Freudenerwartung trotz Niedergeschlagenheit

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Von Daniel Muhl

Einführung

Der kurze Psalm 43 zeigt uns mit ganz wenigen Worten das grosse Spannungsfeld zwischen Freudenerwartung und Niedergeschlagenheit auf. Er zeigt uns die grosse Diskrepanz zwischen dem Glauben an die Verheissungen Gottes und der Welterfahrung. Die Welterfahrung ist vielfach etwas anderes als das, was wir aus Glauben erwarten. Im Hebräerbrief wird dies mit anderen Worten formuliert:

  • ELB Hebr 11:1 - Der Glaube aber ist eine Verwirklichung dessen, was man hofft (w. erwartet), ein Überführtsein von Dingen, die man nicht sieht.

Wie aus vielen biblischen Berichten deutlich wird, geht es nicht nur um das Sehen, sondern auch um das Fühlen. Unsere Erlebnisse in dieser Welt verursachen in uns oft Gefühle und Erfahrungen, die diametral dem entgegen gesetzt sind, was wir durch den Glauben erwarten.
Gerade auch in diesem Psalm wird uns ganz eindrücklich vor Augen geführt, wie der Autor gefühlsmässig am Abgrund steht, aber gleichzeitig vollständig aus Glauben lebt.

Der Bibeltext

Elberfelder-Übersetzung DaBhaR-Übersetzung
ELB Ps 43:1 Schaffe mir Recht (o. richte mich), o Gott, und führe meinen Rechtsstreit mit der gnadenlosen Nation! Vom Mann des Betrugs und des Unrechts errette mich DBR Ps 43:1 Richtige mich, ÄLoHIM, und hadere (o. streite) meinen Hader (o. Streit) aus einer nichthuldigen Nation! Weg vom Mann des Trugs und des Argen machst du mich entrinnen.
ELB Ps 43:2 Denn du bist der Gott meiner Zuflucht. Warum hast du mich verworfen ? Warum muß ich trauernd einhergehen, bedrückt durch den Feind ? DBR Ps 43:2 Denn du bist der ÄLoHIM meiner Umstärkung. Warum hast du mich ausgeschlossen, warum wandle ich als Verdüsterter infolge der Unterdrückung des Feindes?
ELB Ps 43:3 Sende dein Licht und deine Wahrheit; sie sollen mich leiten, mich bringen zu deinem heiligen Berg und zu deinen Wohnungen. DBR Ps 43:3 Sende dein Licht und deine Wahrheit; sie, sie leiten mich, sie bringen mich zum Berg deines Heiligen und zu deinen Wohnungen.
ELB Ps 43:4 So werde ich kommen zum Altar Gottes, zum Gott meiner Jubelfreude, und werde dich preisen auf der Zither, Gott, mein Gott! DBR Ps 43:4 Und ich will kommen zum Altar ÄLoHIMs, zum EL der Freude meines Frohlockens, und ich werde dir danken mit der Harfe, ÄLoHIM, mein ÄLoHIM!
ELB Ps 43:5 Was bist du so aufgelöst, meine Seele, und was stöhnst du in mir? Harre auf Gott, denn ich werde ihn noch preisen, das Heil meines Angesichts und meinen Gott. DBR Ps 43:5 Was wirfst du dich nieder, meine Seele, und was tumultest du auf mir? Warte zu ÄLoHIM!, denn ich werde ihm noch danken, ihm, der die Rettung meines Angesichts und mein ÄLoHIM.


Recht inmitten der Gnadenlosigkeit und des Betrugs

In Vers 1 stellt der Psalmist bei seinem Volk einen Zustand der Grausamkeit und des Unrechts fest. Das ist seine Welterfahrung und bei etlichen Propheten hat sich diese Erfahrung ein Leben lang kaum verändert. Hält ein solches Erleben längere Zeit an, dann wird die Seele mürbe, dann kommt es zu einer ganz grossen Niedergeschlagenheit. Die Erfahrung zeigt keine Wiederherstellung des Rechts. Es breitet sich das Gefühl der Sinnlosigkeit aus und nicht Wenige haben den Eindruck, dass Gott nur zuschaut und gar nichts unternimmt.
Der Psalmist bittet nun seinen Gott, ihm Recht zu verschaffen (o. ihn zu richten). Das hebräische Wort shaphat wird vorwiegend mit "richten" übersetzt. Für uns ist der Begriff "Richten", ein "Verurteilen" oder "Aburteilen" einer Person oder einer Sache. Aus dem Kontext dieses Verses wird jedoch deutlich, dass shaphat auch ein "Recht verschaffen" oder eine "Wiederherstellung des Rechts" beinhaltet.
Der Psalmist sehnt sich nach Richtigstellung dieses frustrierenden Zustandes. Es ist also sehr naheliegend, dass der Autor dieses Textes sich eine "Wiederherstellung des Rechts", in Bezug auf seine Person, wünschte. Da dieser hebräische Begriff an den meisten Stellen mit "richten" übersetzt wird, darf man auch die Tatsache erkennen, dass überall da, wo Gott richtet, auch das Recht wieder hergestellt wird.
Das "richte mich" an dieser Stelle sollte vielleicht nicht nur als ein "verschaffe mir Recht" interpretiert werden, sondern auch als ein "bringe du mich zurecht". Obwohl Hiob als Unschuldiger leiden musste, löste sein Leiden in ihm doch sehr wertvolle Lernprozesse aus. Vieles konnte er nach seinen Leiden von einer ganz anderen Seite her sehen. Gott hat dadurch seine Ausrichtung optimiert. Wenn wir uns also in Gerichtszeiten befinden, bekommen auch wir auch eine bessere Ausrichtung, werden "gerichtigt" und bekommen den "letzten Schliff". Obwohl eine Gerichtszeit vielleicht in erster Linie für ein abtrünniges Volk bestimmt ist, so werden doch die Heiligen in diesem Volk auch optimal "ausgerichtet". An der Gerichtszeit, während des zweiten Weltkrieges, hatte Dietrich Bonhoeffer wohl kaum eine Schuld, weil er unter anderem auch ein feuriger Gegner des Naziregimes war. Und doch brachte ihn diese schwere Gerichtszeit noch näher zu Gott und sein Vertrauen durfte stetig wachsen, obwohl seine Situation immer bedrohlicher wurde. Dietrich Bonhoeffer wurde von Gott optimal ausgerichtet.
Vielleicht dachte hier der Psalmist auch an Solches, als er schrieb: "Richte mich, Gott!" Auch wenn der Psalmist hier vielleicht mehr an das "Recht verschaffen" dachte, so wäre es durchaus möglich, dass hier der Heilige Geist auch das optimale "Richtigen" oder "Ausrichten" hineinlegen wollte.

Der Kampf des Psalmisten

Der Autor dieses Liedes lag in einem nervenaufreibenden Streit. Offensichtlich erlebte er sehr viele Anfeindungen und diese setzten ihm stark zu. Er wurde mit Männern des Unrechts und des Betrugs konfrontiert und das inmitten einer gnadenlosen Nation. Wenn dann ein solcher Zustand noch zum Dauerzustand wird, dann setzt zwangsläufig eine Ermüdung und eine seelische Erschöpfung ein, die nicht selten in einer handfesten Depression endet.
Im Glauben bittet der Psalmist, dass Gott seinen Streit führen möge. Er sagt nicht, "hilf mir im Streit", sondern "führe meinen Rechtsstreit!"
Der Psalmist hofft auf eine Rettung von Seiten Gottes. Er vertraut nicht auf einen Freund, auf seine Beziehungen oder auf einen Rechtsanwalt, sondern nur auf seinen Gott!

Der Gott der Stärke

Es wird deutlich: der Gott Israels ist ein Gott der Stärke. In ihm ist die Stärke, die alles vermag!

  • KNT Eph 1:17-21 - daß der Gott unseres Herrn Jesus Christus, der Vater der Herrlichkeit, euch geistliche Weisheit {wörtl.: Geist der Weisheit} und geistliche Enthüllung {wörtl.: Geist der Enthüllung} zur Erkenntnis Seiner Selbst gebe 18 (nachdem die Augen eures Herzens erleuchtet wurden), damit ihr wißt, was das Erwartungsgut Seiner Berufung ist, was der Reichtum der Herrlichkeit Seines Losteils inmitten der Heiligen, 19 was die alles übersteigende Größe Seiner Kraft ist (für uns, die wir glauben), gemäß der Wirksamkeit der Gewalt Seiner Stärke, 20 die in Christus gewirkt hat, als Er Ihn aus den Toten auferweckte und Ihn zu Seiner Rechten inmitten der Überhimmlischen setzte, 21 hocherhaben über jede Fürstlichkeit und Obrigkeit, Macht und Herrschaft, auch über jeden Namen, der nicht allein in diesem Äon, sondern auch in dem zukünftigen genannt wird.

"Der Gott meiner Stärke" bedeutet aber nicht nur, dass er ein Gott der Stärke ist, sondern auch, dass er der Gott über meine Stärke ist. Er verfügt und bestimmt über meine Stärke.

Warum erlebe ich etwas anderes, als ich glaube?

Der Psalmist spricht in diesen 5 Versen ganz klare Glaubensbekenntnisse aus und bringt dadurch auch eine ganz grosse Gewissheit zum Ausdruck. Gleichzeitig fühlt er sich von Gott verworfen. Anders fühlen als glauben, ist wie "nicht schauen" und doch glauben.

  • Joh 20:29 - Jesus spricht zu ihm: Weil du mich gesehen hast, hast du geglaubt. Glückselig sind, die nicht gesehen und doch geglaubt haben!

Wir haben die Verheissung der Glückseligkeit wenn wir auf Gott vertrauen, trotz entgegengesetzter Welterfahrung. Wer glaubt ohne zu sehen, hat grösseren Glauben und erweist Gott die grössere Ehre und das hat eine besondere Glückseligkeit zur Folge.

Was der Psalmist benötigt, um ans Ziel zu gelangen

Der Liederdichter formuliert hier einen ganz entscheidenden Wunsch:

  • Ps 43:3 - Sende dein Licht und deine Wahrheit; sie sollen mich leiten, mich bringen zu deinem heiligen Berg und zu deinen Wohnungen.

Wer ist das Licht und die Wahrheit?

  • ELB Joh 14:6 - Jesus spricht zu ihm: Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben. Niemand kommt zum Vater als nur durch mich.
  • ELB Joh 8:12 - Jesus redete nun wieder zu ihnen und sprach: Ich bin das Licht der Welt; wer mir nachfolgt, wird nicht in der Finsternis wandeln, sondern wird das Licht des Lebens haben.

Gott hat seinen Sohn gesandt und dadurch auch das Licht und die Wahrheit. Nur göttliches Licht und Wahrheit führen ans Ziel und dadurch in den ewigen Wohnraum hinein.

  • ELB Joh 14:2 - Im Hause meines Vaters sind viele Wohnungen. Wenn es nicht so wäre, würde ich euch gesagt haben: Ich gehe hin, euch eine Stätte zu bereiten?
  • ELB Joh 14:23 - Jesus antwortete und sprach zu ihm: Wenn jemand mich liebt, so wird er mein Wort halten, und mein Vater wird ihn lieben, und wir werden zu ihm kommen und Wohnung bei ihm machen.

Der heilige Berg, der hier erwähnt ist, könnte das neue Jerusalem sein. Hören wir was Johannes berichtet:

  • Offb 21:10-16 - Und er führte mich im Geist hinweg auf einen großen und hohen Berg und zeigte mir die heilige Stadt Jerusalem, wie sie aus dem Himmel von Gott herabkam, 11 und sie hatte die Herrlichkeit Gottes. Ihr Lichtglanz war gleich einem sehr kostbaren Edelstein, wie ein kristallheller Jaspisstein; 12 und sie hatte eine große und hohe Mauer und hatte zwölf Tore und an den Toren zwölf Engel und Namen darauf geschrieben, welche die Namen der zwölf Stämme der Söhne Israels sind : 13 Nach Osten drei Tore und nach Norden drei Tore und nach Süden drei Tore und nach Westen drei Tore. 14 Und die Mauer der Stadt hatte zwölf Grundsteine und auf ihnen zwölf Namen der zwölf Apostel des Lammes. 15 Und der mit mir redete, hatte ein Maß, ein goldenes Rohr, um die Stadt und ihre Tore und ihre Mauer zu messen. 16 Und die Stadt ist viereckig angelegt, und ihre Länge ist so groß wie die Breite. Und er maß die Stadt mit dem Rohr auf 12000 Stadien; ihre Länge und Breite und Höhe sind gleich.

Allein das göttliche Licht und die Wahrheit in Person, führen ans Ziel. Wer dieses Licht des Geistes hat, kann sich zwar von Gott verworfen fühlen, aber trotzdem hat er den unerschütterlichen Glauben an das vollkommene Wirken Gottes. Genau so wie Jesus, als er rief:

  • Mk 15:34 - Eloí, Eloí, lemá sabachtháni? was übersetzt ist: Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?

Wo der Liederdichter sein möchte und was er tun möchte

Der Psalmist weiss, wo er hinkommen wird, wenn er in den Wohnungen Gottes sein wird:

  • Ps 43:4 - So werde ich kommen zum Altar Gottes, zum Gott meiner Jubelfreude, und werde dich preisen auf der Zither, Gott, mein Gott!

Der eigentliche Altar Gottes ist die Liebe Gottes. Gerade in Bezug auf den Altar macht Jesus die sehr interessante Bemerkung:

  • Mt 23:18-19 - Und: Wenn jemand bei dem Altar schwören wird, ist das nichts; wenn aber jemand bei der Gabe schwören wird, die auf ihm ist, so ist er gebunden. 19 Blinde! Was ist denn größer, die Gabe oder der Altar, der die Gabe heiligt?

Was aber ist grösser als das Opfer Jesu Christi? Nichts Geringeres als die Liebe Gottes; denn erst die Liebe Gottes hat das Opfer Jesu Christi auf Golgatha geheiligt. Deshalb schreibt auch Paulus:

  • 1Kor 13:3 - Und wenn ich alle meine Habe zur Speisung der Armen austeile und wenn ich meinen Leib hingebe, damit ich Ruhm gewinne, aber keine Liebe habe, so nützt es mir nichts.

Wer endgültig beim Gott der Liebe angekommen ist, ist auch in der Jubelfreude angekommen. Hier wird eine unbeschreibliche, nie endende Freude sein.

  • Joh 16:22 - Auch ihr nun habt jetzt zwar Traurigkeit; aber ich werde euch wiedersehen, und euer Herz wird sich freuen, und eure Freude nimmt niemand von euch.

Alles wird nur noch Licht, Liebe und Leben sein. Alles wird von Treue und Wahrheit durchflutet sein. Hier existiert immer eine Erwartung (1Kor 13:13), weil der Gott der Liebe immer wieder neue Dinge verheisst, die dann in Erfüllung gehen werden und die Erwartung sogar jedes Mal übertrifft.

Der eigenen Seele durch die Gewissheit der Rettung zusprechen

Durch die grosse Erwartung, die der Psalmist durch die Verheissungen Gottes haben durfte, konnte er seiner Seele zusprechen:

  • Ps 43:5 - Was bist du so aufgelöst, meine Seele, und was stöhnst du in mir? Harre auf Gott, denn ich werde ihn noch preisen, das Heil meines Angesichts und meinen Gott.

Weil sein Herz auf die Verheissungen Gottes vertraute, konnte auch sein eigener Geist der Seele zusprechen. Vielleicht durfte auch er einen ähnlichen Trost wie Paulus und Timotheus erleben:

  • 2Kor 1:3-5 - Gepriesen sei der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus, der Vater der Erbarmungen und Gott allen Trostes, 4 der uns tröstet in all unserer Bedrängnis, damit wir die trösten können, die in allerlei Bedrängnis sind, durch den Trost, mit dem wir selbst von Gott getröstet werden. 5 Denn wie die Leiden des Christus überreich auf uns kommen, so ist auch durch den Christus unser Trost überreich.

Wenn wir bedenken, dass auch die Seelen des Paulus und Timotheus unsagbare Nöte litten, dann darf ein solcher Text ein ganz grosses Licht sein. Paulus beschrieb ihre Nöte wie folgt:

  • 2Kor 1:8-11 - Denn wir wollen euch nicht in Unkenntnis lassen, Brüder, über unsere Bedrängnis, die uns in Asien widerfahren ist, daß wir übermäßig beschwert wurden, über Vermögen, so daß wir sogar am Leben verzweifelten. 9 Wir selbst aber hatten in uns selbst schon das Urteil des Todes erhalten, damit wir nicht auf uns selbst vertrauten, sondern auf Gott, der die Toten auferweckt. 10 Und der hat uns aus so großer Todesgefahr errettet und wird uns erretten; auf ihn hoffen wir, daß er uns auch ferner erretten werde; 11 wobei auch ihr durch das Gebet für uns mitwirkt, damit von vielen Personen für das uns verliehene Gnadengeschenk gedankt werde, durch viele für uns.

Wenn Paulus und Timotheus am Leben verzweifelten, dann zeigt uns das eine enorme Bedrängnis der Seelen. Doch in diese Verzweiflung wirkt der überreiche Trost Gottes hinein und bewirkt eine bleibende Freude im Herrn. Aber nicht nur das; sondern auch die kostbare Befähigung, andere in göttlicher Weise zu trösten.
Wenn Gott selbst tröstet, dann ist der Trost so wunderbar, dass der Getröstete sagen kann:

"Nur schon um dieses wunderbaren Trostes Willen, hat sich diese grosse Not gelohnt!"

Können wir uns so etwas vorstellen, können wir Solches glauben? Ist unser Gottesvertrauen schon so gewachsen, dass wir hier sagen können: "Jawohl, ich glaube das!"
Die Freudenerwartung, die der Herr uns schenkt, trägt durch alle Verzweiflung und Niedergeschlagenheit durch; sie hat durchtragenden Charakter! Dem Herrn sei von Herzen Dank, für diese und alle anderen Kostbarkeiten, die er uns geschenkt hat und noch schenken wird!

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Predigten und Wortdienste zu diesem Thema

Siehe auch

Literatur

Quellen

Weblinks