Josef, Rahels Erstgeborener

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Aus dem Zweimonatsheft für gläubige Schriftforscher:
"Das prophetische Wort“ (Jahrgang 1923-25)
Begründet von Professor E. F. Ströter

Herausgegeben von Heinrich Schaedel
Maranatha-Verlag, Klosterlausnitz i. Thür.

Siehe weitere Abschriften

Das erste Buch Mose

von: Prof. E. F. Ströter
Inhaltsangabe: 1Mo 1-50

14. Josef, Rahels Erstgeborener

Siebenunddreißigstes Kapitel

Nach 1Mo 37:2 beginnt jetzt die Familiengeschichte Jakobs. Anstatt dass nun aber von Jakobs Tun und Treiben berichtet wird, tritt in den Vordergrund ein einziger Sohn: Der Erstgeborne der Rahel erscheint auf dem Plan. Die sechs Söhne der Älteren, unschönen aber fruchtbaren Lea kommen ja nachher auch auf die Bildfläche, und die andern fünf dazu. Benjamin spielt eine weniger schmerzliche Rolle als die andern.

Joseph ist der Sohn Jakobs, der ihm nach langem, nicht immer geduldigem, tragendem Warten geboren wurde, in dem sein tiefstes Sehnen, das Gott in ihn hineingelegt hatte, seine Befriedigung und Erfüllung fand.

Bei Licht besehen ist es Josephs Geschichte, die hier erzählt wird, in die die Geschichte Jakobs hinausmündet. Joseph ist von jetzt an die alles beherrschende Gestalt. Um ihn dreht und bewegt sich alles, wie es in dem Traumgesicht so anschaulich dargestellt ist. Vor ihm neigen sich Vater, Mutter, Brüder, das ganze Haus Jakobs.

Joseph war siebzehn Jahre alt (1Mo 37:2-4), also noch ein Knabe, als er mit seinen Brüdern das Vieh hütete, und er brachte Klagen über sie vor den Vater. Da werden uns wieder die Söhne von der Magd, Bilha und Silpa, in den Vordergrund gestellt, in denen das knechtische Element zum Ausdruck kommt.

Natürlich, im Hause der vorausvermählten Söhne der Mägde gibt es allerlei Dinge, die dem Vater des Hauses nicht gefallen können, und der Sohn der Rahel hatte die schmerzliche, mit bitteren Folgen verknüpfte Aufgabe, nicht nur auf diese Dinge ein Auge zu haben, sondern sie sogar zur Sprache zu bringen. Und Joseph brachte sie vor den Vater. Es waren keine unberechtigten Beschuldigungen, sondern solche, die Abhilfe erheischten. Sie wurden der Wahrheit gemäß berichtet, und das brachte ihm Hass und Verbitterung ein von Seiten seiner Brüder.

„Israel aber“ (1Mo 37:3)! Es ist kein Zufall, dass hier der Name Israel genannt wird, der gottgegebene Name, Jakob seinem Naturwesen nach nicht, sondern Israel nach der neuen Schöpfung, die sich in ihm vollzogen hatte nach Sieg und Niederlage am Jabbok. –

„Israel aber hatte Joseph lieber als alle seine Brüder“. Die ganz besondere zur Schau getragene Vorliebe für Joseph mag ein Stück der alten Jakobsnatur gewesen sein, dennoch wird ihm der neue Name beigelegt, weil ja vieles bei ihm sich schon geklärt hat, da er über manche Stürme hinweggetragen worden ist durch die Geduld und Langmütigkeit seines großen allmächtigen Gottes.

Der bunte Rock

„Israel aber ... machte ihm einen langen Rock“. So übersetzt die Miniaturbibel. Wir ziehen Luthers Übersetzung vor: „...einen bunten Rock“, einen Rock von schönen, verschiedenen Farben, wie ja in den verschiedenen Farben die Strahlenbrechung des reinen Sonnenlichts zum Ausdruck kommt, wofür uns der Regenbogen ein Beispiel ist.

Die Farben des Regenbogens sind nichts weiter als die Brechung des einen einheitlichen, reinen Sonnenlichts; alle Strahlen zusammengenommen bilden das klare, ungetrübte, helle Lichts des Himmels. Aber in diesem Lichte ist eine solche Fülle von Schönheit, ein Reichtum von Mannigfaltigkeit, wie sie sinnbildlich zum Ausdruck kommt in den bunten Farben, in die Gott Seine Schöpfung gekleidet hat. Unser Gott ist ein Künstler, Dem keiner gleicht.

Es ist ein großer Missverstand von lieben, ernsten Menschen, die Gott aber nicht verstanden, wenn sie meinen, die dunkleren, grauen, schwarzen Farben, in denen alles Bunte, Helle fehlt, kleiden sie frömmer, heiliger! Man zwingt unsere Prediger, sich in die Tracht der Finsternis zu kleiden; die Schwestern, die Armen – alles muss dunkle oder graue Eselsfarbe tragen. Es ist ein Jammer! Ich freue mich an das Bett heranzutreten, denn da darf man sich weiß kleiden.

Es wäre richtiger, sich immer in weiß zu kleiden. Je heller, desto freundlicher, desto besser. Gott hat keine Freude an dunklen Schattierungen. Er geht verschwenderisch um mit Farben und Formen, dass man jauchzen kann.

Dem gemäß, also aus einem inneren Grunde, will es uns besser einleuchten, dass dieses Kleid des Sohnes Jakobs nicht ein einfarbiges, einförmiges, sondern ein buntes, vielfarbiges gewesen ist, als Ausdruck der mannigfaltigen, reichen Gaben des Lichtes, das sich in seiner Person, in seinem Wandel, in seiner Aufgabe widerspiegeln soll. Aus richtiger Empfindung heraus hat Luther die beste Übersetzung getroffen, die auch unter den Hebräern die herrschende ist. Hebräer lieben das Bunte.

Als seine Brüder das sahen, hassten sie ihn (1Mo 37:4). Sie wollen ihn nicht grüßen, noch ein freundliches Wort an ihn richten, wohl aber lassen sie sich von ihm seine Träume erzählen (1Mo 37:5). Träume sind ihrem Ursprung nach sehr schwer festzulegen, zu bestimmen.

Josefs Träume

Hier haben wir es unzweifelhaft mit gottgegebenen Träumen zu tun. Dass Gott in früheren Tagen häufig sich des Traumes bedient hat, als es noch keine geschriebenen Offenbarungen gab, ist ja nicht nur Tatsache, sondern auch sehr verständlich. Selbst als es schon schriftliche göttliche Offenbarungen gab, hat Er Sich noch dieses Mittels bedient, vornehmlich aber bei den Völkern ohne Offenbarung, wie z. B. im Falle des Pharao und Nebukadnezar.

Von den Propheten wird deutlich unterschieden zwischen Träumen und Gotteswort. „Wer Träume hat, der rede Träume; wer aber ein Wort Gottes hat, der rede das Wort“ (Jer 23:28). Im Worte haben wir eine höhere Form der göttlichen Offenbarung, eine Sicherung gegen Irrtum und Täuschung. Aber Gott kann auch im Traum sicherlich und zuversichtlich reden, und von vielen Träumen wissen wir, dass sie zu wirklicher, geschichtlicher, buchstäblicher Ausführung gelangt sind.

Der Träume sind zwei, wie ja Gott alle sehr wichtigen Dinge in doppelter Form auftreten lässt, damit unsere Gewissheit nur um so größer sei. Der Erste hat es zu tun mit den Brüdern, bei denen er ja weilte, mit denen er sich auf dem Felde sah. Da kommen Vater und Mutter nicht in den Gesichtskreis (1Mo 37:6.7). -- Der zweite bewegt sich auf einer höheren Stufe, auf Himmelsboden; er hat es mit himmlischen Körpern zu tun. Sonne, Mond und Sterne erscheinen hier (1Mo 37:9.10).

Auch hierin liegen bedeutsame Unterschiede zwischen irdischen und himmlischen Körperschaften. In beiden Gebieten bewegen sich die Träume. Natürlich geht ein solch junger Mensch diesen Dingen nach; sie machen ihm zu schaffen. Er wäre sonst kein Mensch gewesen. Darum muss er sich vor seinen Brüdern aussprechen. So erzählt er ihnen denn ohne arge Gedanken, berichtet ohne Zutaten in Lauterkeit und Wahrheit, was Gott ihm im Traume gezeigt hat. Er kam aber schön an!

Da haben wir einen der klarsten, einen der vorbildlichen Züge von dem, den der Vater vom Himmel sandte zu Seinen Brüdern. Joseph zwar kommt zu seinen Brüdern mit ihm noch unklaren Offenbarungen, mit in ihm noch traumhaft schlummernden Vorstellungen von kommender Herrscherwürde und Herrlichkeit.

Der Sohn Gottes aber redet zu Seinen Brüdern von den Dingen des Vaters, die Er selbst kennt und besaß (Joh 17:5), und wird der tiefen Bedeutung nach nicht nur nicht verstanden, sondern ob der gegebenen Offenbarung, der von Ihm gemachten Mitteilung empfangener Gotteswahrheit von ihnen aufs Bitterste gehasst, wie das Joseph auch erfahren musste.

Selbst sein eigener Vater lehnt sich gegen diese Gedanken auf. Er fragt: „Was ist das für ein Traum?“ Vor dir sollen wir uns beugen, neigen (1Mo 37:10)? Sein Vater behielt diese Worte in seinem Gedächtnis; „Seine Brüder aber beneideten ihn“ (1Mo 37:11). Dieser Ausdruck erinnert uns an Mt 27:18: Pilatus wusste wohl, dass man Jesum aus Neid überantwortete hatte.

Da sehen wir, wie vollständig die Linien sich decken. Die Obersten des Volkes würden Jesum im Triumph auf den Schild gehoben haben, wenn Er sich ihnen als Werkzeug zur Verfügung gestellt, wenn Er mit wunderbarer Kraft die Feinde aus dem Lande gejagt hätte. Aber als Er ihnen von den Dingen redete, die Sein Vater Ihm offenbart hatte, da war es mit der Freundschaft aus. „Sie neideten ihn“.

Josef sucht seine Brüder

Dann kommt ein andrer köstlicher Zug, beiläufiger Weise, ungezwungen. Seine Brüder sind ferne von des Vaters Hause; sie weiden die Herden; und da sendet er den Sohn, der soll nach den weiten Herden und den Brüdern sehen. Wer erinnert sich da nicht des Wortes unsers Herrn: „Ich bin nicht gesandt denn nur zu den verlorenen Schafen vom Hause Israels“ (Mt 15:24)?

Als ein Mann Joseph auf seiner Suche nach seinen Brüdern irre gehen sah, fragte er ihn, was er suche. Er antwortete: „Ich suche meine Brüder“ (1Mo 37:16).

Dieses Wort aus Josephs Munde dürfen wir getrost als einen Einklang ansehen an den Grundton, der durch das ganze Leben des Großen Josephs hindurchgeht, und der noch heute gilt: Ich suche meine Brüder, wenngleich Er sie noch nicht gefunden hat. Er wird nicht müde werden, bis dass Er sie gefunden hat, wie Er es ja so lieblich und deutlich in dem Gleichnis von den verlorenen Schafen gesagt.

Er sucht das Verlorene, b i s dass Er es findet! Glauben wir doch, dass Er ein Hirte ist, Der nicht aufhört zu suchen, als b i s Er gefunden hat! Im andern Falle hätte Er Sich schmählich bloßgestellt. Denn von einem menschlichen Hirten sagt Er, dass der nicht ablässt, bis er das Verlorne gefunden hat, und Er Selbst sollte das verloren geben, was Ihm der Vater gegeben und davon ablassen zu suchen, b i s Er alles gefunden hat? Wahrlich, durch alle Zeitläufe (Äonen) sucht Er, bis Er gefunden haben wird!

Als seine Brüder den „Träumer“ kommen sehen reift in ihnen der Gedanke, ihn umzubringen (1Mo 37:18). Ruben jedoch verhindert diesen Anschlag (1Mo 37:21.22) und durch diesen Dienst hat er sich wieder zurechtgefunden, eingerichtet, eingesetzt; Joseph aber hat ihm diesen Dienst nie vergessen. Ruben fiel seinen Mörderbrüdern in den Arm, ihn nicht ums Leben zu bringen.

Im Schattenbilde jedoch musste etwas geschehen, das versinnbildlichte und sehr anschaulich darstellte, was dem großen Joseph zustieß. Getötet durfte er nicht werden, wie sein großes Urbild, aber im Schattenbilde konnte es zur anschaulichen Darstellung kommen: sie nehmen ihn, begraben ihn sozusagen bei lebendigem Leibe, und dann wird er wieder herausgezogen. Das Begrabenwerden und Auferstehen machte er bildlich durch. Nach seiner Auferstehung kommt er nach Ägypten und wird ein großer Mann und darf sich setzen zur Rechten der Majestät in der Höhe.

Das alles kommt in so kostbarer Weise zur Ausführung. Da sehen wir wie deutlich bis ins Einzelne hinein Gott Seine Musterform zu bilden versteht. Da fehlt auch nicht ein einziger Zug, der wichtig und wesentlich wäre, zu erkennen Seine großen und reichen Liebegedanken gegen den, den Er geliebt hat über alle Seine Brüder. Dass Er Ihn lieber hat, denn alle Seine Brüder, sehen wir daran, dass Er der Eingeborne, geliebte Sohn des Vaters ist und bleibt.

Josef wird verkauft

Seine Brüder warfen nun nach Rubens Vorschlag Joseph in eine Zisterne, und sie setzen sich nieder, um Brot zu essen (1Mo 37:25). Das bringen Josephs Brüder bis auf den heutigen Tag noch fertig. Es erinnert an das Bild von den ehrwürdigen Herren unter dem Galgen. Noch heute können sich die Brüder vorm Hause niedersetzen und fröhlich sein, nachdem sie ihren Bruder kaltblütig in die Grube gelegt haben.

Da sehen sie eine Karawane nahen und es entsteht in Juda der Gedanke, den Bruder zu verkaufen (1Mo 37:25-27). Als die Brüder dem zustimmen, muss er nun in die Hände der ismaelitischen Kaufleute fallen. Auch das ist nötig; denn auch sie sollen mit dem Großen Joseph in Berührung kommen, in den Bereich Seiner Liebe, wenngleich sie keine Erkenntnis haben. Auch ein Ismael wird sein Heil erfahren, denn die Schafe Kedars und Widder Nebajots werden auf Seinen Altar kommen (Jes 61:7), als ein angenehmes Opfer für den Herrn. So wird Joseph denn diesen Ismaeliten verkauft von seinen eignen Brüdern um zwanzig Silberlinge (1Mo 37:28).

Nur zehn Silberlinge mehr hat man bezahlt für den großen Joseph. Ein noch junger Sklave galt nicht mehr; ein erwachsener galt dreißig Silberlinge. Auch dieser Zug darf nicht fehlen im Bilde.

Joseph also wird von den Brüdern verkauft. Als Ruben zurückkam, ist Joseph aus der Grube verschwunden. Da gerät er in große Aufregung (1Mo 37:30); denn er musste sich als Erstgeborner verantwortlich wissen für das Leben Josephs. Der Erstgeborne hat eine hohe Aufgabe in der Familie. Das klingt überall durch im AT. Bei allem schändlichen, was wir von Ruben wissen, sind diese Züge doch dazu angetan, freundlicher von ihm zu denken.

Nun aber begehen die Söhne Jakobs einen niederträchtigen Streich. Nicht genug damit, dass sie den Bruder verkauft haben um zwanzig Silberlinge, täuschen sie den Vater in der grausamsten Weise. Wiewohl sie wissen, dass Joseph lebt, gehen sie mit Vorbedacht darauf aus, den Vater zu belügen. Sie schlachten einen Ziegenbock, tunken Josephs Rock in das Blut und schicken den blutgetränkten Rock zu ihrem Vater (1Mo 37:31.32), um ihm begreiflich zu machen, der Bruder sei zerrissen, tot.

Es ist erschütternd, wie deutlich sich da widerspiegelt das Verhalten des Hauses Jakobs bis heute gegen ihren Bruder Joseph, von Dem sie wissen könnten, dass Er lebt, denn ein toter Sohn Jakobs würde niemals eine solche Bedeutung erlangt haben. Dennoch wollen sie es nicht wahr haben, dass Er lebt. Gott sei Dank, dass Totsagen nicht heißt Totmachen. Er lebt! – trotz der Brüder, die so schmählich an ihm gehandelt haben, indem sie den totsagen, der doch lebt, und der im Begriff war, den Thron in Ägyptenland zu besteigen.

Achtunddreißigstes Kapitel

Aber nun kommt eine schmerzliche Unterbrechung. Von Ruben wurden im vorigen Kapitel erfreuliche Dinge erzählt. Nun aber berichtet uns dieses Kapitel schmerzliche, anstößige Dinge von Juda.

Juda bedeutet im Hause Jakobs die Herrschaft; im Segen Jakobs wird sie ihm zugesprochen, die eigentlich Teil des Erstgebornen sein sollte, Ruben wäre der berufene Führer und Herrscher des ganzen Hauses Jakobs gewesen, das hat er aber verscherzt. Simeon und Levi ebenfalls (1Mo 49:5-7); auch sie können nicht Führer sein; sie werden verurteilt, zerstreut zu wohnen unter den Brüdern.

Die Kinder Levis bekamen kein eigentliches Erbteil im Lande. Sie wurden beauftragt mit dem Dienste am Heiligtum, den eigentlich alle Erstgebornen des Hauses Jakobs hätten verrichten sollen. Es war im gewissen Sinne eine Anerkennung der nächsten Anwartschaft auf den priesterlichen Dienst.

Auch hier sehen wir Gericht und Segen gepaart. Das Dienendürfen ist ein Segen, aber die Herrschaft geht ihnen verloren. Und so geht sie auf den vierten Sohn, Juda, über. Ihm wird verheißen, dass sie ihm nicht entwendet werde, bis der Fürst kommt, Dem sie gebührt (1Mo 49:10).

Juda und Tamar

Von diesem Juda wird nun in unserem Kapitel berichtet, wie er mit großer Ungerechtigkeit gehandelt hat, indem er sich an seiner Schwiegertochter versündigte.

Es ist ja bekannt, dass nach damaligen Brauch, der späteren sogenannten Leviratsehe, ein gesetzmäßiges Weib, deren Mann ohne Erben gestorben war, das Recht hatte ihrem ersten Manne durch einen jüngeren Bruder Samen zu erwecken. Auf diesen gesetzmäßigen Brauch bezogen sich die Pharisäer in ihrem Schulbeispiel von den sieben Männern, die e i n Weib hatten, indem sie an unseren Herrn die Frage richteten: „Wessen Weib wird sie nun sein nach der Auferstehung?“ (Mt 22:28). Damit glaubten sie ihn gefangen zu haben. Der Herr aber sagt ihnen, dass die Söhne der Auferstehung einen geschlechtlichen Umgang nicht mehr kennen.

Tamar war ein berechtigtes Weib, wiewohl sie nicht aus der Verwandtschaft Abrahams stammte. Damit ist auch die Frage beantwortet: Woher nahmen die Söhne Jakobs ihre Weiber? Hier sehen wir (1Mo 38:2), dass Juda Schuahs Tochter, die Tochter eines Kanaiters zum Weibe hatte. Und auch Thamar, das Weib seines Erstgebornen, Er, wird als wirkliche Tochter Israels und als Schwiegertochter anerkannt (1Mo 38:6). Dieser Er aber war böse vor dem Herrn und so ließ Er ihn sterben. Onan weigert sich seinem Bruder Samen zu erwecken und auch er muss sterben (1Mo 38:8-10).

Als Juda ihr nun als dem gesetzmäßigen Weibe seines dritten Sohnes Selas diesen dritten Sohn verweigert (1Mo 38:14), will Tamar sich selber helfen, zu ihrem Rechte zu kommen, indem sie sich ihrem Schwiegervater aussetzt am Wege (1Mo 38:12-18). Als sie später aber Frucht bringt von Juda dem Herrscher, ist er so verblendet gegen seine eigne Schwiegertochter, dass er sie verbrennen will (1Mo 38:24). Als sie ihm aber Ring, Schnur und Stab, das ihm abgeforderte Pfand, zuschickt, wird seine eigne Sünde und Schuld offenbar (1Mo 38:25,26).

Was nun von besonderer Bedeutung ist: liegt nicht eine köstliche Unterweisung in dem Umstande, dass gerade der Name eines solchen Weibes, das uns hier unter so unschönen Begleiterscheinungen geschildert ist, sich in dem Geschlechtsregister unseres Herrn befindet (Mt 1:3)?

Sie, die von Juda gedrängt wird, als Hure zur Pflichtehe zu gelangen, von der ihm die beiden Söhne Perez und Serech geboren wurden, -- erscheint in der Ahnenreihe unseres Herrn! Und dann noch weiter Rahab, Ruth und Bathseba, das Weib des Urias (Mt 1:3,6)!

Rahab war eine wirkliche Hure, und auch weil sie den Verbannten Jerichos angehörte, hätte sie nie in die Gemeinde Gottes aufgenommen werden dürfen – wie kommt sie in dieses Geschlechtsregister?

Moab war ein Sohn, gezeugt aus der Blutschande Lots mit seinen Töchtern. Dennoch stammt aus Moab die Ahnfrau Davids und damit auch die unseres Herrn. Und Bathseba, Urias Weib, mit der sich David verging!

Wir stehen da vor Dingen, die predigen ganz wunderbare Geheimnisse Gottes. Ich habe schon bei einem früheren Kapitel gesagt, dass ich danken gelernt habe auch für das Unschöne solcher Kapitel, die von vielen in missverstandener Schamhaftigkeit hinweggewünscht werden aus der Schrift, und die sie am liebsten ausmerzen, beseitigen möchten, weil sie sich ihrer schämen.

Tiefen der Weisheit und Erbarmung Gottes tun sich uns auf, wenn wir sehen, dass Persönlichkeiten, die aus tiefster menschlichen Entsittlichung stammen, aus Blutschande, öffentlichem Dirnenwesen, hineingezogen werden in den Bereich göttlicher Gnade, und dass Sich Gott auch diese unserm Urteil nach hässlichsten Erscheinungen in der Menschheit, -- denn für unser Denken gibt es nichts Abscheulicheres als ein gefallenes Weib – dienstbar gemacht hat für Offenbarung unseres herrlichen Gottes.

Damit wird die Sünde nicht gestattet, bewilligt, nicht zur Unsünde gemacht; sie wird nicht entschuldigt, gerechtfertigt, bekommt nicht ein schönes Gesicht. Wir spüren vielmehr eine heilige Keuschheit auch in diesen Kapiteln. Wir sehen, dass auch die tiefsten Tiefen der Verlorenheit und Verkommenheit für die Hand Gottes nicht zu tief sind, als dass Er da nicht hineingreifen könnte, um Herrlichkeit zu erzeugen.

Daran wollen wir denken bei Namen wie Thamar und Rahab, die auch hineingehören in die Geschlechtstafel unseres Heilandes, der gekommen ist zu suchen das Verlorene, bis dass Er es f i n d e t .

Lies weiter:
15. Josef in Ägypten (1Mo 39-41)