Gedanken zur Offenbarung Jesu Christi

Aus Bibelwissen
Wechseln zu: Navigation, Suche

Aus dem Zweimonatsheft für gläubige Schriftforscher:
"Das prophetische Wort"
Begründet von Professor E. F. Ströter

Herausgegeben von Heinrich Schaedel
Maranatha-Verlag, Klosterlausnitz i. Thür.
1920

Siehe weitere Abschriften

Gedanken zur Offenbarung Jesu Christi

von B. Haake

Geschichtliche Betrachtung

Der Apostel Paulus schreibt 1Thes 5:20: „Die Weissagung verachtet nicht.“ Die Christen der ersten Jahrhunderte taten das nicht. Sie lebten und sonnten sich in den seligsten Zukunftshoffnungen. Sie waren dessen gewiss, dass der Heiland über alle weltlichen Reiche und dämonischen Mächte siegen, und seine endgültige Herrschaft über die ganze Bewohnerschaft der Erde aufrichten werde. Und aus dem Buch der Offenbarung zog diese Gewissheit stetig neue Nahrung. Unter der Glut der Bedrückungen, Verfolgungen, Hinschlachtungen der Christen und sonstiger unaufhörlicher Kriege, sowie unter dem zunehmenden Druck wirtschaftlicher und politischer Nöte, wurde ihre Vorstellungskraft immer wieder erhitzt, so dass dieses Buch dieser Zeit wie angepasst erschien, und das Lesen und Nachdenken über seine schaurigen und erhebenden Gesichte ihnen eine so überaus nötige Stärkung und Tröstung brachte. Aus der bösen, schlechten Welt erlöst und in das Friedensreich des Herrn versetzt zu werden, war den Christen in der Verfolgungszeit sehnlichstes Verlangen. Was sie in der Offenbarung lasen, bezogen sie ohne Frage auf ihre Zeit. In dem Babylon der Mutter der Hurerei (Abgötterei) und Gräuel, trunken vom Blut der Heiligen, sahen sie ohne weiteres das blutdürstige heidnische Rom. Im Tier aus dem Abgrund mit seiner tödlichen Wunde und seinem Zahlzeichen erblickten sie Nero, dessen Wiederkunft „alle Welt“ erwartete, und das: "Siehe ich komme bald“ , bezogen sie auf den kurz bevorstehenden Umsturz der Gewalt Roms und die Friedensherrschaft des Herrn. Auch heute noch gibt es Vertreter dieser Anschauung, die man als die zeitgeschichtliche Auffassung der Offenbarung bezeichnet.

Kirchengeschichtliche Betrachtung

Als aber Anfang des vierten Jahrhunderts das Christentum zur Staatsreligion geworden war, verlor die Hoffnung für die im Welt- und Wohlleben sich behaglich fühlenden Christen, die sich von diesem Buch keine Buße und Heiligung predigen lassen wollten, ihren Reiz. Die Frömmigkeit flüchtete hinter Klostermauern. Hier aber, und in manchen Kreisen außer ihnen und im Mittelalter bis zur Neuzeit fanden sich ständig Gemüter, die über die Verderbnis der (katholischen) Kirche klagend, ihre Verfolgungssucht den „Ketzern“ gegenüber verdammend, unter den nicht endenden Kriegen seufzend, nunmehr in dem päpstlichen Rom das Babylon der Offenbarung schauten. Die sich so anbahnende kirchengeschichtliche Auffassung der Offenbarung fand im vorigen Jahrhundert ihre festere Gestaltung und vorläufige Krönung durch die Gründung einiger Kirchen, die sich selbstverständlich als im Mittelpunkt der Offenbarung stehend wähnen, und von diesem Gesichtspunkt aus in manchmal recht naiver, manchmal sehr gezwungener, gewalttätiger Weise die einzelnen Gesichte des Buches auf bestimmte kirchliche oder weltliche Ereignisse festlegen wollten. Sie seien der „Zweig, der saftig wird“ (Mt 24:32), die 144 000 Versiegelten auf Zion Offb 7:4; Offb 14:1-3, denen der Rettungsruf an alle Menschen, das ewige Evangelium Offb 14:6 anvertraut sei; wer ihnen nicht zufalle, trage das „Malzeichen des Tieres“ Offb 13:16.17; Offb 14:9-11 an sich und werde verdammt oder vernichtet. Nur sie würden die Segnungen des tausendjährigen Friedensreiches auf der neuen Erde genießen.

Endgeschichtliche Auffassung

Neben diesen beiden hat sich, vornehmlich in den letzten Jahrzehnten, eine dritte Auffassung gemeldet, und sich nach und nach kräftig geltend gemacht, die man die endzeitliche Auffassung nennt. Sie ist gepaart mit einer anderen als der landläufigen Beurteilung und Bewerbung der Gemeine Jesu Christi und Israels. Die Gemeine Jesu Christi sieht sie, auf Grund von Schriftworten aus dem NT, als Einschub in die Volksgeschichte Israels an. In der Offenbarung findet sie mindestens von Offb 4 ab, wenn nicht gar schon von Anfang an, also in diesem Fall einschließlich der sieben Sendschreiben, die Endgeschichte Israels, d. h. des alten, ungläubigen, gottlosen Israels, deren Abschluss der Anfang des neuen, gläubigen, wiedergeborenen Israels sein wird. Die Gemeine Jesu Christi sieht sie mit Offb 4:1 oder gar vor Offb 1:1 als zum Herrn „zur Versammlung mit ihm“ 2Thes 2:1 entrückt an, dem sie auf seinem Wege niederwärts zur Erde, und zur Aufrichtung seines Königtums über Israel, und in der Folge über die ganze Menschheit entgegengeführt wird. Alle in der Offenbarung berichteten Gesichte betrachtet sie als in schneller Folge und beschränkter Zeit (Kürze) eintretende Gerichtsurteile Gottes über die gottlose Welt, veranschaulicht in dem alten und wiederum neu erstandenen Babylon Offb 17 und Offb 18; an denen Israel als das Haus Gottes 1Petr 4:17, versinnbildlicht in dem Sonnenweibe Offb 12, seinen herbsten Anteil haben wird, weil es zur Ausreifung eines ein für allemal geretteten gläubigen Israels, als Träger erfolgreichster Weltmission, kommen soll.

Der Haupteinwurf gegen diese endgeschichtliche Auffassung, die Offenbarung mache doch den Eindruck, als ob ihre Erfüllung in Kürze (tachos - Schnelligkeit, kein Zeit-, sondern Geschwindigkeitsmesser) und nicht erst nach 2000 Jahren eintreten würde, kann mit dem weiter oben schon berührten Hinweis entkräftet werden, dass die Gemeine Jesu Christi nur ein Einschub sei, über den die Propheten des AT und auch die jüdische Urgemeinde im Unklaren gelassen worden war, um dem ungläubig gewordenen Israel die Abwälzung ihrer eigenen Schuld auf das Konto des Ratschlusses Gottes unmöglich zu machen. Gott hat Israels Verstockung gewollt (Mt 13:15, und zwar uns zugut, die wir Glieder des Leibes Jesu Christi werden sollten. Denn wenn Israel sich sofort bekehrt hätte, wäre für die Ausführung des den Propheten verschwiegenen, von Gott gefassten Ratschlusses, kein Raum gewesen und wir wären um unsere wunderbare Vorrangstellung gekommen. Hier trifft beides, des Menschen Wille und Gottes Vorsatz, trefflich zusammen. Was aber in der Offenbarung geschrieben ist, wird einmal den gläubig werdenden Israeliten und den Geretteten aus den Nationen zur ganz besonderen Stärkung und Tröstung dienen, die in der Offenbarung ihre Geschichte finden werden.

Der Tag des Herrn

Für uns ist die Offenbarung nicht, wie manche behaupten ein jüdisches, nur leicht christlich überarbeitetes Buch; auch nicht eine von einem christlichen Stubengelehrten entworfene, und geschickt vorgenommene Gruppierung jüdischer Zukunftserwartungen, vom Standpunkt christlicher Hoffnungen und Vorstellungen aus geschrieben. Für uns ist sie ein durch Gottes Geist eingegebenes, gottgezeugtes Buch, das den anderen Schriften des NT gleichwertig zur Seite gestellt ist. Gott hat seinem Knecht Johannes durch Gesichte und Reden Einblicke in die Zukunft, in die letzte Zeit gewährt, die mit der Wiederkunft des Herrn aufs engste verbunden ist. Das Buch führt unsere Blicke in jene Zeit hinein, in der der Herr in Gericht und Gnade seinen ewigen Ratschluss, die durch das Blut des Lammes Gottes so teuer erkaufte Schöpfung endgültig zu erlösen, verwirklichen wird, indem er sie zunächst seinem geliebten Sohn als ihrem Haupt unterordnet und endlich, nach kurzer und letzter Unterbrechung, ihrer gottgewollten Bestimmung entgegenführt, so dass sie alsdann geworden sein wird, was ihr von Anfang an zugedacht, bis dahin aber durch Satans Ränke, und dem von ihm betörten falschen menschlichen Denken verhindert worden war. Diese letzte Zeit ist der Tag des Herrn Offb 1:10, der Tag der Abrechnung Gottes mit der gottlosen Welt, der Tag,da der jahrtausendelange Streit, ob Gott oder Satan, Himmel oder Hölle siegen sollte, ein für allemal zugunsten des Herrn Jesu Christi entschieden werden wird. An diesem Tag war Johannes im Geiste, nicht an einem „Sonntag“, den man viel, viel später erst irrtümlicherweise zum Tag des Herrn gestempelt hat, und ebenso wenig an einem Sonnabend als dem Sabbat, der nirgends in der Schrift "Tag des Herrn" genannt wird.

Über diesen Tag des Herrn hatte die Schrift des AT so überaus Ernstes und Schweres ausgesagt. Von Jes 2:12 und Jes 13:6.9 an lesen wir in vielen Stellen, dass es ein Tag glühenden, überfließenden Zornes Gottes sei, an dem er den Stolz des Menschen beugen, die Erde mit dem Stab seines Mundes schlagen und mit dem Odem seiner Lippen den Gottlosen töten werde. Es sei der Tag der Ernte Jahwes Joe 4:12-16, an dem er die Kelter des Zornes Gottes treten werde Jes 63:1-9; Offb 14:15-20. Die Nationen werden zu dem furchtbaren ihrer harrenden Gericht, das ihnen von dem gerechten Gott bereitet wird, geladen werden Ob 1:15; Joe 4:14-17; Zeph 1:7; Sach 12:1-4.9; Sach 14:2.9. Angst und Entsetzen werde sie erfassen über dem, was sie zu erwarten haben Lk 21:25.26. Es ist der große Tag des Zornes Gottes Offb 6:15-17, die Tage der Rache, von denen geschrieben steht Jes 61:1.2; Jes 34:8; Jer 50:28; Jer 51:11; Ps 149:7-9; Lk 21:22. Kein Fels und Berg werde vor ihm schützen; kein Schimmer von Verschonung und Errettung werde bleiben Am 5:18-20; Zeph 1:14-17; Offb 6:15-17; Nah 1:2-6; Jes 24:19-23. Am großen und furchtbaren Tage des Herrn wird der Rechtsstreit mit den Gottlosen, den Nationen Hes 20:2.3; Lk 21:24, denen, die nach Ps 2 sich gegen Gott und seinen Gesalbten endgültig erheben wollen, zu fürchterlichster Schärfe und siegreichem Austrag getrieben werden. Das Völkergericht von Mt 25:31ff wird stattfinden, nachdem Israel schon jahrtausendelang unter dem Gerichtsvollzug der Verstoßung in die äußerste Finsternis gestanden, und entsetzliche Pein gelitten hatte, und es durch vorausgehende schwere, und dennoch überaus gnädige Heimsuchung Gottes für seine Erlösung empfänglich und reif gemacht worden sein wird Lk 21:24; Jes 61:2.4. Dieser Tag des Herrn kann nur durch die Wiederkunft und den Sieg dessen enden, dem sich alle Knie beugen werden Phil 2:10.11 und dem die Krone gebührt Hes 21:31.32. An dem Tage wird nur ein Jahwe sein und sein Name nur einer Sach 14:9.

Was Johannes schauen durfte

Johannes, dem treuen Zeugen Jesu Christi, der nach Patmos gehen musste, um die Worte der Weissagung zu empfangen, wurden Lichtblicke in Einzelheiten der Vorkommnisse an diesem Tag des Herrn gewährt; daher die Einführung: „Offenbarung Jesu Christi“, nicht des Johannes, wie in unsern Bibeln die Überschrift lautet, d. h. Enthüllung dessen, was sich vor, bei und nach der Wiederkunft des Herrn in sichtbarer Leiblichkeit, jedoch in großer Kraft und Herrlichkeit, zutragen wird. Wie die Offenbarung der Kinder Gottes Röm 8:19 die ganze Herrlichkeit ihrer Sohnschaftsstellung entschleiern, und wie die Offenbarung des Boshaften 2Thes 2:8 des Menschen der Sünde sein höllisches Wesen enthüllen, und unleugbar offenkundig machen wird, so wird die Offenbarung Jesu Christi nichts anderes bedeuten können als sein persönliches Hervortreten in die Sichtbarkeit, seine allen Widerstand überwindende persönliche Wirksamkeit auf dieser Erde, seinen endgültigen Sieg über alle Gottesfeindschaft, seine ihm von Urzeiten her zugedachte Krönung Hes 21:31.32 und seine wunderbare Erhöhung zum Haupt des Alls Eph 1:10.22; Phil 2:9-11. Um dieser vor ihm liegenden Freude willen erduldete er die Schande, die Schmach, das Kreuz Hebr 12:2. Weil er sein Erbgut erkauft, erlöst hat Kol 1:20, darum hat Gott ihm diese Offenbarung gegeben Offb 1:1, die ihn ausweisen wird als den König der Könige und Herrn der Herren Offb 19:16. Was Johannes schauen durfte, ist in treuem Zusammenklang mit den vielen Stellen des AT, deren wichtigste oben genannt worden sind.

Wollen wir eine göttliche, nicht menschlich erdachte Auslegung suchen, um vor Wahnvorstellung, träumerischen Einfällen und launenhafter Willkür bewahrt zu bleiben, so wird uns nichts anderes übrig bleiben, als stetig auf die früheren Schriften der teuren Bibel, insbesondere auf die Schriften des AT zurückzugreifen. Auch dabei werden Fehlgriffe nicht ausbleiben, weil alles Menschliche Stückwerk ist; jeder Versuch nach dieser Richtung hin mag ein Beitrag werden, die nachfolgende Auslegung klarer, richtiger, fasslicher zu machen. Endlich wird die Zeit kommen, da volles Verständnis der Weissagung eintreten wird. (Dan 12:4)

Verbunden mit mancherlei Aussagen betreffs der Wiederkunft des Herrn im NT ist die Ankündigung einer weltweiten Mission Mt 24:14; Offb 14:6. Wir wollen hier vorerst absehen von einer Erörterung dessen, was das Evangelium vom Reich und das ewige Evangelium bedeutet, und in welchem Verhältnis beide zu dem Evangelium Gottes und Christi stehen mögen, die wir im NT, sonderlich in den Briefen des Paulus finden. Lassen wir es zunächst gelten, dass es sich in allen diesen Schriftstellen nur um ein und dasselbe Evangelium handeln solle. Ist es nicht seltsam, dass in der christlichen Kirche der Gedanke fast allgemein Geltung gewinnen konnte, ehe unser Herr Jesus Christus wiederkommen werde, müsse die ganze Welt bekehrt, ganz Afrika, Indien, China für Christum gewonnen worden sein? Seltsam, sagen wir, weil Paulus unzweideutig erklärt hat, der Tag des Herrn werde erst dann kommen, wenn der Abfall ein- und der Mensch der Sünde aufgetreten sei 2Thes 2:2.3! Nicht wenn die Welt gut genug für Christus ist, wird der Herr erscheinen, nicht etwa nur um Europa oder die verderbte Kirche in Europa, sondern um die ganze Schöpfung zum Schlachtfeld zu machen.

Das Evangelium der Jetztzeit wird in aller Welt verkündigt, die zerstreuten Kinder Gottes Joh 11:52 zur Einheit des Leibes Christi zu sammeln Joh 17:20-23; Eph 4:12-16. Sind sie zur Versammlung zu ihm beschieden, dann wird das Evangelium der Sammlung Israels Mt 24:31; Offb 18:4 zum Königtum Jesu Christi mächtig und wirksam erschallen Hes 39:27-29; und dann wird auch noch in letzter Stunde allen Völkern, Stämmen, Zungen und Sprachen eine Errettung angeboten Offb 14:6.7 mit einer sehr einfachen, andersartigen Heilskunde, mit der gegenwärtigen verglichen. Sie alle aber stehen auf dem einen unbeweglichen Grund der Erlösung am Kreuz, und sie alle haben das Ziel, Menschen für Gott zu werben, wenn auch für verschiedene Stellungen, Aufgaben und Bedeutungen.

Die Wiederkunft Jesu Christi

Hinsichtlich des Tages des Herrn, also der Wiederkunft Jesu Christi, halten wir uns durchaus an sein Wort gebunden, dass Zeit und Stunde dafür zwar der Vater in seiner eigenen Machtvollkommenheit festgesetzt hat, dass es aber nicht unsere Sache ist, sie zu wissen Apg 1:7; Mt 24:36. Keine Auslegungskunststückchen sollen uns beirren, davon abzuweichen. Ein ganzer wüster Trümmerhaufen bedeckt den langen, langen Weg der Bibelauslegung, die im irrenden, frommen Eifer, trotz des Verbots unseres scheidenden Meisters, Berechnung um Berechnung anzustellen gewagt hat. Wie schon oben bemerkt, sind „Kirchen“ gegründet worden, die sich fast ausschließlich dem Ziel gewidmet haben, die Wiederkunft des Herrn herbeizuführen, für die sie bestimmte Zeitpunkte errechnet hatten, und ihr wiederholt erlebtes Zuschandenwerden ihrer erklügelten Zeitlisten hat sie nicht ihres Irrtums zu überführen, und auf den Weg keuscher Beobachtung der Worte des Herrn zu verweisen vermocht. Alle diese Verfehlungen gegen ein klares Wort des Herrn werden von der „alten Schlange“ sicher als ein Mittel ausgenützt werden, die Bibel endlich ganz um ihre Glaubwürdigkeit zu bringen Lk 18:8. Die Gemeine Jesu Christi wird alsdann nicht mehr auf Erden sein, und was sich noch Kirche nennen wird, ist so aufgeklärt und vernünftig geworden, dass die Vorstellung von der Wiederkunft Christi als Märlein belacht werden muss, wie es die ungezählten, sämtlich verschiedenen und als offenkundig falsch erwiesenen Berechnungen unwiderleglich gezeigt hätten 2Petr 3:3.4.

Doch nicht nur vor dem Weg der Berechnung wollen wir uns hüten, sondern auch vor dem Weg, die Offenbarung kirchengeschichtlich deuten zu wollen. Denn wenn der Tag des Herrn, wie oben dargelegt, zukünftig ist, kann auch seine Offenbarung, d. h. die Enthüllung der mit ihm verbundenen Geschehnisse nicht schon in den 18 bis 19 Jahrhunderten der Vergangenheit vor sich gegangen sein, womit aber nicht geleugnet werden soll, dass manche zukünftigen Dinge schon in vergangenen Ereignissen vorabgeschattet sein mögen. Eine Berechnung und Festlegung einzelner Vorgänge der Offenbarung auf gewisse geschichtliche Ereignisse der Vergangenheit ist dem unmöglich, der die Angabe des Johannes „Ich war im Geist am Tag des Herrn“ so nimmt, wie die Ausdrücke des AT es erfordern. Ein schlichter Leser wird aus dem Buch sicher nicht den Eindruck gewinnen, es handelt sich in ihm um eine Geschichte von Jahrtausenden. Doch wollen wir darauf kein großes Gewicht legen, wohl aber wollen wir mit Nachdruck darauf hinweisen, dass auch die Verheißungen des AT betreffs des ersten Kommens Christi erst nach Jahrhunderten, ja nach Jahrtausenden in Erfüllung gegangen sind. Außerdem deutet das Buch selbst an, dass ein wesentlicher Teil von ihm in dem kurzen Zeitraum von zweimal 3 1/2 Jahren verlaufen werde Offb 11:3; Offb 13:5, womit Stellen im Buch Daniel in Einklang stehen. Erst gegen Ende der Offenbarung wird ein Zeitraum von tausend Jahren nochmals ausdrücklich erwähnt Offb 20:4-7. Dass auch sie schon ganz oder teilweise in der Vergangenheit liegen sollten, wird heute nicht mehr ernsthaft behauptet werden, wenngleich Anstrengungen, das Königreich Jesu Christi aufzurichten, nicht selten gemacht worden sind, und man bis vor kurzem in vielen Kreisen der frohen Hoffnung lebte, die Evangelisation baue das Königreich Gottes.

Die Gemeine Jesu Christi

Wir leben im Zeitalter der Gemeine Jesu Christi. Der Herr ruft durch sein Wort und Geist auf dem Weg geordneten Dienstes aus den Völkern, ein Volk au seinen Namen heraus Apg 15:14. Die Herausgerufenen nennt er seine Auserwählten, Heiligen und Geliebten. Diese Herausrufung ist vor Grundlegung der Welt von Gott in Christo Jesu aus Liebe beschlossen worden (Eph 1:4.5; Apg 13:48. Aber Gott hat diesen wunderbaren Ratschluss, sein Geheimnis, seinen Knechten, den Propheten, denen er sonst seinen Willen kundtat, verschwiegen Röm 16:25. Erst dem Apostel Paulus ist dies Geheimnis offenbart worden, und durch ihn und nach ihm den neutestamentlichen Propheten und den zwölf Aposteln Eph 3:2-11. Wohl durften Israels Propheten verkünden, dass Gott nach Wiederherstellung und Erneuerung seines Volkes auch die Nationen in Gnaden annehmen und segnen werde, um der Zusage an seinen geliebten Knecht Abraham willen. Aber dass der Herr eine gewaltige Unterbrechung der Geschichte seines Erstlingsvolkes eintreten lassen, und sein Volk um Jahrtausende zurückstellen werde, während der die Gemeine Christi, der Leib des Herrn, zubereitet werden sollte, blieb ihnen verborgen. Unser Herr hat die neue Ordnung der Verhältnisse in dem Ausspruch angedeutet: Die Letzten werden die Ersten sein, und die Ersten die Letzten sein Mt 20:16, wie das in gewissen geschichtlichen Ereignissen, in Israel sinnbildlich dargetan worden ist. (z. B. Jakob vor Esau, Ephraim vor Manasse); und in den Gleichnissen von den Tischgenossen Abrahams, Isaaks und Jakobs, vom Morgen und vom Abend, von Mitternacht und von MIttag her, während die Reichsgenossen hinausgestoßen seien Lk 13:28.29, von dem Sitzen des armen Lazarus im Schoße Abrahams, während der Reiche in der Hölle Pein litt Lk 16:21.29.32 - Gleichnisse, die alle denselben Gegenstand behandeln.

Nunmehr muss erst die Gemeine Jesu Christi, die Auswahl aus den Völkern, ihre Vollzahl Röm 11:25 vollendet sein, ehe der Herr es wieder mit seinem Bundesvolk aufnehmen wird. Während Israel in äußerster Finsternis sitzt, leuchtet uns die Gnadensonne so überaus licht und schön. Ist aber so die Zeit der Gemeine Jesu Christi etwas Verschwiegenes, von Menschen nichts Vorhergesehenes gewesen, so kann diese Zeit schon darum nicht berechnet werden; und wir dürfen mit Fug und Recht sagen, die Gemeine hat keinen Kalender. Für sie gilt als Maßstab nur Vollzahl und Vollwuchs der Glieder Christi. Ist beides erreicht, hat sie der Herr zu sich beschieden, so beginnt aufs neue Israels Geschichte, und damit tritt Gottes Zeitrechnung, gemäß Angaben im Buch Daniel und der Offenbarung, in Kraft.

Wohin gehört die Offenbarung?

Damit ist auch die Frage beantwortet, wem die Offenbarung gelte. In erster Linie seinen Knechten, Israel, in der letzten Zeit. Zwar werden alle Leser, Hörer und Bewahrer der Worte dieses Buches gesegnet sein Offb 1:3; Offb 22:7, hauptsächlich aber gilt das Buch seinem beiseitegesetzten und dennoch geliebten Volk der Wahl der Gnade, denn Gottes Gnadenzusagen und Berufungen sind unwiderruflich Röm 11:29. Ihm ist in dem Buch außerordentlich viel gesagt zu Trost, Ermutigung und Kraft zum Ausharren und zur Überwindung. Es stehen ihm noch herbe Tage der Drangsale und Not, eine Zeit ernster Sichtung und Heimsuchung, des Schmelzens und der Läuterung bevor, wie es der Herr in seiner Wiederkunftsrede angekündigt hat, ehe es ihm jubelnd sein Hosianna zurufen wird Mt 23:39. Da wir so angeleitet, und daher gewöhnt worden sind, „uns“, und uns allein, in der Schrift zu finden, ist es uns fast völlig entgangen, dass Jahwe noch Großes und Gutes mit seinem Volk vorhat, und es klingt so ganz unglaublich, dass an Israels Wiederannahme die Rettung der gerichteten Völkerwelt gebunden ist.

Das Buch der Offenbarung ist nach Inhalt und Ausdruck so jüdisch geschrieben, dass Theologen es überhaupt für eine jüdische, nur christlich überarbeitete Schrift erklärt haben, finden sich doch in ihm einige hundert Bezugsnahmen auf das Alte Testament. Nachdem die Gemeine gesammelt, vollendet und von der Erde heimgeholt sein wird, beginnt die Sammlung Israels durch Gott, die aber um jeden Preis von Satan und seinen Helfershelfern verhindert werden soll. Von den hierbei entstehenden Verwicklungen und Kämpfen erzählt uns die Offenbarung. Beendet werden sie durch das Eingreifen des Herrn, womit die Erlösung Israels und Jerusalems (Lk 21:28; Lk 2:28; Lk 21:24), beginnt, die Zeiten der Wiederherstellung, gemäß dem Angebot des Petrus an sein Volk Apg 3:19.21.

Was aber diesem aufgeschreckten, heimgesuchten, auf Herz und Nieren geprüften Volk in der Zeit der höchsten Not zum Heil und Segen werden soll, wird auch uns Stärkung und Hilfe in Zeiten des Jammers und Herzeleids, den gegenwärtigen gleichend, bringen dürfen, wie es schon oft der Fall gewesen ist. Das sei denen zur Beruhigung gesagt, die sich durch unsere Darlegungen etwas als beraubt ansehen möchten. Jede Schrift, gottgehaucht, ist nütze zur Lehre, zur Bestrafung, zur Besserung, zur Erziehung in der Gerechtigkeit, auf dass der Mensch Gottes sei vollkommen, zu jedem guten Werk geschickt 2Tim 3:16. So dürfen auch wir die Offenbarung daraufhin ansehen, was sie uns zu sagen hat, wenngleich die Glieder des Leibes Christi, die Gläubigen der Jetztzeit, zu jener Zeit nicht mehr auf Erden sein werden. Sie will jedoch auch eine große, eindringliche Warnung für Leichtfertige, Sinnliche, Gottentremdete, Gottfeindliche sein; denn wenn der Gerechte kaum errettet wird, wo wird der Gottlose und Sünder erscheinen? Alles muss ja erfüllt werden, was geschrieben steht; aber der Herr will nicht, dass jemand verloren werde, sondern dass jedermann Raum zur Buße fände 2Petr 3:9.

Das Ende unserer Kultur

Die Offenbarung zeigt uns eine stufenweise Entwicklung. Doch erfolgt dieser Fortschritt nicht von innen her, deutlich wird gezeigt, wie er von unten und von oben her geleitet wird. Nicht eine natürliche Entwicklung geht vor sich, sondern eine höchst unnatürliche, d. h. übernatürliche; dämonische und göttliche Mächte greifen ein, treiben an und führen endlich den furchtbarsten Zusammenstoß in der Menschheitsgeschichte herbei, wobei aller Menschenwitz und Dünkel gründlich Schiffbruch leidet. So wird dann endlich der Welt, nicht als gepriesene Kulturtat, sondern als herrliche Gottestat, zunächst die köstliche tausendjährige Friedenszeit, nach der sich die Nationen aller Zeiten sehnten, und, nach kurzer Unterbrechung in göttlich-natürlicher Folge, die endgültige Neuordnung der Menschheit beschert werden, in der fortschreitenden Genesung der Nationen auf der neuen Erde und unter einem neuen Himmel Tatsache sein wird.

Jetzt schon kommt uns ein Schauer an, wenn wir daran denken, wohin unsere Kultur geführt hat, namentlich in unsern furchtbaren Weltkriegen und seinen Folgeerscheinungen; welches Entsetzen wird aber einmal viele Gemüter über den letzten Ausgang dieser Kultur erfassen. Eine völlig von Gott losgesagte Ps 2:1.2, in tiefste geistliche Nacht versunkene Mt 25:6, das Glaubens bare Lk 18:8 Menschheit, beherrscht von dämonischen Mächten; eine Menschheit, stolz auf ihre Demokratie (sogar in der Kirche Offb 3:14: Laodizea - Kirche der Volksrechte), plötzlich von zehn Königen und deren grausamem Oberhaupt im Menschen der Sünde, dem Antichristus, unterworfen; eine in üppigster Sinnlichkeit und Weltseligkeit aufgehende Menschheit, dem Wahn lebend, sich selbst göttlich genug zu sein, um einen persönlichen Gott entbehren zu können, und plötzlich unterjocht von einem Menschen, der sie zwingt, ihn selbst als Gott anzubeten; eine Menschheit, im Irrtum befangen, sie schaffe für die Ewigkeit, und plötzlich vor die Entdeckung gestellt, dass sie nur für das Feuer des göttlichen Gerichts gearbeitet hat Jer 51:58; Jes 13:9-11 - wahrlich, ein entsetzliches Erwachen wird ihr beschieden sein! Die als letzten Schluss der Weisheit so geräuschvoll gepriesene Entwicklung ließ ungemein Großartiges, Herrliches erwarten und nun ein solch grässlicher Zusammenbruch, ein solch völliger Bankrott des menschlichen Denkens, Wollens und Könnens! Die durch menschliche Gelehrsamkeit an eine langsame, folgerichtige, ununterbrochene, sichere Entwicklung zu höherem und besserem Dasein gewöhnte Menschheit so plötzlich von einem unglaublichen, ungeheuren Untergang mit Schrecken, vor einem unmöglichen, schauerlichen Weltende! Nur einen Retter aus diesem Elend gibt es, und den flieht sie! Doch Gott führt durch, was er sich vorgenommen, und endlich wird es heißen: Siehe, ich mache alles neu!

Nicht Vorwitz, Neugier, Geheimniskrämerei oder geistliche Naschsucht triebt uns, über die letzten Dinge nachzusinnen. Die Offenbarung ist „gegeben“, nicht damit sie ungelesen bleibe, sondern dass sie gelesen, gehört und bewahrt werde. Wenn der Vater etwas sagt, sollten seine Söhne und Töchter es für der Mühe wert halten, es gründlich kennenzulernen! Dafür seien auch diese Zeilen geschrieben. Möge dieses köstliche Buch in den christlichen Gemeinden und Familien wieder zu Ehren kommen! Den Gottlosen und Unbekehrten aber mögen seine Warnungen und Drohungen zu ihrem Heil in die Ohren gellen!

So glühend auch einst die gläubigen Israeliten die Wiederkunft Jesu auf diese Erde herbeisehnen und erflehen werden, so innig auch wir in den Ruf einstimmen: „Komme bald, Herr Jesu!“ - wir Gläubige aus den Nationen haben sie nicht zu erwarten, sondern das Kommen des Herrn zur Heimholung seiner bluterkauften Gemeine, nicht an Zeitumstände und Zeitereignisse gebunden; sie kann daher jederzeit erfolgen. Nicht immer sollen wir im Reformations- (Verbesserungs-) Zeitalter bleiben; es naht ein herrliches Transformations- (Verwandlungs-, Verklärungs-) Zeitalter, wo wir verwandelt Phil 3:21 dem Herrn entgegengerückt werden sollen. Darauf wollen wir unsere Blicke richten und, weil wir solche Hoffnung haben, uns reinigen, gleichwie er rein ist 1Jo 3:3. Wir wollen zu denen zählen, die seine Erscheinung liebgewonnen haben 2Tim 4:8, nicht aber zu denen, die sich bei seiner Ankunft beschämt von ihm abwenden müssen 1Jo 2:28.

Lies auch:
Gottes Krieg und Friedensschluss mit Israel (B. Haake) (1921)