Noah und die Flut

Aus Bibelwissen
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Aus dem Zweimonatsheft für gläubige Schriftforscher:
"Das prophetische Wort“ (Jahrgang 1923-25)
Begründet von Professor E. F. Ströter

Herausgegeben von Heinrich Schaedel
Maranatha-Verlag, Klosterlausnitz i. Thür.

Siehe weitere Abschriften

Das erste Buch Mose

von: Prof. E. F. Ströter
Inhaltsangabe: 1Mo 1-50

4. Noah und die Flut

Siebtes und achtes Kapitel

Aus der ausführlichen Darstellung des Verlaufes der Flut ist klar ersichtlich, wie lange Noah und seine Söhne in der Arche waren, nämlich ein Jahr und siebzehn Tage. Wir haben hier zugleich einen klaren biblischen Beleg, dass die Jahre vor der Flut nicht etwa nur ein Viertel oder die Hälfte unserer Jahre gewesen sind, sondern volle Kalenderjahre. Von Monaten von wenigstens dreißig Tagen, und damit auch von einem Jahr von mindestens dreihundert und sechzig Tagen, weiß die Schrift zu berichten. Das schlägt jener Annahme den Boden aus, mit der man sich hat helfen wollen, das „unglaublich“ hohe Alter der Urväter möglichst auf unser Lebensalter herabzudrücken.

Wie es gläubige Schriftsteller geben kann, die angesichts von 1Mo 7:19 ff. (vgl. 1Mo 6:17) behaupten wollen, die Flut sei nur eine örtliche und keine allgemeine gewesen, ist unverständlich. Alles Fleisch sollte untergehen, was sich wohl aber nur auf die Landbewohner erstreckt. Ob auch die Wassertiere umgekommen sind, oder ob sich in den Tiefen des Meeres noch Ungeheuer aus jener Zeit bergen mögen, wissen wir nicht.

Die Worte 1Mo 8:17 knüpfen wieder an bei der Urschöpfung von 1Mo 1:20-25 und weisen voraus auf die zeit der Wiederherstellung nach Apg 3:20ff.

Ist dieses Wassergericht ein Vorbild, ein Schatten des zukünftigen Gerichts, dann ist es vollständig ausgeschlossen, dass das Feuergericht etwas anderes sein kann als Wiederherstellung: durch Gericht Wiederherstellung alles des, was im Anfang gewesen ist. Alle Gerichtsvollstreckungen unseres Gottes zielen nicht ab auf Vernichtung, sondern schaffen Raum für wirkliche Erneuerung. Die eigentliche Wiederherstellung kann nicht kommen beim erstenmal. Einzelne Gerichte seit der Sintflut hat es schon gegeben. Das Gericht Gottes an Seinem Volk ist eines der erschütterndsten. Gerichte können wohl niederschlagen, wie bei Israel, aber nicht für immer. Dann ist das Kreuz ein Weltgericht. Endlich aber wird es noch ein großes Weltgericht geben, an dem zukünftigen Tage des Herrn. Die geläufige Ansicht aber über den Ausgang dieses Gerichtes Gottes ist falsch. Nicht Vernichtung, sondern Wiederherstellung ist das Ziel Gottes. Die kann erst beim „andernmal“ geschehen. Verbürgt jedoch ist sie in dem Wort unseres Heilandes Joh 17:2, und der Zusicherung des verklärten Herrn: „Siehe, ich mache alles neu“ (Offb 21:5). Gott hat Seine Urgedanken mit der Schöpfung der Menschen nie aufgegeben. Er kommt zum Ziel.

Der Bericht über die Opfertat Noahs (1Mo 8:20) legt uns die Frage nahe: Woher hat er die Erkenntnis, durch Opfer Gott nahen zu dürfen? Wir finden nirgends einen neuen Befehl von Seiten Gottes. Wohl aber sehen wir, dass diese Betätigung ein klarer, durchsichtiger Rest war von der lebendigen wahren Gotteserkenntnis, die sich in der Linie Seths erhalten hatte.

Der Herr beschließt nach 1Mo 8:21 bei Sich, nicht wieder ein solches Gericht über die Menschen kommen zu lassen, „da das menschliche Herz doch nun einmal böse“ und daran nichts zu ändern ist, bis es von Grund auf neu geworden.

Mit dieser Erneuerung wird Israel einen Anfang machen nach Hes 36:26.27, nach welcher Stelle Gott Seinem Volk einen neuen Geist, ein neues Herz geben und neue Leute aus ihnen machen wird. Wir tragen das neue Leben in uns; Israel wird im leiblichen Leben eine neue Menschheit werden. Wir erleben eine solche Erneuerung durch Verwandlung und Verklärung.

Same und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht (1Mo 8:22) sind fortan feststehende Gesetze unseres Gottes. Der Bund mit Noah hat festgestellt, dass an dieser Ordnung nicht mehr zu rütteln ist, trotz Astronomie und Geologie. Jer 33:19ff. macht von diesem Bunde einen anderen Gebrauch, der eine grundlegende Bedeutung für das Königreich Jesu Christi hat.

Neuntes Kapitel

Der Segen Gottes in Seinem ersten Teil (1Mo 9:1) bewegt sich auf derselben Linie wie 1Mo 1:28. 1Mo 9:2 aber ist eine neue Linie: „Eure Furcht und Schrecken sei über alle Tiere ...; in eure Hände seien sie gegeben“, - auch die Fische. Diese Furcht und Schrecken sind als neue Bestimmung eingesetzt.

Vor der Flut muss der Mensch also in besserem Verhältnis zur Tierwelt gestanden haben. Der Grund dafür ist wohl der, dass er kein Tierfleisch genossen hat. Wie gesundheitsmäßig muss der Mensch gelebt haben, da er ein so überaus langes Alter erlebt hat. Dafür hat er auch nicht geschlachtet und gejagt, also nicht gemordet.

Nirgends in der Schrift findet sich eine Spur, dass der Mensch vor der Flut eine Stellung zur Tierwelt eingenommen hat, wie wir. Bei dem Eingehen der Tiere in die Arche ist also kein Wunder nötig gewesen. Es ist überflüssig, Gott Wunder anzudichten. Er will keine Wunder schaffen, wo nicht die Notwendigkeit dafür gesetzt ist; und wir wollen keine Wunder finden, wo nichts davon gesagt ist. Festhalten aber wollen wir, dass Gott auch heute noch Macht hat, Wunder zu tun.

Nun aber sei „euer Schrecken über alle Tiere“. Das ist fortan Gottes Grundgesetz. Feindschaft, Widerwilligkeit, Auflehnung der Tiere gegen die Menschen, und Nachstellung, List, Vergewaltigung, Mordlust von Seiten der Menschen den Tieren gegenüber, ist seitdem Kennzeichnung des gegenseitigen Verhältnisses.

Die erste Spur einer Wandlung in der Tierwelt begegnet uns bei dem Auftreten unseres Heilandes, und Jesu Jünger konnten sie erleben: Fische gingen in das Netz; ein junges, ungebrochenes Eselsfüllen trägt Jesum auf dem Rücken. Das ist eine kleine Probe, wie es wieder werden soll.

Anweisung Fleisch zu essen

Zu Anfang wurden Baumfrüchte und Kraut den Menschen zur Nahrung gegeben; jetzt wird ihnen auch Fleisch angewiesen (1Mo 9:3.4). Der Mensch wird ein „Allesesser“. Nur Blut soll er nicht genießen.

m Fleischgenuss finden wir eine Scheidewand zwischen den Menschen und der Geisterwelt – im spiritistischem Sinne. 1Mo 6 hat uns auf den unerlaubten Umgang mit der gefallenen Geisterwelt aufmerksam gemacht. Hiergegen errichtet Gott nach der Flut, nach dem Gericht diese Schranke im Fleischgenuss. In den gottesdienstlichen Vorschriften ist Israel ausdrücklich auf die Fleischkost angewiesen; es wird zum Fleischgenuss genötigt. Dadurch hat Gott das Volk, das Er zur Gerichtsvollstreckung an den unheilvoll verderbten, dem Spiritismus und Satanismus entsetzlich hingegebenen Völkern Kanaans gebrauchen wollte, gegen jenes Unwesen gewappnet und gestählt.

Mit der Fleischkost ist es nicht ganz so bestellt, wie es uns die Vegetarier nahe legen wollen. Mit ihr haben wir eine Schutzwehr gegen das Eindringen des Spiritismus. Von diesem Standpunkt aus angesehen, bekommt der Vegetarismus ein ganz ernstes Gesicht. Tatsache ist, dass er und die meisten ihm dienenden Speisehäuser Brutstätten sind für Spiritismus, Okkultismus, Theosophie. Sie sind nicht alle in Bausch und Bogen zu verurteilen, aber eine mächtige Werbetätigkeit für diese Dinge geht von dort aus.

Ähnlich wie mit dem Fleischgenuss verhält es sich mit dem ehelichen Umgang. Erinnern wir uns daran, dass auch in diesem Stück Israel Gott gehorsam war. Unter keinem Volk tritt das Verlangen, Kinder zu zeugen, so stark hervor wie bei ihm. Vergessen wir nicht, dass Paulus diese Dinge in 1Tim 4:3.04 hervorhebt.

Das Blut Abels hat Gott nicht gerächt; hier aber gestattet Er, Menschen zu rächen (1Mo 9:5-7), weil der Mensch nach Seinem Bilde gemacht ist. Gott denkt nicht daran, trotz des tiefen Falls der Menschen Seine ursprünglichen Gedanken aufzugeben.

Gottes Bund mit Noah

In den folgenden Versen wird das Schließen des Bundes mit Noah berichtet. Die Lesart Sintflut (1Mo 9:11) ist richtig. Das Wort bedeutet allgemeine Flut. In Sintflut und sintemal nicht sint dem male d. h. seit der Zeit, jetzt begründend sintemal und Sinngrün (Immergrün) haben wir die einzigen Überbleibsel eines früher einmal bekannteren Wortes. Die Flut war ja keine Flut von Sünden, sondern eine Wasserflut. 1Mo 9:15 hätte Sündflut keinen Sinn.

Eine scheinbare Schwierigkeit begegnet uns in Gottes Anordnung betreffs des Regenbogens (1Mo 9:12-17). Die Wissenschaft sagt uns, dass, wo Regen ist, es auch einen Regenbogen geben muss. Soll es vor der Flut keinen Regen gegeben haben? Unser Abschnitt besagt, dass Gott den Bogen zum Zeichen gesetzt hat.

Im zweiten Schöpfungsbericht lesen wir, dass Nebel aufging, das Land zu feuchten, ohne Regen. Dass solche Befeuchtung in manchen Gegenden noch heute stattfindet, ist festgestellt. Regen ist also nicht unbedingt erforderlich. Es ist gut möglich, dass mit dem Verhängnis der Flut nach 1Mo 7:11.12 eine neue Erdzeitperiode eingetreten ist.

Wetterveränderungen mögen eingetreten sein, als Wasser von innen und oben her ausbrachen. Vielleicht haben wir in diesen Worten die erste Kundgebung von Niederschlägen auf Erden. Alsdann würde man zum ersten Mal nach dem Aufhören des Regens den Regenbogen wahrgenommen haben.

Nach der schrecklichen Erfahrung des Gottesgerichtes der Flut hätten in diesem Falle die Menschen den Bogen nur mit dem Einbrechen einer neuen Flut in Verbindung bringen können. Sie hätten in steter Furcht leben müssen, das Unheil hereinbrechen zu sehen. Demgegenüber erklärt der Herr, der Bogen solle ihnen Gewähr leisten, dass eine Flut nicht wieder kommen werde; ein anderer Teil Seiner Segnungen werde fortab in ihren Dienst treten. Die Tragweite dieses Bundes ist aber nicht auf den Menschen beschränkt, wie 1Mo 9:16 zeigt. Wir müssen also Paulus recht lassen, der von einem Seufzen der Kreatur nach voller Erlösung schreibt.

Eine der erschütterndsten Geschichten auf dem Boden der nachsintflutlichen Menschheit begegnet uns in dem Abschnitt 1Mo 9:20ff. Noah ist nicht nur Stammvater der nachsintflutlichen Menschheit, sondern auch der letzte in der vorsintflutlichen Reihe der Auserwählten Gottes, Träger und Vertreter der göttlichen Offenbarungswahrheit, der berufene Zeuge für die Heils- und Liebesgedanken Gottes auch für die nun neue Weltzeit nach dem verheerenden Gericht der Flut.

In diesem Licht macht sein tiefer Fall einen ergreifenden Eindruck, wie der frühere Fall Adams. Was ihm begegnet, ist kennzeichnend und ausschlaggebend geworden ,und geblieben für die ganze fernere Entwicklung der Menschheit auf der vom Flutgericht gesäuberten Erde.

Der Fall Noahs

Der Fall Noahs ist Beweis dafür, dass der Zeuge für die neue Menschheit seine Herrschaftsstellung über die Natur nicht zu behaupten verstand, sondern er sinkt tief unter die Natur und wird Knecht der Natur.

Mit Wein tritt ein neues Nahrungs- und Stärkungsmittel für die Menschheit hervor. Es liegt darin ein Hinweis auf das erkannte Bedürfnis, der abnehmenden Naturkraft in den Menschen auf künstlichem Wege entgegenzutreten und nachzuhelfen. Auf der Linie liegt die ganze ärztliche Wissenschaft, die das hinsinkende Leibesleben durch künstliche Mittel stützen will. Sie ist der Versuch, den raschen Verfall möglichst hinauszuschieben und eine Lebensstärkung durch künstliche Ausnützung von Kräften in der Schöpfung zu erzielen.

Gottes verflucht Ham

An Noah wird nun gezeigt, wie dieser Träger der Gottesoffenbarung eine Beute dieser neuen Kräfte geworden ist. An seinem Sohne Ham aber sehen wir ein ganz furchtbares Ergebnis. Ham war auch ein Träger der Offenbarung und des Gottesgehorsams und –glaubens, neben Sem und Japhet ein Glaubensheld, der hinüber gerettet wurde auf die neue Erde. In Ham haben wir einen Glaubensmenschen, der im Glauben sicher geworden ist und die Keuschheit nicht behalten hat, der von dem, was er sah, zu den Brüdern redete.

Es gibt viele Dinge, die uns nicht gefallen; wir sehen manche Blöße und Torheit von Gottesmännern. Das an sich ist nicht bedenklich, aber es wird zu einer starken Versuchung, auf die erschaute Blöße hinzuweisen und andern davon zu sagen. Dieser hamitische Geist hat viel zu viel Raum unter uns, dass man nicht in die Stille geht und behält, was man an Beschämung bei Brüdern erkannt hat, sondern mit andern davon redet und sie darauf aufmerksam macht. D e r Geist hat für das ganze Menschengeschlecht eine erschütternde Folge gehabt.

Ham legt eine abscheuerregende Rohheit zutage. Es ist Tatsache, dass gerade die hamitischen Völker am meisten dazu geneigt sind, wie auch bei ihnen die Schamlosigkeit am meisten herrscht. Insofern hat dieser Bericht grundlegende Bedeutung.

Nun aber auch die Kehrseite. Gott richtet einen Bund auf für alle Geschöpfe, die Er hinübergerettet (1Mo 9:16). In dieser Tat Gottes begegnen wir Seinem Wiederherstellungswillen. Niemals geht Gott ab trotz des tiefsten Falles der Geschöpfe von den Urlinien, die Er gezogen hat. Es geht Sein offenkundiges Bestreben darauf hinaus, alles wiederherzustellen; Er lässt sich Sein Ziel nicht heruntersetzen. Das leuchtet uns aus der hinübergeretteten Schöpfung so hell entgegen.

Nun aber lässt der Geist der Offenbarung von vorneherein gleich hier in einer erschütternden Weise erkennen, dass auch die neue Menschheit und der Träger der neuen Ordnung der Dinge, der das Größte, was wir uns denken können, erlebt hat, vollständig versagt.

Das Erste, was er uns zu sagen hat von der Betätigung seines Lebens, von der Beherrschung der Natur, ist sein tiefer Sturz unter die Natur. Gott hat sie ihm ja unterstellt wie bei Adam. Er hat Sorge dafür getragen, dass Noah Herrschergewalt haben und üben soll. Furcht und Schrecken soll über allen Tieren sein. Vorausgesetzt hierbei ist rechtes Verhalten Gott gegenüber, wie ja auch erforderlich sind rechtes Verhalten, rechte Befolgung der Rechtsanordnungen und Gesetze auf der neuen Welt, in denen sich jede Obrigkeit, jedes Staatsleben kundgibt. Und nun schlägt Noah mit seinen Söhnen so gänzlich fehl!

Gott aber lässt uns einen Blick tun in Seine Gedanken. Für Ihn gibt es keine Enttäuschung, auch wenn bei der Neuordnung der Dinge der Mensch nichts taugt. Gott rechnet ja nicht mit der menschlichen Tüchtigkeit, mit dem Vermögen, auf Seine Gedanken einzugehen und seine Höhe zu bewahren. Die Durchführung der göttlichen Heilsgedanken ist unabhängig von unsrer jammervollen Beschaffenheit.

Beginn einer neuen Erde

Es beginnt jetzt eine neue Erde, eine neue Menschheit, eine neue Haushaltung, die dauern wird bis zum Tag Christi, bis eine durch Feuer herbeigeführte neue Schöpfung eintritt. Aber aus dem Worte geht sonnenklar hervor, dass alle diese Dinge niemals gebunden sind an unsere Beschaffenheit.

Dieser Standpunkt ist überaus köstlich angesichts der tiefen Erschütterungen, die durch die Gemeine Gottes geht. Durch die Bewegung in unseren Tagen wird uns die Grundfrage gestellt, ob wir Menschen in eine ganz neue Beschaffenheit hineinkommen müssen, oder ob Gott ein Neues schaffen kann, bei dem Er uns gar nicht braucht, sondern das, was Christus in uns wirkt.

Durch Gottes Gnade sind wir bewahrt geblieben vor den furchtbaren Verwirrungen, die über die Lande gezogen sind und die nur durch ein gründliches Verkennen dieses Abc des Christentums möglich wurde. Eine besondere Gelehrsamkeit gehört nicht dazu, das einzusehen, sondern nur ein klarer, offener Blick für die einfachen, scharfgezeichneten Linien, die uns Gott gezogen hat. Aber den Blick dafür hat Er uns gegeben und wir dürfen ihn nur immer neu schärfen lassen. Das ist aber kaum anders zu erreichen, als bei der tieferen Beschäftigung mit den Uroffenbarungen.

Dass Kanaan verflucht wird (1Mo 9:25), ist viel erschütternder, als wenn sein Vater Ham vom Fluch getroffen worden wäre. Die ganze fernere Entwicklung ist von Gott hineingelegt in dieses Wort, doch soll es nicht abschließend, endgültig sein. Es handelt sich um eine allerdings tiefschwarze Gerichtslinie, die Gott als Anschauungsunterricht für die ganze neue Menschheit gegeben hat.

Der Geruch des hier berichteten Vorgangs haftet den Hamiten an bis auf den heutigen Tag. Die Durchtränkung mit diesem Geist hat alle Veränderungen der Zeit überstanden, hat allen Kulturunternehmungen, Herrschaften, Blütezeiten Trotz geboten. Hamiten sind sie geblieben; der Fluch ist nicht ausgewischt. Die hamitischen Völker sind noch die rohesten und am schwierigsten zu behandeln auf dem Wege der Kultur. Diese Erfahrungen sind ein Siegel auf der Wahrheit unseres Gottes, an der auch Macht- und Prachtentwicklung nichts abbrechen können. Er hat die Linien gezogen und nicht wir.

Aber so haben sich auch die Segnungen ausgewirkt im Laufe der Jahrtausende. Einfache, schlichte Menschen müssen gestehen, dass sie in der Geschichts- und Kulturentwicklung der Völker, die sich mit Treue in den drei Linien, die Noah gezogen hat, ausgewirkt haben, die Bestätigung der Wahrheit unseres Gottes sehen. Und dieses Wort bewährt sich nun schon über mehr denn viertausend Jahre.

Zehntes Kapitel

Die Völkertafel

In der Völkertafel erblicken wir eines der gewaltigsten Belege für den göttlichen Stempel und für die Zuverlässigkeit der ältesten Urkunde der Schrift. Sie ist die härteste Nuss für die Kritiker. Man hat nicht nur diese Völkertafel, sondern die ganzen Zeittafeln des Moses in eine spätere Zeit verlegen wollen. Aber es bleibt dabei, dass in diesem einen Kapitel ein Gesichtspunkt eingenommen wird für die Beurteilung der Verteilung der Erde, wie sie tatsächlich einzig dasteht in der Kulturwelt.

Unumwunden müssen wir gestehen, die Juden haben eine Anschauung gehabt über die Zusammenhänge und die Gliederung der Völkerwelt von der Flut bis auf den heutigen Tag und über die Einheit des Menschengeschlechts, wie sie kein noch so großartig angelegtes Kulturvolk sonst je gehabt hat.

Eine einheitliche Auffassung der Menschheit kennt die ganze Heidenwelt nicht. Mit einer Verlegung dieses Kapitels in eine spätere Zeit, verschiebt man nur ihre Schwierigkeiten. Die Geschichtsforscher beißen sich an der Tafel nur ihre Zähne aus. Es wird uns das um so größer, wenn wir uns klar machen, dass sie aus keinem philosophisch veranlagten Volk hervorgegangen ist. Sie bietet das Beste, was von Menschen je über diesen Punkt geschrieben worden ist. Ihre Angaben werden von der Kulturforschung, Sprachforschung, Ausgrabungswissenschaft, bestätigt.

Der Mann, der dieses Kapitel geschrieben, hat einen Überblick über die Menschheit nach der Flut gehabt, der durch keine Einwendungen beeinträchtigt werden kann. Als rein schriftstellerisches Zeugnis ist dieses Kapitel einzigartig. Für uns ist die Frage nach seinem Ursprung leicht. Gott ist es, der es gegeben. Die Stammtafel stammt aus keiner menschlichen, sondern aus der Urquelle.

Nimrod (1Mo 10:8-10) ist eine ganz einzigartige Erscheinung. Er ist das erste alttestamentliche Schattenbild des Antichristus. Wir sehen bei ihm Trotz, Auflehnung gegen Gott, Satanismus. Er tritt auf als Selbstherrscher, Despot, und ist vor allem erster Städtegründer nach der Flut. Was vor ihr nach der Richtung angefangen wurde, das ist durch die Flut hinweggewaschen worden.

Nimrod und das erste Babel

Nimrod ist der Mann, der es wieder aufnimmt. Er macht sich an die Errichtung von Riesenstädten, über die unsere Baumeister heute noch staunen. Ninive und Babel gehen über alles hinaus, was wir von festen Städten haben. Sie weisen Verhältnisse auf, aus denen man erkennt, dass ihre Erbauer keine kleinen Geister waren. Sie hatten himmelstürmende Gedanken. Nimrod ist die Verkörperung und Verjüngung des Kainismus, nur in viel großartigerer Gestalt.

Bei Babel machen wir auf ein Wortspiel der heiligen Schrift aufmerksam. In Jer 25:26; Jer 51:41 findet sich der Name Sesach (Scheschach) vor, der infolge einer der hebräischen Sprache eigentümlichen Umkehrung als Babel zu lesen ist. (S ist der vorletzte, wie B der zweite Buchstabe des hebräischen Alphabetes usw.) Diese Umkehrung ist als eine köstliche Weissagung zu betrachten: Gott wird Babel umkehren.

Babel hat einem merkwürdige Bedeutung in der Schrift. Es steigt auf auf dem Boden der neuen Erde und findet sein Ende diesseits der neuen Erde. So lesen wir in Offb 18:2; Offb 17:5: „Sie ist gefallen, sie ist gefallen, Babylon, die Große, die da ist die Mutter der Hurerei und aller Gräuel“. Unter Hurerei haben wir jegliche Abweichung von Gott zu verstehen. Mit dem babylonischen Unwesen ist es alsdann vollständig zu Ende.

In dieses Babylon, das die Verkörperung des Antichristentums, das Sinnbild der Empörung gegen Gott ist, sendet Gott, als Er es nicht mehr mit ansehen konnte, sein so tief gesunkenes, so ganz von Götzendienst durchseuchtes Volk, um es davon geheilt nach Hause kehren zu lassen. Nie wieder nachher findet sich bei ihm ein Hang zur Abgötterei.

So wie Gott aber Babel (diese Macht, die das Unheil erzeugt und auf die höchste Blüte gebracht) gebraucht hat, Israel zu heilen; so wie Er die Mutter der Hurerei benutzt hat, es von der Hurerei frei zu machen, so wird Er auch verstehen, die Menschheit von allem satanischen Unwesen für immer zu heilen und die Engelwelt dazu. Babel ist ja nur ein Bild von dem Urheber aller Sünde und alles Bösen; und was Gott an Israel getan, ist nur ein Anschauungsunterricht, eine Vorprobe Seines Verfahrens in der Zukunft. Hier haben wir eine Linie, die wir verlängern dürfen.

In Nimrods Unternehmung (1Mo 10:8.9.) begegnen uns die ersten Spuren gewalttätiger Beherrschung der Menschheit. Vor der Flut sind keinerlei Spuren von Völker- und Staatsgebilden und Herrschaften nachweisbar. Damals waren die Menschen zusammengefügt auf dem Boden der Familie. Den Staat kannte man nicht. Es gab keine Obrigkeiten, keine Gesetzgebung und Gesetze in ausgesprochener Form.

Es ist bezeichnend, dass ein erster Ansatz dazu aus dem Geschlechte Hams gemeldet wird, das in besonderer Weise unter dem Fluche stand. Die Kainiten bauten Städte, um sich angesichts des göttlichen Fluches durch diesseitige Mittel und Gaben das Leben angenehm und schön zu gestalten. Man wollte den Blick hinweglocken von dem Ziel, das Gott gesteckt hatte. Was dort begonnen hat, setzt Nimrod fort, aber in viel großartigerer und zwingherrischer Weise.

Abraham dagegen hat warten gelernt auf die Stadt, deren Grundfeste Gott gelegt hat (Hebr 11:10). Jenes Städtebauen war ein trotziges Vorwegnehmen der Absicht Gottes, dem vergleichbar, da Israel einen König begehrte. Es lag im Plane Gottes, ihnen einen König zu geben; nun gab Er ihnen einen in Seinem Zorn.

Ähnlich ging es bei den Kainiten: der erste Städtebauer war – der erste Mörder. Bei ihnen ist es abgesehen auf die Verherrlichung der Menschen und Hervorhebung seiner Leistungsfähigkeit. Aber Blut ist stets das Zeichen der Kultur, das ihr heute noch anhängt.

Demgegenüber steht die großartige Einfachheit des Lebens der Patriarchen, die Verzicht leisten auf die Errungenschaften der Kultur. – Die Posaune der Kultur wird auch heute laut geblasen und selbst die Kinder Gottes werden von ihren Klängen ganz berauscht. Wir werden umso tiefer von diesem Geist erfasst, je williger wir uns ihm hingeben.

Wir beobachten also jetzt eine neue Erscheinung auf dem Boden der erneuerten Menschheit. Man beschränkt sich nicht länger auf den Familienrahmen; man schreitet zur Bildung von Völkern, Reichen. Es scheint bei Nimrod von einer Niederzwingung der Schöpfung zur Niederzwingung der höheren Geschöpfe, der Menschen, fortgeschritten zu sein – ein gewaltiger Gegensatz gegen früher.

Auch früher gab es Machtstellung und Unterordnung, wie das ja in den Grundgedanken der Familie begründet ist. Bei Nimrod aber handelt es sich um eine Herrschaft sündiger Menschen über die Menschen. Die früher in der Familie gegebene Unterordnung unter die Obergewalt des Familienhauptes dehnte Nimrod aus zur Unterwerfung unter die Herrschaft über die ihm gleichgestellte Menschheit.

Aber selbst der Anfang der Tyrannei entsprach einem Gedanken der Herrschaft Gottes auf Erden. So wie es in den Himmelsräumen Herrschaften, Gewalten, Throne gibt, so wird Gott auch auf Erden eine Monarchie, ein vollendetes Königtum durchführen. Das Verfahren Nimrods aber läuft hinaus auf ein eigenwilliges Vorausnehmen und Vorauslaufen, mit dem der Mensch sein Nicht-warten-können aufdeckt.

Wir kommen hier zu sprechen auf Grundzüge im Sündenwesen und seine Unterscheidung von satanischem Wesen. Vieles wird dem Satan zugeschrieben, was ihm nicht gehört. Auch ihm gegenüber müssen wir gerecht sein und ihn nicht belasten mit dem, was uns zugeschrieben werden muss. Einige Züge des Menschenwesens sind auf Satans Eingebung zurückzuführen; z. B. der Zug der Vergewaltigung, der Mord. Nicht umsonst nennt Jesus den Satan einen Mörder von Anfang (Joh 8:44). Es ist etwas Furchtbares, dass der Obrigkeit das Schwert, der Mord, verliehen ist.

Sodann der andere Zug, den Jesus in den Worten ausspricht: „Er ist nicht bestanden in der Wahrheit.“ Der Hang zur Lüge, zur Unwahrheit ist unverkennbar Satans Erzeugnis. Wie weit er zusammenhängt mit Vergewaltigung, das wissen wir.

Einen dritten Zug im Sündenwesen des Menschen aber gibt es, der ausschließlich menschlich ist, nämlich der Hang, alles zu verderben, was wir in die Hände bekommen. Die unsagbare Verdorbenheit, Versumpfung, die überall wahrzunehmen ist, scheint ein rein menschliches Können zu sein.

Satan konnte sich nicht Rechenschaft geben über das, was er mit seiner Verführung anrichtete. Er ist ja kein Konkurrenz-Gegengott. Gewiss ist er uns überlegen, zudem hat er eine mehr als sechstausendjährige Erfahrung hinter sich, aber er war nicht im Stande, überschauen zu können, was für eine Ernte des Verderbens, der Verfaulung in der Menschheit hervorwachsen würde dadurch, dass er sie aus der Gemeinschaft mit Gott herausriss. Er hatte wohl unzweifelhaft den Wahn, die Menschen auf dem Wege der Freiheit zum höchsten Ziele zu führen. Er selbst hat es ja erstrebt, göttliche Anbetung zu erreichen.

Das sehen wir am deutlichsten bei seinem Verfahren mit dem zweiten Adam. Dieses Bestreben ist ihm in seiner viel tausendjährigen Erfahrung nicht abhanden gekommen: er will angebetet sein als Gott.

Paulus sagte uns (1Kor 10:20), dass hinter den Göttern dämonische Mächte stehen, die sich selbst göttliche Anbetung verschaffen. Der Übermensch Nietzsches ist uns bekannt. Durch das ganze Verhalten Satans geht der Zug der Selbstverherrlichung. Aber es ist ihm nicht gelungen, dem Verderben abzuwehren. Er hat es nicht verhindern können, dass die Menschen mit einer solch unwiderstehlichen Wucht alles, was Gott ihnen Großes, Gutes, Herrliches anvertraut hat, verderben.

In dem ganzen Vorgehen des Feindes während der christlichen Jahrhunderte ist eine Änderung seines Verfahrens nicht wahrzunehmen. Er hat es viel weniger darauf angelegt, die Gedanken Gottes durch Lüge zu verhindern als vielmehr darauf, dass er in geschickter, verschlagener Weise allem Selbstveredelungsstreben der Menschen Vorschub leistet. Heute ist die größte Gefahr für die Erkenntnis der Wahrheit in Christo zu erblicken nicht auf dem gewalttätigen Wege der Bekriegung und Unterjochung, sondern auf dem Wege der Nachahmung, auf Grund der geschicktesten und erhabensten Systeme, Lehranschauungen die höchsten Stufen der Erhebung und Veredelung zu erklimmen. Satan will nicht die Menschen schlecht sondern besser machen. Er versprach ja der Eva, sie der Gottähnlichkeit entgegenzuführen. Satan würde wahrscheinlich viele Dinge, die sich heute zutragen, verhindern, Missstände abschaffen und eine großartige Reform vornehmen.

Der Bericht über die Errichtung des Königreichs Babel (1Mo 10:10) greift 1Mo 11:4 vor. Das ganze zehnte Kapitel gibt einen kurzen Überblick über die Entwicklung und Ausbreitung der Menschheit.

Die babylonische Kultur ist viel älter als die assyrische und für letztere maßgebend gewesen. Beweis dafür ist die Tatsache, dass die gewaltigen Bauwerke in Assur denen in Babylon in merkwürdiger Weise ähneln. So werden z. B. ganz so, wie es in Babylonien üblich war, wo Steine fehlten, auch in Assur Steinziegel gebrannt, trotzdem dort natürliches Gestein für gewaltige Tempelbauten reichlich vorhanden gewesen wäre. Man hat also in Assur die alte heilige Bauweise Babylons beibehalten. Somit ist die Gründung Ninives von Babel aus (Vers 11) nicht Fabel und Dichtung.

Für uns hat Babel so, wie es die Prophetie bis in die Offenbarung hinein darstellt, die Bedeutung, dass es der Anfang und die Vollendung der Zusammenfassung aller gottwidrigen Mächte geworden ist und werden wird.

Elftes Kapitel

Aus der Flut ging nur e i n e Familie hervor, die des Noah. Ob sie hebräisch gesprochen hat? Jedenfalls ist die Sprache ein merkwürdiges Bindeglied. Wäre nicht die Vermessenheit des Menschen dazwischen getreten, dann wäre es bei einer Sprache geblieben.

In der Sprachenverwirrung erblicken wir ein wohlverdientes, jedoch auch ein überaus gnädiges Gericht Gottes. Die Sprache ist eines der stärksten Bande. Gottes Gedanken laufen ja darauf hinaus, eine solche Einheit zu schaffen, da alle Menschen und Völker einander wirklich verstehen.

Die Arche landete auf dem Ararat, auf einem Hochland, das für größere Menschenmassen keinen Raum bot. So entstand der natürliche Drang, abzuwandern, und zwar nach Osten (1Mo 11:2). Auf dieser Wanderung gelangte man in eine überaus fruchtbare Gegend, nach Sinear.

Die Sprachenverwirrung

Der Gedanke taucht auf, einen ungeheuren Turm zu bauen, um der Zerstreuung vorzubeugen (1Mo 11:4). Die Ausführung eines solchen Werkes, sowie die Vorbedingung dazu, wie Ziegelstreichen und brennen (1Mo 11:3), setzt aber einen Zusammenschluss und eine Oberleitung notwendigerweise voraus. Der einfachste Grundzug für das, was die Menschen bewegte, war der ausgesprochene Wille, Gott schnurstracks zuwider zu handeln.

Stadt und Turm wollen sie bauen, damit sie nicht zerstreut würden. Man hatte also Gott gut verstanden, als er sagte: „Füllet die Erde“ (1Mo 9:1). Der Verlauf der Menschheitsgeschichte ist ein ganz andrer geworden als der gottgewollte. Die babylonische Krankheit hat uns gepackt und durchschüttelt uns gewaltig. Man will sich nicht zerstreuen, sondern sich in festgefügten Menschenmassen zusammenballen, sich einen Namen machen und so Gottes Gedanken hintertreiben.

Am meisten ausgeprägt finden wir das bei den Kulturvölkern. Erschütternde Beweise dafür sind die Großstädte, die trotz aller Gesundheitsmaßregeln und aller Verbesserungen und Umgestaltung Brutherde des Volksverderbens sind. Nicht Landbevölkerung, nicht in agrarischen Kreisen, sondern in den Städten haben wir den Herd der Durchseuchung und Fäulnis zu finden.

Darin erblicken wir das Grundwesen Babylons, und man wird nicht ruhen, bis der Bankrott da ist. Wir kennen allerlei Verbände und Bünde, z. B. die der Arbeitnehmer, der Arbeitgeber, des Militärwesens, von Völkerregierungen. Auf diesen Linien liegen die gefährlichsten Anstöße für Zersetzung des gesunden nationalen Lebens; hier liegen die Keime des Verderbens. Man will den Himmel stürmen, bildlich aufgefasst. D e n Geist kennen wir. In Errichtungen von Kirchtürmen, Wolkenkratzern usw. offenbart er sich. Er lässt dem Menschen keine Ruhe, und der Mensch wiederum lässt nicht von ihm ab. Daher sagt Jehova (1Mo 11:6): „Das ist der A n f a n g ihres Unternehmens!“

„Der Herr fuhr herab“ (1Mo 11:5). Diese und ähnliche vermenschlichende Redewendungen (Anthropomorphismen) der Schrift sind eine köstliche Art unseres Gottes, einzugehen auf unsere Denkweise. Wir erinnern uns hierbei an den Ausspruch unseres Herrn (Mt 11:25): „Den Unmündigen hat es der Vater offenbart.“ Wir erkennen darin den Vorsatz unseres Gottes, den Menschen gleich zu werden und ihn zu Seinem Ebenbilde heranzuholen.

1Mo 11:6 begegnet uns zum ersten Mal das Wort „Volk“. „Und nun sollte ihnen nicht verwehrt werden alles auszuführen, was sie sich vorgenommen haben?“ Gott will wehren, aber Sein Gericht ist gepaart mit Gerechtigkeit. Er will sie abhalten, so rasend schnell in namenloses Verderben zu geraten. Sein Gericht steuert also dem Verderben nach Kräften.

„Wohlan, lasst uns ... ihre Sprache verwirren“ (1Mo 11:7). Die Sprachverwirrung ist die Ursache geworden für ungemein viel Arbeit und Mühe. Auch für die Mission ist sie eine ernste Hinderung. Gott wusste aber, was Er tat. Er schuf ein Hindernis, über dessen Tragweite Er vollständig im Klaren war. „Gott sind von Ewigkeit her alle Seine Werke bewusst“ (Apg 15:18). Gott hat abgemessen und abgewogen, dass sie der Durchführung Seines Heils Hindernisse bereiten würden und sie mit Absicht in Seinem Plan aufgenommen. Von einer Enttäuschung kann also keine Rede sein. Die Sprachverwirrung ist nur ein Beleg mehr, dass Gott durchaus nicht in der Eile ist. Er ist sich Seiner Sache sicher. Wir Elektrizitäts- und Dampfmenschen meinen, wir müssten unseren Gott auch noch mit der Peitsche helfen. Schlimmer ist, dass unsre Hinter- und Nebengedanken verantwortlich sind für unser Klagen, Fragen und Zagen. Nach dieser Richtung bleibt uns noch viel zu tun übrig.

Er hat sicher auch damals die Kosten überschlagen. Vor zweitausend Jahren erbrachte Gott den Beweis, was Er konnte, wenn Er wollte. An Pfingsten gab Er dem Grundsatz nach eine Lösung der Sprachverwirrung, wenn es heißt: „Wir alle hören sie in unsern Zungen die großen Taten Gottes reden“ (Apg 2:11).

Man kann eine Bewegung wie die Pfingstbewegung insofern verstehen, als sie darauf aus ist, Gott zu helfen, Seine Arbeit zu beschleunigen. Ohne Frage könnte Er das, wenn es in Seinen Gedanken läge. Jene Aufhebung der Sprachverwirrung war eine Wirkung des Geistes, der vom Vater ausgeht, der bekannt ist mit den Plänen des Vaters und des Sohnes, und der sich über Sein Tun klar gewesen ist.

Verständlich ist ja der Wunsch, das, was damals geschah, möchte auch weiter vor sich gehen. Die Bestrebungen zur Ausgestaltung der Menschen zum Ebenbilde Gottes dauern ja auch fort. Wenn nötig, dann wäre es ja so einfach gewesen, die wiedergebärenden Kräfte auch der Sprachengabe nach keine Unterbrechung erleiden zu lassen. Dass es dennoch geschehen ist, dafür trägt der Heilige Geist die Verantwortung, nicht die Gemeine Gottes. Denn Er hat ja den Aufbau des Leibes Christi fortgesetzt, trotz aller Verkehrungen und Verdunkelungen, die eingeschlichen sind.

Die andern Gaben hat Er nicht zurückgezogen, wohl aber die Sprachengabe. Es kann somit nicht im Plane Gottes gelegen haben, diese Gabe in der Gegenwart zu erhalten und auszugestalten, sonst wäre es unfehlbar geschehen. Gott ist nicht in der Eile. Aber es kommt einmal die Zeit, wo Er in ganz außerordentlicher Weise Gebrauch machen wird von den Gaben und Kräften des Heiligen Geistes. Wir können uns lebhaft die Enttäuschung jener Geschwister vorstellen, die mit der Gewissheit nach China gingen, sie hätten die Gabe, chinesisch zu sprechen, erhalten und dort die Erfahrung machen mussten, dass kein Mensch sie verstand.

Das Gericht hatte beigetragen, die Menschheit zu bewahren (1Mo 11:8). Wie bei allen Gerichten Gottes, sieht man auch bei diesem nur die schwierigen, lästigen Wirkungen und hat nur eine schwache Vorstellung davon, was geworden wäre, wenn Gott nicht gewehrt hätte. Das Verderben wäre alsdann ohne Schranken hinausgedrungen in einer Tiefe und Unumschränktheit, wie wir sie uns nicht ausmalen können. Eine solche Aufhäufung und Ausdehnung hat Gott wirksam verhindert.

Gewinnt man Einblick in die Gewalten, die sich in einem Volk zusammenballen, dann bekommt man eine kleine Vorstellung von dem, was eine Zusammenballung aller Menschen bedeuten würde. Der Umsturz trägt immer mehr ein völkerumfassendes Gepräge. Man will alles zusammenschließen. Angesichts solcher Gefahr dürfen wir Gott aus tiefster Seele danken, dass die Sprachverwirrung nicht aufgehoben ist. Es ist nicht abzusehen, ob auch nur eine Regierung einem weltumfassenden Ansturm standhalten könnte.

Auch die schwersten Gerichtsheimsuchungen Gottes haben eine heilsame Bedeutung. Keine erschöpft sich in sich selbst; sie alle zielen hinaus über sich zur Heilung, Gesundung, Wiederherstellung. Das tut ihrer Aufgabe keinen Abbruch; sie sind und bleiben Strafgerichte. Aber sie sind nicht zwecklose Rachehandlungen, sondern tragen heilsame Wirkungen in sich.

Die Geschichte Abrahams

Mit dem Abschnitt 1Mo 11:27-32 beginnt die Geschichte Abrahams. Aus Apg 7:4 und Hebr 11:8 geht hervor, dass Abraham schon in Chaldäa eine Offenbarung Gottes gehabt haben muss. Unter seinem Vaterlande ist dann Ur in Chaldäa zu verstehen. Ur war eine alte Priesterstätte der Mondgöttin, die dort verehrt wurde.

Wir stoßen dort zu jener Zeit auf einen hohen Grad der Kultur. In den angeführten Schriftstellen tritt uns eine ganz wunderbare Art unseres Gottes entgegen, mit menschlichen Schwierigkeiten, Schwerfälligkeiten und mit Aufenthalt zu rechnen. Sie geben uns einen wichtigen Schlüssel zum Verständnis der Wege Gottes mit der Menschheit überhaupt. Wir begegnen in ihnen dem wunderbaren Grundgesetz in Seinem Verfahren mit Seinen Gläubigen.

Es kam zu einer Unterbrechung des Auszugs. Abrahams Familie zog aus, aber sie erreichte das verheißene Land nicht. Tharan musste erst in Haran sterben. Damit erst kommt es zu einer völligen Lösung für Abraham, sodass er beim zweiten Male den ursprünglichen Gedanken Gottes ausführte.

Gott rechnet bei Seinen Plänen mit Hindernissen und dem Unvermögen unsererseits, Seine Gedanken ganz in uns aufzunehmen und durchzuführen beim ersten Mal. Beim anderen Mal aber kommt Er mit uns durch. Es lohnt sich, an Hand dieses Schlüssels die ganze heilige Schrift zu untersuchen. Es wird uns zur Bewunderung und Anbetung hinreißen, wenn wir wahrnehmen, wie Gott sich mit unsagbarer Geduld aufhalten lässt und wie Er diese Wartezeit, die dem menschlichen Unverstande und Unvermögen, auf Seine Gedanken einzugehen, entspringt, in Seiner Weise zu erzieherischen Zwecken auszunützen vermag, wie Er aber, wenn Er zum zweiten Male Seine Gedanken wieder aufnimmt, zum Ziele kommt. Denn Gott zieht nie eine Linie, die Er nicht zu Ende führt. Wie lange auch ein Aufenthalt dauern mag, Er erreicht Seine Ziele doch. Glück, Freude, Ruhe kommt über uns, wenn wir diese Einsicht gewinnen.

Wir alle kennen den Ausdruck „der zweite Adam“. Mit dem ersten Adam und seinem Geschlecht kam Gott nicht durch. Wie lange hat Er sich aufhalten lassen! Mindestens viertausend Jahre sind verstrichen, ehe Er den Zweiten sandte. Er ließ die Menschen wirtschaften nach ihrem Belieben und mischte sich nicht hinein. Das kleine Völkchen Israel ausgenommen, ließ Er die Übrigen sich ausleben nach ihres Herzens Gelüste.

Als aber der zweite Adam kam, wurde auch Er das erste Mal gar nicht verstanden. Dann nahm Ihn Gott nach Seiner verfehlten ersten Sendung wieder zurück. Es war, als ob Er gesagt hätte: Seid ihr nicht bereit, dann warten wir noch.

Wenn Er aber zum anderen Male kommt, dann dringt Er durch, jedoch in genau der gleichen Linie, wie das erste Mal. Alsdann wird Ihm die Durchführung des ersten Gedankens gelingen, aus dem Staube geschaffene Menschenkinder zu Söhnen Gottes nach Seinem Bilde zu gestalten. Die erste Sendung Jesu Christi in die Welt ist die Bürgschaft für die fehlerlose Durchführung des ursprünglichen Schöpfungsplanes.

Als Kain geboren wird, wird die größte Hoffnung im Herzen der Eva geweckt, der aber, von dem sie Heil und Leben erwartet, wird zum Brudermörder. Ein andrer muss geboren werden, der Fürst des Lebens wird – nicht der Erste, sondern der andere Menschensohn.

Welche Bewegung gab es in Ägypten, als die Brüder, die Mörder, ihren Bruder Joseph vor sich sahen. Er kannte sie, sie aber ihn nicht. Er machte es ihnen heiß im Gewissen, so dass sie gestehen mussten: „Das haben wir an unserm Bruder verschuldet, dass wir sahen die Angst seiner Seele, da er uns flehte, und wir wollten ihn nicht erhören“ (1Mo 42:21). Zum andern Male aber gab er sich ihnen zu erkennen, und nun gab es nicht nur Aussöhnung, sondern völlige Wiederherstellung. Er, dessen Mörder sie geworden sind, wird ihr Wiederhersteller.

Das Volk Israel wird in Ägypten immer größer. In ihrer höchsten Bedrückung wird Moses mit vierzig Jahren zu ihrer Rettung gesandt. Sie aber vernehmen nicht, dass Gott durch seine Hand Heil geben wollte. Denselben Mann schickt Er vierzig Jahre später, und nun setzt Er die Rettung durch.

Das Volk, das aus Ägypten zog, muss in der Wüste zerfallen; erst das zweite Geschlecht kommt ins verheißene Land. Moses ist der erste große Heerführer Gottes, aber er stirbt, ohne nach Kanaan zu kommen. Der Zweite, Josua, kommt hinein.

Die erste Gesetztafel zerbricht, erst die Zweite gelangte zur Aufbewahrung. Und so weiter auf der ganzen Linie.

Wir verstehen, warum Unruhe, Aufregung, Zorn, Zähneknirschen im Hohen Rate die Folge war, als man zu begreifen verstand, dass Stephanus in seiner Verteidigungsrede mit seiner Nachweisung dieses Grundzuges des göttlichen Verfahrens auf Jesum hin zusteuerte und ihnen vor Augen hielt ihr Unvermögen und ihre Unwilligkeit darauf einzugehen.

Gott lässt sich aufhalten durch das Unvermögen Seiner Auserwählten, Ihm zu folgen, und Er trägt es mit unsäglicher Geduld; das andre Mal aber geht Er unfehlbar durch.

Das ist unbeschreiblich kostbar für uns, die wir an der Scheide stehen zwischen dem ersten und zweiten Kommen des Herrn. Wir müssen es mittragen, dass wir unter der Last und Schwierigkeit stehen, dass die Gedanken Gottes in Christo erst mit Seinem zweiten Kommen zur Durchführung gelangen. Wenn man diesen Grundzug erkannt hat, lässt man sich nicht länger umtreiben und sich nicht unwillig machen, zu warten. Dann kann man warten, wie Christus wartet. Und warum kann er warten? Weil Er Seiner Sache vollkommen sicher ist! Beim zweiten Mal führt Er alles herrlich hinaus.

Dass wir warten, schließt jedoch eine gottgewollte und gottgeordnete Betätigung und Durchführung der Gedanken Gottes, wie sie in das gegenwärtige Zeitalter gehören, nicht aus sondern ein, ebenso wenig wie Christus untätig zusieht. Aber täuschen wir uns nicht über die Bedeutung dieses Zeitalters!

Lies weiter:
5. Die Erwählung Abrams (1Mo 12-14)