Gott geht mit Israels sittlichem Verderben ins Gericht - Jes 57:1-13

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aus HSA: Verkündiger von Gericht und Heil nach Jesaja (40-66) Bd.2


Gott geht mit Israels sittlichem Verderben ins Gericht - Jes 57:1-13

Man wundert sich, dass auf die trostreichen Kapitel Jes 54 und Jes 55 der scharfen Worte von Jes 56:9 und Jes 57:13 folgen; doch es ist eben typisch für den Propheten Jesaja, dass immer wieder - wie es weiter oben schon gesagt wurde - Gnadenverheißung und Gerichtsdrohung, Anklage und Zuspruch in rascher Folge wechseln.

Man nimmt an, dass Jesaja in Jes 57:1-13 die Zeit des gottlosen Königs Manasse vor Augen hat, der der Thronfolger seines frommen Vaters Hiskia war und 55 Jahre in Jerusalem regierte. "Er tat, was böse war in den Augen Jahwes, nach den Gräueln der Nationen, die Jahwe vor den Söhnen Isrels vertrieben hatte." (2Kö 21:1.2). Jesaja hat also durchaus nicht überall die Zeit des Exils, die babylonische Gefangenschaft der Juden, vor Augen. Hier blickt er offensichtlich im Geiste Gottes in die vorexilische Zeit ninein, und die Anfänge dessen, was er hier beschreibt, mag er selbst noch miterlebt haben. (Andere meinen, die Verschleppten hätten im Exil die hier geschilderten Sünden begangen.) Israel wird ab Jes 57:3 als ehbrecherisches Weib dargestellt (wie auch in Jer 3:5-9 - Hes 16 - Hes 23 - Hos 1-3 u.a.). Worin bestanden seine Sünden im Einzelnen? Man verehrte Bäume und Steine; "interessante Steine wurden zu einer Art 'Steinfetische' gemacht" (E. König); heidnischen Göttern brachte man Speiseopfer und Trankopfer und sogar Menschenopfer dar; Kinder wurden geschlachtet, Ehebruch und Unzucht fanden im wörtlichen wie auch im übertragenen Sinne statt; man ließ sich mit Totengeistern und Wahrsagegeistern ein (Jes 57:3 und Jes 57:9 - vgl. 2Kö 21:6); man bemühte sich um die Gunst eines fremden Königs (Jes 57:9), hier mag Assur oder Ägypten gemeint sein.

Die Verse Jes 57:1.2 kann man so verstehen: "Der Gerechte wird dem Gericht, welches bei solchem Verderben nicht ausbleiben kann, durch frühen Tod entrissen" (Delitzsch); er wird vor dem hereinbrechenden Strafgericht weggenommen (vgl. 2Kö 22:20). Er darf im Frieden ruhen, wogegen die Gottlosen, die auf Jahwes Wort nicht hören wollen, keinen Frieden haben (Jes 48:22 - Jes 57:21).

Die Sünde beginnt immer damit, dass man in seinem Herzen nicht nach Gott fragt oder sich sogar bewusst von ihm abwendet; man fürchtet den Ewigen nicht und hört nicht auf ihn (Jes 57:11); unter dieser Voraussetzung haben gottlose Gedanken und verführerische Mächte leichtes Spiel.

Auch in der heutigen Zeit und Welt nimmt die Sünde in erschreckendem Maße überhand. Man sündigt nicht nur heimlich, sondern dreist und offen und rühmt sich gar noch seiner Sünden! Die Verführung der Jugend hat erschreckende Ausmaße angenommen. Schuld daran sind nicht in erster Linie die Verführten, sondern verführerische Medien (voller Lustreiz und Gewaltszenen) sowie viele Eltern, die nicht erziehen und warnen, sondern alles tolerieren, weil sie das für die wahre Liebe halten. Und die Kirchen? Nur wenige Verkündiger wagen es noch, Gesetz und Evangelium, Gottes Ordnungen und Warnungen und verheißungen in der Bindung an Gottes Wort klar zu bezeugen. - Das Gericht über eine zügellose Völkerwelt und eine entartete Christenheit kann nicht ausbleiben, sowenig wie Gottes Gericht seinerzeit Israel und Juda verschonte. Man kann nur mit Habakuk den Hernn bitten: "Im Zorn gedenke des Erbarmens!" (Hab 3:2).

Es ist tröstlich, dass unser so ernster Text mit einer herzlichen Einladung der Liebe Gottes endet: "Wer aber bei mir sich birgt (zu mir seine Zuflucht nimmt), wird das Land erben und meinen heiligen Berg besitzen." Ja, Gott vergisst sein Erbarmen nicht. Er erfüllt seine Heilsverheißungen an denen, die gläubig vertrauend zu ihm kommen. Israels war das heilige Land verheißen worden sowie Gottes Nähe und Herrschaft vom Zionsberg aus; die Gemeinde aber ist sogar gesegnet "mit jeder geistlichen Segnung in himmlischen Bereichen" (Eph 1:3). Darum wollen wir in unserm Herrn und Haupt uns bergen.