkehr Sein Kommen zum messianischen Reich und den damit verbundenen Gerichten verstehen, unter der Bürgerschaft, die Ihn hasst und Ihm eine sehr unehrerbietige Botschaft nachsendet (Lk 19:14), die Israeliten der nachpfingstlichen Zeit und ihre Ablehnung der Heilsbotschaft (die in der Steinigung des Stephanus ihren sichtbaren Höhepunkt erreichte), und unter dem vom Herrn zu empfangenden „Königreich in fernem Lande“ vielleicht die Gemeinde Jesu unter den Völkern (die ja nach Kol 1:13 auch zum „Königreich des Sohnes“ gehört) - falls alle diese Einzelzüge Vergleichspunkte enthalten.

Zu den Evangelienworten, die eine Zwischenzeit zwischen Jesu Tod und Parusie (Ankunft) bezeugen, gehört nach Oscar Cullmann ferner auch Mk 14:62, „wo Jesus vor dem Hohenpriester unterscheidet zwischen dem Augenblick, wo der Menschensohn sich zur Rechten Gottes setzen, und dem, wo Er wiederkommen wird auf den Wolken des Himmels“ (Cu/138).

Das weiter oben schon betrachtet Kapitel Mt 13 zeigt uns, insbesondere im zweiten Gleichnis, weitere Einzelheiten in Bezug auf diese Zwischenzeit: Vor dem Ende des jetzigen Äons und der Aufrichtung des messianischen Reiches, in welchem, „die Gerechten leuchten wie die Sonne“, liegt eine Ausreife-Periode, in welcher auf dem Acker der Welt Gute und Böse zusammen wachsen und ausreifen, ohne dass vorerst eine Scheidung möglich wäre. Es ist zugleich (im Bilde des siebten Gleichnisses) eine Zeit des „Fischfangs“ für das Reich der Himmel: Gute und Böse werden gerufen und von der Reichsbotschaft „gefangen“; nicht alle aber bleiben und beharren, sind echt und gesund (entsprechend dem Zeugnis des ersten Gleichnisses, dass das ausgesäte Wort nicht in allen, die es glaubend aufnehmen, zur Frucht wird); viele werden als „faule Fische“ am Ende dieses Äons gerichtsmäßig ausgesondert.

Weitere Charakterzüge für die Zeit zwischen Christi Tod, Auferstehung und Himmelfahrt einerseits und Seiner Wiederkehr zur Aufrichtung des messianischen Reiches andererseits sind nach Mt 16:18 die Sammlung und Auferbauung eine zunächst rein judenchristlichen, dann auch heidenchristlichen) Gemeinde; sowie nach Mt 21:43 der Übergang der Königsherrschaft Gottes und Christi von Israel auf die Völker, d. h. also die Verstockung und Beiseitesetzung des Volkes der Wahl, und die Erleuchtung und Rettung und Heiligung von Heiden, Nationen, Nichtisraeliten.

Der Anfang der Wehen

Am ausführlichsten aber beschäftigt sich wohl das Kapitel Mt 24 (vgl. Mk 13 und Lk 21) mit dieser Zwischen-Periode: sie ist gekennzeichnet durch Verführung durch falsche Messiasse, Seuchen und Erdbeben, Kriege und Kriegsgeschrei als „Anfang der Wehen“; ferner durch ein Überhandnehmen der Gesetzlosigkeit und ein allgemeines Erkalten der Liebe sowie durch die Ausrufung der rettenden Botschaft der Königsherrschaft Gottes unter allen Nationen. Darauf folgt die Zeit des Antichristen, gekennzeichnet durch „große Drangsal“ in Judäa, Gräuel der Verwüstung an heiliger Stätte (nämlich im Tempel zu Jerusalem) und machtvolle Verführung, und beendigt durch Zeichen an den Gestirnen Dann aber „wird das Zeichen des Sohnes des Menschen im Himmel erscheinen, und dann werden wehklagen alle Stämme des (erwählten, heiligen) Landes, und sie werden den Sohn des Menschen kommen sehen auf den Wolken des Himmels mit Macht und großer Herrlichkeit“ (Mt 24:30).

Wir kommenzu dem Ergebnis: An mehreren Stellen der Evangelien gibt der Herr zu verstehen, dass Sein Königreich nach einer „Verzugszeit“, Wartezeit, Zwischenperiode, ja erst nach „langer Zeit“ kommt! Man soll sich deshalb auf eine längere Wartezeit innerlich einstellen und sich entsprechend „bevorraten“, andererseits nicht mit einer z u l a n g e n Zeit rechnen, sondern in steter Bereitschaft bleiben - sonst könnte der Herr für den einzelnen, der nicht wacht, z u f r ü h erscheinen! - Die Dauer der Zwischenzeit zwischen Jesu Tod und Seinem Kommen zum Reich wird uns n i r g e n d s genannt, nur Entwicklungen, die sich in dieser Zeit vollziehen sollen: Jesus sitzt zur Rechten Gottes - Er empfängt in dieser Zeit ein r eich - Seine Knechte haben sich in derselben Zeit durch Treue zu bewähren, um so für später größere Aufgaben zugerüstet zu werden; sie sollen die empfangenen Gaben zur Ehre ihres Herrn gebrauchen und anwenden - Israel lehnt in dieserZeit das Heil und Reich ab; beides wendet sich den Nationen zu - die Gemeinde Jesu gewinnt Gestalt - Christussaat und Satanssaat wachsen gemeinsam in der Welt heran und reifen aus - und schließlich: in den „Wehen“ der Vorendzeit und der antichristlichen Drangsal über Judäa läuft diese Zwischenzeit aus, und nach gewaltigen Zeichen an den Gestirnen erscheint der schon in Dan 7 geweissagte „Menschensohn“, um Sein Königreich auf Erden zu verwirklichen.

c) Zeit und Stunde weiß niemand!

Es fiel uns bereits auf, dass Jesus in all Seinen Voraussagen über die Nähe und Ferne Seines glorreichen Kommens nie Zeitangaben macht. Er beschränkt sich darauf, eine längere Verzugszeit und bestimmte Entwicklungen dieser Zeit anzudeuten. Im übrigen bleibt die Frage nach dem „Wann?“ des Reiches nach wie vor offen. Die rechnende und berechnende Neugier wird abgewiesen. Daten und Termine werden nicht genannt.

Der klare und einleuchtende Grund für dieses Schweigen des Herrn im Blick auf alle genauen Zeitangaben, wie sie unser rechnender Verstand sich wünscht, wird uns in dem wichtigen Zeugnis des Herrn in Mt 13:32 genannt:

“Von jenem Tage (nach Mt 13:26 dem Tag des Kommens des Menschensohnes) oder der Stunde weiß niemand, weder die E n g e l die im Himmel sind, noch der S o h n, sondern n u r der V a t e r.“ (vgl. Apg 1:5: „Zeiten oder Zeitpunkte hat der Vater in Seine eigene Gewalt gesetzt.“’')

Gehört dieses Nichtwissen des Sohnes mit zu Seiner Selbsterniedrigung (Phil 2:5ff.), oder hat Er die Zeiten und Zeitpunkte nie gewusst? Weiß Er sie heute? Oder hat sich der Vater dieses Wissen vorbehalten, solange es „Zeit“ gibt? - Über diesen Fragen liegt ein Schleier, ,den wir nicht lüften können. Immerhin bleibt zu sagen, dass uns noch etliche „Zeiten und Zeitpunkte“, Daten und Termine in der Schrift genannt werden. Mit diese dürfen wir - auf den Linien und im Sinne de rSchrift - auch rechnen. Dan 9 redet von 70 Jahrwochen, die über Israel und Jerusalem bis zur Aufrichtung des messianischen Reiches bestimmt sind. Der Engel Gabriel überbrachte dem Daniel die Botschaft von diesen 490 Jahren, er wusste demnach darum. Erst recht sind dem Sohne Gottes die 70 Jahrwochen bekannt. Würden sie ohne Unterbrechung hintereinander abgelaufen sein, so hätte man ein Datum für die Aufrichtung des messianischen Reiches errechnen können. (Es hätte dann spätestens sieben Jahre nach dem Tod Christi beginnen müssen.) Nun laufen aber nur 69 Jahrwochen oder 483 Jahre ohne Unterbrechung ab, dann kommt eine Zwischenzeit von unbekannter Dauer - sie deckt sich etwa, aber nicht genau, mit jener Zwischenzeit, von der wir im vorhergehenden Abschnitt sprachen -, bis schließlich in der Endzeit, wenn die Ereignisse ablaufen, die das letzte Buch der Bibel schildert, die 70. Jahrwoche kommt. (Näheres darüber in der Schrift „Die 70 Jahrwochen und die kommenden Endzeit“ vom gleichen Verfasser, Paulus-Verlag).

Da die 70 Jahrwochen der Engelwelt nicht unbekannt sind, erst recht nicht dem Sohne Gottes, so kann sich Sein Nichtwissen nur auf die Dauer der Zwischenzeit zwischen der 69. und 70. Jahrwoche - zwischen Seinem Tod und dem Beginn der eigentlichen letzten Zeit - beziehen oder bezogen haben. Die Dauer dieser Zwischenzeit, der Zeit des Geheimnisses der Gemeinde, ist nur dem Vater bekannt! Er nur weiß, wie viele Glieder dem Christusleib noch hinzugefügt werden sollen, und Er allein bestimmt, zu welche selbstvermessenen stolzen Höhen Geister und Menschen in diesem Äon noch ausreifen dürfen. (Die Frage, ob der Sohn h e u t e, nach Seiner Erhöhung zur Rechten des Vaters, die Zeiten und Zeitpunkte bis zu Seinem Kommen restlos kennt, mögen wir, wie gesagt, nicht beantworten; wir halten es aber für möglich.)

Wenn Christus selbst Zeiten und Zeitpunkte nicht wusste, so erst recht nicht wir. Diesen Hinweis lesen wir, in Verbindung mit ernsten Wachsamkeitsforderungen, des öfteren (Mt 24:42.44; Mt 25:13; Mk 13:33.35-37). Solche Worte sollten bewirken, ,dass wir in Wahrheit allezeit Wachende sind - heute erst recht, wo schon über 1900 Jahre der „Zwischenzeit“ hinter uns liegen und das Ausreifestadium bald seinen Höhepunkt zu erreichen scheint -, dass wir aber auch allen Versuchen, trotz dieser Aussagen das Kommen Jesu berechnen zu wollen, bewusst und standhaft widerstehen.

d) Die Dauer des messianischen Reiches

Hierüber erhalten wir in den Evangelien keine andere Antwort als die des AT: Das Königreich Christi hat kein Ende“ Dementsprechend reicht der prophetische Blick in den vier Evangelien auch nie bewusst über das messianische Reich hinaus. Gewiss werden schon in den Evangelien je und dann Ziele genannt,die erst jenseits des Reiches, in den Äonen der Neuschöpfung voll verwirklicht werden (etwa wenn die Rede ist von der „Rettung der Welt“, oder wenn der Herr verheißt: „Ich werd alle zu mir ziehen!“), aber eine Unterscheidung zwischen dem kommenden Reich Christi und etwas, das danach kommen könnte, wird nirgends gemacht. Erst Paulus zeigt in 1Kor 15:22-28, dass die Königsherrschaft Christi einmal endet, indem Er das Königtum dem Vater übergibt; und in Offb 20-22 schaut der Seher auf Patmos ebenfalls, dass auf das Tausendjährige Reich noch weitere Äonen des Gerichts, der Herrschaft und der Vollendung folgen. - Die ist kein Widerspruch zu Lk 1:33. Von keinem Geschöpf wird der Herrschaft Christi je mehr ein Ende gesetzt werden, wenn Er sie einmal angetreten hat. Es wird lediglich Übergänge geben; ,aber nie mehr wird Satan wie in diesem bösen Äon die Menschen knechten. Sein Reich ist dann für immer zu Ende; und in diesem Sinne wird die Herrschaft Gottes und Christi tatsächlich unvergänglich sein.

Lies weiter:
III. Das Königreich nach der Apostelgeschichte und den Briefen